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Berlin, 30. Juni. Nach Mitteilungen des kaiserlichen Gesundheitsamtes sind während der letzten Woche im deutschen Reiche Cholerafälle nicht fest- gestellt worden.

Berlin, 20. Juni. Von gutunterrichteter Seite wird gemeldet, der Kaiser werde nach der Nordlandreise Anfangs August auf derHohenzollern" nach England fahren; die Kapelle der 1. Matrosen- Division werde den Kaiser begleiten.

Berlin, 21. Juni. Es steht jetzt fest, daß der Kaiser auf seiner diesjährigen Nordlandreise von der Kaiserin begleitet wird.

Berlin, 20. Juni. Der Rrichstagsabg. frühere Rechtsanwalt Stadthagen wurde heute wegen Beleidigung des Ersten Staatsanwalts und mehrerer Richter in Magdeburg zu 4 Monaten Gefängnis ver­urteilt.

Ratibor, 20. Juni. Das Grundwasser steht in allen Kellern meterhoch; der Wasserstand beträgt 4 Meter. Mehrere Menschen ertranken, viel Vieh ist umgekommen. In Pleß hat das Wasser in diesem Jahrhundert noch nie so hoch gestanden, wie jetzt.

Preßburg, 21. Juni. Die Situation im Waagthale ist wegen des wütenden Sturmes verzweifelt; die Rettungsarbeiten sind unmöglich. In der Umgebnng von Lipus (Szentfriklos) kamen zahl­reiche Menschen in den reißenden Fluten um. Die Wohnungen der Bauern sind vollständig unter Wasser. Falls nicht bald Hilfe in großem Maßstabe geleistet wird, ist der Hungertyphus zu befürchten. In Bad Pistyan sind bis zetzt 100 Häuser eingestürzt.

Budapest, 21. Juni. Auf der viele Meilen weit vom Wasser bedeckten Schütt-Insel ist eine große Anzahl Menschen umgekommen. Die ganze Ernte ist vernichtet, sodaß sich der Schaden nach Millionen berechnet.

Brüssel, 20. Juni. Wie die Untersuchung festgestellt hat, ist der durch die letzte Explosion angerichtete Schaden auf 500000 Franken zu be­rechnen. Ueber die Ursache und den Thäter ist bis jetzt nichts bekannt.

Madrid, 20. Juni. Die Madrider Presse hat gegen die von neuem angekündigten Stier- gefechte, an welchen zwölf der besten Toreadors teilnehmen sollen, einen energischen Feldzug eingeleitet und bittet die Regierung, diese Kämpfe, in denen noch vor kurzem ein Toreador getötet worden, end­lich abzuschaffen.

Aus Hongkong, 16. Mai, wird englischen Blättern geschrieben: Nachdem die Pest eine Zeit lang in Canton gewütet hatte, erreichte sie in dieser Woche Hongkong. Die ersten Fälle kamen im Chinesenviertrl vor. Man erkannte sie nicht sofort als die Pest. Die ärztlichen Behörden waren jedoch auf der Hut und sobald sie merkten, daß die Seuche eingeschleppt worden war, trafen sie ihre Maßregeln. In Kanton haust die Epidemie furchtbar. Der Vizekönig, der Gouverneur und die oberen Beamten haben öffentlich den bösen Geistern geopfert, um da­durch das Umsichgreifen der Seuche zu verhindern. Die Pest ergreift auch Tiere. In Kanton hat man über 20 000 tote Ratten aufgesammelt und begraben. Von der furchtbaren Gewalt der Pest mag folgendes Beispiel Zeugnis geben. Von einer Familie starben 8 Personen an der Krankheit. Nur ein kleines Mädchen blieb verschont. Da brach ein Dieb in das Haus ein. Das erschreckte Kind sagte ihm, er möge nur alles nehmen, was er wolle, wenn er nur Särge für die toten Eltern und Geschwister kaufen wolle. Als der Dieb mit den Särgen zurückgekehrt war, fand er das Mädchen auch tot, und während er das Haus plünderte, wurde er selbst von der Pest ergriffen.

Nermischtes.

Als nachahmenswertes Beispiel verdient es hervorgehoben zu werden, daß viele größere Ge­schäftshäuser ihr Comtoir«, Fabrik- und technisches Personal in die Pensions-, Witwen-, Kranken- und Begräbniskassen des Deutschen Privatbeamten-Vereins eingekauft haben. Eine uns im Auszuge vorliegende Liste, welche wir von dem in Stuttgart bestehenden Zweigvereine des Deutschen Privatbeamten-Vereins erhielten, nennt unter seinen stiftenden Mitgliedern eine Reihe erster Firmen, deren Ruf weit über unser deutsches Vaterland hinausgeht. Gelingt es dem

genannten Verein bei den Privatbeamten, die Pflicht für die eigene Zukunft und die ihrer Familie Sorge zu tragen, noch mehr zum Bewußtsein zu bringen, so wird hierdurch ein kleiner Teil des sozialpolitischen Problems einer glücklichen Lösung näher gebracht. Der Verein zählt gegenwärtig über zehntausend Mit­glieder, welchen durch die verschiedenen Versicherungs­kaffen dieselben Vorteile geboten werden, wie sie z. B. die ihrer Pensionsberechtigung wegen viel beneideten Staatsbeamten genießen.

Derselbe einfache Prozeß, den man zur Anwendung bringt, wenn man von einem Gegenstände den Staub hinwegbläst, soll in großem Maßstabe nunmehr unter Benutzung einer Preßluftanlage zur Anwendung gebracht werden. Bekanntlich werden die Preßluftanlagen in der Hauptsache zum Betriebe von Arbeitsmaschinen, der ebenso reinlich, wie einfach und ökonomisch ist, verwendet. Wo sich nun derartige Preßluftanlagen befinden, kann man, wie das Berliner Patent-Bureau Gerson und Sachse schreibt, durch Benutzung eines ganz seinen Gummischlauches, der mit einem Strahlmundstück ausgerüstet ist, in kürzester Zeit die Einrichtung eines Zimmers viel bester vom Staube reinigen, als dies mit Abstäubern, Wischlappen u. dergl. möglich ist. Die Preßluft dringt in alle Vertiefungen, sogar in die Zwischenräume der Ge­webe und reißt aus diesen die Staubteilchen heraus. Wichtig ist, daß auch die zartesten Gegenstände aus, Glas, Porzellan u. s. w. nicht leicht verletzt werden können.

Auf Papier laufen sämtliche Wagen erster Klasse, die aus der berühmten Puhlmann'schen Fabrik in der Nähe Chicago's hervorgehen. Ueber 13 000 dieser Räder, deren Kern aus Papier besteht, verlassen jährlich die Werkstatt. Für jedes Rad sind, wie das Berliner Patent-Bureau Gerson und Sachse berichtet, 200 Papierlagen erforderlich, die aufeinander geleimt und unter sehr hohem Druck zu einer starken Platte vereinigt werden. Nabe und Felge des Rades bestehen aus Stahl. Diese Räder, welche außer­ordentlich widerstandsfähig sind, gewähren noch den Vorteil, die Erschütterungen zu vermeiden, sodaß die Axen geschont werden.

Eine originelle Vermählungs- Anzeige hat Frl. Konstanze Fieber, die Naive des Garden Theaters in New-Jork, versendet.Allen Freunden und Bekannten die Mitteilung, daß ich demnächst in einer neuen, von mir noch nicht probierten Rolle auftreten werde. Das Stück heißtDie Ehe," mein Partner darin ist Herr Willkens. Von ihm hängt es ab, ob das Stück ein Lustspiel oder ein Trauerspiel werden wird. Ein Posse aber wird es gewiß nicht; denn erstens ist es uns beidenfurchtbar" ernst und zweitens giebt es, wie man sagt, in der Ehe überhaupt nichts zu lachen."

Kincrus auf öen Huvnpkah.

Als einer unserer größten deutschen Dichter, Friedrich Schiller, auf dem Sterbebette lag und sein letztes Stündlein nahen sah, da sprach er die bedeutsamen Worte aus:Sorget für Eure Gesundheit, denn ohne sie vermag man nichts." Leider wird diese wohlgemeinte Ermahnung von unzähligen Menschen bei Weitem nicht beachtet, ja es giebt nur allzu viel Menschen, die ihr, man möchte sagen absichtlich, ge­radezu entgegen handeln und ihren Körper als einen Gegenstand ansehen, der unverwüstlich sei, auch den gröbsten Verstößen gegen das Naturgesetz widerstehen könne. Das ist sehr beklagenswert und es sollten daher alle Diejenigen, die es mit sich und ihren Nebenmenschen gut meinen, darauf Bedacht nehmen, und mit allen Kräften dahin wirken, daß der Einzelne seinem Körper diejenige Pflege und Rücksichtnahme angedeihen läßt, wie eS zur Erhaltung der Gesund­heit, dieses höchsten menschlichen Gutes erforderlich ist. Woher kommt es, daß eine große Anzahl unter uns in einem Alter, in dem sie in der Vollkraft da­stehen sollten, als sieche schwächliche Wesen herum­schleichen und vorzeitig vom Tode hingerafft werden? Die meisten haben das selbst verschuldet, weil sie blind in den Tag hineingelebt und die Pflege ihres Körpers vernachlässigt haben. Atemnot, Brustschmer­zen, schlechte Verdauung, Hämorrhoidalbeschwerden und andere Leiden mehr findet man heutzutage so massen­haft verbreitet, und dennoch denken die Wenigsten daran, den eigentlichen Ursachen dieser krankhaften Er­scheinungen auf den Grund zu gehen. Besonders die

sitzende oder anhaltende Beschäftigung in geschlossenen: Räumen ist ein gefährlicher Feind der menschlichen Ge­sundheit. Es tritt diese Thatsach« recht grell hervor, wenn man die vielen Tausenden von Personen beobachtet,. die, seien sie männlichen oder weiblichen Geschlechts, gezwungen sind, in Fabriken arbeiten zu müssen, wo nicht selten in einem einzigen Raume hundert und mehr Menschen den ganzen Tag über bei ein­ander sein müssen. Man denke nur einmal daran, welche Ausdünstungen da entstehen und die Luft ver­pesten! Es kommt hinzu die Art und Weise der Be­schäftigung, die in vielen geschäftlichen Etablissements, in Büreaus und Werkstätten rc. in sitzender, gebück­ter Körperhaltung verrichtet werden muß und wo­durch die Cirkulation des Blutes gehemmt wird. Auch in den Schulen geht es nicht besser, indes ist man in den Lehranstalten wenigstens bestrebt, so viel als möglich für reine, gesunde Luft zu sorgen und den Kindern durch den Turnunterricht die unerläßliche Bewegung zu verschaffen. Um so mehr wird in diesem Punkte seitens der Erwachsenen noch recht viel gesündigt; jede körperliche Anstrengung, die nicht sein muß, wird ängstlich gemieden, weil, wie man öfter sagen hört, sie ermüdend wirke. Weit gefehlt.

Das Sprüchwort:Nur in einem gesunden Körper steckt ein gesunder Geist" ist ein sehr beher­zigenswertes Wahrwort, und dies erkennend, wird ja auch von allen berufenen Stellen aus die Turnerei. auf das Thatkräftigste unterstützt. Es giebt kaum etwas, das nach den verschiedensten Richtungen so fördernd die Gesundheit beeinflussen kann, als das Turnen, und deshalb wäre es dringend zu wünschen,, daß auch das weibliche Geschlecht mehr, als es bisher geschieht, der Turnerei seine Sympathie zuwenden möchte. Blutarmut, Bleichsucht und Schwächezustände, wie man so häufig bei Mädchen im Alter von 16,. 18 bis 20 Jahren findet, würden vielfach verhindert werden, wenn die Mädchen in den jüngeren Jahren dem regelrechten Turnen unter sachverständiger Aufsicht zugeführt worden wären.Wo schwächliche Mädchen, da kranke Mütter, da ein siechendes späteres Ge­schlecht! Nehmt Euch, Ihr Frauen und Mütter, die Ihr die Verantwortung für die körperliche Pflege Eurer Töchter tragt, zu Herzen!

Unser heutiges Mahnwort soll aber nicht ein­seitige Geltung haben, vielmehr an Alle, Männer und Frauen, Jünglinge, Jungfrauen und Kinder ge­richtet sein. Der griesgrämige Winter liegt hinter uns, der Sommer hat seinen Einzug gehalten. Darum hinaus, nicht nur in Wald und Feld, sondern auch auf den Turnplatz! Dort kräftigt und stählt Eure Muskeln, reckt und streckt Eure Glieder und seid ver­sichert, daß die Stunden, die Ihr dort durch Leibes­übungen verbringt, auch für das Vaterland nutz- und segenbringend sind. Denn sie dienen dazu, gesunde Frauen und kräftige Männer zum Schutze von Haus und Heerd zu erziehen, unv darin liegt der patriotische Zweck der Turnerei.

Karrdrvirlschaftl. Bezirks verein.

Im Anschluß an die staatliche Bezirks-Viehschau am 27. d. Mts. findet imBadischen Hof" ein gemein­schaftliches Mittagessen statt, zu welchem die Vereins- Mitglieder freundlichst eingeladen werden. Die Teil­nehmer werden ersucht, sich spätestens bis 10 Uhr Vormittags im Gasthof anzumelden.

Calw, den 22. Juni 1894.

Vereinsvorstand

Lang.

Standesamt Kal«.

Geborene:

8. Juni. Otto Friedrich, Sohn des Gottlieb Ruf, Hilsswärters hier.

Getraute.

16. Juni. Johann Jakob Schnizler, Kunst- und Handelsgärtner in Cannstatt und Emilie Marie Breitling von hier.

21. . Karl Eugen Ulm er, Kaufmann in

Stuttgart und Emilie Friedrike Johanne Ganzmüller hier.

Gottesdienste

am 5. Sonntag nach Hrinitatis.

Vom Turm - 363. Ter Kirchenchor singt: .Ich bete an die Macht der Liebe." Predigtlied: 394.

9 Uhr Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun. 1 Uhr Christenlehre mit den Töchtern. 2 Uhr Bibel­stunde: Herr Stadtpfarrer Schmid. Das Opfer ist für die armen Gemeinden in Sulzbach und Laufen a- Kocher bestimmt.

Areitag, Z-elertag H»etri und ^auki.

9 Uhr Predigt: Herr Stadtpfarrer Schmid.