sie stelle sich als Vorstufe für das Monopol dar. Abg. Szmula zCentr.) hofft, daß in der Commission «ine Verständigung erzielt wird. Abg. Holtz (Rp.) bedauert, daß die Vorlage heute weniger günstig de- urteilt werde als gestern. Schatzsekretär Posada wsky tritt gegen die Vorlage erhobenen Bedenken entgegen. Montag 1 Uhr: Binnenschiffahrt und Flüßereigesetz in zweiter Lesung.
Berlin, 28. April. Die Reichstagsabgeordncten AHI wardt und vr. Böckel sprachen gestern in einer öffentlichen Versammlung über verschiedene Themata. Ahlwardt verlangte in seiner Rede radikale Gesetze gegen die Juden. Ferner verwahrte er sich gegen die Meinung, daß man den freiheitlichen Antisemitismus zum Anarchismus stempeln wolle. Auf die Fuchsmühler Affaire eingehend, bezeichnet« er sie als einen Markstein in der Weltgeschichte. Aus dem kleinen Orte Fuchsmühl scheine das wiedererwachende Volksbewußtsein von der Unveräußerlichkeit seiner Rechte auszugehen, vr. Böckel wendete sich in scharfer Weise gegen die Umsturzvorlage und den Parlamentarismus. Zugleich sprach der Anarchist Wiese, welcher die Anarchisten als die allein das richtige Ziel verfolgenden Antisemiten bezeichnet« und allen anderen antisemitischen Parteien den Untergang prophezeite, weil sie von der Corruption ergriffen würden. Schließlich nahm die Versammlung folgende Resolution an: Die Versammlung der frei- heiäichen Antisemiten verdammt die Umsturzvorlage als eine dem deutschen Volke angethane Schmach. Die Anwesenden versprachen, mit aller Kraft für den freiheitlichen Antisemitismus zu wirken.
Tagesneuigkeiten.
Z Calw, 29. April. Am Samstag vormittag brach kurz nach 11 Uhr im Entenschnabel in dem von den Familien Andreada, Linkenheil, Dittus und einigen anderen bewohnten Hause ein Feuer aus, das Dank der raschen Hilfe der Feuerwehr und der isolierten Lage des Gebäudes keine weitere Ausdehnung nahm. Nur der Dachstuhl wurde ein Opfer der Flammen. Das Mobiliar konnte gerettet werden; doch ging hiebei vieles zu Grunde, da im Eifer der Rettungsversuche manches Stück unnötigerweise, wozu auch das Aushängen und Herabwerfen der Fensterflügel zu rechnen ist, zu bergen gesucht wurde. Das Feuer entstand auf der Bühne. Entstehungsursache ist unbekannt. Der Schaden ist nicht besonders groß.
* Calw, 29. April. Zu der Generalversammlung des Liederkranzes hatten sich 40 Mitglieder eingesunden. Nach Absingen des Wahlspruchs begrüßte der Vorsitzende, Hr. Präzeptor Bäuchle, die Erschienenen in freundlichster Weise und gab einen kurzen Ueberblick über das für den Verein so günstig verlaufene Jahr. Der erste Gegenstand der Tagesordnung war das Rechnungsergebnis vom abgelaufenen Jahre, sowie die Vorlage des Etats pro 1895/96. Die Erläuterung gab der Kassier, Hr. Chr. Gengen
bach, welche zu keiner Debatte Veranlassung gab. Die Mitgliederzahl beträgt 229 und ist diese Ziffer die höchste, welche der Verein seit seinem Bestehen aufzuweisen hat. Dem Ausschuß und Rechner wurde einstimmig Entlastung erteilt.. Der zweite Gegenstand der Tagesordnung, ein Antrag des Ausschusses auf Abänderung einiger Punkte der Statuten, wurde von der Versammlung ebenfalls gutgeheißen, worauf die Generalversammlung geschloffen wurde.
* Calw. Am nächsten Freitag findet im badischen Hof ein Konzert der von ihrem früheren Auftreten hier noch in bester Erinnerung stehenden Pianistin Frl. M. Zundel und ihres Bruders, des jugendlichen Violinvirtuosen Hermann Zundel aus Stuttgart statt. Einer uns vorliegenden Kritik im „Schwäb. Merkur" und „Blaumann" entnehmen wir über das Auftreten des Geschwisterpaares folgendes Urteil: Frl. Zundel spielte außer einem Impromptu mit Variationen v. Schubert, einer Romanze von Nubinstein, eine Fantasie v. Chopin und einen äußerst schwierige Rhapsodie von Liszt mit großer Gewandtheit, feiner, echt künstlerischer Auffassung und edlem gediegenem Vortrag, während ihr Bruder in einem Violinkonzert von Beriot, einen Mazurka von Wieniawsky und der Faustfantasie von Alard sich als ausgezeichneten, feinfühlenden Künstler auf seinem Instrumente zeigte, der durch seine großartige Technik und die wunderbar schöne Kantilene sich den Beifall der Zuhörer in hohem Maße erwarb.
(Amtliches aus dem Staatsanzeiger.j Bei der am 21. März d. I. und den folgenden Tagen vorgenommenen niederen Post- und Telegraphendienstprüfung wurden die nachstehenden Kandidaten für befähigt erkannt und sind in das Verhältnis von Post- praktikanten I. Kl. eingetreten: Mohr, Aug., und Walz, Karl, von Calw.
Stuttgart, 26. April. Gestern nachmittag ist in einem Hause der Heusteigstraße ein Dienstmädchen beim Fensterputzen von einem Fenster des zweiten Stocks auf die Straße gefallen. Ein zufällig anwesender Arzt konstatierte Bruch des rechten Vorderarms und des Nasenbeins, sowie eine Verwundung der linken Stirnseite. Das Mädchen wurde im Sanitätswagen ins Katharinenhospital verbracht.
Cannstatt, 25. April. Als heute früh die Fremden eines Gasthauses ihre behufs Reinigung vor die Zimmer gestellten Stiefel und Schuhe an sich nehmen wollten, fehlten davon fünf Paare, so daß schleunigst für anderweitige Fußbekleidung gesorgt werden mußte. Ein Langfinger hatte in einem unbewachten Augenblick das Schuhwerk an sich genommen und das Weite gesucht, doch ist man ihm auf der Spur.
Fellbach, 26. April. Die letzte Witterung, Regen und Sonnenschein, bewirkt in der Natur Wunder. Nicht nur stehen die Kirschbäume im schönsten Frühlingsschmuck, sondern auch die Pflaumen und Birnen, soweit letztere überhaupt Früchte hoffen lassen, stehen in
Blüte und demnächst folgen die Zwetschgen und sonstige: Frühobstbäume. Die erst gesäte Frühjahrssaat sproßt prächtig hervor und weiteifert »bald mit der Winterfrucht, die gleich dem dreiblättrigen Klee da und dort sog. Winterplatten zeigte, während der ewige Klee und der Graswuchs vortrefflich ist. Die Kartoffeln sind nun alle im Boden und man fängt jetzt an, Rüben, Angersen u. s. w. einzusäen. Deutlich zeigt sich das Treibwetter auch in den Weinbergen; die Gescheine kommen in allen Lagen hervor und da und dort zeigen sich schon Traubengebilde, sogar an solchen Hölzern, die man infolge des Winterfrostes als verloren glaubte, brechen Fruchtaugen hervor, und so scheint es, als ob der Winterfrostschaden erheblich gemildert wird. Zu wünschen ist nur, daß wir von Frühlings- und Maifrösten verschont bleiben.
Eßlinger Berge, 24. April. Seit drei Tagen stehen die Kirschenbäume im Blütenschmuck- Bald werden auch die Birnbäume reiche Blüte zeigen. Auch die Aepfelbäume versprechen auf den Höhen und an den Abhängen eine schöne Blüte. Im Thal wird die Blüte spärlicher sein. Die „bezogenen" Weinberge zeigen durchgehends gesundes Fruchtholz und in frühen Lagen schon „Gescheine", wo nicht bezogen wurde, ist viel Fruchtholz, besonders bei den Trol- lingern, erfroren. Die Wintersaaten entwickeln sich recht schön und kräftig und auch die Frühjahrssaat sproßt schön und gleichmäßig.
Nürtingen, 26. April. Heute mittag machten sich 2 jüngere Burschen in einem Nachen am Neckar zu schaffen. Plötzlich riß der Kahn los und trieb mit der Strömung abwärts. Dem älteren der Knaben gelang es, durch einen gewagten Sprung am sog. Waschblock das Ufer zu erreichen, während der jüngere kopfüber in die daselbst am tiefsten gehende Strömung stürzte. Glücklicherweise gelang es Chr- Fischer, Fischer hier, der gerade anwesend war, durch schnelles Nachfahren in einem bereit stehenden Kahn den schon cirka 30 Meter unter Wasser fortgetriebenen Jungen bei nochmaligem Auftauchen am Kopf zu erfassen und vor dem unmittelbaren Tode des Ertrinkens zu retten.
Heilbronn, 26. April. Gestern abend veranlaßt« ein Ehepaar bei der Kilianskirche einen großen Menschenauflauf. Die Eheleute haben sich getrennt^ der Mann logiert im Wirtshaus, die Frau fand indem bekannten Hause der Mönchseestraße (99) Unterkommen. Gestern abend nun stritten sich die Leute darum, wer ihren fünfjährigen Knaben zu versorgen habe, keines von beiden wollte sich um den Knaben annehmen, die Eltern liefen in entgegengesetzter Richtung von dem Knaben weg, der weinend und schluchzend stehen blieb, bis ein Schutzmann die wüst schimpfende Mutter an ihre Pflicht erinnerte. Es ist dies dieselbe, die schon in Untersuchung stand, als den Leuten kürzlich ein sechsjähriger Knabe unerwartet schnell ge-- storben war.
Karlsruhe, 26. April. Der Kaiser erlegte
sogar »in einfaches Mittagessen geben wir. falls es einige Tage vorher bestellt wird. Dieser WirtschasiSbelrieb ist eine Liebhaberei meiner beiden Schwestern, die in der ganzen Umgegend gute Bekannte haben und Sonntags, trotz der Aufwartung, die ihnen allein obliegt, immer Zeit finden, mit den Freundinnen, die sich einstellen, sämtliche Neuigkeiten durchzusprechen."
Aus dem Hause kam eine kleine, ältliche Dame, ungemein einfach, fast klösterlich gekleidet, und fragte mich freundlich, nachdem sie mir Guten Abend geboten, was ich zu genießen wünsche.
Ich bat um ein Butterbrot und eine halbe Flasche Moselwein, wenn derselbe zu haben sei.
Die Kleine blickte fragend den Förster an, und dieser vervollständigte meinen Auftrag: „Graacher, Jette."
Er hatte mich taxiert und gönnte mir eine seiner besseren Sotten, wie ich hoffte.
„Ich habe Verbindungen an der Mosel," sagte er, meine Vermutung bestätigend. „Diese Sorte, die ich führe, werden Sie so leicht nicht anderswo finden. Sehen Sie, der Wein, das ist nun wieder meine Liebhaberei; von dieser Seite trage ich mein Scherflein zum Ruf der Wirtschaft bei."
Während er mir dann emige Fragen nach seinen Obliegenheiten als Förster mit mehr Gründlichkeit beantwortete, als ich beanspruchte, kam dieselbe kleine Dame wieder aus dem Hause, zwei halbe Flaschen Wein und zwei Gläser tragend. Wiederum wünschte sie mir Guten Abend. Als ich sie verwundert ansah und nur zögernd ihr den Gruß zurückgab. lachte der Förster und erklärte mir, dies sei Rieke, die andere Schwester. „Die Mädchen sind Zwillinge," fuhr er fort, „und von Jugend an einander so ähnlich gewesen, wir sie heute sind. Nur genaue Bekannte vermögen sie zu unterscheiden. Wer dies indessen nicht versteht, braucht darum doch nicht jedesmal erst zu fragen, wen er vor sich habe. Denn was Rieke weiß, das weiß auch Jette und umgekehrt. Und wie Jette denkt, so denkt auch Rieke. Auch hört «ine jeve auf beide Namen, wie e» gerade kommt."
Inzwischen hatte Fräulein R»k« Flaschen und Gläser auf dm Tisch gesetzt,
ohne den Erläuterungen ihres Bruders Beachtung zu schenken, und entfernte sich dann, ohne ein weiteres Wort gesprochen zu haben — genau wie Fräulein Jette.
Der Förster bat um die Erlaubnis, seinen Vesperschoppen in meiner Gesellschaft trinken zu dürfen. Nichts konnte mir erwünschter sein. Sofort begann ich, ihn über das Gebäude auszufragen, das er bewohnte. Dasselbe sei auf dm Überbleibseln eines Nonnenklosters errichtet, das zweifelsohne in der Periode seiner größten Blüte den ganzen Hügel bedeckt habe, erzählte er. Es werde behauptet, noch im fünfzehnten Jahrhundert seien über hundert Ortschaften den stammen Schwestern zinspflichtig gewesen. Im dreißigjährigen Kriege sei das Kloster zerstört worden, und der Ott habe dann lange wüst gelegen. Endlich, gegen 1700. sei der damalige Herr des Grund und Bodens, ein Thüringer Graf, mit dem Bau des jetzt noch in allen wesentlichen Stöcken unverändert erhaltmen Hauses vorgegangm, auf Begehr seiner Mutter, die hier ihren Witwensitz aufzuschlagen gewünscht habe. Nachemander habe dann dieser abgelegme Bau verschiedene alleinstehende Damm von hoher Geburt beherbergt, bald aus diesem, bald aus jenem Geschlecht, bis schließlich nach den Befreiungskriegen der erste Förster eingezogm sei. Seitdem diene das alte und keineswegs bequem eingerichtete Gebäude als Försterei. Er selbst wohne nun schon beinahe zwanzig Jahre darin, von Anfang an mit seinen beiden Schwestern, für die sich, wie er scherzhaft hinzufügte, ein gemeinschaftlicher Mann — denn mit zweien, für jede einer, wäre ihnen nicht gedient gewesen! — nicht habe finden lassen. Daß er nicht zum Heiraten gekommm, würde mir begreiflich sein, wenn ich Jette und Rieke näher kennte.
Ich fand dies begreiflich, auch ohne die Zwillingsschwestern näher zu kennen. Der gute Förster war — unbeschadet seiner Pflichttreue im Dienst, die ich zu bezweifeln keinen Grund hatte — augenscheinlich eine ruhige, zu gemächlichem Hinleben geneigte Natur und hatte sich von jeher in ihrer Doppelpflege zu wohl befunden, um an eine Änderung des bestehenden Zustandes zu denken.
(Fortsetzung folgt.)