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Ausland.
Paris, 16. Jan. Es steht fest, daß Prrier dem Wunsche seiner Mutter folgte, als er für die Präsidentschaft kandidierte und mit der jetzigen Demission dem Wunsche seiner Frau nachgrebt. Es verlautet, die Senatsmehrheit sei fest entschlossen, die Kammerauflösung anzuordnen, um der politischen Anarchie ein Ende zu machen. Die Kandidatur Dupuys auf die Präsidentschaft der Republik gewinnt an Boden. Perier soll sich bereits bei dem Tod« Burdeaus mit Rücktrittsgedanken getragen haben. Das Elysee ist militärisch besetzt, die Garnison ist eonsigniert.
Paris, 16. Jan. In den republikanischen Kreisen hat der Rücktritt Periers sehr überrascht. Man ist stark erbittert gegen Perier, welcher das Land in unabsehbare Wirren stürze. Es circuliert das Gerücht, vor 3 Tagen sei versucht worden, die kleine Tochter Periers zu entführen. Perier schrieb dieses Entführungsattentat den revolutionären Sozialisten in die Schuhe. Nach Bekanntwerden der Demission Periers veranstalteten die Sozialisten ein Champagner-Bankett. Als Nachfolger Periers kommen nur zwei ernste Kandidaten in Betracht nämlich Dupuy, und Briffon. In parlamentarischen Kreisen wird behauptet, Dupuy habe Perier beständig diskreditiert.
Versailles, 18. Jan. (Dep. d. Calwer Wochenbl.) Faur« mit 430 Stimmen zum Präsidenten der Republik gewählt. Brisson erhielt 380.
Versailles, 17. Jan. Der neu gewählte Präsident Felix Faure fuhr in einem von der Eisenbahngesellschaft gestellten Extrazuge um 8 Uhr nach Paris.
Paris, 17. Januar, 8 Uhr 30 Min. Der Präsident Faure langte soeben auf dem Bahnhofe St. Lazarr an. Eine Eskadron republikanischer Garde war auf dem Bahnhof ausgestellt und bildete die Chren-Eskordr bis zum Elysee. Auf der Fahrt zum Elysre-Palast wurde er in allen Straßen von rmer zahllosen Menschenmenge begrüßt. Im Hofe des Elysee-Palastrs war ein Bataillon des 103. Infanterie- Regiments mit Regimentsfahne und Musik-Corps ausgestellt. Faure begab sich sofort zu Perirr, wo er augenblicklich den Empfang aller Autoritäten abhält.
Paris, 18. Jan. Nach der Verkündigung des Abstimmungsergebnisses bei der gestrigen Präsidentenwahl kamen im Kongreßsaale Kundgebungen der Sozialisten vor, welche tue Protestrufe erhoben: »Vivat Brisson! Nieder mit Faure!"
London, 16. Jan. Die »Times" bedauert den Rücktritt Periers, welcher auf das Interesse Frankreichs und Europas Anspruch hatte. Der Rücktritt sei vielleicht die Handlung eines starken Mannes, jedoch nicht eines solchen, der sein Vaterland liebt. — „Daily-News" schreiben: Der Präsident ist im ersten Augenblick fahnenflüchtig geworden. Nichts kann diesen Mangel an Zutrauen rechtfertigen. Die öffentliche Meinung Englands wird den Sturz des Staatsmannes sehr bedauern. — Der »Standart" erklärt, Perier habe in dem Gemälde politischer Zerfahrenheit in Frankreich den letzten Pinselstrich hinzu- gefiigt und fragt, wo denn der Mann sei, welcher bereit ist, durch einen Staatsstreich das Land von
den Anarchisten und Umsturzparteien zu befreien. — Die „Morningpost" sagt, Frankreich habe einen Mann wie Cnspi oder Stambuloff nötig. — Der »Daily Telegraph" glaubt, daß sich die Hitzköpfe der französischen Kammer jetzt etwas abkühlen würden.
Tagesneuigkeiten.
Stuttgart, 18. Jan. In einer gestern Abend unter dem Vorsitze Gustav Müllers statt- gefundcnen Versammlung der deutschen Partei wurde Rechtsanwalt vr. Schall einstimmig zum Kandidaten für die Landtagswahl für Stuttgart-Stadt gewählt, vr. Schall hat die Kandidatur unter großem Beifall der Anwesenden angenommen.
— Zur Frage ob der König von Württemberg auf dem Manöverfeld bei Braunsberg anwesend gewesen sei. was der „Beobachter" unter Berufung auf die Berliner „Post" bezweifelt, macht dieses Blatt folgendes geltend:
Der mittlerweile recht müßig gewordene Streit um die Anwesenheit Sr. Maj. auf dem Manöverfelde ist ursprünglich durch eine Lücke in der offiziösen Berichterstattung über diesen Manövertag verschuldet worden. In der Thal erwähnt der Bericht des Wolff'schen Bur., dessen Angaben über die Bewegungen der höchsten Herrschaften als maßgebend betrachtet zu werden pflegen, die Anwesenheit Sr. Maj. des Königs nicht; und eine Notiz des Staatsanz. von Württ., die den Umstand meldete, scheint damals in der ganzen Presse übersehen worden zu sein. Der Staatsanz. f. Württ. schrieb damals:
Friedrichshafen, 13. Sept. S. Maj. der König ist heute Nachm, um 3 Uhr mit Gefolge von Königsberg wieder hier eingetroffen. Allerhöchstdrrselbe verabschiedete sich gestern Mittag, nachdem S. Maj. von Morgens an dem Gefechte der gegen einander operierenden Armeekorps angewohnt hatte, von Ihren Majestäten dem Kaiser und der Kaiserin auf das Herzlichste und begab sich sodann zu Pferde nach Braunsbera, wo ein Frühstück eingenommen wurde. Von dort fuhren S Maj. um 1 Uhr ab.
Unserer Meinung nach wären diese Angaben unzweideutig genug. Da aber der Beob. sie bemängelt und sich dabei auf den Manöoerbericht der Post beruft, kommen wir nochmals auf den Fall zurück, um die Darstellung der St. A. f. W. ausdrücklich zu bestätigen. Wir haben an Ort und Stelle bei Augenzeugen Anfrage halten lassen, die es gestatten, den Hergang auf das Genaueste zu rekonstruieren. Vielleicht interessieren den Beob. die folgenden Notizen:
S. Maj. der König von Württemberg traf mit dem Sonderzuge Ihrer Maj. der Kaiserin Morgens zwischen 7'/,—8 in Braunsberg ein. Nach der Begrüßung der Kaiserin durch den Landrat bestieg I. Maj. den Wagen und fuhr durch Braunsberg nach dem Gelände, hinter Ihrer Maj. in einem zweiten Wagen S. Maj. der König von Württemberg. Im Gelände wurden die Pferde bestiegen. Gegen Mittag verabschiedete sich der König von Württemberg von den Majestäten, traf auf dem Bahnhofe zu Braunsberg um 12 Uhr Mittags wieder ein, frühstückte daselbst (12 Gedecke
vom Oberhosmarschallamt bestellt) und fuhr um 12 Uhr 45 Min. mittels Sonderzugs von BraunS- berg nach Stuttgart weiter.
Der Beob. müßte, so fährt die Post fort, wirklich sehr anspruchsvoll sein, wenn ihm auch diese Angaben nicht genügen sollten, um seine Zweifel zu beseitigen. Indessen möge er es damit halten, wie es ihm behagt; nur lasse er, wenn er sich weiter streiten will, in Zukunft die Post aus dem Spiele.
Berlin, 16. Januar. Auf dem hiesigen Petroleum-Lagerhof fand heute Vormittag eine Explosion in einer Spiritus-Zisterne statt. 2 Mann wurden getötet und 2 schwer verletzt. 10 Faß Spiritus sind verbrannt.
Mailand, 18. Jan. Der Generalprokurator anr Mailänder Appellhof, Celli, wurde, in den Bureauräumen von einem Unbekannten, jedenfalls aus politischen Motiven, ermordet. Der Mörder, welcher Irrsinn simulirte, wurde verhaftet.
ttnd Uc»ue in der ^a.L 2 sn VsIS al» »lolisr und nQsodkÄUol» vtrksnäo», ttvxeirvUmos und HuuS- und öcilmtucl bei Lräruvxvo ln Lsr» VQtsrlold«- orKsnsn, trLtz cirn StulUxaLx und dtirciu» cmsrcdcrrdeu Biichwerr den, wie: L.odvr uvÄ SLmorr- dolSnUvtüsv, Lopk- »odrnsrrsv, Sodv^rräsl, Lttiewvolk,
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LrprodL nvü von vlnlxsn tttNTSNä prsol.
^srrtsn nn«l l?rofss«orsn äsr LlsLlotn werden die Apotheker iriodttrS Srankrt'schci, Schwri-erplllen allen ähnlichen Minet» vorxsroxo» und olle Interessenten sollten sich von Apotheker Rich. Brandl's Anchfolger in Schorfhansen dle Broschüre mit den Gutachten der Professoren. Aerzte, Chemiker re. kommen lassen.
Man schütze sich beim Ankäufe vor und ver
lange fters Apotheker kiLksnil Brandt'» Schweizerpillen. Zs bekommen ln fast allen Apotheken L Schachtel Mk. l.—, welche ein Ellauelte wie obenstehende Abbildung ein weiße» Kreuz in rothem Feld« kragen müssen.
Die Bei'tandtheile der ächten Apotheker Richard Brandt*- schen Sch'veizennllen sind Crtracte von: Silge Gr., Moschus- garbe. Aloe, Abirmth ie I Gr., Bitterklee, Gentkau je 0^ Gr., dazu Genrian« und Littertieepulver in gleichen Thrilen und im Quantum, um daraus bv Pillen im Gewicht von 0,l2 herzustellen.
Standesamt gal«.
Geborene:
10. Jan. Emilie, Tochter des Friedrich Schechingcr, Bierbrauers hier.
Getraute-
13. Jan. Karl Christian Naschold, Witwer, Straßen- Wärter hier und Ernstinr Luise Eckhardt, Witwe geb. Sch all er hier.
Gestorbene:
13. Jan. Marie Rosine Sitzler, 2'/« Jahre alt, Tochter des Ernst Sitzler, Viktualienhändlers hier.
16. Jan. Konrad Schönhardt. ledig, gew. Taglöhner hier, 72 Jahre alt.
16. Jan. Georg Eberhardt, Kaminfegers Wittwe Wilhelminc geb. Kurb hier, 79'/- I. a.
Gottesdienste
am 2. Sonntag nach Epivh., 20. Januar.
Vom Turm: 11. Der Kirchenchor singt: Herr zu dir will ich mich retten, von Mendelssohn (s. Beilage.) Predigtlied: 317. 9'/» Uhr Vorm.-Pred.: Hr. Dekan Braun. 1 Uhr Christenlehre mit den Söhnen. 5 Uhr: Bibelstunde im Vereinshaus, Hr. Stadtpfarrer Schmid. Mittwoch, 23. Januar.
10 Uhr: Betstunde im Vereinshaus.
druck zu g«brn, fesselten ihn bald so sehr, daß er nur ungern sich «hob, als der Dien« erschien und ihm meldete, daß das Mahl sein« harre.
Gedankenvoll schritt er dem Schlöffe zu und betrat in ernster Stimmung den Sprisrsaal. Sr hatte Zeit genug, bi« d« junge Offizier erschien, sich zu sammeln, «m demselben mit einem gleichgültigen Wort entgegenzutreten.
»Doktor, endlich da — scheint «me blühende Praxi» zu wrrden für Sie. Haben Sir interrffante Fälle hi« — was?"
»Interessant nicht, ab« traurig. Ein Arzt wird hier kaum helfen können, wenigstens nicht allein. Ein Genie muß da eingreifen, um dem Elend zu steuern."
»Verderben wir uns um Gotteswillen nicht den Appetit mit Schilderung von dem Elend and««! Sorge» Sie dafür, lieb« Doktor, daß mein Onkel ein paar hundert Thal« spendet; darauf kommt es ihm nicht an, mir auch nicht — wahrhaftig nicht! Hi«. Dvftor, nehmen Sie. geben Sie, wo e» Rot thut; bin selbst in der Klemme, ab« die paar Ding« kann man schon entbehren — aber nicht sprechen darüber, Lumperei Bettelei, mag ich nicht leiden."
Da Offizier hatte den Inhalt sein« Börse, da in mehreren Goldstücke» bestand, vor Justus hingefchüttet; dann begann er mit Behagen de» Burgunder zu schlürfen, d« vor ihm im Blas« funkelte.
Während d« Mahlzeit brachte wiederhott Justu» das Thema auf die Not in Felde», sprach von den Ideen deS Barone, die d« ganzen Umgebung zum Segen gereichen sollten, aber « fand kein willige- Ohr bei dem jungen Manne.
»Verschonen Sie den Onkel mit solchen Dingen. Bitte Eie, Doktor, was gehen unS im Grunde genommen di« Leute, in Felde» an l Die junge» Damen im Herrenhaus ausgenommen, interesfirrt mich kein einzig«. Schönes Mädchen, die stolze Gertrud, Raffe, wird irgend einen allen General heiraten, dann ist sie versorgt; eigentlich schade um sie, gefällt mir, stolz wie ein Satan, liebe daS — immer kolossal« Triumph, solch sprödes Herz zu besiegen."
Der Graf begann nun, manchen sein« Triumphe zu «zählen, ohne Namen zu nennen; Diskretion war ihm wirkliche Ehrensache. Davor Justus schnitt das
Thema ab mit der direkten Frage, wie d« Neffe des Grafen sich die Zukunft denke, im Fall der kränklich« Herr ihn zum Erben einsetze» sollte.
Die Helle Röte der Freude schoß in das Gesicht des Offiziers, seine schönen Augen blitzten, und keine feinen, weißen Hände zupften nervös an dem kecken Schnurrbart, als er vernahm, wie groß der Reichtum seines Onkels war, welch« Einkünfte derselbe bezog.
„Wirklich Davor, solch Vermögen ist fürstlich! Der Onkel könnte leben wie ein Gott, statt Grillen zu fangen — wrrd' «S and ns machen, die Wett soll vorr mir reden; liebe Sonderling zu sein, ab« anderer Art. Geld, Reichtum ist da, um auSgegeben zu werden, sich Genuß zu schaffen; Davor, Sie sollen als mein Leibarzt staunen, was ein Mensch mit solchen Revenuen schaffen kann."
,O ja — sehr viel Glück — da« habe ich jetzt einsrhen gelernt," gab langsam Justus mr Antwort.
Dir Phantast, des jungen Verschwenders begann herrliche, farbenprächtige Bilder zu entwerfe« von dem Leben, daS « zu führen gedenk«, wenn das Erbe seines Oheims chm zugefallrn sei. Der Wein, der zu schwer war für seinen augenblicklichen Gesundheitszustand, weitete ihm das Herz, daß es schwelgte in unbegrenzt« Wonne bei dem Vorgenuß der Zukunft, die so bezaubernd vor ihm sich aufgethan.
Davor JustuS lauschte ihm mit gesenkten Augenlidern; ein ernster Zug lag über seinen Mienen, den Graf Günther nicht eher beachtete, als bis der Arzt kurz fragte: „Und wann, Herr Graf, gedenken Sie mit Ihren Gütern so gewirtschastet zu haben, daß dem Erben des Majorat» nicht» bleibt, um vre Schuldenlast zu decken, die darauf liegt, die all« Einkünfte verschlingen wird?"
„Davor, da« verstehen Sie nicht," gab er leichtmütig zurück.
Justu« erhob sich, das Din« war längst beendet, er schritt langsam vor Günther auf und nieder und begann in ernsten, ruhigen Worten ihm vorzuhalten, welche Pflichten er zugleich übernehme mit den Rechten des R-ichtums. Ähnlich, wie vor kurzem Rosa zu ihm gesprochen, sprach er jetzt zu dem jungen Mann, der ihn lächelnd anhört«. (Forts, folgt.)