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versandt wird, läßt sich ermessen, welch bedeutsamer Fund gemacht worden ist. Bemerkenswert ist, daß sich die neue Quelle rechts von der Fils befindet, während die historische Göppingerwasser-Quelle links von derselben liegt.

Winnenden, 29. August. Einem hiesigen Bürger passierte vor einigen Tagen das Mißgeschick, daß ihm seine beiden vor einen vollbeladenen Ernte­wagen gespannten Ochsen, die vor einem daherbrausen­den Eisenbahnzug scheuten, durchgingen. Der Wagen stürzte um und begrub das dreizehnjährige Töchterlein des gedachten Bürgers unter sich. Glücklicherweise ist das Kind ohne nennenswerte Verletzungen davon­gekommen.

Endersbach. Der Versandt von Kirschen von der hiesigen Station aus betrug in diesem Jahr 23 780 Körbe mit einem Gewicht von rund 9600 Zentnern. Bei einem Durchschnittspreis von 14 H per Pfund ergiebt dies die nette Summe von 134400

Ellwangen, 27. Aug. Die heute hier ab­gehobene 36. Wanderversammlung der württemberg- ischen Gewerbevereine war aus dem ganzen Lande sehr gut besucht und auch verschiedene hohe Regie­rungsbeamte nahmen an derselben Teil. Regierungs­direktor v. Schicker machte die Mitteilung, daß, nach­dem mit der Verfassungsrevision auch die von der Regierung geplante Interessenvertretung des Ge­werbes gescheitert sei, der jetzige Minister des Innern aufs Neue bestrebt sei, eine geeignete Grundlage für die Interessenvertretung des Gewerbes zu finden. An die gewünschte Mitwirkung der Gewerbevereine müsse die Regierung jedoch die Forderung der Re­organisation dieser Vereine knüpfen. Hiermit erklärte sich die Versammlung durchaus einverstanden. Handelskammersekretär Prof. Dr. Huber (Stuttgart) sprach sodann überdie soziale Reform in Bezug auf Arbeitsnachweis und Wanderarme". Die Stellung­nahme der württ. Regierung zu dieser wichtigen Frage ist in folgenden Sätzen niedergelegt: Dis Notwendig­keit einer besseren Fürsorge für Arbeitsnachweis werde allseitig, auch seitens der K. Zentralstelle anerkannt. Vor Allem geben die von Privatpersonen gewerbs­mäßig betriebenen Anstalten oft genug zu Bedenken Anlaß. Für den berufensten Vertreter, der die Ein­richtung in die Hand nehmen sollte, wird die Ge­meinde bezeichnet. Ob die Vermittlung gratis sein soll, dürfte der Organisation überlassen werden. Für eine organische Verbindung der örtlichen Nachweise soll eine Einleitung von Staatswegen und auf Staats­kosten zu treffen sein und demgemäß die Einstellung einer entsprechenden Summe im nächsten Hauptfinanz­etat vorgeschlagen werden. Bei der sich über diesen Gegenstand entspinnenden Diskussion betonte Regie­rungsdirektor v. Schicker, daß die Regierung die Zentrali­sation des Arbeitsnachweises zu erreichen bestrebt sei und daß Württemberg schon im nächsten Jahre ein solches Institut haben werde. Einen weiteren Vortrag hielt Handelsschuldirektor Spöhrer-Calw überdie Um­gestaltung des Konkurswesens", worauf Prof. Dr.

Huber (Stuttgart) überdie Unfallversicherung mit Rücksicht auf die Ausdehnung des Versicherungs­zwangs auf die Handwerker nach dem Ende Juni d. I. veröffentlichten Reichsgesetzentwurf" einen Vor­trag hielt, wobei er diesen Entwurf sehr scharf kriti­sierte. Wenn man so fortfahre, meinte der Redner, werde das deutsche Reich noch zu einer allgemeinen Rentenanstalt für alle Reichsangehörigen. Aber dann frage sich doch, ob die übertriebene Vorsorge gegen Möglichkeiten nicht den augenblicklichen Existenzkampf verschärft und die Schwingen der Erwerbskraft lahm legt. Zu einer Abstimmung über diesen Gegen­stand kam es nicht mehr. Als nächstjähriger Ver­sammlungsort der Gewerbevereine wurde Jsny ge­wählt. Während des Mittagessens ging an Se. Maj. den König ein Huldigungstelegramm ab.

Ellwangen, 27. Aug. Eine leidige Stör­ung der Leichenfeier trat heute bei der Beerdigung des Bankiers Max Dorrer dadurch ein, daß auf dem Weg zum Friedhof, mitten in der Stadt, der Sarg aus dem Leichenwagen stürzte und zu Boden fiel. Eine Beschädigung desselben trat indessen nicht ein.

Brötzingen, 30. Aug. Auf der unteren Viehgasse wurde einem Taglöhner vergangenen Sonn­tag Abend 11 Uhr ein Messerstich in den Rücken versetzt, was zur Folge hatte, daß der Verletzte in ärzliche Behandlung genommen werden mußte. Er bezeichnte einen hier beschäftigten Tapeziergehilfen als Thäter; dieser bestreitet aber die Tbat verübt zu haben. Letzterer wurde übrigens anläßlich des Vorgangs tüchtig durchgeprügelt. Er gab an an jenem Tage etwa 20 Glas Bier getrunken zu haben. Sein Messer wurde von der Gendarmerie erhoben. Da Mehrere auf den Taglöhner eingeschlagen haben, wird sich fragen, ob nicht vielleicht Notwehr vorliegt.

Pforzheim, 29. Aug. Auf dem heutigen Jung-Schweinemarkt waren 147 Stück Ferkel und 5 Läuferschweine zugebracht. Bei einer An­wesenheit von etwa 25 Käufer war im allgemeinen der Handel flau. Etwa der Ferkel wurden nicht verkauft, ebenso die Läufer. Zu fallenden Preisen wurden die 50 Stück Ferkel zu 24, 26, 32, 36, 38 per Paar verkauft. Nur 2 Paar wurden zu 42 ^ verkauft.

Baden-Baden, 30. Aug. Bei dem heute Nachmittag 3 Uhr in Iffezheim stattgefundenen großen internationalen Pferderennen um den Jubiläums- preis von Baden zur Erinnerung an die Stiftung der Rennen im Jahre 1858, Goldpokal, gegeben von dem Großherzog von Baden, verbunden mit einem Sweepstakes, dessen Preishöhe mit 56000 ^ vom Internationalen Rennkomite garantiert wird, hiervon: der Goldpokal und 40000 dem Sieger, 10000 dem 2., 4000 ^ dem 3. und 2000 dem 4. Pferde, Distanz 2200 m, siegten folgende Pferde: 1. Goldpokal und 40000 ^ das deutsche Pferd Ilse des Frhrn. von Münchhausen. 2. 10000 ^ das deutsche Pferd Ruslight des Fürsten von Fürstenberg. 3. 4000 das französische Pferd Sylphine des Mons. L. Merino. Es gingen 8 Pferde.

Mannheim, 29. Aug. Der Kaiser lehnte

infolge Zeitmangels die Teilnahme an der Enthüllung-, des hiesigen Kaiser Wilhelmdenkmals ab. Kolonel S. F. Cody aus Texas wird wie in Paris , und München, auch hier gegen einen Radfahrer reiten , und zwar gegen den bekannten Rennfahrer C. Iörns. Der Marsch findet am nächsten Freitag, Samstag und Sonntag auf der Bahn desVeloziped-Klub" statt. An den beiden ersten Tagen wird das Wett­rennen zwei Stunden, am letzten Tage drei Stunden^ dauern. Das sportliche Ereignis erregt in den be-. teiligten Kreisen lebhaftes Interesse.

Frankfurt a. M., 30. Aug. Wie dem hiesigenGen. Anz." aus Papenburg gemeldet wird,, verwechselte eine Bäuerin auf einem benachbarten Gehöft zwei Düten und mischte der Suppe statt- Mehl Arsenik bei. Ein im Hause beschäftigter Schneider und ein Kuhknecht starben sofort, drei Söhne sind schwer erkrankt.

Berlin, 28. Aug. Auch Staatsanwälte, haben zuweilen eine gute Stunde. Von einem dieser Herren, der erst neuerdings wieder in großen. Prozessen durch sein scharfes Auftreten sich bemerkbar gemacht hat, erzählt man in Juristenkreisen folgende artige Geschichte: Der Staatsanwalt führte einst eine Sache, in der es sich um einen jugendlichen An­geklagten handelte. Derselbe hatte die unfreiwillige Muße im Untersuchungsgefängnis dazu benutzt, seine Geliebte in einer Reihe von Gedichten zu be­singen. Die Verse waren in die Hände des Staats­anwaltes gelangt, und der Verteidiger, einer unserer bekanntesten Anwälte, hielt es auch seinerseits für geboten, in die poetischen Erzeugnisse seines Klienten. Einblick zu nehmen, vielleicht um daraus einen ge­wissen Milderungsgrund herzuleiten. Er stellte also den Antrag ihm eine Abschrift der Gedichte zu senden. Der Staatsanwalt aber verfügte brevi manu den launigen Bescheid:

Die Verse sind für Röschen Und nicht für Sie erdacht.

Die Abschrift aus den Akten Wird darum nicht gemacht!"

Berlin, 28. Aug. Der Kaiser ließ dem hiesigen Schuhmachermeister Prenzler zu dessen heutigem hundertstem Geburtstag eine Porzellantafel mit seinem Bildnis und 300 ^ überreichen. Der Kaiser hatte Mitteilungen über die bevorstehende Feier in den Zeitungen gelesen.

Berlin, 29. August. Die bekannte sozial­demokratische Agitatorin Agnes Wabnitz, welche gestern eine lOmonatliche Gefängnisstrafe antreten sollte, hat sich am Nachmittag auf dem Friedhof der Märzgefallenen im Friedrichshain vergiftet. Als Grund hiefür gilt die angekündigte Verhaftung be­hufs Verbüßung einer lOmonatl. Gefängnisstrafe.

Berlin, 30. Aug. Der Posthilfsbote Moritz Thier beim Postamt am Lehrter Bahnhof entwendete gestern Abend um 11 Uhr einen Postbeutel mit 539 M. Inhalt und versteckte denselben in einem Gebüsch am Bahnkörper. Der Beutel wurde alsbald vermißt und in seinem Versteck gefunden, wo man das Geld herausnahm und ihn mit Steinchen wieder füllte. Um 1 Uhr erschien Thier und wollte gerade mit dem eiligst ergriffenen Beutel über das Bahn­geleise entfliehen, als ein Zug heranblauste und ihn

»Ich fttzte ihm Wein vor, und er deutete als Temperenzler auf das blaue Band in seinem Knopfloch.Ach so," sagte ich verständnisinnig; ,,^ou ars worüber «>t tbs blue banäb, Und Mitglied derblauen Bande" stattblae Ribbon!" desblauen Bandes" das wollte er erst übelnehmen."

Das sage ich Ihnen," drohte der Kapitän,wenn Ihre Frau aber nach vier Jahren nicht besser deutsch kann, als Sie englisch, dann kommen Sie nur gar nicht zu mir. Ich spreche nichts als deutsch mit ihr."

Soll geschehen, Herr Kapitän."

Also heut über vier Wochen reisen Sie ab über Hamburg?"

Ja, da hatte ich mich noch acht Tage auf, um mich auszurüsien. Billet nehme ich erst dort."

Eine solche kleine Reise um die Welt ist vielleicht auch nicht übel in solcher Begleitung, wie sie Ihnen wird!"

Ich ging an Bord, festen Schrittes, gehobenen Hauptes. Ich war grenzenlos glücklich. Die bangen Jahre der Sorge und des Grams hinter mir versunken; vor mir, weit wie der Horizont, das Glück.

Ich trat in meine Kammer. Da stand auf dem Tisch der Glaskasten mit dem Tuch und der welken HybiSkusblüte und daneben ihr Bild. Ich stellte mich davor hin. wie ich immer that, wenn ich nach Hause kam, und hielt stilles Zwie­gespräch mit ihr. Wie sahen diese leuchtende» Augen mich an. Und bald, nicht gar so lange mehr sollte es dauern, dann sollten sich diese schließen unter dem Kuß meines Mundes.

Ich holte ihren letzten Brief aus der wohlverwahrten Schublade meines Tisches hervor. Ich wußte jetzt, wie reich ich war.Ich bin allein auf der Erde." schrieb sie,da oben in New-Aork wohnt noch eine alte Tante; sonst weiß ich nichts von Verwandten. Was thut's? Ich habe nicht danach gefragt. Ich habe Dich! Du bist meine Hoffnung, meine Ehre, mein Stolz, mein Besitz. Ich harre unge­duldig des Tages, an dem ich Deine Frau werde. Ich glaube manchmal gar nicht

daran, daß ich es wirklich bald sein soll. ES kommt mir so unmöglich vor. daß ich so mit allem Glück soll überschüttet werden. Ich bringe Dir kein Erdengut mit ins Haus. Arm lege ich mich an Deine Schulter. Aber eines bringe ich Dir mit: ich habe Dich lieb, daß ich für Dich sterben könnte, das weißt Du; daran glaubst Du. Ich will Dir eine treue Frau sein, die in Deinen Gedanken mit Dir lebt, und die nur einen Ehrgeiz, eine Eitelkeit hat: vor Dir zu bestehen, Dir etwas zu sein, in Deinen Augen schön zu sein-'

Ich küßte das Bild und den Brief. Draußen war's leuchtender, herrlich duftender Frühling. Im nahen Walde am Weiher sang die Nachtigall, und der Mondschein lag golden auf dem flimmernden Wasser der Meerbucht. Da schwamm mit langsamem Ruderschlag ein Boot in all dem stillen Glanz dahin. Die im Boot saßen, sangen. Klangvoll und feierlich zogen die Töne des Liedes über das Wasser hin; ich kannte die Weise, wie oft hatte meine Mutter mit meinem Schwesterlein zusammen sie in stiller Abendstunde gesungen:

»Harre meine Seele, harre des Herrn!

Alles ihm befehle, hilft er doch so gern-'

Ich neigte mich tief über den Tisch und über Carmens Bild, und faltete die Hände darum.

So war der letzte Abend für mich hcrangekommen. Von Wehmut und Ab­schiedsschmerz in mir keine Spur. Meine Seele jubelte in mir. In solcher Stjmmung ging ich zum Kapitän v. Normann, der mich eingeladen hatte, ein Abschiedsglas bei ihm zu trinken. Er hatte eine Masche Sekt kalt gestellt, und wir stießen an auf glückliche Reise. Da klopfte eS, der Bursche des eine Etage tiefer wohnenden Korvetten-KapitänS v. Dolfinger trat ein' und meldete dienstlich:Herr und Frau Kapitän ließen Herrn Kapitän bitten, ob Herr Kapitän nicht auf ein Stündchen züm Herrn Kapitän herunterkommen wollten."

Ich ließe sehr bedauern, ich hätte Besuch," lautete die Antwort.

(Schluß folgt.)