die Voruntersuchung in der Angelegenheit Kotze nunmehr abgeschlossen. Seitens des Korpsgerichts des III. Armeekorps ist eine förmliche Untersuchung verfügt. Hiermit sei für die Sache ein Stadium gewonnen, worin d-r richterliche Spruch unabwendbar ist. Den Beschuldigten sei somit die Genugthuung geboten, daß das Kriegsgericht berufen wird, um auf Grund eines umfassenden Aktenmaterials eine durchaus klarstellende Entscheidung zu treffen.
Varzin, 27. Nov. Die Fürstin Bismarck ist heute früh um 5 Uhr gestorben. Graf Herbert Bismarck ist Nachts hier eingetroffen, die übrigen Familienangehörigen und Verwandten werden erwartet. Ueber die Beisetzung ist noch nichts bekant.
Für den Alt-Reichskanzler ist der Tod seiner treuen Lebensgefährtin ein harter, kaum zu verwindender Schlag. Was Fürst Bismarck an seiner Gattin hatte, ist aller Welt bekannt. Die Briefe, die bekannt worden sind, geben Zeugnis von der großen Liebe und Innigkeit, mit welcher er an ihr hing. Im Umgang mit ihr holte er sich in den aufreibenden Kämpfen seines Lebens Stärkung und Erquickung, sie war es auch, welche ihn in edlem Frauenstolz in der schweren Zeit, die ihm nicht erspart blieb, aufrecht hielt. Was man von dem Familienleben in Varzin und Friedrichsruhe gelesen hat, bestätigt, daß nicht leicht ein schönerer und festerer Bund gedacht werden mag, als der Bismarcksche Ehebund. Nun hat der Tod dieses Band zerschnitten. Die Teilnahme des deutschen Volkes bekleidet den gebeugten Fürsten in diesen Tagen der schmerzlichsten Trauer. — Die Fürstin Johanna ist geboren 11. April 1824 als Tochter des ff Rittergutsbesitzers Heinrich von Puttkamer auf Viartlum. Die Vermählung fand am 28. Juli 1847 statt.
* Wahlprogramm der Deutschen Kartei.
(Schluß.)
7. Die Deutsche Partei fordert fachmännische Schulaufsicht, erweiterte Fürsorge für die soziale Stellung der Volksschullehrer, insbesondere für die Hinterbliebenen der Lehrer; Ausdehnung des Fortbildungsschulwesens; Berechtigung der Gemeinden, den Unterricht in Volks- und Fortbildungsschulen unentgeltlich einzurichten, stärkere Betheiligung des Staats an Tragung der Schullasten.
8. Im Verhältnis von Staat und Kirche ist maßgebend der Grundsatz vollständiger Glaubens- und Gewissensfreiheit. Beim Widerstreit zwischen kirchlichen und staatlichen Interessen muß die Staatsgesetzgebung und Verwaltung das entscheidende Wort haben. Die Grundsätze herrschen in Württemberg seit geraumer Zeit und sollen auch in Zukunft die herrschenden bleiben. Ueber die Regierung der evang. Kirche sind für den Fall, daß ein katholischer Fürst den württembergischen Königsthron besteigen sollte, schon jetzt auf Grund des Z 76 der Verfassung auch staatsrechtlich die nöthigen Bestimmungen zu treffen. Die Deutsche Partei tritt für Regelung dieser Frage des der evangelischen Landessynode vorgelegten Entwurfs ein.
9. Die Deutsche Partei ist entschlossen, aufs Nachdrücklichste alle Bestrebungen zu unterstützen, die den nothleidenden Erwerbs ständen eine Besserung und Befestigung ihrer Lage durch zweck
entsprechende Maßnahmen der Gesetzgebung und Verwaltung bringen können.
Sie fordert daher die Hilfe des Staates
einmal für den Kampf gegen den unlauteren Wettbewerb im weitesten Sinne,
dann für alle die Bestrebungen, die in genossenschaftlicher Vereinigung die Vertretung der Berufsinteresien, Einwirkung auf das Lehrlingswesen, gemeinsamen Ankauf von Rohmaterialien, Hilfs- und Betriebsmitteln, gemeinsamen Verkauf von Erzeugnissen, Beschaffung billigen Kredits u. a. m. bezwecken,
sie fordert ferner eine Reform des Steuer- wesens (s. o.) unter Heranziehung der Hausierer und Detailreisenden zur Gemeindesteuer,
endlich bessere Regelung der Zuchthausarbeit, des Submissionswesens, der Sonntagsruhe u. a. m.; insbesondere sollen auch bei Lieferungen für den Staat thunlichst inländische Betriebe berücksichtigt werden. — Dieselben Grundsätze gelten auch
10. In Bezug auf die Landwirtschaft, die infolge der übermäßigen auswärtigen Konkurrenz in besonders schwieriger Lage ist. Die Erhaltung eines kräftigen, wirtschaftlich gesunden, leistungsfähigen Bauernstandes ist die Hauptaufgabe einer weisen und weitaussehenden Wirtschaftspolitik. Zu diesem Zwecke sind alle Maßregeln zu unterstützen, die eine Verbesserung des landwirtschaftlichen Erwerbes versprechen. Insbesondere kommen in Betracht neben der erwähnten Steuerreform und neben der Förderung durch eine auch den kleineren Betrieben entgegenkommende Gestaltung der Eisenbahntarife die Erlassung eines Wasserrechtsgesetzes mit billiger Berücksichtigung der landwirtschaftlichen Interessen, Unterstützung bei Einrichtung einer Hagel- versicherungSkasse und von Viehversicherungsanstalten, Ueberwachung und Besteuerung von Nachahmungen der Naturprodukte, z. B. Kunstwein, Unterstützung der Wirtschaftsverbesserung durch Ausstellungen, Prämien und vermehrte Fachbildungsgelegenheit sowohl für Erwachsene als für die Jugend.
Neben der Staatshilfe sind indessen die Angehörigen von Gewerbe und Landwirtschaft auch auf die eigene Thatkraft und die unbeschränkte Möglichkeit, ihre Interessen durch freie Vereinigungen zu wahren, hinzuweisen. Nur bei voller Anspannung der eigenen Kraft kann die Hilfe des Staats von wirklichem Nutzen sein.
11. Die Deutsche Partei hält es für ihre besondere Aufgabe, dafür einzutreten, daß Staat und Gemeinde in erhöhtem Maße eine unmittelbare Fürsorge für das Wohl der arbeitendenKlassen bethätlgen, und daß sie, wo sie selbst Arbeitgeber sind, also insbesondere im Eisenbahn und Postdienst, bezüglich des Schutzes, der Entlohnung und der Arbeitszeit, sowie der Wohlfahrtseinrichtungen für ihre Arbeiter ein Vorbild für die Privatindustrie aufstellen. — Die Arbeiter haben weiter Anspruch auf ausreichenden Schutz, insbesondere soweit es sich um ihre berechtigten Bestrebungen zur Verbesserung ihrer Lage handelt. Die volle Freiheit des Vereinsrechts ist zu wahren, ebenso aber sind auch die Arbeiter in ihrer Freiheit gegen Vergewaltigung seitens ihrer Mitarbeiter zu schützen.
Mit diesem Programm tritt die Deutsche Par
tei in den Wahlkampf ein, zu einer Zeit, in der e§ gilt, gegenüber dem Angriff auf die ganze Ordnung der Gesellschaft, gegenüber der zersetzenden Agitationsweise radikaler politischer Strömungen, gegenüber ' der Gefährdung des konfessionellen Friedens alle besonnenen Kräfte des Volks zu sammeln und entschlossen einzutreten für eine stetige und persönliche Entwicklung unserer politischen wie unserer wirtschaftlichen Zustände. Die Güter, für die wir kämpfen, sind nicht die einseitigen einer Partei, sondern die eines ganzen Volkes. So fordern wir denn unsere Mitbürger in Stadt und Land auf, in diesem Sinne mit uns zu wirken für eine freie gedeihliche Gestalt unseres öffentlichen Lebens, für die Verteidigung der religiösen und sittlichen Grundlage unseres Volksthums. Im Vertrauen auf diese Mitarbeit an der gemeinsamen Aufgabe blicken wir getrost in die Zukunft und hoffen, daß auch die bevorstehende Wahl ausschlage zum Wohl unseres Volkes, zum Heile des Vaterlandes.
Landwirtschaft!. Aezirksverein.
Derselbe hält am Freitag den 30. ds. Mts. als am Andreasfeiertag im badischen Hof seine jährliche
Keneral'vertfarnrntung.
Beginn der Verhandlungen mittags l'/s Uhr. Tagesordnung:
1) Vortrag des Kassen- und Rechenschaftsberichts pro 1893/94.
2) Wahl eines Vereinsvorstandes und zweier Ausschußmitglieder.
3) Vortrag über d a s landwirtschaftl. Nachbarrecht,von Herrn Oberamtmann Voelter.
- 4) Uebergabe der bei der heurigen staatlichen Viehschau gewährten P r e i s e und der dazu gehörigen Preis- und Verpflichtungsurkunden an die betreffenden Preisträger, deren persönliches Erscheinen deshalb erwartet wird.
5) Gratisverlosung einer Anzahl Fritz Möhrlin- 'scher Schwäb. Bauern freund-Kalender pro 1895 unter die anwesenden Vereinsmitglieder.
Der Ausschuß versammelt sich um 11 Uhr bei Herrn Häring.
Präzis 12 Uhr findet ein einfaches Mittagsmahl statt, woran jedermann teilnehmen kann. Umrechtzeitige Anmeldung beim Gastgeber wird dies- fällig freundlichst ersucht.
Calw, den 23. Nov. 1894.
Stellv. Vorstand: Sekretär:
L. Din gler. Ansel.
Reklamet-U.
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^vtrsKe: IVas lässt sied bei einem Linäs tdun, äss lkaA unä I^aedt an Taduscdmersen leiäet unil sied rum ^usriedsu niedt entsckliesssn kann?
^ntvort: Lauten 8ie sied Deo Dötrsr's äedts 2adn- tropten, «kann können 8is unä Idr Linck rudiK sedlaten!
Lidältlied in valv bei Vislauä L küsiäerer.
ein kleines zierliches Couvert. Sie riß es auf. ES enthielt eine zweite Visitenkarte aus dem von Gerhard vor dem Pavillon verlorenen Ledertäschchen.
Der auf der Karte stehende Name Gerhard übte auf Angelika denselben Zauber wie vorher aus. Aber diesmal brauchte Jordan, der jede ihrer Bewegungen mit dem Blicke eines Raubthieres beobachtete, sie nicht erst auf die Rückseite der Karte aufmerksam zu machen. Sie laS auf der Rückseite dieser Karte mit gleicher Bleististschrift wie auf der vorher erhaltenen folgende Worte:
»Ehre und Dienstpflicht gebieten mir, eine halbe Stunde vor Mitternacht mit einer Schaluppe an der Landungsbrücke de» Kaiserquai» den Prinzen Alexander zu erwarten. Die Zeit drängt, ich muß fort. Deshalb die» schriftliche Lebewohl für lange, lange Zeck. Gebe Gott un» ein Wiedersehen!"
Kaum hatte Angelika diese Zeilen gelesen, so drehte sie sich mit der fieberhaften Hast, die sie seit dem Empfang der ersten Karte keinen Augenblick verlassen, nach Jordan um.
»Wissen Sie," fragte Angelika, »wo der Kaiserquai liegt?"
»Der Kaiserquai?" sagte Jordan, sehr verwundert thuend.
»Ja," wiederholte sie. »die Landungsbrücke am Kaiserquai."
»Am Hafenbollwerk," erwiderte er mit einem so gedehnten Ton, als ob er gar nicht begreifen könne, wie sie zu dieser Frage käme.
»Sie werden mich dorthin führen!" gebot Angelika mit einer Energie, als ob sie die Herrm des Hauses sei.
Jordan frohlockte im Innern, aber er verrietst mit keiner Miene, wa» in ihm vorging. Er dachte auch nicht daran, sich ihrem Verlangen äußerlich willfährig zu zeigen. Er wußte, daß einer der mächtigsten Geister, durch dessen Macht man die Thatkraft aller Menschen in den meisten Fällen unglaublich forciren kann, der Widerspruchsgeist ist.
.Nach dem Hafendollwerk?" rief er, als ob er nicht recht gehört hätte. ».Niemals!"
Angelika zitterte vor Erregung, al» er ihr widersprach. Die Furcht, daß sie Gerhard wirklich nicht mehr Wiedersehen würde, steigerte nur ihr Verlangen, dies Wiedersehen doch noch zu erstreben. Zu der Leidenschaft ihrer Sehnsucht kam nun noch der durch Jordans Widerspruch geweckte Eigensinn, ihren Willen durchzusetzen.
»Sie werden mich dahin begleiten!"
»Das ist unmöglich!"
»Wie weit ist das Bollwerk von hier entfernt?"
»Beinahe zwanzig Minuten."
»So können ww noch zur rechten Zeit eintreffen!"
»Ich verlasse das Haus nicht!" sagte er sehr bestimmt.
.Herr Jordan," sagte sie, indem sie den Ton änderte und von der Forderung zur Bitte überging, »Sie werden eine Unglückliche nicht verlassen, denn ich bin unglücklich, mehr als ich ausdrücken vermag, wenn ich nicht vor Mitternacht an das Bollwerk gelange. Ich weiß ja, daß Sie meinen Eintritt in dies Haus nicht gern gesehen haben, aber was habe ich Ihnen gethan, daß Sie mich nach wie vor mit solcher Unfreundlichkeit behandeln? Bedenken Sie, daß auch meine Großtante und Dorothea mir zuerst nicht gewogen waren und beide ihren Sinn jetzt doch vollständig gegen mich geändert haben."
Jordan horchte auf. Also auch Dorothea hatte Partei für Angelika genommen. er verlor auch diese letzte Stütze; zwar hatte er in der letzten Zeit auf ein Bündniß mit Dorothea nicht mehr so viel Gewicht gelegt, aber eS steigerte seinen Grimm gegen Angelika noch mehr, als er erfuhr, daß sie auch in Dorothea'» Gunst festen Fuß gefaßt hatte.
.Wollen Sie denn allein," fuhr Angelika fort, „gegen mich hart und ungerecht bleiben? Alles, was meine Großtante für mich thun will, und wenn sie mich selbst mit einem Teil ihrer Reichtümer überschütten würde, verliert jeden Wert für mich und gilt mir nichts, wenn ich nicht im Verlauf der nächsten halben Stunde nach der Landungsbrücke des Kaiserquais gelange." (Forts, folgt.)