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mit. Leider muß Brandlegung angenommen werden; es ist auch bereits ein der Brandstiftung verdächtiger junger Mann in Untersuchungshaft.
Stuttgart, 11. Okt. Anläßlich deS" Geburtsfestes ihrer Majestät der Königin wurde gestern im Hoftheater zum ersten Male „Zäira* von P. V. de la Nux gegeben. J.J. Majestäten, der ganze Hof, die höchsten Staats- und Militairbeamten wohnten der Vorstellung, welche bei festlich beleuchteten Hause stattfand, bei. Die Aufführung selbst der Oper, deren Inhalt sich an Voltaire's gleichnamiges Drama anlehnt, nahm einen prächtigen Verlauf; die Mitwirkenden wurden der schweren Aufgabe, welche das Werk an sie stellt, vollauf gerecht. Der Sultan OrsSman war eine Glanzleistung des Hrn. Sommer, dessen herrliche Stimmmittel zu voller Entfaltung kamen. Auch die übrigen Mitwirkenden thaten ihr Bestes, um zum Gelingen des Ganzen beizutragen. Herr Hofkapellmsister Obrist dirigierte. Nach Schluß der Vorstellung wurde der Komponist, der der Aufführung beiwohnte, von J.J. Majestäten, welche im Nesidenzschloß Cercle hielten, empfangen. Die mitwirkenden Künstler und Musiker vereinigten sich im Hotel Viktoria zu einem gemütlichen Zusammensein, nachdem ihnen vorher im Foyer des Hoftheaters ein Punsch vom Komponisten offeriert worden war. Zu der Zusammenkunft im Hotel Viktoria war auch der Intendant Baron zu Putlitz mit dem Komponisten erschienen, der sich über die Aufführung seines Werkes in den anerkennendsten Ausdrücken äußerte.
Cannstatt, 6. Oktober. Aus Anlaß der 50jährigen Erinnerungsfeier der ersten württemberg- ischen Eisenbahn mögen folgende Reminiscenzen in Erinnerung gebracht werden, welche darthun, daß man nicht nur Hoffnungen, sondern auch Befürchtungen an die Einführung des neuen Verkehrsmittels knüpfte. Noch im April 1844 richteten die Bürger von Obertürkheim ein Gesuch an Se. Majestät den König Wilhelm um Abänderung des Eisenbahnprojekts, das durch ihren Ort führe, und dessen Absteckung einen großen Teil der Einwobner „mit banger Besorgnis und großer Bestürzung* erfülle. Und ein Landlagsabgeordneter konnte in der Kammer bei Beratung des Eisendahngesetzes sagen: „Obgleich ich überzeugt bin, daß der Bezirk, den zu vertreten ich die Ehre habe (Hall), nie eine Eisenbahn bekommen wird, stimme ich mit „Ja*, weil ich die Eisenbahnen nun einmal für ein notwendiges Uebel halte.* Damals glaubte man, Land- und Gastwirte, sämtliche Fuhrleute und verschiedene Handwerker müßten infolge dieser neuen Verkehrswege zu Grunde gehen. Alle aber, Wirte, Fuhrleute, Wagner, Schmiede, Seiler und Sattler existieren noch, und überdies finden Tausende von Personen beim Eisenbahnbetrieb ihr Unterkommen und ihren Verdienst.
Tübingen. In der Nacht vom 10. auf 11. d. M. wurde der Musketier Eisenmann der 10. Kompagnie bewußtlos und mit Blut bedeckt am Holzmarkt liegend aufgefunden. Sein Seitengewehr war ihm entrissen. Die angestellten Erhebungen haben zur Ermittelung des Thäters in der Person eines hiesigen Weingärtners geführt und ergeben, daß der Musketier ohne Veranlassung seinerseits überfallen und mißhandelt worden ist.
Horrheim, 10. Okt. Lese beendigt. Verkauf geht langsam. Heutige Preise 165 bis 175 p. 3 LI. Vorrat noch ca. 400 LI. Käufer willkommen.
Heilbronn, 8. Okt. In vergangener Nacht gesellten sich zu einem stark Betrunkenen 3 Begleiter, von denen der eine die Liebenswürdigkeit hatte den Betrunkenen unterwegs um seine Taschenuhr zu erleichtern. Der Thäter wurde entdeckt, von seinem Arbeitgeber alsbald entlassen, sodann von der Polizei festgenommen und an das kgl. Amtsgericht eingeliefert. — Die Herbstfeier auf der Cäcilienwiese und der Sonntag im allgemeinen hat wieder verschiedene Unannehmlichkeiten gezeitigt, welche die Folgen übermäßigen Trinkens sind. So wurde in vergangener Nacht ein 15 Jahre alter Malerlehrling in total betrunkenem Zustande durch Zivilpersonen nach der Polizeiwache verbracht, wobei er bei seiner Ernüchterung entdeckte, daß er eine Uhr verloren habe. - Ein anderer legte sich in betrunkenem Zustande zum Schlafe im Freien nieder und als er erwachte, vermißte er seine Uhr samt Geldbeutel. Auch eine Dame, die den Herbst besuchte, vermißte heute ihre
Uhr, die sie vorsichtshalber beim Verlassen der Cäcilienwiese in die Tasche steckte. Ob diese nun verloren ging oder im Gedränge gestohlen wurde, kann nicht ermittelt werden.
Heilbronn, 9. Okt. (Verschiedenes.) Gestern Abend wollte ein hies. Bierfuhrmann in der Nähe der Eisenbahnbrücke durchfahren. Vor einem heranbrausenden Zuge wurden die Pferde scheu. Der Kutscher, welcher die Pferde scharf anhalten wollte, kam mit denselben auf den Nebenweg. Dort ist aber ein Kind, ein Mädchen mit 10 Jahren unter die Pferde gekommen und wurde etwa 10 Meter geschleift, so daß es dadurch 3 nicht unerhebliche Verletzungen am Kopfe davongetragen hat. Ein Verschulden, soweit dies übersehen werden kann, trifft niemand. — Gestern früh wollte ein hiesiger Weingärtners Sohn, der sich aus einer alten Neiterpistole eine Kanone gearbeitet hatte, im Weinberg damit schießen. Leider ist aber das Schießwerkzeug zerplatzt und hat dem Weingartner eine nicht unerhebliche Verletzung am Kopfe beigebracht; es scheint daß sich alte Reiterpistolen nicht zu Kanonen eignen. — Gestern früh haben sich drei Arbeiter, welche miteinander eine Wohnung haben und dieselbe auch gemeinschaftlich verließen, bald darauf in der Allee derart vurchgeprügelt, daß der eine durch Messerstiche nicht unerhebliche Verletzungen davongetragcn hat.
Iesingen, 9. Okt. Vergangene Nacht brach in dem benachbarten Ohmden ein Brand aus, der das Anwesen des Bauern Ernst in Asche legte. Die Bewohner desselben konnten nur das nackte Leben retten. Bei der Flucht durchs Fenster verunglückte ein Sohn der Abgebrannten. Wie der Tckb. erfährt, sollen auch 300 M. zusammengespartes Milchgeld mitverbrannt sein. Die Unglücklichen sind nicht versichert. Die Entstehungsursache ist unbekannt.
Ravensburg, 7. Okt. Vor 3 Jahren war der ledige Dienstknecht Seitzer von Hussenhofen OA. Gmünd wegen Notzucht zu 3 Jahren Zuchthaus vom hies. Schwurgericht verurteilt worden, welche Strafe er vollständig abgebüßt hat. Seitzer, der stets seine Unschuld beteuert hatte, erwirkte in Folge sehr genächtigten neuen Beweismaterials die Wiederaufnahme seines Prozesses. Letzten Samstag wurde er nun freigesprochen, hat also 2 Jahre unschuldig im Zuchthaus sitzen müssen.
N Pforzheim, 10. Oktober. Der frühere Fabrikant Ernst Schüller, der vor einigen Jahren einen Schlaganfall erlitt, kam vorgestern von seinem Spaziergang nicht wieder nach Haus, gestern abend fand man ihn tot im Walde zwischen Haidach und Seehaus. Ein abermaliger Schlaganfall hatte seinem Leben ein Ende gemacht.
Köln, 10. Okt. Die „Köln. Volksztg." berichtet: Bei dem gestrigen Zusammensturz der Beck- mann'schen Spinnerei in Bocholt wurden vierzig Arbeiter unter den Trümmern begraben. Militär aus Wesel ist mit Extrazug eingetroffen. Bis heute früh waren zehn Tote und neun Verwundete geborgen. Zwanzig Vermißte dürsten tot sein.
Berlin, 3. Okt. Ein Stück Berliner Bau elend kam wiederum in einer Verhandlung zur Sprache, welche gestern vor der neunten Strafkammer des Landgerichts I stattfand. Der Polier Franz Wesenick und der Arbeiter Robert Steinfels hatten sich wegen Diebstahls zu verantworten. Sie hatten auf einem Neubau in der Lübbenerstraße gearbeitet; der Arbeitgeber war aber nicht im Stande, ihnen den Lohn zu zahlen. Wesenick hatte gegen 100, Steinfels gegen 60 zu fordern. Da sie das Geld zum Lebensunterhalt brauchten, griffen sie zur Selbsthilfe. In der Nacht zum 9. April holten sie aus dem Bau 227 Fensterflügel fort, die noch nicht eingesetzt waren. Die Fenster haben sie verpfändet, sich aber nur gegen 40 »-/ö darauf geben lassen, in die sie sich geteilt haben. In der Frühe des folgenden Morgens haben sie danrr selber der Polizei Anzeige gemacht. Als Zeuge trat der Fuhr- und Bauherr Wotschiowski auf. Er gab auf Befragen an, daß er das fragliche Grundstück für 48000 Mk. gekauft, aber nur 1000 Mk. angezahlt habe. Zu dieser Anzahlung habe er sich noch 600 Mk. geliehen. Der Vorsitzende hielt es für recht bezeichnend, daß man in Berlin mit einem Kapital von 400 Mark Bauunternehmer werden könne. — Der Staatsanwalt verkannte nicht, daß
den beiden Angeklagten Milverungsgründe im weitesten Umfange zur Seite stände«; er hielt aber einen Diebstahl für vorliegend und beantragte eine Gefängnisstrafe von je einem Tage. Der Gerichtshof kam zu einem freisprechenden Urteil. Wie aus der Anzeige hervorgehe, welche von den Angeklagten selbst bei der Polizei gemacht worden sei, hätten diese nicht das Bewußtsein von der Rechtswidrigkeit ihrer Handlungsweise gehabt.
Berlin, 10. Oktober. Wie die „Berliner Neuesten Nachrichten* hören, sind die Berichte über die Erfahrungen mit der zweijährigen Dienstzeit seitens der Truppenteile bei einigen Gencral-Commandos bereits zur Vorlage gelangt, denselben werden diejenigen über die 4. Bataillone Anfang November folgen. Während die Ersteren sich, wie verlautet, im Allgemeinen günstig über die erzielten formellen Resultate aussprechen, werden die Berichte über die vierten Bataillone voraussichtlich durchgängig sehr abfällig lauten.
Berlin, 10. Okt. Vor etwa 600 Personen sprach gestern abend Boeckel gegen die Stöcker- Versammlung der letzten Woche. Der Redner be- zeichnete Stöcker als Heuchler und Jnlriguanten. Hammerstein habe seine Briefe verkauft, um Geld zur Flucht zu haben; dies sei der ärgste Schlag der konservativen Partei. Die Versammlung nahm schließlich eine Resolution gegen das neue bürgerliche Gesetzbuch an.
Laibach, 9. Okt. Heute Nacht 12 Uhr 10 Minuten erfolgte ein unterirdisches Getöse, dem ein starker Erdstoß folgte. Im Laufe der Nacht bis zum Morgen wurden noch weitere, etwas längere Erdstöße verspürt.
Paris, 10. Okt. Gestern Abend ging hier das Gerücht, Fürst Bismarck sei plötzlich schwer erkrankt und gestern Abend gestorben. Wie die heutigen Morgenblätter melden, handelt es sich jedoch nur um eine plötzliche Erkältung des Fürsten.
Constantinopel, 10. Oktober. Die Pforte erhielt Meldung von neuerlichen Angriffen gegen die Armenier in Trapecunt. Die türkische Bevölkerung griff das armenische Viertel an und mißhandelte circa 200 Armenier. Die Truppen waren dem Pöbel gegenüber machtlos und mußten schließlich die Armenier verhaften, um sie vor weiteren Angriffen zu schützen.
Vermischtes.
— Je nach 3 Jahren werden die Seen im Schloßgarten in Stuttgart ausgefischt. Das Wasser wird nur von fetten Karpfen und noch fetteren Aalen ertragen. Das Ergebnis des Fanges war diesmal ein befriedigendes; Cannstatter Fischer bezahlten bis zu 40 ^ per Zentner. Es waren Tiere bis zu 12 Pfund. Bevor sie in die Küche und auf den Tisch gelangen können, müssen sie im frischen, womöglich fließenden Wasser eine Badekur von 3—8 Wochen durchmachen. Der See ist tief versumpft.
Der „heilige Heinrich*. Russische Blätter berichten über folgenden Vorfall, der sich vor einem Friedensrichter abgespielt hat. Ein Freund klagt über den andern, weil er die geliehene Summe von 50 Rubel nicht zurückerhalten kann. Bei der letzten Mahnung hatte der Schuldner geäußert, er werde die schuldige Summe am Tag des „heiligen Heinrich* (den man in Rußland nicht kennt) zahlen. Nun wurde er vom Freund verklagt. Der Friedensrichter fragte, ob der Schuldner die Aeußerung in Betreff des „heiligen Heinrich" wirklich gethan habe. Auf Bejahung hin ließ der Friedensrichter sich einen Kalender reichen und sagte dann mit größter Ruhe: in einigen Tagen haben wir den „Allerheiligentag*, unter ihnen müß also der „Heilige Heinrich* mit inbegriffen sein, folglich hat der Schuldner an diesem Tag unbedingt seinen Gläubiger, zu befriedigen.
Mißglückte Verteidigung. „Den Rentier Sanftheim halte ich für einen riesigen Esel.* — „Erlaube mal, auf den lasse ich nichts kommen, denn der hat mir ja neulich fünfzig Mark geliehen." — „Na, da siehst Du also doch, daß ich recht habe."
Gottesdienste
am 18. Sonntag nach Trinitatis, 13. Oktober.
Bom Turm: 11. Predigtlied: 412.
9'/, Uhr Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun.
1 Uhr Christenlehre mit den Töchtern. 2 Uhr Nachm.- Predigt: Herr Stadlpfarrer Schmid.
Das Opfer ist für den Kirchcnbau in Söflingen : bei Ulm bestimmt.