Stuttgart, 3. Juli. Prozeß Simolin- Dathory gegen Redakteur Geiger der Schwib. Tagwacht. Nachdem gestern 19 Zeugen vernommen worden waren, darunter mehrere neue, nahm heute der Privatkläger v. Simolin seine Klage zurück, worauf er von der Strafkammer in die sämtlichen, bis jetzt entstandenen Prozeßkosten aller Instanzen und der Wiederaufnahme der Verhandlung verurteilt wurde.
^ — Am letzten Montag wurde vor dem
Schwurgericht in Tübingen, der Goldarbeiter Wilh. Feil von Huchenfeld zu 1 Jahr 3 Monaten Gefängnis, abzügl. 2 Monaten Untersuchungshaft, verurteilt. Derselbe hatte am Ostermontag anläßlich eines Streits der Oberlengenhardter mit den Huchen- feldern den Gottlieb Maisenbach er von Schömberg mit einem Prügel niedergeschlagen, sowie aus einem Revolver 2 Schüsse auf den zur Abwehr erschienenen Schultheiß Stahl von Oberlengenhardt abgefeuert. Zum Glück waren beide Schüsse fehlgegangen. Maisenbacher, welcher der Genesung entgegengcht, hatte eine sein Leben sehr in Frage stellende Gehirn^,, erschütterung erlitten.
Rottweil, 3. Juli. In der heutigen Sitzung des Schwurgerichts gegen den verh. Dienstknecht Paul Boiler von Burladingen, OA. Hcchingen, wurde derselbe des Mords und erschwerten Raubs, begangen in einer Handlung, für schuldig befunden und nach dem Antrag des Staatsanwalts wegen Raubmords zum Tod verurteilt.
Hamburg, 3. Juli. Großfeuer zerstörte in der vergangenen Nacht das Fouragemagazin des 15. Husarenregiments. Man vermutet Brandstiftung.
Kiel, 2. Juli. Das Kaiserpaar hat auf dem „Hohenzollern" die Nordlandsreise um 10°/» Uhr unter Kanonensalut sämtlicher Kriegsschiffe und Hurrah der Mannschaften angetreten. Der Begleitdampfer, Aviso „Komet", folgte. Als der „Hohenzollern" sämtliche Schiffe passiert hatte, folgte das aus zehn Schiffen bestehende Manövergeschwader, auch die „Brandenburg", die Ostseereise antretend.
Berlin, 3. Juli. Ein hiesiges Blatt teilt mit, daß Herr v. Kotze, welchen Ausgang auch immer die Untersuchung gegen ihn nehmen werde, nicht mehr in den Hofdienst zurücktreten wird. Die Vernehmungen werden fortgesetzt.
Berlin, 3. Juli. Wie das Berl. Tageblatt erfährt, trafen die begnadigten französischen Offiziere gestern morgen in Berlin ein, stellten sich dem französ. Botschafter vor und reisten mit dem Mittagszuge nach Paris weiter.
Wien, 3. Juli. In allen diplomatischen Kreisen wird die Begnadigung der französischen Offiziere durch Kaiser Wilhelm lebhaft und in durchweg sympathischem Sinne besprochen.
Turin, 3. Juli. Ein reicher Gerbereibesitzer wurde gestern Abend das Opfer eines anarchistischen Dolchattentats. Der Hingemordete soll in einem öffentlichen Lokal erklärt haben, jeder Mann habe die Pflicht, den ersten besten Anarchisten, der ihm begegne, niederzuschießen. Zwei Stunden später war er den Anarchisten verfallen.
Rom, 2. Juli. Ein hiesiges Blatt meldet, daß in diesem Augenblick sowohl in London als auch
in Paris und in Rom gleichzeitig sichere Spuren eine« großen internationalen Anarchistenkomplottr» entdeckt worden seien. Die Verhaftungen von Hunderten von Anarchisten in Rom und Paris scheinen dies« Meldung zu bestätigen.
Rom, 3. Juli. Der Prozeß gegen den Anarchisten Lega ist auf den 20. Juli anberaumt worden.
Livorno, 2. Juli. Als der Direktor Ban di von der „Gazetta Livornese" gestern im Begriff war, sich von der Redaktion nach Hause zu begeben, und eben den Wagen bestiegen hatte, näherte sich ihm eine unbekannte Persönlichkeit und versetzte ihm einen Dolchstoß. Aerzte, die alsbald zur Stelle waren, vollzogen eine Operation, aber das Opfer erlag seiner Wunde nach drei Stunden. Der Mörder soll einer der sieben anarchist. Verschwörer sein, die der französische Soldat der Gerichtsbehörde namhaft gemacht hat. Man nimmt an, daß er an Bandi wegen eines Artikels über die Ermordung Carnots hat Rache Äben wollen.
Valencia, 2. Juli. In der hiesigen Papierfabrik explodierte eine Dynamitpatrone und richtete großen Schaden an. Der Urheber der Explosion, ein anarchistischer Arbeiter namens Bellocir aus Valencia, wurde verhaftet.
Paris, 2. Juli. Sämtliche Morgenblätter besprechen die Begnadigung der beiden französischen Offiziere, die sie als einen Akt hochherziger Ritterlichkeit und Courtoisie des deutschen Kaisers bezeichnen.
Paris, 2. Juli. In einer Seitengasse in der Nähe der Wohnung des Präsidenten Casimir Perier wurde ein Maueranschlag gefunden, in dem Casimir Perier die Ermordung durch die Anarchisten angedroht wird. Ein anderer Maueranschlag enthielt die fett gedruckten Worte: „Am 25. Juli wird Frankreich abermals trauern." Die Polizei entfernte sofort die Plakate.
Paris, 2. Juli. Beim Verhör vor dem Untersuchungsrichter schilderte Cesario in nachstehender Weise die Ausführung seiner Mordthat: „Von Schutzmännern hin und hergestoßen, gelang es mir endlich nahe der Börse, in die 2. Reihe des Spaliers zu kommen. Hier wartete ich nahezu eine Stunde. Die wachsende Aufregung kündete das Nahen des Präsidentenwagens an. Rechts und links vom Wagen sah ich je einen Reiter. Der Kopf des Pferdes des rechtsseitigen Reiters befand sich in gleicher Höhe mit dem Kopfe des Präsidenten. In dem Augenblicke, als die letzten Reiter der Eskorte an mir vorbeikamen, knöpfte ich meinen Rock auf. Das Dolchmesser erfaßte ich mit meiner Linken und stieß mit einem kräftigen Ruck zwei vor mir stehende junge Leute bei Seite. Nun faßte ich den Dolchgriff mit der Rechten, streifte mit der Linken rasch die Dolchscheide ab, die auf die Straße fiel und schritt rasch, doch ohne zu springen, auf den Präsidenten zu. Meine Linke auf den Wagen stützend, stieß ich den Dolch von oben nach unten bis ans Heft dem Präsidenten in die Brust, so daß meine Hand sein Hemd berührte. Ich rief: „Vivs Is, rsvolntion!" Nach rückwärts springend sah ich, daß noch Niemand eine Ahnung hatte von dem, was geschehen war. An
den Pferden des Wagens vorbei lief ichf und schrie t „Vivo i Lnsredie!" Zwischen den Pferden des Prä, sidentenwagens und der Eskorte drang ich nach linkst um in der Meng« zu verschwinden. Frauen und Männer weigerten sich, mich durchzulaffen. Hinter, mir wurde geschrieen: „Aufhalten!" Ein Wachmann faßte mich am Rockkragen, dann wurde ich von 20 Personen ergriffen und mißhandelt." — Die Verhaftung von 228 Anarchisten in Paris und in der Bannmeile von Paris am Sonntag früh ging rasch und systematisch vor sich. Um 3 Uhr Morgens erhielten die Polizeikommissare unter verschlossenem Umschlag die kurze, weiter nicht begründete Aufgabe,, die ihnen von der Polizeipräfektur bezeichneten Personen zu verhaften. In wenigen Stunden waren, die sämmtlichen Verhafteten nach den Polizeistationen gebracht. Es sind bekannte Anarchisten, die während der letzten Monate mehrfach verhaftet, aber wieder, freigelassen worden waren. 160 von den Verhafteten sind bis jetzt noch nicht in Freiheit gesetzt worden. Die Voruntersuchung gegen sie ist förmlich eingeleitet... Heute Morgen wurden in Vitry und Jvry bei Paris, neue Verhaftungen von Anarchisten vorgenommen.
Paris, 3. Juli. In der heute durch Dupuy.- zur Verlesung gebrachten Botschaft führte Casimir- Perier etwa folgendes aus: „Er sei nicht ein Mann, der Partei, er gehöre Frankreich und der Republik an.. Nachdem durch ein Verbrechen Frankreich der Präsident geraubt wurde, welcher 7 Jahre der Hüter der Institutionen gewesen, soll uns die Erinnerung an diesen Edlen leiten. Er sei entschlossen für die republikanische Demokratie die nötigen Sitten zu entwickeln und habe die feste Absicht, nach 7 Jahren die Geschicke Frankreichs in andere Hände zu legen. Frankreich werde ein großer Herd des intellektuellen Lichtes, der Toleranz und des Fortschritts bleiben. Senat und Kammer werden den Wünschen des Landes entsprechen, indem sie sich der Prüfung aller Maßnahmen widmen, die dem guten Namen Frankreichs dienen,. Landwirtschaft, Industrie und Handel entwickeln und den öffentlichen Kredit befestigen. Das Parlament wird zu beweisen wissen, daß die Republik nicht eine unfruchtbare Rivalität individuellen Ehrgeizes, sondern ein fortwährendes Streben nach dem materiellen und moralischen Besten ist. Sie ist die nationale Ausdehnung fruchtbarer Gedanken und edler Triebe, sie ist ihrem Wesen nach eine Regierung, die, wenn sie von unverdienten Leiden ergriffen wird, es sich zur Ehre rechnet, niemals diejenigen zu täuschen, denen sie Anderes schuldet als bloße Hoffnungen. „Die Regierung ladet Sie ein, diesen Ideen zu dienen. Das Herz Frankreichs hat sie seinem Vertreter eingeflößt, um ihren Triumph vorzubereiten. Vereinigen wir unsere Bemühungen. Die Vergangenheit gibt Lehren, aber Frankreich wendet seine Augen nach der Zukunft. Seine Zeit verstehen, an den Fortschritt zu glauben, und ihn zu wollen, das heißt die öffentliche Ordnung und den sozialen Frieden sichern."
Madrid, 3. Juli. Der Marquis deCuba, der Führer der Pilger, welche sich anläßlich des Papstjubiläums nach Rom begaben, sollte gestern von einem anarchistischen Arbeiter erdolcht werden. Ein anderer Arbeiter warf sich dazwischen und fing den Stoß mit seinem Leibe auf. Der Marquis blieb unverletzt, der Arbeiter wurde schwer verwundet; der Attentäter befindet sich in Haft.
Du cu '» braver Bursch un kann i mi au auf mei Maidli verlasse, so isch's alleweg besser scho weg« die Levt', Ihr kummt nit unter ei Dach bis Hochzeit gemacht isch .. so bleibst halt dis zum Ziel im Hof... da» batt' nix!"
Wie's der Aste ohne langes Überlegen gemeint hatte, so nahm Adam seinen Vorschlag auch ohne irgend einen Hintergedanken auf; er meinte nur, er würde zusrhen, daß er doch früher loskäme. Dann wurde nicht weiter über den Handel gesprochen.
Kläre kam hinzu und gesellte sich mit schämigem Wangenrot den Männern bei, neben den Verlobten sich niedersetzend.
So ging'S die nächsten Abende auch. In der Gesellschaft der lieblichen Braut vergaß Adam gänzlich die mit Frau Eva gehabte Unterredung; ja. diese dünste ihm in solchen Glückesstunden einfach schier märchenhaft und unglaublich.
Kehrte er dann freilich Abends nach dem Hofe zurück, dann legt« e« sich
immer bedrückend auf sein Herz-dann war es Adam fast zu Mute, al» ob
er sich ein schweres Unrecht gegen die Geliebte dadurch zu Schulden hatte kommen lassen, daß er dieser jenen nächtlichen Auftritt verschwiegen hatte und er gelobte sich aus'» Neu», schon am nächsten Abend e» ändern zu wollen.
Wenn's Adam recht bedachte, so war er freilich auch ein ganz stein wenig stolz auf den Erfolg, den er ohne jegliches Zuthun bei Frau Eva errungen hatte. Nicht, daß er sich auf diesen Erfolg etwas einbildrt«; im Gegenteil — er war doch seiner Klär« treu, goldtrcu sogar. Er fühlte sich ja so sicher und beglückt im Besitz der Braut; aber eigentlich war eS doch ganz nett, daß solch üppig schönes Weib,
wie die Tölzbacherin rin» war, ein begehrliches Auge auf ihn geworfen hatte-
sie, die wegen ihre» Stolzes übel in der ganzen Gemeinde Verschrieene, hatte sich dazu herbeigeloffen, ihm von Lube zu sprechen; nicht direkt zwar, aber doch so durchsichtig klar, daß ein Tauber ihrer Worte Sinn hätte begreifen müssen. Adam «der war nicht taub, sondern er besaß vielmehr ein haarscharfe» Gehör, er war
einer von denen, die da» Gras wachsen hören. Hätte er sich selbst dagegen gesträubt, so würde die leidenschaftserfüllte Stimme in schlaflosen Nächten doch so klar und deutlich zu ihm gesprochen haben, als wenn die Bäuerin just wieder den Mund zum Reden aufgethan hätte; aber Adam sträubte sich nicht sonderlich.
Adam war auch nicht eitel; im Gegenteil, er konnte sich nichts EinfästigereS denken, als einen Mann, der sich zum Beispiel auf seinen schönen Bart oder den ebenmäßig schlanken Wuchs besonders viel einbildete. Aber er konnte es doch nicht umgehen, sich von nun ab mit verdoppelter Aufmerksamkeit im Spiegel zu bettachten. Nun ja, warum'» leugnen; er konnte e» schließlich begreifen, daß sich die Bäuerin just in ihm vergafft hatte. Nun ja, warum sollte er sich'S nicht eingestehen; er war wirklich ein verdammt hübscher Kerl! Der Spiegel sagte es ihm ja täglich neu, wie es ihm in jener bedeutungsschweren Stunde die Blicke der schönen Bäuerin so deutlich gekündet hatten!
Aber deswegen blieb er natürlich unverbrüchlich seiner Kläre treu; mit leichtem Herzen sogar. Er wäre ja wirklich in den eigenen Augen ein Schandkerl gewesen, wenn er auch nur den geringsten wetterwendischen Gedanken hätte fasten können. Er war unparteiisch genug, um die Tölzbacherin für schöner zu halten, als die liebliche, sanfte Kläre; es gab wohl überhaupt kein Weib, welches sich in Bezug auf äußere Reize mit Frau Eva zu messen vermochte; aber darum war die letztere
doch ungefährlich, den sie war ja eines anderen Manne» Weib-und Adam
hatte seinen KatechismnS noch immer gut im Kopf und er kannte das neunte Gebot auswendig.
Nun hatte die Bäuerin freilich davon gesprochen, daß ihr Mann sterben könne; aber daran zu denkm war müßig. Bis dies geschah, mochte noch manches liebe Jahr verstreichen. Bi» dahin war er selbst aber sicherlich schon lange glücklicher und beglückter Gatte und Frau Eva war völlig ungefährlich für ihn geworden.
(Fortsetzung folgt.)