MM
M«UL/r«hl.
>4,M
IM -
WM
«diL,
-ML
^ 133.
Amis- und Anzeigeblait für den Bezirk (Lalw.
69. Zahr-rrP
Erscheint Dieustez, Donnerstag unk SamStag. Die Einrückungrgebühr teträgt im Bezirk und nächster Um- >^««g 9 Pfg. di« Zeile, sonst 12 Pfg.
Samstag» den 29. Dezember 1894.
LbonnementSpreiS vierteljährlich Pfg. Drägerlohn, durch die Post l ganz Württemberg Mr. 1. VL.
in der Stadt SV Pfg. « bezogen N?. 1. 1b, sonst
Amtliche Aekauutmachunge».
An die K. Standesämter.
Gemäß Z 46 Z. 9. der Wehr-Ordnung ist von -jedem Todesfall einer nicht in der Gemeinde geborenen männlichen Person, welche das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, dem Oberamt auf 15. Januar jeden Jahres Kenntnis zu geben. Formulare zu diesen Berichten werden den Ortsbehörden demnächst zugehen.
Calw, 28. Dezember 1894.
K. Oberamt.
Vor Her.
Tagesneuigkeiten.
* Calw, 28. Dez. Ein treuer Sohn unserer Stadt ist üm heiligen Abend heimgegangen. Der edle Stifter des Georgenäums, Herr General- consul von Georgii-Georgenau, ist in Stuttgart im Alter von 74 Jahren gestorben. Er wurde am 1. Dez. 1820 als Sohn -des Kaufmanns und fürstenbergischen Bergrats Eberhard Heinrich Geor- gii und einer Tochter des Mose Dörtenbach hier geboren. Aus Anhänglichkeit an die Heimat und aus Liebe zur Jugend stiftete er in Gemeinschaft mit seiner Gattin Sophie Emilie geb. Gärtner ein eigenes Gebäude dahier, in welchem durch eine, jedem zugängliche Bibliothek mit Konversations- und Lesezimmer, sowie durch öffentliche Vorträge die allgemeine Bildung gefördert, auch in den hiefür bestimmten Räumen der Zeichen- und Modellierunterricht erteilt werden sollte. Der stattliche Bau, eine der schönsten Zierden und von Fremden viel besuchte Sehenswürdigkeit unserer Stadt, kostete mit der Einrichtung und dem in öffentliche Anlagen umgewandelten Garten 60 000 fl. Außerdem stiftete v. Georgii noch 16 000 fl. zur Erhaltung des Stiftungsgebäudcs und zur Prämiirung von Zeichenarbeiten, sowie 2000 fl. zu
Prämien für gutprädizierte Arbeiter. Durch diese Stiftungen hat sich der einfache, liebenswürdige und unermüdlich thätige und fürsorgliche Mann, der jederzeit zu raten und zu helfen bereit war, auf viele Jahrhunderte hinaus ein unvergängliches Andenken bei Alt und Jung gesichert. Sein Name wird in Stadt und Bezirk Calw, besonders auch in den Gemeinden Möttlingen und Neuhengstett, welche von dem unvergeßlichen Manne ss manche Wohlthat erfahren durften, stets in größten Ehren genannt werden. Ueber das Leben und die Wirksamkeit des Verstorbenen entnehmen wir aus dem Merkur noch nachstehende Mitteilungen:
— Die den Meisten wohl unerwartete Kunde von dem Ableben des Kgl. niederländischen Generalkonsuls Emil Wilhelm v. Georgii-Georgenau hat in unserem ganzen Bezirk die aufrichtigste Teilnahme und tiefes Bedauern hervorgerufen. Nicht leicht gab es in unserem Oberamt einen Mann, der durch sein tiefes Wohlwollen, durch seine Herzensgüte durch warmes, verständnisvolles Eingehen auf private wie öffentliche Angelegenheiten und Verhältnisse, durch die liebenswürdigsten Ilmgangsformen wie durch umfassende Bethätigung edler Menschenfreundlichkeit und christlichen Wohlthätigkeitsinns die Angehörigen aller Gesellschaftskreise so aufs tiefste für sich gewann, die allgemeine Liebe und Wertschätzung ungesucht auf seine Person in so seltenem Maß gelenkt hat. Unvergessen wird und soll es auch bleiben, was der edle Verewigte insbesondere seiner Vaterstadt Calw erwiesen, er, welcher durch die wahrhaft großartige Stiftung des Georgenäums auf Jahrhunderte ein dauernd an seinen Namen geknüpfte, segensreiche Einrichtung geschaffen hat. Wie viele Förderung verdanken weiterhin dem rastlos um das gemeine Wohl bemühten Manne Handel und Gewerbe und namentlich auch die Landwirtschaft in unserem Bezirk, und wie hat er namentlich in Pflege der Bewirtschaftung seines eigenen Hofguts Georgenau weiten Kreisen ein schönes,
beachtenswertes Vorbild hergestellt. In der Nähe seines Familiengutes, auf Neuhengstetter Markung hat der Edelsinn des für die Geschichte seines engeren Vaterlandes zumal begeisterten Mannes ein weiteres schönes Denkmal geschaffen, den Waldenser- oder Stiftungsgarten, zur Erinnerung an die unter Herzog Eberhard Ludwig im Jahr 1699 stattgehabte Einwanderung der Waldenser und so auch der ersten Bewohner Neuhengsietts. Mitten auf weiter obstbaumbesetzter Rasenfläche erhebt sich ein großer, obeliskartiger Findlingsstein, welcher auf beiden Seiten in ehernen Buchstaben Widmung und die Namen der Ansiedler trägt. Wie viele edle, treffliche, den Sinn der Jugend für alles Gute und Edle weckende Schriften hat dieser Mann unter der Jugend unseres Bezirks in Stadt und Land als ebenso viele hoffnungsreiche Samenkörner verbreitet und wie war und ist doch stets sein Georgenau der Ort für edle Geistespflege und Förderung geistiger humaner Bestrebungen im Sinne des unvergeßlichen Stifters. Eine seiner letzt von ihm herausgegebenen Schriften war ein Verzeichnis sammt Lebenslauf hervorragender Söhne Württembergs — in dieses Pantheon gehört nunmehr auch er mit Fug und Recht hinein; darein ist er nun selbst eingegangen und wie in den weitesten Kreisen des Dahingeschiedenen Name nur mit innigster Verehrung und Dank seit lange schon genannt ist, so wird insbesondere in unserem Bezirk Calw dieser Name durch viele Geschlechter pietätsvoll fott- klingen als der besten einer.
Gestern Nachnu^fand die Bestattung auf dem Pragfriedhof statt^-sTas Grab umstanden Geh.Rat Ilr. Frhr. v. Griesinger, Geh.Hofrat vr. v. Jobst, General Frhr. Pergler v. Perglas, Staatsrat v. Moser, Oberst Graf Normann-Ehrenfels; zahlreiche Einwohner von Calw und Umgegend waren erschienen. Der mit Kränzen und Palmen reichgeschmückte Sarg wurde auf dem Friedhofe mit Posaunenmusik und Quartettgesang empfangen, worauf Stadtpfarrer Gerok die
flr»chdru«
Dev Sonderling.
Roman von P. Felsberg.
(Fortsetzung.)
„Und nun zur Arbeit/ mahnte der Gutsherr, riß sich loS von der Gattin Ed ging mit raschen, elastischen Schritten in sein Arbeitszimmer.
ES schien, als ob ein Friedensengel über dem Thale schwebte, in dem alles so prächtig gedieh, in dem Neid und Bosheit keine Stätte fanden, wo Fröhlichkeit und Zufriedenheit sich niedergelassen hatten und alle beseelten, die hier lebten, von der Gutsherrschaft bis hinab zum Knaben, der die Kühe hütete und sein Lied hinaus- lönen ließ aus voller Brust.
Der Sonntag kam. Es war ein rechter Sonntag, hell und strahlend stand die Sonne am blauen, wolkenlosen Himmel.
Schon früh hatte sich Herr von Werden mit seinem bequemen Wagen aufgemacht, um die Damen von Felde« zu holen.
Frau von Werden wollte nicht, daß die alte große Kutsche dem Gespött der fremden Dienerschaft auSgesrtzt würde. Sie kannte den alten Kasten, die „fahrende Hütte", und die schweren Ackerpferde des Pächters.
Sie freute sich unendlich auf ihre alte Freundin, die Baronin von Felden, und ihre beiden Töchter, von denen der Gatte ihr viel erzählt. Eie selbst hatte dieselben seit Jahren nicht gesehen.
Eine Thräne des Mitgefühls und der Rührung trat in dar Auge Frau von Werdens, als sie die Freundin wiedersah mit den leidvollen Zügen und der gebeugten Haltung. DaS Unglück hatte sie hart mitgenommen.
„Willkommen, Ihr Lieben!" rief die Gutsherrin den Gästen entgegen und Herzte sie freudig.
Herr von Werden schlang seinen Arm um Rosa und geleitete sie stützend in» Haus, wo im kühlen Gattensaale seine Gattin schon ein Plätzchen für sie zurecht gemacht am weit geöffneten, grün umwachsenen Fenster.
„Wie lieb Sie sind," dankte Rosa und blickte zu Frau von Werden auf, di« einen Kuß auf die Stirn des Mädchens drückte, das seiner Mutter so ähnlich sah. Sie beklagte das arme Kind, das schon in frühester, schönster Jugendblüte durch Unglück und Krankheit so schwer geprüft ward.
„ES wird schon besser werden, sicher, nun wir einen tüchtigen Arzt hier habe«, der unsere kleine Rosa sofort in die Kur nehmen soll," tröstete Frau von Werden, erzählte von Doktor JustuS und schilderte den guten Eindruck, den er auf sie und ihren Gatten gemacht hatte.
„Der Doktor fuhr mit uni in demselben Coups " erwähnte nun Werden, „er muß mit Ihnen zugleich in Felden auSgestiegen sein."
Gertrud Felden hob den Kopf aufhorchend. Der eine Augenblick, da der Mitteisende an ihnen vorüber fuhr auf der Station, stand lebhaft vor ihrem Gedächtnis. Er also war der Arzt, von dem sie in den letzten Tagen schon mehrfach hatte sprechen hören, dessen Ankunft sie preisen hörte als ein Glück für da« Dorf, und hier schien er auch willkommen zu sein als Freund und Gast des Grafe« Schönburg. „Ein simpler Arzt," dachte sie, und ihre Lippen zogen sich hochmütig zusammen. Sie empfand es recht, wie tief sie hinabgestiegen war; in der Sphäre^ in welcher sie bisher gelebt, spielte ein „Doktor JustuS" gar kein« Rolle, und hier war er der gepriesene Löwe des TageS.
Sie hatte recht. JustuS bildete entschieden an jenem Sonntag den Mittelpunkt der Gesellschaft, die sich auf dem Gute des Herrn von Werden einfand. Er kam spät zum Diner und man wartete auf ihn. „Meine Pflicht als Arzt hielt mich so lange zurück," entschuldigte er sich einfach bei der Hausfrau, deren noch immer schöne Hand er ehrfurchtsvoll an seine Lippen führte.
(Fortsetzung folgt.)