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Kuhnle mehr gespannt, wenn dieselbe ohne Mitwirkung Anderer im Original erscheinen würde.
Stuttgart, 19. Okt. Güterbahnhof: Zufuhr 45 Waggons - 9000 Zentner Mo st ob st und zwar 1 bayer., 15 belg., 33 Hess., 3 österr., 4 schweiz. Preis pr. Waggon ä 300 Zentner 900 bis 980 ^, sackweise pr. Ztr. 4 80 -rZ bis 5
Beutelsbach, 19. Okt. Lese im Gange. Noch keine feste Preise. Gesamterzeugnis ca. 3000 bl. Schnaith, 19. Okt. Preis 93 bis 98 ^ per 3 bl. Besigheim, 19. Okt. Preise von 70, 80 und 100 per 3 bl. Hessigheim, 19. Okt. Lese beendigt. Käufe zu 90 und 95 ^ per 3 bl Rotwein. Vieles verstellt. Mundelsheim, 18. Okt. Heute lebhafter Verkauf zu 90, 95, 100, 103, 105, 106, 107, 110 ^ per 3 bl rotes Mittelgewächs, 145—150 ^ per 3 kl Käsberger. Kirchheim am Neckar. 1 Kauf zu 73 ^ per 3 kl. Lauffen a. N. 3 dl 90, 93, 95, 100 u. 110^. Bönnig- h eim, 19. Okt. . Lese in vollem Gang. Qualität besser als erwartet. Noch kein Preis. Cleebronn, 18. Okt. Verkauf zu 45 bis 50 Einige Käufe zu 40 ^ per 3 bl. Weinsberg. Weiß ä, 60 Schiller ä 75 Rot L 80 je pro 3 bl.
Ludwigsburg, 16. Okt. Dieser Tage wurde die hiesige Bierbrauerei von Ayasse in der Nähe des Kaffeebergs für 120 000 ^ an die Stuttgarter Brauerei zum Englischen Garten verkauft. Dieselbe beabsichtigt ein Bierdepot hier zu errichten. Die Brauerei-Einrichtung wird verkauft.
Freudenstadt, 18. Okt. Dem Schnee ist heute nacht der Frost gefolgt. Heute früh zeigte das Thermometer 1'/, Grad unter Null. Das Laub fällt massenhaft von den Bäumen.
Mergentheim, 16. Okt. Dem gestrigen Schafmarkt wurden zugetrieben 4760 Stück, von denen 3678 verkauft wurden und zwar hauptsächlich nach Metz und Nancy. Die Preise gingen etwas zurück. Erlöst wurde für das Paar: Lämmer 30 bis SO, Jährlinge 43—54'/-, Hämmel 41—58, Mutterschafe 44, Bracken 27'/, — Nächster und
letzter diesjähriger Schafmarkt Mittwoch, 14. Novdr.
Mannheim, 20. Okt. Vor dem Schwurgericht des hiesigen Landgerichts fand heute der Prozeß gegen die Sozialdemokraten Dreesbach, Teufel und Fentz wegen Aufforderung zum Hochverrat und Aufreizung zum Klassenhaß statt. Das Urteil lautet auf Freisprechung der drei Angeklagten von der Aufforderung zum Hochverrat. Wegen Anreizung zum Klassenhaß wurden Teufel und Dreesbach zu je 50 Mark Geldstrafe verurteilt. Fentz wurde freigesprochen. Das Verbrechen wurde begangen durch Abdruck des 1848er Flugblattes in der Mannheimer Volksstimme.
Hanau, 17. Okt. Ein glückliches Gemeinwesen ist die Stadt Orb, Soolbad im Spessart. Es werden dort bei einer Bevölkerung von
3300 Seelen außer Hundesteuer keinerlei Kommunalsteuern erhoben und es ist in jedem Jahr ein Etatsüberschuß zu verzeichnen. Die Stadt besitzt einen Wald von 3400 Hektar, eine Saline und ein Vermögen von 2500000 Eine Wasserleitung und ein Elektrizitätswerk sind in Aussicht genommen. Um den Anschluß der Stadt an den Bahnverkehr recht bald zu ermöglichen, sind die städtischen Behörden bereit, das zu einem Bahnbau erforderliche Gelände eventuell dem Fiskus oder einer Gesellschaft kostenfrei zur Verfügung zu stellen.
Rumpenheim, 20. Okt. Die Prinzessin Friedrich Karl von Hessen ist heute morgen von einem Prinzen glücklich entbunden worden.
Hamburg, 20. Okt. In der Redaktion des »Echo" fand eine erfolglose Haussuchung statt, welche mit der Angelegenheit des in Altona wegen des Verdachts anarchistischer Umtriebe verhafteten Schuhmachers Jahns zusammenhängen soll.
Hamburg, 20. Okt. Großes Aufsehen erregt dem „Gen.-Anz." zufolge die plötzliche Entlassung von etwa 20 Marinemaats mit langjähriger Dienstzeit. Ueber den Grund der Entlassung verlautet nichts Näheres.
Berlin, 19. Okt. Wie die „Berliner Neueste Nachrichten" erfahren, hat Redakteur Polstorff die Aufforderung erhalten bis zum 30. Oktober seine Festungshaft in Glatz anzutreten.
Berlin, 19. Okt. In der gestrigen Stadt - verordne tensitzung kam es bei Beratung des sozialdemokratischen Antrags auf Einführung des Acht- stunventags zu tumultarischen Scenen. Singer sprang während einer Rede des Stadtverordneten Sachs von seinem Platze auf und schlug mit der geballten Faust donnernd auf den Tisch. Im weiteren Verlauf der Sitzung ertönten Rufe gegen die Sozialdemokraten : „Raus! Raus!", worauf dieselben erregt von ihren Sitzen aufsprangen. Der sozialdemokratische Stadtverordnete Zubeil ballte die Faust und rief in die Versammlung hinein: „Versucht's doch einmal!"
Berlin, 20. Okt. Das Staatsministerium hat die Beratungen zur Bekämpfung der Ilmsturzbestrebungen noch nicht abgeschlossen, wahrscheinlich werden noch weitere Sitzungen folgen. Es soll sich um eine ganze Reihe von Entwürfen handeln.
Berlin, 20. Okt. Der deutsche Botschafter in Petersburg, General Werder, der seit einigen Tagen hier weilt, erhielt gestern seitens der russischen Botschaft eilige Nachrichten über das Befinden des Zaren, welche ihn zur schleunigen Abreise nach Petersburg veranlaßten. Vor der Abreise hatte der Botschafter noch eine Audienz beim Kaffer.
Bern, 19. Okt. Die neue Partei, welche sich in der Schweiz gebildet hat, nennt sich „christlich- soziale Vereinigung". Das Gründerdatum ist der
16. Okt. An diesem Tage versammelten sich in Olten Männer aus den verschiedenen protestantischen Kantonen, denen eine Lösung der sozialen Fragen auf dem Boden positiv christlicher Grundsätze am Herzen liegt. Der schweiz. evang.-kirchlichr Verein hat in seiner Jahresversammlung im Juni d. I. seinem Zentralkomite den Auftrag erteilt, die Bildung einer Gesellschaft anzuregen, welche in genanntem Sinne an die sozialen Aufgaben herantreten würden. Der Oltener Tag war nun die Lösung dieser Aufgabe- Die Anregung ging von Basel aus, wo auch der Hauptsitz der Partei ist, die in den Personen Prof- Orelli und Pfarrer H. Lichenhohn ihre eifrigsten Förderer hat. Das vorgelegte Programm, welches in wenigen kurzen, grundlegenden Sätzen die Aufgaben des Vereins festsetzt, wurde angenommen und der Partei der Name „Schweiz, christlich-soziale Vereinigung" gegeben. Sie setzt sich zum Zweck, das Zusammenwirken aller derjenigen zu fördern, welche in der Schweiz an der Lösung der sozialen Aufgaben vom evang.-christlichen Standpunkt aus arbeiten wollen- An die Spitze der Vereinigung wurde eine provisorische Kommission gestellt, welche einen kurzen Statutenentwurf auszuarbeiten, den Sitz des Zentralvorstands zu bestimmen, in den verschiedenen Kantonen Sektionen zu bilden und die zunächst liegenden Fragen vorzubereiten hat. Entsprechende Vereine bestehen erst sehr wenige, und auch diese wenigen weisen eine geringe Mitgliederzahl auf. Dis neue Kommission hat deshalb eine schwere und aufopferungsvolle Arbeit vor sich.
Brüssel, 19. Okt. Der altliberale Brüsseler Abgeordnete Bürgermeister Buls, erklärte in einer Unterredung, daß obgleich der Sturz der Klerikalen von den Antiklerikalen gewünscht wurde, seine Partei dafür sei, daß sie die Bedingungen der Sozialisten nicht ohne ihre Würde zu verletzen, annehmen könnten. Ihre Haltung sei ihnen besonders durch die Aussicht- dictiert, daß, falls das sozialistische Element am nächsten Sonntag noch verstärkt werde, bald Brüssel und mehrere größere Provinzstädte unter die Herrschaft der Sozialisten fallen würden.
Wien, 19. Oktbr. Gestern Abend fand ein großes Massenmeeting statt, woran über 10,000 Personen zur Feier der sozialistischen Wahlerfolge in Belgien teilnahmen. Nachdem die Versammlung ruhig verlaufen, zogen die Arbeiter in geschlossenen Reihen unter den Rufen „Hoch die Revolution, es lebe das allgemeine Wahlrecht" nach dem Parlamentsgebäude. Die Polizei, welche die Menge von den Hauptstraßen in die Nebengassen zu verdrängen suchte, wurde von der Menge angegriffen und mußte mit blanker Waffe einhauen. Zahlreiche Arbeiter wurden verletzt, darunter mehrere schwer. Man befürchtet während der heutigen Reichsratssitzung Unruhen, weshalb das Gebäude durch Sicherheitspolizei umstellt werden soll.
Wien, 21. Okt. Die nachts hier auf der russischen Botschaft eingetroffenen Petersburger Nach
werden, nein, es wurde sogar noch das Erscheinen eines Unbekannten in demselben in Aussicht gestellt.
„WaS für alberne Voraussetzungen machen Sie da!" fuhr sie Angelika sehr unfreundlich an. „Sie vergessen wohl ganz, als waS und aus welche Weise Sie in unser HauS kommen?"
„Aber es ist ja doch mein Reisegefährte!" versetzte Angelika so naiv rechthaberisch, als ob eL gegen ihre Anschauung und Erwartung gar keinen Widerspruch geben könnte. Diese in ihrem Ton sehr deutlich ausgeprägte Naivität konnte einen doppelten Ursprung haben: sie entsprang entweder aus reiner Kindlichkeit oder aus vollendeter Koketterie.
Mochte der Grund nun sein, welcher er wollte, Dorothea war über Angelika's Wort und Ton so entrüstet, daß sie Haß und Abneigung gegen das junge Mädchen immer mehr in sich wachsen fühlte.
Jedenfalls hätte sie ihr abermals eine harte Zurechtweisung gegeben, wenn nicht der Wagen plötzlich still gehalten; man war vor dem „toten Hause" angekommen. Der Thorweg desselben war nicht wie gewöhnlich fest zugesperrt, sondern geöffnet. Jordan stand in der offenen Thür.
Dorothea war seiner schon ansichtig geworden, als der Wagen noch eine Strecke entfernt gewesen war. Sein unruhiges und bestürztes Gesicht brachte Dorothea vollends um den Rest ihrer Fassung.
Der Bl'ck, den Jordan auf die aussteigende Angelika warf, war so unheilverkündend, daß diese sicherlich sehr erschreckt gewesm wäre, wenn sie ihn bemerkt hätte, aber Angelika sah ihn mcht. Sie, dir dir jetzt nur in der Residenz gelebt Halle, zuerst wenn auch in der bescheidenen, doch immerhin modern eingerichteten Häuslichkeit ihrer Eltern und dann in dem vollständig wellstädtischen Pensionat des Fräulein Sorou, war über das altertümliche Giebelhaus, in dessen dunklen Flur sie jetzt eintraten, so verwundert, daß sie unw'llkürlich die altmodische Architektur de» Gebäudes mehr bellachtete, als die Menschen, die ihr bei der Ankunft entgegentraten.
Dorothea führte daS junge Mädchen über den Hof auf einer Hintertreppe in das Zimmer hinauf, welches Frau Dreßler zum einstweiligen Aufenthalt für die Tochter ihres Neffen bestimmt hatte.
„Legen Sie hier Hut und Mantel ab, Fräulein," sagte die alte Kammerjungfer,. und richten Sie sich hier nach Belieben ein, Ihr Gepäck wird Ihnen sogleich gebracht werden; ich gehe, für Sie ein Frühstück serviren zu lassen, denn mir ist von der gnädigen Frau der Auftrag geworden, für Sie zu sorgen."
Angelika war vor einen Spiegel getreten, der zwischen den beiden Fenstern des Zimmers hing, und löste die Schleife ihres Hutbandes.
„Wollen Sie mich nicht zuerst zu meiner Tante führen?" fragte sie. „damit ich vor Allem mich ihr zunächst vorstellen und danken kann, daß sie mich durch Sie vom Bahnhof hat abholen lassen? Diese Freundlichkeit beweist mir, daß sie gesonnen ist, mir in ihrem Hause eine Freistatt zu gewähren."
„Der Gesundheitszustand der gnädigen Frau erlaubt ihr nicht, irgend Jemand zu sprechen."
Mit diesen Worten verließ Dorothea das Zimmer, ohne einen Blick auf das junge Mädchen zu werfen.
Als sie in ihr Zimmer trat, fand sie Jordan bereits daselbst ihrer harrend. Sie beeckte sich, ihm in wenigen Worten die Befehle mitzuteilen, die sie von ihrer Gebieterin empfangen und auch vollzogen hatte, indem sie mit bedeutungsvollem Tone hinzusetzte, daß Frau Dreßler ihr die Sorge für Angelika von Bartenstein ganz unbedingt anvertraut habe, da dieselbe vorläufig im Hause bleiben solle.
Jordan erblaßte bei dieser Mitteilung und seine Lippen zuckten krampfhaft. „Was hat dies Alles zu bedeuten?" fragte er Dorothea. „Welcher Teufel ist in Madame gefahren, daß sie dies verwünschte Mädchen in unser Haus aufnimmt?"
„Sie will die Kleine gar nicht sehen," beruhigte ihn Dorothea, „und ist willens, sie nur vorläufig auszunehmen, da sie ihr so plötzlich und schnell übersandt wurde, daß eine Absage überhaupt nicht mehr möglich war."
(Fortsetzung folgt.)