300
essen, dann sagte er, über den Grund seines Weg- laufenS von zu Hause befragt, aus, er sei von seinen hier wohnenden Eitern fort, weil ihn sein Vater habe aufhängen wollen. Thatsächlich fanden sich am Hals des Knaben Spuren vorausgegangener Strangulierung. Untersuchung ist eingeleitet.
Rottweil, 16. April. Am gestrigen Ostermontag hielt der Württ. Fischereiverein unter sehr starker Beteiligung und in Anwesenheit Sr. Excellenz des Herrn Staatsministers des Innern v. Pischek hier seine Jahresversammlung ab. Am Abend zuvor hatte ein Bankett stattgefunden, das die Stadt zu Ehren des Herrn Ministers veranstaltet hatte.
Saulgau, 15. April. Am Karfreitag Abend zwischen 7 und 8 Uhr wurde in Altshausen der Maurer We ndelin Schnöder in seiner Wohnung von seiner Frau erstochen. Die Mörderin wurde am folgenden Tage an das kgl. Amtsgericht Saulgau cingeliefert.
München, 15. April. Heute Nachmittag gegen 5 Uhr stießen in der Arnulfstraße 2 Züge der Dampfstraßenbahn zusammen, in der Weise, daß der eine dem andern in die Flanke fuhr. Ein Wagen wurde total zertrümmert, der Wagen war stark besetzt. Nur 6 Personen wurden — merkwürdiger Weise — nur unerheblich verletzt. Größere Unglücks- fälle sind nicht vorgekommen. Als Ursache des Zusammenstoßes wird angeführt, daß der Zug von München zu früh abgelafsen wurde und man nicht gewartet habe, bis der von Nymphenburg kommende Zug in den Trambahnhof eingefahren war.
Berlin, 13. April. Der Ceremonienmeister v. Kotze hat bei einem heute früh stattgefundenen Duell einen Schuß in den Oberschenkel erhalten. Sein Gegner soll ein hoher Beamter des Hofamts gewesen sein.
Berlin, 15. April. Die Kaiserin hütet infolge heftiger Erkältung das Zimmer.
Berlin, 15. April. Wie verlautet, ist die für morgen angesetzte Huldigung des konservativen Wahlvereins beim Fürsten Bismarck wegen Erkrankung des Fürsten abbestellt worden. Geh. Medizinalrat Professor Schwenninger wurde telegraphisch nach Friedrichsruh berufen.
Berlin, 16. April. Der Kaiser begibt sich anl 19. April von Berlm nach Weimar. Von dort nach Schlitz, sodann nach Karlsruhe, von wo er am 1. Mai die Rückreise antritt und am 2. Mai früh im neuen Palais eintrifst, wohin inzwischen die Ueber- siedelung der kaiserlichen Familie erfolgt sein dürfte.
Berlin, 16. April. Wir die „Nordd. Allg. Ztg." meldet, überraschte der Kaiser den Reichskanzler am Ostermorgen mit einem wunderschönen Geschenk, einem Osterei. Dasselbe ist aus der Königlichen Porzellanmanufaktur hervorgeaangen, mit einer Frühlingslandschaft und Arabesken bemalt und oben mit einer Oeffnung zur Aufnahme von Blumen versehen. Das Ei wird von einem Engel empor gehalten. Am Ostermontag beehrte der Kaiser den Reichskanzler mit einem längeren Besuchs.
Berlin, 16.April. Der Friede zwischen Japan und China. Depeschen aus Simonoseki
melden, daß der Friede unterzeichnet ist. Korea wird unabhängig. Japan behält die eroberten Plätze und das Gebiet östlich des Liauflufses. Die große Insel Formosa wird dauernd an Japan abgetreten. Außerdem zahlt China hundert Millionen Dollars Kriegsentschädigung und schließt ein Schutz- und Trutzbündnis mit Japan.
Berlin, 16. April. Der japanische Gesandte am Berliner Hofe erklärte einem Vertreter des „Lokalanzeiger" gegenüber, eine amtliche Meldung von dem Friedensschluß Japans mit China sei ihm noch nicht zugegangen.
Berlin, 17. April. Der Kaiser zog gestern zweimal Erkundigungen über das Befinden v. Kotze's ein. Im gleichen Maße ist die Anteilnahme des Hofes eine rege.
Berlin, 17. April. Das Befinden der Kaiserin besserte sich etwas. Die Erkältungserscheinungen sind zurückgegangen.
Friedrichsruh, 16. April. Fürst Bismarck befindet sich nach neueren Meldungen wohler. Die auf heute angesetzte Huldigungsfahrt des Berliner conservativrn Wahlvereins wurde abbestellt, weil Bismarck der Ruhe bedarf, um morgen die Innungen zu empfangen. Die Thatsache steht aber fest, daß Professor Schwenninger gestern telegraphisch hierher berufen wurde und bis auf Weiteres hier bleibt.
Hamburg, 16. April. Wie verlautet, soll jetzt die Leiche des Kapitäns der „Elbe", v. Gößel aufgefunden worden sein.
Wien, 15. April. Hier eingelaufene Privatmeldungen besagen, daß das in letzter Nacht in einem großen Teil Oesterreichs verspürte Erdbeben an der Südbahn-Strecke große Verheerung angerichtet habe. In Laibach sollen Häuser eingestürzt und Menschenleben zu beklagen sein. Alle Telephon- und Telegraphenleitungen seien unterbrochen.
Triest, 15. April. In der vergangenen Nacht 12'/- Uhr wurde hier ein heftiges, 8 Sekunden währendes Erdbeben verspürt. Des in den öffentlichen Lokalen zahlreich anwesenden Publikums bemächtigte sich ein panikartiger Schrecken. Aus Graz und Agram eingelaufene Nachrichten melden, daß daselbst in der vergangenen Nacht ebenfalls heftige Erderschütterungen verspürt worden seien.
Paris, 16. April Im gestrigen Ministerrate erklärte der Finanzminister, die Regierung muffe ein allgemeines Sparsystem befolgen, da das Budget 150 Millionen Defizit aufweise.
Rom, 15. April. In der Nacht von Sonntag auf Montag haben in Venedig und Verona, sowie anderen Orten Norditaliens Erderschütterungen in wellenförmiger Bewegung stattgefunden. Die Bevölkerung flüchtete erschreckt auf das Land und kehrte erst gegen morgen in ihre Wohnungen zurück.
Barcelona, 15. April. Während eines gestern veranstalteten Stierkampfes hat sich ein erhebliches Unglück zugetragen. Ein Stier übersprang die Barriere und verwundete mit seinen Hörnern mehrere Personen. Durch einen wohlgezielten Schuß eines Gensdarmen wurde der Stier getötet, aber auch ein Zuschauer tätlich verwundet. Es entstand eine unbeschreibliche Panik, das Publikum drängte in wilder Hast nach den Ausgängen.
Kermischtes.
— Als Beruhigungsmittel für Pferde^, die sich nicht beschlagen lasten wollen, hat sich Petersilienöl bewährt, welches, auf der Hand zerrieben unk» dem Pferde unter die Nüstern gehalten, die gewünschte Wirkung sofort Hervorbringen soll. Es war dies auch das Zähmungsmittel des bekannten Pferde- bändigers Rarey.
Düngerverschwendung. Der Nutzem künstlicher Düngemittel, falls sie zweckentsprechend angewendet werden, ist stets anzuerkennen, aber es muß auch davor gewarnt werden, diese Düngemittel unnötiger Weise anzuwenden. Professor Dr. Wohlt- mann-Bonn bemerkte im vergangenen Sommer zu solcher Düngerverschwendung, daß es den Düngertheorien und der Anwendung künstlicher Düngemittel gerade so wie den Kleidern gehe; sie seien der Mode unterworfen. Erst übertrieb man die Kalk- und Mergeldüngung, dann die Phosphorsäurezufuhr in Gestalt von Holzasche, Knochenasche und Guano. Wenn die überschüssige Phosphorsäure auch nicht durch Auswaschungen verloren gegangen ist, so repräsentierte sie doch — weil zurückgegangen — viel totes Kapital, das nur durch reiche Stallmist- und Stickstoffdüngungen den Pflanzen wieder zugänglich gemacht werden kann. Als der Chilisalpeter auftauchte, wurde manches Pfund Stickstoff unnütz und. sogar nachteilig auf den Acker gestreut, und mancher hat auf Erbsen-, Bohnen- und Kleeäckern mit Chilisalpeter auf das frevelhafteste und zum großen Nachteil seines Geldbeutels gesündigt. Zur Zeit steht nun die Kalidüngung auf der Tagesordnung und viele Wagen Kalisalz werden bestellt und ausgestreut, oft ohne daß der Landwirt auch nur eine Ahnung hat, ob seine Aecker kalibedürfiig sind oder nicht. Ein sehr großer Teil unserer deutschen Aecker bevürfen allerdings der Kalidüngung durchaus und sind durch die Kalidüngung zu hoher Produktionsfähigkeit anzuregen. Aber jedes Pfund Kali, das nicht von den Pflanzen ausgenommen wird, geht mit der Winterfeuchtigkeit in den Untergrund und somit verloren.
Kairdrvrrtschaftl. Kezirksverrin.
Am Dienstag, 23. April, nachm. 4 Uhr
findet eine Ausschußsitzung im Nötzle hier statt, wozu die Ausschußmitglieder freundlichst eingeladen werden.
Gegenstand der Tagesordnung: Aufkauf von Zuchtvieh und Zuchteber.
Calw, 16. April 1895.
Der Vorstand:
Voelter,
Oberamtmann.
Kandw. Conjurrr-Uerein Calw.
E. G. m. u. H.
Am Dientag, den 23. April, nachm. 2 Uhr, bringen wir ca.
25« Ctr. Wiesen- und Kleeheu
in der Scheuer des Herrn Adolf Leonhardt hier partienweise zur Versteigerung.
^rtdur, Vergiss beim Uinkaute s«. uielit äio „kerl- Leiks", Uörsi, cku!
Kurze Zeit nach Kurt traf auch der Arzt ein und wurde sofort in das Krankenzimmer geführt, wo der Hauptmann Erbach jetzt in einem fieberhaften Schlummer lag, aus dem er von Zeit zu Zeck erwachte, um nach frischem Master zu verlangen. Behutsam entfernte der greise Doktor die angefeuchteten Tücher, die man dem Leidenden auf das stark geschwollene Gesicht gelegt, und hob zunächst in einer Pause, wo dos Stöhnen des Kranken sein Wachsein bekundete, die Augenlider, um die dahinter sich bergenden Augäpfel genauer zu untersuchen. Kopfschüttelnd erhob er endlich sein Gesicht, die Augen sahen so trübe, so verschleiert aus, daß er noch zu keiner entscheidenden Diagnose zu kommen vermochte, und alles, was er für diese Rocht verordnen konnte, waren, nachdem er die Hände deS Patienten auch noch genau besichtigt, EiSumschläge, die man dem Hauptmann auf den Kopf legen sollte.
„Mit der größten Genauigkeit muß dies geschehen," sagte der alte Mann unten im Familienzimmer, „denn ich fürchte, daß sich sonst aus dem tüchtigen Wund- fieber, das sich schon so wie so einstellen wird, auch noch eine Geoirnentzündung entwickelt, und die Arbeit wäre daher nur einem äußerst gewissenhaften Menschen anzuvertrauen. Ich weiß nicht, Frau Baronin, ob Ihr Diener-"
Die Baronin mochte ein sehr ratloses, verzweifeltes Gesicht, denk, Johann war nichts weniger als zuverlässig und besonders so sehr ein Freund langen und ungestörten Schlafes, daß er des Morgens selten zur festgesetzten Zeit zu erwecken war. Ehr sie aber dieses Umstandes noch Erwähnung thun konnte, traten von zwei verschiedenen Seilen Leonore und Elisabeth vor, und beide erboten sich, ihre Zeit gern zum Opfer zu bringen, um dem Kranken hilfreiche Hand zu leisten und beizustehen. Fräulein von Ellerstädt that dies ohne jedes sichtbare Zeichen der Erregung, denn eine leichte Röte, die zum Beginn ihrer Worte über ihre Züge gehuscht, war ebenso schnell wieder einer leichenhasten Bläffe gewichen» Elisabeths glühende Wangen, flammende, dunkle Augen legten aber ein io beredtes Zeugnis für die Dringlichkeit ihres Wunsches ab. daß sich auf Kurts glatter Stirn ein kleines krauses Gewölk des Unmutes einfand. Und er mußte fort, mußte zunächst zu seinem
Regiment zurück, und nicht genug hieran, zwei Tage später, eines notwendigen Termins halber in WaldauSeck sein; es konnte sich gar nicht ungünstiger treffen, und im Tone lebhaftesten Bedauerns rief er aus: „Wenn ich nur hier bleiben könnte, den Damen alle Mühe zu ersparen, aber ich erbitte mir von der gnädigen Frau die Erlaubnis, sofort nach meinem Termin nach Ellerstädt zurückzukehren und dann meine Pflichten für den verwundeten Freund übernehmen zu dürfen."
Ein warmer Blick Elisabeths glitt zu dem jungen Manne hinüber und begegnete auf halbem Wege den Augen Kurts, die die kleine Manöverstütze gesucht hatten. Die Frau Baronin aber nickte dem Offizier eine freundliche Gewähr zu und wollte eben etwas erwidern» als der kleine Arzt, etwas ungeduldig von einem zum andern sehend, wieder mit der Frage kam: „Und wie wird eS mit den Eisumschlägen meines Patienten?" eine Frage, die Frau von Ellerstädt schnell dahin entschied, daß sie, Elisabeths Hand festhaltend, die diese bittend nach ihr ausgestreckt, lebhaft auSrief: „Ich glaube, Lisa wird ihre Sache dabei am besten machen, sie ist gewandt und pflichtgrtreu, und ich bin überzeugt, auch Hauptmann Erbach würde sie sich wählen, wenn er im Stande wäre, die Wahl einer Pflegerin selbst zu treffen."
Leonorens Wangen wurden einen Moment noch bleicher als zuvor, ihre Hand glitt, als empfände sie fast einen köiperlichen Schmerz, nach dem Herzen, dann trat sie ftill zurück in einen entfernteren Teil des Gemachs, wo sie fast ganz im Schatten war, und sank dort auf einem Fauteuil nieder. Ja, er würde Elisabeth wählen, er liebte ja die sorgsamen, echt weiblichen Erscheinungen, was sollte er auch mit ihr, die sich bisher nur auf wissenschaftlichen Gebieten bewegt, wie konnte er von ihr erwarten, daß sie ihm einen Umschlag weich und lind aufzulegen, ihm die K.ffen aufzuschütteln, ihm den Kopf sanft zu betten verstände? Und sie hätte es doch so gern gethan, so gern ihm gedient, war es doch ein Opfer ihrer Liebe, daß sie einer andern den Platz überließ, die alles das schon konnte, was sie erst zu lernen hatte.
(Fortsetzung folgt.)