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Ravensburg, 4. Okt. Man wird sich noch des Falles vom 27./L8. Juni erinnern, daß sich eine Wirtstochter in Leutkirch aus Eifersucht vergiftete, weil ihr Geliebter, ein Apotheker, mit Schauspieler­innen schön that. Jener Apothekergehilfe, ein Herr Spring aus Cörlin in Pommern, wurde in erster Instanz wegen Verabreichung von Gift zu 5 Wochen Gefängnis verurteilt, weil er die nötigen Vorschriften nicht beachtet hatte. Wegen Diebstahls (weil er das Gift ohne Wissen des Prinzipals aus dessen Vor­räten entnommen hatte) war er freigesprochen worden. Sowohl der Staatsanwalt, als der Angeklagte hatten damals Rekurs ergriffen. Bei der Verhandlung vor der hiesigen Strafkammer wurde jedoch die Berufung abgewiesen und verbleibt es somit bei der zuerst er­kannten Strafe. Der Angeklagte war wegen der zu weiten Entfernung von dem Erscheinen entbunden worden.

Pforzheim, 6. Okt. Wie wir erfahren, sind für den heutigen Tag auf dem Standesamt 10 Trauungen anberaumt, auch ein Beweis, daß die Geschäftslage eine Wendung zum Bessern genommen hat. (Pforzh. B.)

Pforzheim, 6. Okt. Wie früher berichtet, wurde am 27. August l. I. auf der Calwerstraße einem hier wohnhaften Mezger von einem Tag- löhnrr nach vorhergegangenen Tätlichkeiten eine 10 vm lange und ca. 2 mm breite Schnittwunde am Halse beigebracht. Den Anlaß zu diesen Ausschreit­ungen gab eine Wette, die das Gericht als eine frivole, gemeine und unsittliche bezeichnet«. Während der Verhandlung des Angeklagten, über die Art der Wette, wurde in der gestrigen Schöffengerichtssitzung die Oeffentlichkeit ausgeschloffen. Am Schluffe der Sitzung wurde der Angeklagte zu 2 Monat Gefäng­nis und 3 Tage Hast verurteilt. Derselbe hat 55 Vorstrafen aufzuweisen und will Berufung einlegen die jedoch nach Lage der Sache erfolglos sein dürfte.

Kehl, 5. Okt. Ein Zeichen, zu welcher Höhe gegenwärtig die Vieh preise gestiegen sind, ist ein erst neulich gemachtes Gebot für 2 junge Stiere, welche letztes Jahr für 100 verkauft wurden. Dem gegenwärtigen Besitzer wurden nunmehr von dem damaligen Verkäufer die stattliche Summe von 900 ^ geboten.

Oos (A. Baden), 5. Okt. Die Bauers - .leute, welche noch Oehmd draußen liegen haben, machen gegenwärtig saure Gesichter, desgleichen die Winzer. Manche Rebstücke versprachen ein reich­liches Erträgnis, aber durch den Hagel und das schlechte Wetter wurden unsere Hoffnungen größten­teils vernichtet. Heu and Oehmd sind gut geraten und meistens sehr gut eingebracht worden. Welcher Unterschied im Preise des Futters zwischen dem letzten und diesem Jahr besteht, erhellt aus Folgendem: Ein hiesiger Bürger wollte das Oehmdgras seiner Wiesen verpachten, da aber die Angebote sehr niedrig waren.

so entschloß er sich, dasselbe selbst mähen zu lassen und erhielt u. A. von einer Wiese, für die man ihm 5 ^ geboten hatte, etwa 20 Zentner Oehmd.

München, 5. Okt. Ermordung einer Familie. In Gibaniszki (Gouvernement Wilna) wurde der Rittergutspächter Groß, ein Deutscher, Nachts mit seiner Frau, Mutter, 3 Kindern und 4 Dienstboten ermordet und beraubt, worauf die Mörder das Wohnhaus in Brand steckten und entflohen. Von den Raubmördern hat man noch keine Spur. Unter der Landbevölkerung herrscht großer Schrecken, da räuberische Ueberfälle immer häufiger Vorkommen.

Berlin, 5. Okt. Eine seltsame Jagd­beute. Dem Apotheker Thiel in Gewitsch passierte dieser Tage auf einem Pürschgange durch die Gtdle, einem etwa eine halbe Stunde von Gewitsch entfern­ten Walde, ein seltsames Abenteuer. Es lag da auf weichem Moosgrunde ein mächtiges Tier gebettet, welches Thiel, als er näher schritt, als ein wohl aus­gewachsenes Oechsle in erkannte. Ehe noch Thiel darüber Nachdenken konnte, wie der Ochse in den Wald gelangt war, hatte der freiheitsliebende Zwei­hörner sich bereits erhoben und war in die Angriffs­stellung übergegangen. Thiel, welcher merkte, daß das Tier keinen Spaß verstehe und daß seine ge­raden Glieder arg gefährdet seien, hatte seinen Stuzen rasch an der Wange und gab dem Ochsen eine volle Ladung Blei hinters rechte Ohr, was denselben einigermaßen verblüfft machte, aber von seinem offen­siven Vorgehen nicht abhielt. Erst nach 2 weiteren Schüssen brach das Tier nieder und verendete. Der Besitzer des auf so seltene Art ums Leben gekom­menen Ochsen, ein Fleischhauer aus Zittau, von wo aus der Ochse durchgegangen war, hat sich bereits ge­meldet. Der Ersatzansprüche halber dürfte die Sache noch ein prozessuales Nachspiel haben.

Berlin, 7. Okt. Der 5. Parteitag der nord­deutschen Demokraten wurde heute Mittag in den hiesigen Concordiasälen eröffnet. Anwesend waren 30 Delegierte aus Berlin, Potsdam, Leipzig, Düssel­dorf, Duisburg, Ottweiler und Jena. Nach mehr­stündigen Debatten wurde ein Antrag einstimmig an­genommen, worin der Parteitag den Ausschuß der demokratischen Partei beauftragt, die demokratische Agitation in Norddeutschland zu unterstützen und den Anschluß an die deutsche Volkspartei zur Abstimmung unter den Mitgliedern in den einzelnen Wahlkreisen zu bringen.

Berlin, 7. Okt. Heute Vormittag fanden Hierselbst fünf große öffentliche Versammlungen statt mit dem Thema:Die Mehrbelastung des Tabaks oder fünfzig Tausend Arbeiter brotlos!" In den Versammlungen wurde betont, daß durch die An­nahme der dem Reichstage seitens der Regierung neuerdings zugehenden ziemlich unveränderten Vorlage etwa 50000 Arbeiter brotlos würden. Die Ver­sammlungen nahmen einstimmig eine Resolution an.

zu bekümmern, wohin sie fiel, und ob das glimmende Feuer derselben irgendwo «inen Schaden verursachen konnte.Peinigen Sie mich nicht, Jordan!" rief er hestig. Sie wissen, das ich der einzige berechtigte Erbe meiner Tante bin und daß ich nie etwas gethan habe, was mein verwandtschaftliches Verhältnis zu ihr irgendwie hätte lockern over trüben können!"

Gewiß, Herr Baron," erwiderte Jordan und trat das Feuer von Leopolds weggeworfener Cigarre aus, .das weiß Niemand bester als ich; aber was wollen Sie gegen Absichten und Willen einer Frau machen, die, wenn sie auch geistig wieder ganz zurechnungsfähig ist und durchaus das Recht der Selbstbestimmung für alle ihre Handlungen hat, doch unter der Wucht ihres schmerzlichen Schicksals zu Ab­surditäten geneigt ist? O, wenn Sie wüßten, welche ungeheuren Summen sie zu wohlthätigen Zwecken fortgiebt,zum Andenken und zum Seelenheil ihrer theuren Verstorbenen", wie sie sich in ihrer Schwärmerei stets gegen mich auszudrücken be­liebt. Mit blutendem Herzen schicke ich auf ihren Befehl Tausende von Thalern all­jährlich fort. Wer giebt Ihnen die Gewähr, daß die in ihrem Kummer so exzentrische Dame nicht eines schönen Tages plötzlich ein Testament macht und ihre Million oder doch wenigstens den größten Teil davon einer wohlthätigen Stiftung vermacht unter der Bedingung, daß diese zum Andenken an ihre unvergeßlichen, theuren Ab­geschiedenen die Bezeichnung Willibald-Stiftung tragen soll, um darin ihren einst so schrecklich gelödteten Gatten und Sohn für alle Ewigkeit in der Erinnerung unsterblich sortleden zu lassen?"

Leopold war unruhig auf und ab gegangen und hatte sich bei der Vorstellung, welche ihm durch Jordans Worte vor die Seele geführt wurde, vor angstvoller Erregung die L'ppe blutig gebissen. Jetzt blieb er vor Jordan stehen, faßte dessen Arm und raunte ihm zittern» zu:Das darf nicht geschehen, dafür sind Sie da!"

Dazu kommen noch," fuhr Jordan sort, ohne Leopolds Einwurf scheinbar zu bemerken, .Ihr Herr Bruder und besten Tochter, die sich auch wie drohende Schreckgespenster als gesährliche Prätendenten in der ErbschastSfrage am Horizont «mer dunklen Zukunft erheben. Beide sind mit Ihnen durchaus gleich erbberechtigt."

worin dir' neue Steuervorlage für unannehmbar er­klärt wird.

Petersburgs 6. Okt. Hiesige Blätter be­streiten den besorgniserregenden Zustand des Zaren. Derselbe reist in kürzester Frist nach Korfu und wird dort in dem Schlöffe des ehemaligen englischen Kom­missars Wohnung nehmen.

London,. 6. Okt. Die ZeitungDaily-News" ' meldet, daß der Admiral Freemantle, Kommandant des britischen Geschwaders in China, vom Marine­minister die Instruktion erhalten habe, Verstärkungen seiner Flotte vom nächsten englischen Geschwader heranzuziehen.

London, 6. Oktober. DieMorningpost" schreibt, die öffentliche Meinung zeige sich immer mehr für ein- Intervention der Großmächte in Ostasien, damit die Japaner nicht zu weit gehen. Japan sei jetzt stark genug, um die Zukunft des Orients zu bestimmen. Die Idee dieser Intervention werde von den Vereinigten Staaten bekämpft, weil die Interessen der Vereinigten Staaten rein handelspolitischer, da­gegen diejenigen Europas handelspolitischer und rein politischer Natur seien.

London, 6. Okt. Die in Sanfranzisko mit dem Postschiff von Jokohama eingetroffenen japani­schen Zeitungen melden, in China herrsche Chaos, In den Vierteln der Eingeborenen Tientsins wüte die Cholera. Einer Meldung aus Shangai zur Folge sollen auch im kaiserlichen Palaste in Peking ernstliche Unruhen ausgebrochen sein.

vermischtes.

Schneider streik in Nerv-Jork. In" New-Iork streiken über 20,000 Schneider, die meistens der Mäntelbranche angehören. DemBerl. Kons."' wird über die Ursache des Riesenausstandes u. A. geschrieben:

Wir müssen gestehen, daß, wenn uns die vor­liegenden Mitteilungen die New-Iorker Arbeiterver­hältnisse richtig wiedergeben, wir dergleichen Zustände in den Vereinigten Staaten nicht erwartet hätten. Bei uns wird über die schlechte Lage der Mäntel­näherinnen geklagt. Wir sind die Letzten, dieselbe ab­zuleugnen. Bei uns beklagen sich Schneider über schlechte Löhne. Unsere Löhne sind aber goldene gegen die­jenigen Löhne, welche in New-Iork bezahlt werden. Die Führer der sozialdemokratischen Arbeiter und Ar- lleiterinnen in Berlin weisen immer auf die glückli­chen amerikanischen Verhältnisse hin. Wenn sie die nachfolgenden Berichte über die Lage der New-Iorker Mäntelschneider lesen, dürften sie anderer Meinung sein. Wir möchten keiner deutschen Mäntelnäherin,, keinem deutschen Schneider rathen, nach New-Iork. auszuwandern. Sie werden dort für ihre Arbeit viel schlechter bezahlt werden als hier bei uns. Ein Schneider verdient die Woche in New-Dork bei an­strengender, oft 14- bis 16stündiger Arbeit 6 und 7 M,

Leopold stampfte mit dem Fuße auf; er verlor jede Selbstbeherrschung, Soll ich Ihnen denn wiederholen," fuhr er den ehemaligen Buchhalter hestig an, daß wir im Jahrhundert der Prozente leben, und daß Sie von Allem, was ich von meiner Tante bei ihren Lebzeiten oder nach ihrem Tode an Geld und Geldcswert erhalte, stets zehn Prozent beziehen werden! Ich dächte, bis jetzt hätte ich diese Ab­machung treu gehalten, und ich gebe Ihnen heute abermals mein Ehrenwort als Edelmann, daß ich sie stets halten werde!"

Jordan verneigte sich.Daran zweifle ich ja keinen Augenblick," sagte er ruhig,ich mache nur auf die Schwierigkeiten aufmerksam, die uns möglicherweise bei unseren Hoffnungen und Wünschen in den Weg gelegt werden können."

Leopard ereiferte sich immer mehr.Vergessen Sie auch nicht, Jordan, daß wenn irgend ein Anderer einst Erbe meiner Tante werden sollte ja selbst nur ein M'terbe mir erstehen möchte, Sie Rechenschaft für Alles abzulegen hätten, waS in diesen langen Jahren hier im Hause durch Ihre Hände gegangen ist, während Sie das bei mir nicht zu fürchten haben. Ich würde über Alles, was Sie gethan, beide Augen zudrücken."

Jordan kam nicht aus seiner Ruhe.Das klingt ja beinahe wie eine Drohung," lächelte er und setzte dann sehr geloffen hinzu:Ein ehrlicher Mann, wie ich, hat Niemand zu scheuen, ich könnte mit ruhigem Genüssen auf Alles befriedigende Aus­kunft geben."

Leopold sah ein. daß er zu weit gegangen war.Ja, ja," entschuldigte er sich kleinlaut und mißmutig,ich weiß, wie sehr ich Sie zu schätzen habe. Sie reizen mich aber wahrhaftig durch Ausmalen von Gefahren so sehr, daß ich zuletzt vor lauter Erregung gar nicht mehr Herr meiner Worte bleiben kann."

.Ich reize Sie durchaus nicht, sondern ich wiederhole eS, ich mache Sie nur aufmerksam, wie schwierig meine Stellung hier im Hause ist und daß ich nur sehr- bedingten Einfluß auf Ihre Frau Tante auSzuüben vermag."

(Fortsetzung folgt.)