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weniger vom Siegcstaumel ergriffen wie seine Lands» leute und erkannte rückhaltloser die Thatsachen an. Als er am 3. August in die Stadt einrückte mit seinem Stabe und hier erfuhr, welches kleine Häuflein deutsche Truppen ihm entgegen gestanden, da wollte er es Anfangs nicht glauben, als ihm dies aber mit aller Bestimmtheit vom Bürgermeister versichert wurde, äußerte er wörtlich: „Nun, dann sagen Sie diesen Soldaten, daß ich jeden Einzelnen derselben für einen Helden erkläre!"
Das Bemerkenswerte in dem Gefecht bei Saarbrücken ist noch, daß Kaiser Napoleon aus Metz gegen Mittag des 2. August mit seinem Sohne Louis bei den französischen Truppen eingetroffen war. Der jugendliche Prinz, welcher einige Jahre später in englischen Diensten stehend, in Afrika von Zulukaffern überfallen und getötet wurde, soll eigenhändig eine Mitrailleuse losgefeuert und dadurch die Feuertaufe empfangen haben. Der Kaiser Napoleon berichtete in einer Depesche darüber nach Paris an die Kaiserin: „Louis hat die Feuertaufe empfangen und zeigte eine bewunderungswerte Kaltblütigkeit!"-
Inzwischen war nach und nach der Aufmarsch der deutschen Truppen erfolgt; mit einer Ordnung und Sicherheit vollzog sich der Transport der vielen Tausenden Krieger, daß schon daraus alle ängstlichen Gemüter Hoffnung schöpfen konnten und sich die Vermutung, als stehe Deutschland in der Kriegsbereitschaft hinter Frankreich zurück, als eine ganz leere erwies. Hierbei sei eine kleine Anekdote erwähnt, welche damals vom alten Moltke durch die deutschen Zeitungen verbreitet wurde: „Als er am 17. Juli 1870 in sein Bureau trat und man ihn wegen des in Aussicht stehenden Krieges mit besorgten Gesichtern ansah, in welchen deutlich zu lesen stand, daß man noch nicht alles vorbereitet hielt, da sagte der schweigsame Schlachtendenker ruhig zu seinem Adjutanten: „Zweites Schubfach rechter Hand!" Und was war dort zu finden ? Der ganze Feldzugsplan gegen Frankreich fix und fertig."
Am 4. August kam es zur ersten blutigen Schlacht bei Weißenburg, welche die dritte Armee, die unter dem Oberbefehl des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen stand, gewann. Zur dritten Armee gehörten: das V. Armeecorps (Niederschlesier und Posener), das XI. Armeecorps (Kurhessen, Nassauer, Thüringer), das I. und II. bayerische Corps und das combinierte württcmbergisch-badische Corps. Weißenburg bildete für das französische Heer gewissermaßen das Ausfallthor gegen Baden und Reinpfalz, daher war die ganze Linie und besonders der dahinter liegende Gaisberg stark befestigt, darum auch die Erstürmung des Gaisberges viel deutsches Blut gekostet hat. Es war ein heftiger Kampf, der am Morgen des 4. August um die alte Grenzstadt Weißenburg seinen Anfang nahm und erst Nachmittags in der fünften Stunde zur Entscheidung kam. Mit unerschütterlicher Hartnäckigkeit verteidigten die Franzosen ihre stark befestigten Positionen, immer neue Regimenter mußten gegen den nur Schritt für Schritt zurückweichenden Feind gesandt werden, aber der zähen Ausdauer der deutschen Truppen vermochten
»Ein Besuch kommt! Herr Gott, jetzt klingelt «S schon! Dabei bist Du nicht in Toilette, und weder Papa noch Fritz find daheim.'
„So wirst Du doch imstande sein, den Gast zu empfangen und ihm die Honneurs des Hauses zu machen,' erwiderte die Mutter, ohne die Hände aus dem Teig zu nehmen. ,Doch noch weiß ich ja nicht einmal, wer da kommt!'
„Ich errötete bis hinauf in die Stirn, und den Blick abwendend, antwortete ich: ,Es ist der neue Assessor, Herr Alfred Barner.'
„Der? — Kind, wie kommt denn der dazu, uns einen Besuch zu machen, da weder Papa noch ich irgendwo mit dem jungen Herrn zusammengetroffe» sind?'
„Ich reiste mit ihm, freilich nur während der letzten Meilen,' kam es zögernd über meine Lippen. Dann aber flog ich aus der Küche und dem Gaste entgegen.
Assessor Barner war ein weltgewandter Mann. Er verstand es, dem jungen, unerfahrenen Mädchen, das ihn mit ängstlichem Knix und glühenden Wangen in die ,gute Stube' nötigte, bald jede Angst und Verlegenheit zu nehmen. Es währte auch nicht lange, so plauderten wir so vertraut mit einander, als wenn wir uns schon fett Jahren gekannt hätten. Als er sich dann verabschiedete, erbat er sich die Erlaubnis, bald und oft wiederkommen zu dürfen."
„Und dann, Tante ?" fragte Guido, als die Erzählerin hier eine Pause machte, und schaute der Matrone in das aufgeregte Gesicht.
„Und dann! Ach, mein Kind, in wenigen Worten kann ich Dir sagen, was dann geschah, wie Betty sich plötzlich von mir zurückzog und der Assessor schon in vierzehn Tagen um meine Hand warb, trotzdem ich sozusagen nur ein armes Mädchen war. Aber ich will auch nicht schlechter vor Dir erscheinen, als ich in Wirklichkeit war. So laß Dir berichten, daß ich dem geliebten Mann nicht eher mein Jawort gab, als bis er mir erklärt hatte, Referendar Stein habe sich einen Scherz mit BettyS Bruder erlaubt. Denn in Wahrheit hätte er, Barner, nie daran gedacht, die Leine Lutter zu heiraten, obgleich sie eine Erbin sei und er nicht Anstand genommen habe, ihr zu offenbaren, daß sie ihm gefalle.
„So ward ich die Braut des Heißgeliebten, so sein Weib, trotzdem Dein Vater sich Betty« wegen auf daL energischste gegen meine Heirat auflehnte. Er war «S denn auch, welcher in dieser Zeit der armen Schwester seines Fremdes die
— da war es entschieden. — In wenig guter Ordnung, man konnte fast sagen in völliger Auflösung flüchtete das geschlagene Heer über Neichshofen westwärts, um sich erst hinter den Engpässen der Vogesen wieder zu sammeln. Ein Teil derselben wandte sich, in südlicher Richtung über Hagenau nach Straßburg und verbreitete dort Verwirrung und ihre Niederlage trug nicht wenig zu einer allgemeinen Entmutigung bei, als dann bald darauf die Deutschen vor der Festung erschienen um ihr durch Hinterlist und brutale Gewalt entrissenes Eigentum wieder zurück zu erkämpfen.
Der Verlust auf beiden Seiten in der Schlachb von Wörth war bedeutend. Die Deutschen hatten an. Toten und Verwundeten 489 Offiziere und über 10,000 Mann. Die Franzosen hatten 12000 Tote und Verwundete, auch verloren sie 9000 Gefangene' ferner fielen den Deutschen noch 28 Kanonen, ein Adler, vier Turkofahnen, fünf Mitrailleusen und eine Menge Waffen, Wagen und Pferde in die Hände ^ die Württemberger hatten eine französische Kriegskasse mit 360000 Francs erbeutet.
Wieder war durch die tapferen Truppen unter vorzüglicher Führung des Krcnprinzen Friedrich Wilhelm und die ihm zur Seite stehenden erprobten Feldherren ein glänzender Sieg errungen; das französische Heer war trotz seiner ausgezeichneten Stellung gänzlich geschlagen worden. Mac Mahon, der erste Feldherr Frankreichs war besiegt, der kriegerische Ruhm der Zuaoen und Turkos war vernichtet und in volkstümlichem Tone klang es in Deutschland von Mund zu Munde;
„Mac Mahon, Mac Mahon,
Fritze kommt und hat ihn schon!"
Der Berichterstatter einer deutschen Zeitung schildert die Eindrücke, welche er kurz nach der Schlacht beim Besuch des Schlachtfeldes empfangen, folgendermaßen :
„Soeben komme ich vom Schlachtfelde bei Wörth zurück, kaum fähig, die Feder sicher zu führen, in einer solchen Aufregung befinde ich mich. Was ist hier die kühnste Phantasie gegen die nackte Wahrheit?' Ein Nichts, ein erdä.mliches Nichts. Stellen Sie sich ein stundenlanges Terrain vor, welches mit Blut gedüngt ist; eine Blutlache neben der anderen; wohin das Auge auch sieht, es sieht Blut; die Füße gehen im Blute und der Geruch desselben wirkt so furchtbar, daß man jeden Augenblick einer Ohnmacht nahe ist; nur die Furcht, in eine der vielen Blutlachen zu fallen, hält die Menschen noch aufrecht. Und was- soll ich von den 4—5000 Toten sagen, die auf dein Schlachtfelds herumliegen! Schrecklich und Grauen erregend sind schon im Leben die Turkos, im Tode aber noch vielmehr; die entstellten Gesichtszüge, welche noch im Tode Rache zu brüten scheinen, — die hagern langen braunen Hände, welche krampfhaft geballt sind,
— der halbnackte Leib, welcher die klaffende Wunde zeigt. Dies alles formt sich zu Bildern der ekelsten Art. — Gleich schauerlich sind aber auch jene Tote,, welche von über sie weg reitenden Schwavronen zu einem einzigen großen Fleischklumpen geworden sind. Als ich mich anschickte, den Platz des Grauens
höchste Achtung und Teilnahme erwies. Indem er sich von mir grollend zurückzog, verbrachte er in Begleitung seiner Braut jede freie Stunde auf dem Rosenhof, nach welchem Betty Heinrich Lutter gefolgt war. Erst nach meiner Hochzeit vertrug sich Dein Vater wieder mit mir. Anders war es mit den Lutters. Die ganzem Familie blieb unversöhnlich. Sie schloß sich gegen jede Annäherung von meiner Seite auf das entschiedenste ab. Und während sie mit wahrer Aufopferung an Deinem Vater hing, zeigte sie meinen Eltern und mir die abstoßendste Kälte. Ja,, ich Habs B»t!y seit jenen Tagen nicht mehr gesprochen, kaum von fern gesehen,, trotzdem ich wiederholt an sie geschrieben und um Verzeihung gebeten habe. Jeder dieser Briefe aber ward mir von Fritz Lutt r uneröffnet zurückgeschickt und fiel wie ein Wermutstropfen in meine glückliche Ehe."
Die Mattone schwieg, und minutenlang herrschte peinliches Schweigen im Gemach. Dann richtete sich Frau Barner plötzlich wieder auf, und dem Neffen ihre Hand reichend, sagte sie:
„Begreifst Du es nun, daß mir davor bangt, Du könntest das Verlöbnis mit Hermine lösen, so wenig ich es auch begreifen konnte, daß Du gerade sie zu Deiner Gemahlin erwählt? Doch da kommt Clements wieder. Ich bitte Dich, kämpf« gegen den Zauber, welchen das Mädchen auf Dich übt; Du darfst nicht handeln, wie mein Gatte eS g than, und Du kannst es auch nicht!"
Ernster, bleicher noch als vorhin, war Clemence wieder in den Falten der Portiere erschienen. „Soeben sandte uns Onkel Gerhard BilletS zum Konzert im Raihausgarten." sagte sie. „Wünschen die Herrschaften Gebrauch davon zu machen?"
D e Rätin nickte. Sie war eine leidenschaftliche Musikfreundin, Guido aber zeigte einen leisen Zug von Verlegenheit. Erst jetzt fiel ibm wieder ein. daß er den Lutt rs ja versprochen, Tante Klara für den Abend nach dem Rosenhof zu laden. Ec verwünschte diesen Auftrag wie die Veranlassung zu demselben, konnte aber doch nicht anders, als auf die Worte des jungen Mädchens zu erwidern:
„Es kommt darauf an. wann das Konzert beginnt. Für den Abend muß ich nämlich wieder auf dem Rosenhof sein. Apropos, Tante," setzte er dann hinzu,, sich an die Rätin wendend, .ich vergaß ganz, Dir mitzuteilen, daß man mich beauftragt hat, Dich zum Souper zu Lutters zu laden." (Forts, folgt.)
die Franzosen nicht Stand zu Hallen, in regelloser Flucht lösten sich die französischen Truppen auf.
Dieser erste Sieg der deutschen Truppen war ein glänzender zu nennen, aber die Verluste waren deutscherseits auch sehr bedeutend, denn 91 Offiziere und 1460 Mann bedeckten als Tote oder Verwundete die Wahlstatt. Dafür war aber dieser erste Sieg auch für den wetteren Verlauf des Feldzuges von einschneidender Bedeutung. Noch größer waren die Verluste der Franzosen, welche außerdem viel Gefangene und Kriegsmaterial verloren. Der französische General Douai, welcher den Oberbefehl bei Weißenburg gehabt, war unter den Toten, aber nicht durch eine deutsche Kugel hatte er sein Leben ausgehaucht, sondern bei der Explosion einer Mitrailleuse. Kronprinz Friedrich Wilhelm, der Sieger von Weißenburg, verrichtete später an der Leiche des gefallenen tapferen französischen Generals ein stilles Gebet und wurde die Leiche desselben am 5. August mit allen militärischen Ehren beerdigt.
König Wilhelm telegraphierte nach Beendigung der Schlacht an die Königin Augusta nach Berlin:
„Unter Fritzens Augen heute einen glänzenden aber blutigen Sieg erfochten durch Erstürmung von Weißenburg und des dahinter liegenden Gaisberges. Unser 5. und 11. und 2. bayrische Armeccorps fochten.
Feind in Flucht, 500 unverwundete Gefangene, 1 Kanone und das Zeltlager in unseren Händen, Divisionsgeneral Douai todt. Von uns General von Kirchbach leicht gestreift.
Mein Regiment und 58er starke Verluste. Gott sei gepriesen für die erste glorreiche Waffenthat! Er helfe weiter.
Mainz, 4. August. Wilhelm."
Erregte dieser eiste Sieg allerorten in Deutschland den größten Jubel und war durch diese glänzende Waffenthat die Waffenbrüderschaft zwischen Preußen, Bayern und Württemberg besiegelt worden, so folgte derselben am 6. August eine neue, indem an diesem Tage dieselbe Armee bei Wörth einen neuen Sieg über Mac Mahon, Herzog von Magenta, den berühmten französischen Marschall errang.
Blutig war das Ringen an diesem Tags auf beiden Seiten, zudem waren hierbei alle Vorteile thatsächlich auf Seiten der Franzosen. Sie standen in gut gedeckten Linien oder hinter den Häusern'von Wörth und umliegenden Ortschaften, gut verschanzt, wozu sie genügend Zeit gehabt hatten, auch war ihr Chaffepotgewehr dem deutschen Zündnadelgewehr weit überlegen und konnten so die anstürmenden deutschen Truppen mit einem wahren Geschoßhagel überschütten, während sie selbst hinter ihren gedeckten Stellungen Anfangs weniger Verluste zu verzeichnen hatten. Doch mit wahrem Heldenmute stürmten die Preußen, Bayern und Schwaben vorwärts. Eine Ortschaft nach der andern, ein Haus nach dem andern wurde von ihnen erkämpft, Schritt für Schritt wichen die Franzosen zurück und als durch die Württemberger der letzte Stützpunkt der Franzosen, das auf einer Anhöhe liegende Dorf Froschweiler genommen worden war, von wo aus weithin das Schlachtfeld von den französischen Truppen beherrscht worden war