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mitischer Seite in den Theatersaal einberufenen Ver­sammlung, vor welcher der Reichstagsabgeordnete Prof. Dr. Förster einen Vortrag zu halten gedachte. Redakteur Bösenberg von Stuttgart eröffnete die Versammlung mit einem Hoch auf den Kaiser und einigen einleitenden Worten. Sodann sollte Förster sprechen. Aus der Versammlung heraus machte sich jedoch der Wunsch nach einer Bureauwahl laut. Förster und Bösenberg wollten eine solche nicht zugeben. Es wurden unter großer Unruhe allerhand Vorschläge gemacht, darunter auch der, den Landtagsabgeordneten Betz zum 1. und den Redakteur Bösenberg zum 3. Vorsitzenden zu wählen. Betz erklärte einen Vorsitz annehmen zu wollen, aber nur dann, wenn er nicht gezwungen sei, neben Büsenberg als dem 2. Vor­sitzenden die Geschäfte zu führen. Die Unruhe wuchs bis zum gewaltigen Lärm. Da man zu keinem Re­sultat kam, erklärte Förster die Versammlung für geschloffen, worauf ein Sozialdemokrat dieselbe für wiedereröffnet erklärte. Förster und Bösenberg ver­ließen den Saal. Der Vorsitz wurde dem G. R. Kittler übertragen. U. a. sprach in längerer Rede Bankier Gumbel. Am Schluffe der Versammlung wurde eine scharfe Resolution gegen den Antisemitis­mus angenommen.

Neresheim, 31. Juli. Der im Jahr 1890 als Steuerwächter hier stationiert gewesene seit 4'/- Jahren in Kamerun angestellte kais. Zollbeamte Clauß ist gestern dahier am Sumpfsieber gestorben. Clauß war schon im Norden von Kamerum auf einer Einzelstation erkrankt und deshalb zur Erholung hier bei seiner Familie.

Rosenfeld, 24. Juli. Gestern wurde hier das erste Kinderfest abgehalten. Der Stifter dieses Festes, ein reicher Amerikaner, gab vor einigen Jahren 35000 ^ zur Errichtung eines Kinderhauses und Kindergartens her, welche diesen Sommer noch zu bauen angefangen werden.

(IH. württ. Flaschner-Fach-Aus­stellung Ulm a. D-) Vom 10.20. August wird hier in Ulm die III. württ. Flaschner-Fach- Ausstellung abgehalten werden. Die Vorbereitungen für dieselbe werden bereits in vollem Umfange durch die verschiedenen Ausstellungskomitees getroffen und dürsten noch im Laufe dieser Woche in der Haupt­sache beendet werden, so daß im Laufe der nächsten Woche die Aufstellung der Ausstellungsgegenstände erfolgen kann. Als Ausstellungsraum dient die städt. Knabenturnhalle hinter dem Gymna­sium (Kasernenplatz), sowie zwei provisorische Hallen für Unterbringung der Maschinen, Motoren u. s. w. Es werden im Ganzen 100 Aussteller mit ca. 600 gm Platzbedürfnis vertreten sein, darunter die größten Firmen des Flaschnergewerbes und der mit demselben in Beziehung stehenden Fabrikationszweige. Aber auch aus den Kreisen der kleineren Handwerks­

meister wird sich eine namhafte Zahl an der Aus­stellung beteiligen. Dieselbe wird alle Erwartungen übertreffen, so daß ein getreues Bild der Leistungen des Spenglergewerbes geboten wird. Besonders zahl­reich sind die Maschinen und Motoren vertreten. Die Ausstellung selbst wird 12 Abteilungen erhalten. Die 1. Abteilung umfaßt die Rohmaterialien und Bleche, die 3. Abt. die Halbfabrikate, die 3. Abt. Maschinen und Werkzeuge, die 4. Abt. Biotoren. Die beiden letztgenannten Abteilungen dürsten wohl einen Haupt­anziehungspunkt der Ausstellung bilden. In der 5. Abt. sind Haushaltungs- und Wirtschaftsgegenstände ausgestellt, in Abt. 6 lakierte, vernickelte und Draht­waren, in Abt. 7 Kupfer-, Messing- und Broncewaren, in Abt. 8 Lampen und Beleuchtungsartikel, in Abt. 9 Gas- und Wafferleitungs- sowie Bauarrikel, in Abt. 10 Badeartikel, in Abt. 11 Farben und Diverses und in Abt. 12 Fachliteratur und Drucksachen. Be­sondere Beachtung verdient auch die mit der eigentlichen Ausstellung von Gesellen- und Lehrlingsarbeiten. Dir Prämierung erfolgt durch Medaillen nebst Diplomen. Mit der Ausstellung ist eine Lotterie verbunden. Die Eröffnung erfolgt am Samstag den 10. Aug. vor­mittags 10'/r Uhr durch den Ehrenpräsidenten Hrn. Oberbürgermeister Wagner von Ulm. Da während der Dauer der Ausstellung auch der süddeutsche Flaschner-Verbandstag und der Verbandstag des württ. Schutzvereins hier abgehalten werden, so wird es der Ausstellung gewiß nicht an Besuchern fehlen. Auch aus unserem Nachbarstaate Bayern dürften zahlreiche Ausstellungsbesucher eintreffen. Für Unterhaltung ist durch tägliche Konzerte, für die Bedürfnisse des Biagens durch eine Restauration gesorgt.

T Pforzheim, 1. Aug. (Selbstmord.) Vergiftet hat sich heute Vormittag ein 16 Jahre altes Fabriklehrmädchen, Tochter des Stadttaglöhners Sch. hier. Dieselbe war zwei Tage und zwei Nächte von zu Hause abwesend, ging auch nicht ins Geschäft. Heute Vormittag 11 Uhr kehrte sie in die elterliche Wohnung zurück. Die Mutter machte ihr Vorwürfe und schloß sie in ein Zimmer ein. Als der Vater nach 12 Uhr nach Hause kam, hatte sich die Tochter vergiftet. Der Medizinalrat hat den restlichen Teil der Vorgefundenen Flüssigkeit zur Untersuchung auf seine Bestandteile an sich genommen. Heute Nach­mittag 5 Uhr wurde der Leichnam in die Leichenhalle verbracht und eine Sektion vorgenommen.

Berlin, 31. Juli. Kaiser Wilhelm hat derVoffischen Zeitung" zufolge dem König Oscar von Schweden auf drahtlichem Wege mit den herzlichsten Worten seine Freude über die Natur-Sehenswürdig­keiten und Schönheiten des Landes und den außer­ordentlich guten Empfang, den ihm die Bevölkerung allenthalben bereitete, ausgesprochen.

Berlin, 31. Juli. Eine seltsame Er­krankung der Hände und Arme hat sich in einigen

Gegenden unter den Landleuten gezeigt. Sie besteht' in merkwürdigen geschwulstartigen Anschwellungen,, ohne daß die davon Befallenen zunächst wußten, wo­durch sie sich das Leiden zuzogen. Die ärztlichen Untersuchungen haben nun ergeben, daß die betreffenden Landleute mit Verletzungen bezw. kleinen Wunden an den Händen auf den Aeckern Kunstdünger ausgestreut haben, welcher Chilisalpeter und Kalisalze enthalten hat. Die Stoffe, die, wenn sie ins Blut gelangen,, äußerst gefährlich wirken, sind durch den Kunstdünger in die offenen Verletzungen der Landleute eingedrungen und haben an den Händen und Armen Entzündungen.- der Lymphgefäße und damit Blutvergiftungen hervor­gerufen, welche in mehreren Fällen die Amputation der erkrankten Gliedmaßen notwendig machten. Es wird daher aus Grund dieser Feststellungen von. ärztlicher Seite dringend gemahnt, Kunstdünger nicht, mit verletzten Händen zu berühren.

Berlin, 1. August. Der Kaiser trifft am Montag in Cowes ein. Das in Cowes angelangte deutsche Panzergeschwader kam dorthin zur Begrü­ßung des Kaisers. An dem am Montag den 19. August auf dem Tempelhofer Felde stattfindenden. Kriegerfeste werden etwa 810000 Krieger teilnehmen. Das Festprogramm wurde vom Kaiser genehmigt.

Berlin, 2. Aug. Die Kaiserin reist mit den beiden ältesten Prinzen am Samstag abend nach Stettin, von dort auf demKaiseradler" nach Saßnitz. Zu gleicher Zeit fährt der Kaiser mittelst Sonder­zugs nach Brunsbüttel, von dort mit derHohen» zollern" nach Helgoland, dann nach England.

Hamburg, 2. Aug. Im englischen Kanal ist der Hamburger Dampfer Napoli mit der gesamten Besatzung untergegangen.

Heber einen Blitzschlag auf dem Exer- zierfeld zu Rendsburg wird in den Blättern berichtet: Die erste Lehrerkompagnie stand auf dem. Exerzierplatz unter dem Gewehr und übte Gewehr­griffe. Da erfolgte ein Blitzschlag, der 48 Mann zu Boden warf. Sie waren in Korporalschaften zu je 16 Mann hinter einander aufgestellt. In eine dieser fuhr der Blitz, von Gewehr zu Gewehr über­springend, die Gewehre wurden sämtlich zerrissen, mährend die Träger zu Boden sielen. Die Korporal­schaften vor und hinter der getroffenen Abteilung, die etwa zwölf Schritte entfernt waren, fielen mit um. Ein Gefreiter der getroffenen Korporalschaft war sofort tot. Durch ihn er hatte kein Ge­wehr ist der überspringende Blitz in die Erde ge­leitet worden. Der ganze Körper des Mannes war mit grünen und blauen Flecken und Streifen bedeckt.. Am schwersten verletzt ist Lehrer S. aus Barnkrug im Kreise Kehdingen. Beide Schläfen sind ihm auf gerissen, seine Brille ist geschmolzen und festgebrannt.

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So war man in der besten Unterhaltung begriffen, als die Magd meldete, daß angerichtet se>. Aber auch der Genuß des trefflich bereiteten Diners unterbrach daS Gespräch nicht. Im Gegenteil, der ausgezeichnete Tischwein, den die Rätin aus dem Keller ihres Prinzipals erhielt, erhöhte die angenehme Erregung des Geistes und machte, daß sich die drei Menschen an der Tafel schnell näher traten. J-tzt sprach Guido auch von seiner beabsichtigten Niederlassung in Kronberg, und Clemerce erwiderte ihm darauf ganz harmlos, daß sie sich freue, auf diese Weise ihn doch öfter sehen zu dürfen. Er wollte, darüber entzückt, die kleine Mädchenhand an seine Lippen führen, als Clemerce freundlich hinzusetzte: .Ich glaube gehört zu haben, daß Sie sich bald zu verheiraten gedenken. Hoffentlich wird dann auch Ihre Frau Gemahlin recht oft unser Gast sein, und wir können gemeinsam so angenehme Stunden verleben, daß ich wenigstens für kurze Zeit meinen Kummer vergessen werde," wollte Clemence sagen, schwieg aber. Nicht bloß, da sie einsah, daß Guido ihr doch zu fremd sei, um ihm ihre Seelenqual anzuvertrauen, sondern weil er plötzlich die Farbe wechselte und sich ein harter, böser Zug in seinem Gesicht be­merkbar machte.

Nur einen Moment jedoch. Dann fuhr sich der junge Arzt rasch mit der Rechten über die Stirn.

»Lasten wir die Zukunst, gnädiges Fräulein," erwiderte er mit merklich vibrierender Stimme. »Wer vermag zu bestimmen» was sich in ihrem Schoße ver­birgt? Nur die Gegenwart ist unser. Da mir diese aber so schön, so befriedigend erscheint, möchte ich mich ihrer freuen, ohne an daS zu denken, was weiter kommt."

Sie sah ihn befremdet an. »Aber Sie selbst erwähnten doch der Zukunft," meinte sie dann, »indem Sie davon sprachen, daß Sie sich hier niederlasien wollten. Doch wie Eie wünschen, reden wir nicht weiter über daS Kommende. Aufrichtig gestanden, beschäftigen sich auch meine Gedanken wenig mit dem Zukünftigen."

So scheint auch Ihnen di« Gegenwart schön?" fragte Guido leise, und sein heißer Blick traf das reizende Gesicht des Mädchens. Clemerce aber war viel zu harmlos, um den sehnenden Ausdruck seiner großen, aufglühenden Augen zu ver­stehen. Dennoch errötete sie unwillkürlich, und daS Köpfchen schüttelnd, erwidert«

sie: »Schön? Ich weiß es nicht, Herr Doktor! So lange man den Kummer ver­gißt aber," unterbrach sie sich, zur Tante gewendet, »ich denke, wir heben jetzt die Tafel auf. Auch das Dessert ist ja genossen."

Mit einem tiefen erleichternden Atemzug willfahrte die Matrone sofort diesem Wunsche. Man batte sich kaum erhoben und das üblicheGesegnete Mahlzeit" ge­wünscht, als sich Clemerce schon mit leiser Entschuldigung aus dem Gemach entfernte,

Guido blickte der graziösen Gestalt betroffen nach. Als sich aber die Thür hinter ihr geschloffen, kam cs unwillkürlich über seine Lippen:Habe ich mir je ein so entzückendes Geschöpf bäumen lassen! Und dabci spricht dieses Mädchen von Kummer, redete die Sechzehnjährige m einem Ton, der mir rätselhaft ist."

St ll. still, Gu.do!" flüsterte die Rätin. Dann zog sie mit sanfter Gewalt den tief erregten Gast wieder in den Salon zurück. Die Thür desselben behutsam mit der Rechten hinter der schweren Seidendraperic schließend, deutete sie mit der andern Hand nach dem Sessel, auf welchem Guido schon vorher geruht. »Nimm dort wieder Platz, mein Sohn!" sagte sie. Und als der junge Mann sich gehorsam niedergelaffen und sie selbst wieder auf dem alten Platz saß, begann sie ohne jede Einleitung damit, ihm von den eigentümlichen Verhältnissen zu berichten, welche in der Villa herrschten.

Der N>ffe hörte ihr aufmerksam zu, bis die letzten Worte über ihre Lippen gekommen. Dann legte er in heftig hervorgestoßenen Bemerkungen eine so lebhafte Teilnahme für Clemerce an den Tag, daß die Rätin erschrocken den Kopf schüttelte und dazu mit ernster Stimme sagte:

»Rächen sich Deine spottenden Urteils von gestern schon so bald? Aber wenn dem so ist, wenn der Backfisch wirklich Dein gar.zcS Interesse erweckt, darfst Du Dich noch für mein holdes Pflegekind begeistern? Sieh, mein Sohn, cs ist mir keineswegs entgangen, daß der Verlobungsring bereits an Deinem Finger glänzte, als Tu heute diese Wohnung betratst. Du hast Dich also an Hsrmine Lutter ge­bunden und"

»Und >ch bereue diesen Schritt von Grund der Seele, Tante!"

(Fortsetzung folgt.)