Beilage zumCalwer Wochenblatt

Nro. 37.

' ^ 6 ul 1! 6 l 9 in. IRachdruck verboten. I

Auf eigenen Iüßen.

Novelle von F. L. Reimar.

(Fortsetzung.)

.Jedenfalls aber hätte allein der Wunsch meines Bruders genügen müssen/ fiel Klara, ohne auf die letzte Bemerkung zu achten, ziemlich heftig ein, .daß sie sich fügte und den Weg, wie er eS vorschlug, zu Fuß und in seiner Begleitung zurück!« zte."

»Ach ja!" fiel Herr von Milten, dessen gute Laune bereits zurückgekehrt war, lächelnd ein. .Auf die Wünsche der Männer müsse» die Frauen allezeit achten! Da hast Du recht, liebe Klara! Und weißt Du, was z. B. in diesem Augenblick der Wunsch Deines Mannes ist? Daß Du Deine Galle gegen Eoeline unterdrückst und ihr nie ein so bitterböses Gesicht machst wie mir in diesem Augenblick!"

Er zo sie lachend an sich, doch rin wenig schmollend entzog sie sich seiner Umarmung.

Edmund äußerte an diesem Abend seine Empfindung nicht gegen die Seinigen; nur als der Schwager ihn einmal beiläufig fragte, ob er morgen nach Garkau zu gehen gedenke, antwortet« er:Sicher! Es ist ja nötig, daß wir uns wieder begegnen!'

Eoeline hatte schwerlich eine Ahnung von dem Gericht, das über sie ergehen sollte, als sie sich so heiter und übermütig von der Gesellschaft trennte. Sorglos sprengte sie dahin, bis sie wieder das oben erwähnte kleine Dorf erreicht hatte. Dort ließ sie ihr Pferd langsamer gehen und hielt «S a» der Wohnung de» alten Bauer an, um durch die Fenster nach jemand zu spähen. Sie brauchte ihre Blicke indessen nicht lange «nzußrengen, denn fast in demselben Augenblick öffnete sich die Thür, und das junge Mädchen dessen Kopf vorhin nur flüchtig aufgetaucht war, eilte auf die Reiterin zu.

Eoeline streckte ihr vom Pferde aus die Hand entgegen und rief:Grüß Gott, Hannchen! da bin ich wieder um mir Deinen Glückwunsch zu hole», Du weißt schon? Aber, «lderneS Kind, was machst Du? So laß doch!" unterbrach sie sich, als das Mädchen die dargebotene Hand mit warmer Inbrunst an die Lippen drückte, und suchte ihr dieselbe zu entziehen.

Gottes Segen über Sie, teuerstes Fräulein!" schluchzte Hannchen in vollster Rührung. .Ich hörte heute Morgen von ihrer Verlobung und kann dem Himmel nun nicht genug danken für Ihr Glück!"

So, also ein Glück nennst Du eS jedenfalls, daß ich unter die Haube komme?" scherzte Eoeline.Wollen sehen, Hannchen! Nun aber ich kann nicht lange bleiben, denn Zemire will nicht stehen, und ich fühle so etwas wie eine Pflicht, vorsichtig zu sein, darum schnell noch: was macht Dein Vater?"

,O, «S geht ihm leidlich; der Arzt ist hier gewesen und hat den Verband gerühmt, den Eie ihm angelegt hatten."

Schön, ich sehe morgen wieder nach; achte nur recht auf alles!"

Gewiß; aber wie sollen wir Ihnen danken, Fräulein, wie Ihnen ver­gelten -"

Eoeline runzelte leicht die Stirn.Unsinn, Kind! Du weißt doch, daß Du nicht so sprechen darfst! Überhaupt aber sehe ich," fuhr sie heiterer fort,daß ich Dich schlecht erzogen habe, denn Du bist ungehorsam und nennst mich stetsFräulein" undSie", was ich Dir schon so oft verboten habe! Nun wir sprechen noch davon; jetzt nur adieu!"

Sie reichte dem schönen Mädchen noch einmal die Hand und trieb gleich darauf ihr Pferd an, wandte sich aber nach wenigen Schritten desselben zurück und rief:A propoS, in diesen Tagen kommt Vetter Eduard, er schrieb's heute; da können wir drei uns einmal wieder zusammen der alten Spiele und Streiche erinnern!"

Sie grüßte abermals und verschwand dann rasch, wodurch eS ihrer Wahr­nehmung entging, daß auf den Wangen Hannchens plötzlich eine tiefe Purpurröte aufgeflammt war.

Als Edmund am nächsten Tage von Garkau zurückkehlte, entdeckte Herr von Milten, der ihn allein empfing, da Klara zum Besuch auf ein benachbartes Gut ge­fahren war, daß seine Verstimmung sich nicht verloren hatte und da eS seiner offenen Natur unmöglich war, eine verhaltene Empfindung in seiner Nähe zu dulden, so ging er derselben mit der direkten Frage zu Leibe, ob ihm irgendein Zugeständnis von Eoeline verweigert worden, ob überhaupt der vollen Verständigung mit ihr etwas im Wege gewesen sei.

Edmund gestand offen, daß er von Eoeline, wenn nicht völlige Einstellung des Reitens, so doch die Abschaffung Zemires verlangt habe aber damit auf ent­schiedenen Widerstand gestoßen sei. Sie vermöge nicht das Vernünftige seiner Forderung einzusehen, hatte sie gesagt, und so lange könne ihr dieselbe nicht zulässig erscheinen, wie sie cs denn für schwächlich halte, sich ohne Not, einer bloßen Grill« wegen, ein Opfer, eine Entsagung aufzulegen, und beides bedeutete für sie die Trennung von ihrem Tier.Ich ging darauf so weit," fuhr Edmund fort,letztere als einen Beweis ihrer Liebe hinzustellen, sie zu bitten mein Begehren nur ihretwegen zu erfüllen; und als sie auch jetzt noch schwieg, sagte «ch ihr in ernstem Tone, ich müsse sie bitten, meinen Wunsch geradezu als ein Forderung anzusehsn."

Nun?" fragte Herr von Milten gespannt.

Sie ward bleich und preßte die Lippen zusammen," entgegnet« Dernburg, aber sie gewann eS rucht über sich,-nachzugeben; und so in dieser Stimmung gegen einander sind wir geschieden. Aus meinen Worten aber wird sie entnommen haben, daß es von ihrer Entscheidung abhängt, wann wir u»S Wiedersehen."

Herr von Milten war sehr ernst geworden; er legte seinem Schwager die Hand Ms den Arm und sagte:Geh' nicht zu weit, Edmund I Denke daran, wie

sie selbst ihr feurig edles Roß gezähmt hat, mehr durch sanftes, ruhiges Zureden, als durch Zorn und Gewalt. Nimmst Du meinen Rat an, so läßst Du vorläufig die Sache auf sich beruhen."

Dernburg schüttelte heftig den Kopf. ..Ich kann nicht," sagte er;ich habe einmal zu viel auf diese eine Karte gesetzt, als daß mir Gewinn oder Verlust gleich­gültig sein dürfte!"

Mit einem ungeduldigen Seufzer wandte sich Herr von Milten ab.

Am nächsten Morgen erschien ein Bote von Garkau auf Wertfeld, der einen Brief an den Landrat brachte. Dernburg empfing ihn in Gegenwart Mltens, der seinen Schwager beobachtete, als dieser hastig das Couvert aufrieb und den Inhalt des Schreibens überflog. Seine Züge, die Anfangs die äußerste Spannung verraten hatten, heiterten sich sichtlich auf, und mit freudiger Miene, der ein leiser Triumph nicht fern blieb, reichte er den Brief herüber.

Es war von Eoeline selbst und Herrn von Milten siel auf der Stelle der eigentümliche Charakter der festen, beinahe männlichen, aber klaren und festen Hand­schrift auf. Sie schrieb ihrem Verlobten, daß sie lange nachgedacht und mit sich gekämpft habe; jetzt aber brächte ihm ihre Liebe sie hatte das Wort unter­strichen den Gegenstand ihres Streites zum Geschenk. Sie selbst würde Zemire nicht mehr besteigen, überlaffe ihm dafür, sie zu prüfen und vielleicht nachher einzu- gestehen, daß sie wert gewesen sei, ihr Liebling zu heißen.

Es war offenbar, daß sie sich bemüht hatte, der ganzen Sache eine an den Scherz streifende Wendung zu geben, aber wenn auch Dernburg geneigt erschien, auf dieselbe einzugehen und den heiteren Ton gelten zu lassen, Herrn von Milten war eS, als habe er ein geheimes, aber schmerzliches Zucken ihres Herzens wahr­genommen.

Dernburg ritt übrigens in derselben Stunde noch nach Garkau hinüber, und als er abends zurückkehrte, strahlte sein Gesicht in völliger Befriedigung, eS war klar, die kleine Mißhclligkeit zwischen ihm und seiner Braut war vollkommen ausgeglichen!

Und wie wird eS mit Zemire?" fragte Herr von Milten.

Ich nehme sie vorläufig an mich," war die Entgegnung,wie Eoeline es wollte, und studier« ihre Eigenart gründlich; wenn sie die Probe besteht und ich mich überzeugt habe, daß nichts zu fürchten ist, mag Eoeline später in meiner Be­gleitung die gewohnten Spazierritte wieder aufnehmen."

Als Dernburg in den nächsten Tagen nach Garkau kam, fand er neben dem Oberst und Eoeline einen Fremden vor, welcher ihm als der erwartete Gast, Vetter Eduard von Riesen, Lieutenant im R.schen Dragonerregiment, vorgestellt ward. Derselbe wußte schon, daß er in dem Landrat den Verlobten seiner Cousine vor sich sehe und knüpfte daher an die Begrüßung seinen Glückwunsch, dessen Form nichts zu wünschen übrig ließ, gleichwie die elegante Haltung, überhaupt das ganze unleugbar hübsche Äußere des jungen Mannes einen angenehmen Eindruck zu be­dingen schien. Trotzdem fühlte der Landrat sich nicht sehr von der Erscheinung an­gesprochen, «S lag ein Etwas in seinem Gesicht, in seinem Wesen, das ihm nicht gefiel, wenn es ihm auch noch nicht sofort klar werden wollte, worin e« eigentlich bestand. Eins nur wußte er, daß er sich den Jugendgenoffen seiner Braut, von dem sie oft gesprochen, anders gedacht, ihn unwillkürlich in Überein­stimmung mit ihrer eigenen Natur gebracht hatte. Eine gewisse Verstecktheit das glaubte er sich endlich sagen zu können sprach aus seinem Gesicht, und wenn er auch nicht so weit ging, der ganzen Persönlichkeit diese Eigenschaft zuzuschreiben, mußte er sich doch fragen, ob Eveline wohl je ganz bis auf den Grund seines Charakters gedrungen sei.

In diesem Augenblick nun schien sie kein anderes Empfinden zu kennen al» lebhafte Freude über die Anwesenheit des Gastes, der alle Erinnerungen an die frische, fröhliche Jugendzeit anregte; denn Eduard, selbst ein früh verwaistes Kind, hatte auf Garkau eine zweite Heimat gehabt und, noch während er auf der Kadetten­schule war, alle Ferien im Hause seines Onkels zugebracht. Wie lustig, manchmal toll war es da unter der kleinen Schar, die sich zusammengefundenhatte, hergegangen! Es wurden hundert Geschichten erzählt und belacht, und Eveline mußte sich gefallen lassen, daß sie meistens als Anstifterin aller Unternehmungen erschien; sie konnte es nicht leugnen, daß ihr Wille in der Regel die Gesellschaft regiert hatte.

Wie, und das ließen die übrigen über sich ergehen?" fragte Dernburg lächelnd.Das durfte sie namentlich dem älteren Vetter" es war erwähnt worden, daß Eduard drei oder vier Jahre mehr zählte als Evelineohne weiteres bieten?"

Nun, ich fühlte bereit als'Kavalier, daß ich meiner Dame Unterwürfigkeit schuldig sei," sagte Eduard,und über unsere Gefährten dominierte sie von vorn­herein ttast ihrer gutSherrlichen Gewalt."

O, Eduard!" rief sie ein wenig unwillig,an den Unterschied unserer Stellung habe ich gewiß bei unseren kindischen Spielen nie gedacht!"

Nun, die Thatsacbe bleibt aber doch," entgegnete er,daß Hannchen Bauer Dir stets wie ein Hündchen zu Füßen lag, während ihr Bruder so eine Art schüchterner Amoroso, jedenfalls aber Dein echter und getreuer Schildknappe war."

Ist die Rede von dem hübschen Mädchen, das wir neulich am Fenster sahen?" fragte Dernburg dazwischen.

Ah, Sie sahen sie?" fiel der Lieutenant ein, während Eveline flüchtig bejahte. Nicht wahr, rin Paar Augen, die schmachtend genug blicken, um einem Lust zu machen, sich die Kleine näher anzuschauen?"

Ich bin in meiner Belrachlung nicht so weit gegangen," erwiderte der Landrat etwas kühl.

Hannchen ist ein liebes Geschöpf," sagte Eveline, der es war, als habe sie sich ihres Schützlings anzunehmen, und wenn sie hüsch ist, so bedeutet daS noch nichts gegen ihr Gemüt, welches wie das eines Engels ist!" (Forts, folgt.)