Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk Lalw
^2 20
^K^KAL '^s
MM
7 ^
U-W>ev?k>><1
,^s.^
MN
Erscheint Dienstags, Donnerstags und Samstags. Die EinrLckungSgebÜhr betragt tm Bezirk und in nächster Um- ^edung S Pfg. dir Aeile, sonst lL Pfg.
Donnerstag» den 14. Zeliruar 1895.
tlb.a>>«»«nt«pr»i» »iertrljSbrlich t>> der Statt 9V Ptg. »»9 90 Pfg. rrLgerlohn, durch di« Post bezog«« Mk. 1. 15, saust i» ganz DüMeipderg Vir. 1. 55.
Amtliche Aekanulmachuuger.
Die Ortskehörden
werden, da Klagen wegen nicht rechtzeitigen Bahnens «ingekommen sind, beauftragt, stets für rechtzeitiges Bahnen auf mindestens 4 M Breite unter Anbringung der nötigen AusweicheplStze Sorge zu tragen; insbes. aber sofort bahnen zu lasten, sobald die aufgestellten Staats- oder Korporationsstraßenwärter Meldung von der Notwendigkeit des Bahnens erstatten.
Die Bahnschlitten sind bis zur genügenden Breite mit entsprechenden Flügeln versehen zu lasten.
Genaue Befolgung dieses Erlöstes wird erwartet.
Bis 24. Febr. wird einer Anzeige entgegengesehen, ob die Bahnschlitten bis auf 4 m erbreitert worden sind.
Calw, 13. Febr. 1895.
K. Oberamt.
Voelter.
Bekanntmachung.
Nachdem die Maul- und Klauenseuche in Kohlersthal, Gde. Altbulach, ausgebrochen ist, wird das Treiben von Rindvieh, Schafen und Schweinen außerhalb der Feldmarkgrenzen der Ge- ^amtgemeinde Altbulach und der Teilgemeinde Waldeck, Gemeinde Stammheim, sowie das Verladen dieser Tiere in Station Teinach zunächst bis zum 27. d. M. einschließlich verboten.
Die betreffenden Schultheißenämter haben dieses Verbot in ihren Gemeinden auf ortsübliche Weise bekannt zu machen und dabei darauf hinzuweisen, daß dir Unterlassung oder Verspätung der Anzeige von Seuchenausbrüchen und die Zuwiderhandlung gegen die ergangenen Anordnungen nicht nur Bestrafung,
sondern auch den Verlust der Entschädigung für an Maul- und Klauenseuche gefallenes Rindvieh nach sich zieht. — Ueber den Vollzug dieser Anordnung ist sofort Anzeige hieher zu erstatten.
Calw, 13. Februar 1895.
K. Oberamt.
Voelter.
Deutsches Reich.
Berlin, 11. Febr. Deutscher Reichstag. In dritter Beratung wird zunächst der Gesetzentwurf betr. die Gebühren bei den Consulaten des Reiches unverändert angenommen. Zweite Beratung des Etats. Dieselbe beginnt mit dem Etat des Reichstages. Hierzu liegt eine Resolution Ancker u. Gen. (fr. Vp.) vor, wonach die Abgeordneten künftig Diäten und Reisekosten erhalten sollen. Referent Abg. v. Buol (Centr.) erstattet kurzen Bericht. Abg. Richter (fr. Vp.) hält die Bezeichnung „Reichstagsgebäude" für allein richtig, schon deswegen, um falsche Eindrücke zu vermeiden. Redner glaubt, daß die weitere Ausschmückung des Hauses unter die Competenz des Reichstags fällt, rügt die mangelhaften Verhältnisse auf der Journalistentribüne und wünscht hier Abhilfe. Staatssekretär v. Bötticher will die Ausstattungs- fragen von der Reichstagsbau-Commission erledigt wissen und hält nach Ablauf dieser Session eine Untersuchung auf vorhandene Mängel für nötig. Abg. Rickert (fr. Vg.) ist der Meinung, daß Anordnungen über Neuerungen der Präsident zu treffen hat. Den Jorunalisten giebt Redner den Rat, sich mit ihren Wünschen vertrauensvoll an den Präsidenten zu wenden. Abg. Singer (Soz.) wünscht ausreichende Räume für die Portiers des Hauses, Anstellung von mehr Beamten mit höheren Gehältern, sowie die
Honorierung der Kellner in den Restaurationsräumen. Abg. Pachnicke (fr. Vg.) verlangt ein General- register über die Verhandlungen der Baukommission. Bei dem Titel „Hausinspektor" teilt v. Manteuffel (kons.) mit, ihm sei in der Toillete des Reichstags ein Brief gestohlen worden, welchen gestern die sozialdemokratische Leipziger Volksztg. veröffentlichte. Er fordert den Redakteur, den Abg. Schönlank zur Erklärung auf. (Bewegung.) Schönlank erklärt, eine Abschrift des Briefes sei anonym an die Redaktion gelangt, welche ihm als wichtiges Aktenstück über die östlichen Wahlen erschien, und die er deshalb «bdruckte. (Lärm, Unterbrechung rechts.) v. Manteuffel fordert zur Herausgabe der Abschrift auf, um den Dieb strafrechtlich zu verfolgen. Bebel (Soz.) nimmt an, die Zeitungsredaktion habe nicht gewußt, daß der Brief im Reichstage entwendet wurde. Seine Partei würde andernfalls den Vorgang aufs Entschiedenst« bedauern. Schönlank wiederholt, die Redaktion habe keinerlei Ahnung vom Ursprung des Briefes gehabt.
Berlin, 13. Febr. (Deutscher Reichstag.) Etat des Reichsamts des Innern. Abg. Hitze (Centr.) tritt für Vermehrung der Fabrik- und Gewerbe-Inspektoren ein, plaidiert für die Anstellung weiblicher Inspektoren, Veranstaltung von Jnspektoren-Confercnzen sowie Errichtung einer colle- gialen Centralbehörde. Abg. Pachnicke (ft. Vrg.) wünscht eine Trennung von Fabrikinspektorat und Keffelrevifion. Staatssekretär v. Bötticher erklärt dies für Landessache. Abg. Fischer (Soz.) kritisiert den Erlaß an die Fabrikinspektionen vom 16. Sept. 1893 betr. die Veröffentlichung der Jahresberichte und erklärt, daß nichts darin enthalten sei, was der Notlage der Arbeiter steuern könnte. Redner fordert
7?» flt-chdrul »«rtoten.I
Dev Sonderling.
Roman von P. Felsberg.
(Fortsetzung.)
»Ihre Wünsche können sich erfüllen, Graf Erich wird wohl unvermählt -leiden und, wer weiß, am Ende solch ein Narr sein und glühende Kohlen auf Dein stolzes Haupt streuen, schöne Gertrud!' dachte er weiter, und sein Blick glitt flüchtig über die Gesellschaft und haftete schließlich an dem frischen, rosigen Gesicht Frau von Werdens, auf dem Güte und Milde lagen, die von echter Weiblichkeit sprachen, einer Weiblichkeit, wir er sie suchte und nicht fand.
Er hätte sie finden können, aber sein Blick war erst geblendet und nun getrübt durch Gertrud Felden, er sah nicht dicht neben ihr das Wesen, das ihn liebte «nt der ganzen Schwärmerei einer jungen, reinen Mädchenseele.
Er brach plötzlich auf. Es ward ihm unbehaglich in Gertruds Näh«. Ein Arzt findet immer eine Entschuldigung, um sich einer Gesellschaft zu entziehen, sobald er es wünscht.
Die Werdens bedauerten es sehr, daß er ging, aber er sah, wie es in Gertrud FeldenS Augen freudig blitzte, als er zum Abschied sich vor ihr stumm verneigte.
Tage, Wochen vergingen. Doktor Justus war eifrig mit dem Fabrikbau beschäftigt, auch die Patienten der Umgegend nahmen ihn viel in Anspruch, seit sie von seiner Tüchtigkeit gehört, denn sein Loblied tönte von Mund zu Mund in weitem Umkreis. Am Herrenhaus zu Felden ritt er stets vorüber, ohne Einkehr dort zu halten. Über die Mauer hinweg sah er im alten, verwitterten Park oft Gertrud imd Rosa, und meist war auch Günther Schönburg dabei. Er spornte sein Pferd regelmäßig zu flottem Galopp an, als gälte eS, möglichst rasch über ein Hindernis in seinem Wege hinüber zu kommen.
Eines Abends kehrte er gegen Mitternacht von seinem Ritt durch die Nachbarschaft ins Schloß zurück. Ein Diener empfing ihn mit der Botschaft, daß die Baronin von Felden schon zweimal nach ihm geschickt habe, die Baroneß sei plötzlich schwer erkrankt.
Justus dachte einen Augenblick nach, wie zögernd. Früher zog eS ihn mächtig hin nach dem allen Herrenhause, und jetzt hielt ihn etwas zurück. Er fuhr sich mit der Hand mehreremale über den Vollbarl, dann aber gab er Befehl, ihm ein frisches Pferd zu satteln, und sprengte wmige Minuten später hinüber nach Felden, dem alten Herrenhaus zu, wo man in Sorge und Angst ihn zu erwarten schien.
»WaS mag geschehen sein?' fragte er sich unablässig. »Ist Gertrud krmck oder Rosa?" Er dachte plötzlich daran, wie sie eS war, die ihm zuerst wieder Liebe und Mitgefühl für die Menschen eingeflößt hatte. Er hatte sie vernachlässigt in der letzten Zell, als Arzt konnte er es mit gutem Gewissen, für ihren Fuß war nichts mehr zu befürchten, aber als Freund des Hauses hatte er keine Entschuldigung. Der Gedanke peinigte ihn dann, daß eS Gertrud sein könnte, an deren Lager er gerufen wurde; er wußte, wie widerwillig sie sich ihm und seinen Verordnungen fügen würde.
Aus einzelnen Fenstern des alten Herrenhauses schimmerte ihm Licht entgegen, und als er vor der Thür, über der das Wappen der FeldenS prangte, sein Pferd anhielt, löste sich eine hohe Gestatt langsam von dem Hause ab und trat ein« Schritt ihm entgegen. ES war Gertrud Felden.
»Gut, daß Sie kommen, Rosa ist sehr krank," sprach sie in ihrem ruhigen Ton; sie schien ihn erwartet zu haben und geleitete ihn die Treppe hinauf in RosaS Schlafzimmer. Sie reichte ihm keine Hand zum Gruß. Sie zeigte ihm wieder, daß er für sie nur der Arzt ihrer Schwester war, sonst nichts.
Mit dem Licht in der Hand schritt sie chm vorauf. Er hatte keine Auge» mehr für ihre schöne Gestalt, er dachte nur an Rosa und beeilte sich, zu ihr z« kommen, um ihr Hülfe zu bringen.