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fangenen mitgebracht. Da sie — so habe er beim Esten geäußert — hier doch alle stürben, habe er sie auf dem Schiff totschlagen lasten (wörtlich: „habe ihnen 'n Paar auf den Kopf schlagen lasten"). Die Soldaten, namentlich einer, hätten eS famos 'raus, den Feinden die Haut über den Schädel zu ziehen. Am Unterkiefer werde mit dem Messer ein Schnitt gemacht, dann mit den Zähnen angepackt, und der ganze Skalp über Gesicht und Kopf herübergezogen. Daß Wehlau in Viktoria „wieder ganz toll gemirt- schaftet" habe, dafür wird ein Privatbrief des Dr. Preuß an Lieutenant Scheffler angeführt. Ferner wird ein Gerichtstag, von Wehlau abgehalten, geschildert. „Ein Schwarzer, Aug. Bell, ist beschuldigt, eine Uhr gestohlen zu haben. Er wird vorgeführt. Das erste, was ihm vorgehalten wird, ist: es giebt nur zweierlei Wege, entweder, er gesteht, er habe den in Frage stehenden Diebstahl begangen, oder er bekommt 50 Hiebe. Bell: „Nein, ich habe die Uhr nicht gestohlen." Sofort wird er abgeführt und erhält 50 Hiebe mit mit der Rhinocerospeitsche. Wieder vorgeführt, gesteht er auf weiteres Befragen, daß er die Uhr gestohlen habe. Er wird darauf zu 6 Jahren (schreibe und sage sechs Jahren) Gefängnis, 100 Geldstrafe und 15 Hieben am ersten Samstag jeden Monats verurteilt". Berichtigend wird nachgetragen, daß Bell sogar 80 Hiebe erhielt, und zwar auch dafür, daß er, bei der Niederschrift des Protokolls, die verlangten Antworten nachsprechend, stotterte. „Was aber 80 Hiebe an einem Nachmittag zu bedeuten haben, das kann nur der in vollem Umfang ermessen, der jemals einer derartigen Prozedur beigewohnt hat. Ein rohes, gehacktes Beefsteak ist nichts dagegen!" Lieut. Schröder habe sich förmlich entsetzt über diese Gerichtsverhandlungen, bei denen Wehlau nur in brüllendem Ton rede und sich andauernd grober Schimpfwörter, wie Aas, Hund, Luder, Schweinehunde bediene. Bezirkshauptmann v. Oertzen hat dem Tagebuchschreiber erzählt, daß in dem Bericht Wehlaus über den letzten „Feldzug" nicht alles so dargestellt sei, wie es sich in Wirklichkeit zugetragen habe. So seien nach dem Bericht drei Gefangene gehängt worden. In Wirklichkeit habe Wehlau dieselben der Wollust der Soldaten preisgegeben und diese haben die drei Leute regelrecht abgeschlachtet. „Maschinist Gebhardt von der „Nach- tigal" schildert diesen Vorgang folgendermaßen: Die Schwarzen wurden mit Messern zerschnitten, zerhackt und verstümmelt, da Assessor Wehlau den Befehl gegeben hatte, die Gewehre beim Töten nicht zu gebrauchen." — Vom Kanzler Leist berichtet das Tagebuch skandalöse Dinge mit schwarzen Weibern, die er sich aus dem Gefängnis holen lasse und die Nacht über, z. T. in Gesellschaft anderer Herren, bei sich behalten. Es werden dafür eine Reihe Zeugen aufgeführt und nächtliche Lärmszenen zwischen Polizeigehilfen und den Dienern des Kanzlers geschildert, die beim Herbeischleppen der Weiber entstanden. — Nach der „Straßb. Post" ist Assessor Wehlau inzwischen verstorben.
Ausland.
Wien, 13. April. Kaiser Wilhelm traf um 11 Uhr, von Kaiser Franz Joseph und sämtlichen Erzherzögen empfangen, ein. Kaiser Wilhelm küßte zweimal den Kaiser Franz Joseph, und begrüßte dann die Erzherzöge. In offener Hofequipage erfolgte die Fahrt zur Hofburg. Kaiser Wilhelm, der von der südlichen Sonne tief gebräunt ist, trug österreichische Husarenuniform, Kaiser Franz Joseph und die Erzherzöge preußische Uniform. Fortgesetzte enthusiastische Hochrufe begleiteten die beiden Herrscher auf ihrer Fahrt zur Hofburg.
Wien, 14. April. Kaiser Wilhelm toastete beim Frühstück im Osfizierskassino in der Josefstädter Kaserne auf das Wohl Kaiser Franz Josefs unv seiner Kameraden seines Regiments. Später legte er auf dem Grabe des Kronprinzen in der Kapuzinergruft einen Kranz nieder, besuchte die Erzherzoge und wohnte Abends der Vorstellung in der Hofburg bei.
Wien, 14. April. Kaiser Wilhelm ist um IN/- Uhr vom Westhofe nach Karlsruhe abgereist. Kaiser Franz Joseph begleitete ihn auf den Bahnhof, wo die Monarchen herzlichen Abschied von einander nahmen.
Abbazia, 13. April. Das deutsche Kaiserpaar fuhr gestern Abend, nachdem das Diner auf der „Christabel" eingenommen worden, mittels Wagen nach Mattuglie, von wo der Kaiser um 8^/» Uhr nach Wien abreiste. Der Kaiser äußerte wiederholt den zum Abschiede anwesenden Herren gegenüber, er werde nächstes Jahr Abbazia wieder aufsuchen. Die anwesende zahlreiche Menschenmenge brachte Hoch- und Evvivarufe aus.
Rom, 13. April. Nach der offiziösen „Ri- forma" hat es sich bei dem angeblichen Interview des „Figaro"-Korrespondenten nur um eine Privataudienz gehandelt, die König Humbert demselben gewährt habe. Ein politisches Thema habe der König nicht berührt und lediglich einige höfliche Redensarten an die Adresse Frankreichs eingeflochten.
Rom, 14. April. Die Polizei hat heute Nacht eine ganze Anzahl Anarchisten in einem Vorstadt- Cafö festgenommen, unter ihnen den Metzgergesellen Arie, der seine Teilnahme an dem Bombenattentat vor dem Parlament eingestand. Als Arie gestern bemerkte, daß er von Polizeiagenten verfolgt wurde, versteckte er eine große Dynamitbombe in den Trümmern des Kolosseums, wo sie die Polizei fand. Die Bombe war nach Aussage des Attentäters für den Senat bestimmt. In der Wohnung Aries wurde eine ganze Werkstätte zur Herstellung von Bomben aufgefunden.
Paris, 15. April. Der Figaro veröffentlicht die Anklageschrift des Prozesses gegen den Anarchisten Emil Henry, für den am 37. April der Termin vor dem Geschworenen-Gericht ansteht. Henry ist wegen des Attentates in Cafs Terminus und wegen der Explosion in der rus Ls dons erckants angeklagt.
Mun, der junge, lebenslustige Offizier fand es eben nicht unterhaltend im Krankenzimmer, was aber hatte sie selbst in ihrer jetzigen Stimmung auch mit ihm anfangen sollen? Es war ihr im Grunde ganz recht, daß er fortblieb!
« Es war um die Weinachtszeit, die für die übrige Welt so gnaden- und freudenreiche, als der Oberst die Augen schloß. Eveline selbst hatte sie ihm zugedrückt und sich dann gesagt, daß sie nun allein, aber auch ganz allein in der Welt stände; was sie indessen in dem gleichen Moment sich auch gesagt hatte, war, daß sie etwas thun, etwas auf sich nehmen müsse, um eine Antwort zu behalten auf die lähmende Frage: „Wem nützt, wozu dient denn noch Dein Leben?"
Einige Wochen später erhielt sie die Nachricht von einem neuen Todesfall in der Familie: jener alte Onkel, von dem sie durch Eduard kürzlich noch so viel gehört hatte, war gestorben. Weckte da» Ereignis auch keine tiefe Trauer in ihr, so erregte es doch ihre natürliche Teilnahme, und wmn sie dabei zugleich Eduards gedachte, der dem Verblichenen ja näher gestanden hatte, so fielen ihr di« Ansprüche, die Erbschastshoffnungrn ein, von denen sie ihn erfüllt wußte. Mit einem leisen Lächeln fragte sie sich, ob der Ernst des Moments wohl hinreichend sein würde, um jede» andere Gefühl, auch da» unruhige der Erwartung, in ihm zu unterdrücken.
Ach, ihre Arglosigkeit malte es sich nicht aus, bis zu welchem Fieber jene Spannung gerade jetzt in dem Herzen ihre» Vetter» gestiegen war, daß von dem Moment an, der ihm die Nachricht von dem Hinscheiden seine» Onkel» gebracht hatte, nur noch ein Gedanken in ihm lebte, der Gedanke: wer ist sein Erbe? Riesen» Freunde dagegen, die es wohl wußten, wieviel für ihn — und in diesem Augenblick das Doppelte! — von dieser einen Frage abhing, die vielleicht eigrne Pläne und Berechnungen an dieselben knüpften, sie teilten seine Spannung. Wie es mit Riesen» Erbschaft gehen würde war eben zur brennenden Tagerfrage unter den Lauernden geworden.
„Wißt Ihr'» schon?" rief daher auf der Promenade rin jüngerer Offizier einer Gruppe von Genosse« zu. „Mit der Hintnlaffrnschaft de» Onkel» ist'« für
Belgrad, 15. April. Die radikale Parteileitung berief den großen Partei-Ausschuß für nächsten - Freitag. Wichtige Beschlüsse werden erwartet.
Tagesneuigkeiten.
Stuttgart, 13.April. Der bekannte Dichter ^ und Kunstkritiker Ludwig Pfau, welcher vor einigen Tagen einen Schlaganfall erlitt, ist gestern Abend an den Folgen desselben gestorben. (Pfau wurde am 25. August 1821 in Heilbronn geboren.)
Stuttgart, 15. April. Heute Nachmittag um 3 Uhr fand auf dem Pragfriedhofe die Leichenfeier für Ludwig Pfau statt. Konrad Haußmann hielt die Leichenrede in der er die hervorragenden Eigenschaften des Verstorbenen als Mensch, Dichter, Kunstkritiker und Politiker in warmen Worten schilderte. Eine Unmasse von Kränzen mit schwarz-rot-goldenen, Schleifen wurden auf der Bahre niedergelegt. Johannes Prölß sprach im Namen der Schriftsteller; Maler Gaupp legte im Namen der Kunstgenossenschaft, Gemeinderat Berberich in dem der Stadt Heilbronn, deren Ehrenbürger Pfau war, einen Kranz nieder. Es folgten noch Fr. Payer (Deutsche Volkspartei), Cleß (Volksverein Stuttgart). Ferner waren vertreten die Volkspartri in Heilbronn; die-Franks. Ztg. Leo Sonnemann und die Demokraten Frankfurts durch Dr. Saul; die bayrischen Demokraten durch Rechtsanwalt Schickler u. s. w. Auch die Sozialdemokraten Stuttgarts hatten einen Kranz gesandt mit der Inschrift: „Dem wackeren Kämpfer und Sänger für Freiheit und Recht." Morgen findet die Einäscherung der Leiche im Krematorium zu Heidelberg statt. Die Asche des Entschlafenen kommt in eine Urne auf dem Friedhof in Heilbronn.
Stuttgart, 15. April. Heute Nachmittag brach in einen Wollabfallgeschäft in der Christofstraße Feuer aus, welches in dem Lager ziemlichen Schaden anrichtete. Dank dem sofortigen Eingreifen der Berufs- Feuerwehr wurde ein weiteres Umsichgreifen des Feuers verhindert.
Tettnang, 12. April. Am Sonntag fuhren 3 Radfahrer hier durch die belebte Kirchstraße, ohne Signal zu geben. Eine Frau von Bach konnte nicht mehr rechtzeitig ausweichen, wurde niedergerissen und nicht unbedeutend verletzt. Ein Polizeidiener setzte sich nun ebenfalls auf ein Fahrrad und fuhr den dreien nach, holte sie auch hinter der Gießenbrücke ein und notierte deren Namen; es sollen nach dem „Oberschw. Anz." Matrosen von Lindau sein.
G Pforzheim, 15. April. Heute früh, fanden Besucher des Aussichtsturms bei Büchenbronn am Fuße des Turms den zerschmetterten Leichnam des etwa 18 Jahre alten Kaufmanns-Sohn P. von hier. Der, jedenfalls vom Turm Herabgestürzte, hatte die Augen verbunden. Das Nähere dürfte die Untersuchung feststellen. — Dieser Tage wurde ein hier an der Bergstraße wohnender verheirateter Geschäftsführer einer Etuisfabrik verhaftet. Derselbe
den armen Riesen Essig! Der alte Sünder hat sein Geld einer entfernten Cousine — oder was weiß ich? — vermacht; er selbst bekommt keinen Pfifferling!*
„Daß Dich die Pest!" — „Hol' ihn der Teufel dafür!" und ähnliche Flüche, untermischt mit Ausdrücken des Bedauerns und halb schadenfrohem Gelächter, waren die Entgegnung.
„Ich eile zu ihm!" rief ein junger Lieutenant mit etwa» verlebten Zügen; wenn er Lust hat, sich totzuschießen, braucht er vielleicht ein fühlende« Herz in der Nähe!' Und e« ungewiß lassend, ob ihn die Freundschaft oder ein minder rühmliches Gefühl trieb, eilte er nach Riesens Wohnung.
Er hatte indessen zum Glück nicht nötig, einem Selbstmord beizuwohnen oder den Freund von einem solchen zurückzuhalten, denn Eduard hatte sich bereit» von der ersten Wirkung jener Nachricht erholt, und ersterer konnte nicht herausbringen, ob er überhaupt so von Zorn und Wut erfüllt gewesen war, xvie er es sich gedacht hatte. In diesem Augenblick äußerte er sich ziemlich gelassen und meinte, man müsse sich nur nicht von den Ereignissen niederwerfen lassen; versteh« man mit Menschen und Dingen umzusehen, so erhole man sich leicht von jeder Schlappe.
„Bleibt Dir denn noch Hoffnung auf das Vermögen?" fragte der andere. „Willst Du das Testament anfechten? Da» wäre vernünftig, denn eS könnte Dir mindestens die verd— Gläubiger noch eine Weile vom Leibe halten!" ,
Daß er vor einer Stunde «ine lange Unterredung mit seinem Advokaten gehabt und dieser ihm vielleicht seine Entschlüsse diktiert hatte, verschwieg Eduard; er sagte nur:
„Ich verschmähe den Versuch! Meine Cousine mag ruhig die Erbschaft an- treten, da mir die Haffnung bleibt, daß ich bald keinen Grund mehr haben werde, neidisch auf sie zu sein."
„Ich begreife den tiefen Sinn Deiner Rede nicht!" erwiderte der Freund etwa» verdutzt.
(Fortsetzung folgt.)