Beilage zumCallver Wochenblatt"

Nro. 72.

6 H n I- 6 1 9 » ^Nachdruck verboten.!

Wom Mcrume der Erkenntnis.

Roman von Georg Hoecker.

(Fortsetzung.)

»Mußt nicht so zu mir sprechen!" murmelte das Mädchen. »Ich kann's nicht hören, wenn Du so flatterhaft sprichst . . . gerade von Dir nicht!'

Das kam schier überstürzt und wohl auch gegen die wirkliche Absicht heraus; aber Adam erriet wohl, welches Geheimnis diese Worte ihm erschlossen.

Unwillkürlich trat er ganz hart an Kläre heran und ergriff die leise Wider­strebende bei beiden Händen. »Warum kannst's just von mir nicht hören!" frug er leise und eindringlich.Kläre . . wär's wahr, hast Du mich lieb?"

Da kam ein Schluchzen über des Mädchens Lippen; ein neuer Schauer glitt durch die schlanken Glieder und sie wendete die Füße wie zur Flucht.

Aber Adam hielt sie gewaltsam fest.Kläre, sag', hast Du mich lieb?' frug er mit zitternder Stimme nochmals.

Da warf sich das Mädchen an seine Brust. »Ja, ich Hab' Dich lieb!" sagt» sie schlicht. »Nun ist'S heraus ... und ich weiß, ich muß noch sterben an dieser Lieb'!"

»Um Gott, was sagst Du da?" stammelte der Bestürzte.Schau, ich bin die ganze Zeit über, seit ich wieder daheim bin, wie im Traum umhergegangen, Hab' gar nicht recht gewußt, was mir eigentlich ist . . und nun kommtS eben an den Tag; Ja, das ist's! Ich Hab' Dich lieb, Du hast Dich mir in's Herz gestohlen und bist nun drinnen und mußt ewig mein süß' hold', lieb' Mädel sein!'

DaS Mädchen zitterte in keinem Arm.-Wenn ich nur müßt', warum

mir'S gar so traurig ist, seitdem Du wieder bei uns bist!" stammelte sie dann. »Ich Hab' mich doch so gefreut auf Deine Rückkehr . . denn daß Du's nur weißt! ich Hab' Dich immer lieb gehabt und wenn ich auch noch ein Kind vor sechs Jahren gewesen bin, so ist mir doch schier das Herz gebrochen, als Du von mir gegangen bist und d'mm . . d'rum . . ."

»Mädel, lieb' Mädel!" jauchzte Adam da, als sie stockte und schwieg. »Mir ist's ja, als ob ich im Himmelreiche wär' . . ja, auch ich Hab' Dich immer lieb ge­habt . . wir zwei gehörten ja von jeher zusammen und nun wir uns gefunden haben, soll u»S nichts mehr scheiden . . ich Glückskind, komm' in die Heimat wieder und find' sogleich ein goldtreuer Herz!"

Noch immer weinte Kläre leise an seiner Brust. Dann atmete sie plötzlich gepreßt auf und eS war, als ob sie ihn zurückstoßen wollte.

»Geh' lieber von mir . . . jetzt . . zu dieser Stunde!" flehte sie.Ich könnt'S nicht leiden, wir'L im Liede heißt . . nicht nur das Ringlein bräch' . . mir bräche auch das Herz . . und . . und magst mich ein thöricht Ding schelten,

aber 's ist mir so ahnungSbang im Herzen-Adam!" ächzte sie plötzlich auf.

»JK'S auch wahr . . wirst Du mich immer, ewig lieb haben können?"

Da zog sie Adam an sein heißpochendes Herz. »Wie einen lichten Engel Gottes will ich Dich lieb haben!" flüsterte er ergriffen. »Dein Lieben sei mein Leben. . Dein Glück meine Seligkett!"

Das Mädchen starrte an ihm vorüber ins Wasser und schauerte.

»Wie di» Nebel steigen . . komm heim zu den Eltern . . wir dürfen kein Geheimniß vor ihnen haben!" sagte sie leise und lächelte.

Hand in Hand wichen sie vom Weiher zurück. Dem Wasser aber entstiegen immer dichtere Nebel; eS war beinahe, al« ob sich schicksalschwangere Gestalten formen wollten, bereit, den Liebenden nachzufolgen und ihr junge« Glück hämisch zu vernichten

Die braven Müllersleute waren freudig überrascht, als das Liebespaar vor sie hintrat und um ihren Segen bat. Nun kam's heraus, daß es von jeher ein Lieblingsgedanke des SägmüllerS gewesen war, ein Paar aus seiner Tochter und Adam werden zu lassen.

»I han'S zwar ntt gehofft, daß eS so dalli mit Euch Beide gehe würd'!' sagte er, ein über das andere Mal Adams Hände schüttelnd und dann wieder die Wangen seiner nunmehr glücklich lächelnden Tochter streichelnd.Aber 'S isch mir allerweg recht, wie'» komme isch. No, Ihr wißt jo, wie i's mein'; Glück und Sege wünsch ich Such allerwege auf Eure Lebensbahn. I mein', unser alter Herrgott wird'« Such an nix fehle lasse u» schließlich Han i jo auch noch die Auge offe un mei Alle auch!"

Er sprach sich immer mehr in die Rührung hinein, zuletzt tropften ihm gar einige Zähren über die Wangen und er wendete sich hastig ab, über dasFliegen­zeug»" schimpfend, das ihm nun einmal keine Ruhe lasse.

Natürlich ging Stichling in den Keller und holte einigeBestaubte" herauf. So eine rechtschaffene Verlobung müsse wie durstiges Erdreich sogleich begossen werden, wenn sie zu recht blütenreicher Hochzeit führen solle, meinte er zwischen Lachen und Rührung.

Adam war ihm gern zu willen. Ihn hatte es ohnehin wie süßer Rausch überkommen.

Hand in Hand saß er neben der schämig an seine Brust sich schmiegenden Geliebten, und wenn er ihr schier bis zum Herzensgründe tief in die klaren, frommen Augen hineinschaute, dann durchbebte ihn mit wonnevollem Schauer ein tiefer, heiliger Frieden, wie er ihn nie zuvor gekannt.

Stichling war nach seiner Art ausgelassen lustig; er sprach für all die Anderen und sich zugleich. Den Übrigen blieb cs noch anheimgestellt, ihm gläserklingend Bescheid zu thun und auf zukünftiges Glück zu trinken.

Darüber verging die Zeit. Die Zeiger der Schwarzwalduhr wiesen schon stark auf die mitternächtige Stunde hin, als Adam sich mit leichter Unruhe erhob. Da muß ich heim, e« ist di« höchste Zeit!" sagte er, die Einladung des

Müllers, sich nur wieder niederzusetzen und zusammen mit ihm auch noch den übrigen Flaschen die Hälse zu brechen, ablehnend.Ihr wißt, Vater Stichling, ich habe von meiner Bäuerin nur Urlaub bis zehn Uhr abends; sie ist eine gar Genaue!"

Na, das gefallt mir und Dir, allewege ein Mann bleibe, scll isch die Haupt­fach' !" kopsnickte der Sägmüllcr, wenngleich ihm auch der unvermittelt rasche Auf­bruch Adams gegen den Strich zu gehen schien.Mit jener hochgestochenen Person aber machst Dich fertig, verstände? Kündigst ihr morge glei auf noch b.sser," setzte er, sich schwerfällig erhebend, hinzu,stellst ihr's vor, daß 'S Dir lieber wär'. Du könntst glei auktrete, nachher arbeitst Dich hier bei mir ei, denn das ischt doch selbstverständlich, daß Du das Mühlegut eimal vo mir übernimmscht!"

Er unterbrach sich und kraute sich hinter dem einen Ohr.Das muß übrigens noch zur Sprach zwische unS komme," fuhr er dann im gewähltesten Hochdeutsch, dessen er überhaupt nur fähig war, fort.Darfst Dir nicht einbilden, daß es be­sonders viel Batzen absetzen wird; ich bin durchaus kein reicher Mann, Hab' mancherlei Unglück gehabt, seitdem Du fortgegangen bist! Schlechte Menschen giebt's überall, die haben's verstanden, mich zu beschwindeln; ich Hab' an die Tausende Ware in die Welt hinaus geliefert, und keinen Batzen davon Hab' ich je gesehen!"

Aber Vater Stichling, darüber brauchen wir jetzt doch nicht zu reden," fiel Adam, wieder seine beiden Hände mit warmem Drucke ergreifend ins Wort, zugleich mit heißem Liebesblick das Angesicht de» in tiefes Glück versunken daneben stehenden Mädchens streifend. .Und wenn Euer Kind so arm wäre wie eine Kirchenmaus,

ich Hab sie ja so lieb, und Reichtum allein macht nicht glücklich. Mein Aus­kommen werd ich hier schon haben, und für das Übrige laßt nur den lieben Gott und meine kräftigen Arme sorgen!'

Da übermannte den Sägemüller schier wieder die Rührung, und er fuhr sich mit dem derben Rücken der linken Hand hastig über die Augen und zwinkerte seiner Frau alsdann vielsagend zu.

»Gelt, i Han mich in ihm ntt getäuscht?" brummte er dann mit tiefstem Baß. »So Han mir Beide eS auch gehalte, als mir uns zusamme gethan habe, und 'S hat uns noch an kei'm Tag ebbe« gefehlt . . Jetzt bin i ganz ruhig!" setzte er, sich zu dem Liebespaare wendend hinzu. »Ihr Beide werdet glücklich, un an mir soll's ntt fehle, wenn's Glück bald schon anfange thut!"

Er lachte einen Augenblick schelmisch, dann begann er an den Fingern abzu- zählen. »Morge habe mir Michaeli, noch knappe drei Monat bis zum Chrischtfescht

WaS meinscht, Alte," wendete er sich an seine Lebensgefährtin und versetzte dieser einen sanften Rippenstoß, »sell gäb ei Chrischtkindele für uns und die Beide da, wenn sie grad zum Fescht Hochzeit mache? Abgemacht, sell soll ei Wort sei!"

Kläre errötete schämig bei den Worten de» Vaters, aber Adam schloß sie in seine Arme und herzte und küßte sie.

Un jetzt mach dalli, daß Du heimkummscht!" entschied der Sägemüller, ihm derb auf die Schultern klopfend,un sieh zu, daß Du mit der Tölzbacherin bald fertig wirscht!"

Adam wußte kaum, wie eigentlich er sich von der Geliebten und deren Eltern verabschiedet hatte, als er nun durch di« von nächtlich tiefer Stille umwobene, wie ausgestorben liegende Dorfstraße dahinschritt. ES war ihm auf einmal zu Mut, als ob Feiertagsfriede in seinem Herzen Einkehr gehalten habe. Im Geiste sah er sich schon, während er mit eilfertigen Schritten dem stolzen Gehöft seines Dienstherr» zustrebte, in emsigem Schaffen und Wirken auf der Sägemühle begriffen, Kläre al» sein liebes Weib geschäftig in den trauten Räumen aus und eingehen er selber, das Herz voll gesicherter, wonnesamer Ruhe und fern von ihm die falsche Welt mit ihren Versuchungen und Lockungen.

Als Adam eben den Tölzbacherhof erreichte, stieß unwett davon gerade der Nachtwächter in sein Horn und verkündete die Mitternachtsstunde.

Dann sang er mit eintönig und verschlafen klingender Stimme sein Sprüchlein, das weithin durch die stille Nacht hallte:

»Loset, was ich Euch will sage:

Die Glock' hat zwölf geschlage;

Vor böser Gesichter Macht und Lischt

Bewahr' uns gnädig Jesu Christi! Lobet Gott, den Herrn!"

Adam hatte eben die Hand auf den Thürdrücker de» im großen Thorbogen angebrachten Seitenpförtlein» gelegt, da Sberkams ihn auf einmal seltsam und wie ein Schauer sdhr eS durch seine Glieder. Ohne eS selbst zu wisse», sagte er die Worte des fronanen VerSleinS nach.

Die Thür war nicht verschlossen, dar wunderte den Heimkehrenden und dessen Befremden stieg noch um ein erkleckliches, al» er, in den inneren Hof eintretend, wahrnahm, daß noch Licht aus den durch Läden verwahrten Fenstern der Wohn­stube in die Nacht hinausdrang.

Hatte sich etwas Besonderes ereignet? Hatte sich das Siechtum des Tölzbacher» zum Schlimmen geneigt? Adam vermochte e» sich augenblicklich nicht zu erklären. Sonst war doch um die MttternachtLstunde längst Alles in dem wetten Hofe zu« Ruhe gelangt.

Der Schlüssel steckte innen im Pförtchen, sein Ausbleiben war also jedenfalls wahrgenommen worden . . Halb mißmutig hierüber schloß Adam die Thür wieder und zog den Schlüssel heraus. Ein Unbehagen, das sich mit jedem Schritt mehr verstärkte, kam ihn an. Er dachte daran, daß er morgen in die zürnenden, nächtigen Augensterne Frau Eva'S würde schauen müssen, Schon der Gedanke brachte ihn auf, dem stolzen Weib Rede und Antwort zu stehen und vielleicht gar Vorwürfe wegen seines überlangen Ausbleibens über sich ergehen lassen zu müssen.

So leise wie möglich trat Adam in den Hausflur ein.

Ader im selben Augenblicke öffnete sich schon die Wohnflubenthür und. grell vom Lampenlicht im Zimmer umstrahlt, erschien hochaufgerichtet die Gestatt Frau Eva'S im Thürrahmen.

(Fortsetzung folgt.)