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(Eingesandt.)
Bei der am Sonntag, den 11. März stattfindenden jährlichen Generalversammlung der hiesigen Spar- und Vorschußbank wird die Frage der Umwandlung bisher unbeschränkter Haftpflicht in beschränkte Haftpflicht wieder auf die Tagesordnung kommen. In vorjähriger Generalversammlung wurde zwar diese Frage nach lebhafter Debatte durch Stimmenmehrheit abgelehnt und somit Beibehaltung der unbeschränkten Haftpflicht beschlossen.
Wären die Mitglieder damals über die Tragweite dieser wichtigen Frage so genau unterrichtet gewesen, wie dies durch die sehr dankenswerte Belehrung des Hrn. Amtsrichter Fischer später erfolgt ist, so wäre zweifelsohne die Abstimmung anders ausgefallen.
Einsender hält deshalb für zweckmäßig, daß diese gründliche Auseinandersetzung im Wochenblatt Nr. 36 vom vorigen Jahr im Nachstehenden den Interessenten nochmals vor die Augen geführt wird.
Keschriiukle oder uubkschriiukte Haftpflicht?
sind die Schlagwörter, um welche sich in den letzten Wochen hier manche Debatte gedreht hat.
Absolute Haftpflicht, Haftung des Einzelnen mit seinem ganzen Vermögen ist ein Begriff, der Manchem ein Gruseln verursacht, und doch begegnet man vielfach einer vollständigen Unkenntnis der einschlägigen Gesetzesbestimmungen, so daß die Klarstellung derselben in kurzen Zügen vielleicht Manchem willkommen sein dürfte.
Das Reichsgesetz vom 1. Mai 1889 betr. die Erwerbs- und Wirtschafts-Genossenschaften kennt 3 Arten von Genossenschaften; solche mit unbeschränkter Haftpflicht, solche mit beschränkter Haftpflicht und solche mit unbeschränkter Nachschußpflicht.
Die letztere Art kann, als am hiesigen Platze nicht bestehend, bei Seite gelassen werden.
Die beiden Anderen unterscheiden sich dadurch wesentlich von einander, daß bei der Ersteren der einzelne Genosse für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft dieser sowie unmittelbar den Gläubigern derselben mit seinem ganzen Vermögen haftet, während bei der Letzteren die Haftpflicht der Genossen für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft sowohl dieser wie unmittelbar den Gläubigern gegenüber im Voraus auf eine bestimmte Summe, die sog. Haftsumme, beschränkt ist.
Es ist unschwer, schon dem Wortlaut nach zu erkennen, daß das Risiko, welches der Genosse bei der beschränkten Haftpflicht eingeht, ein weit geringeres ist, als das, welches er bei der unbeschr. Haftpflicht zu übernehmen hat; die vielfach gefundene Vorstellung jedoch, als ob im Fall ungünstiger Complicationen hier der Genosse den Angriffen der Gläubiger der Genossenschaft ohne Weiteres preisgegeben feie, ist durchaus irrig, da das Gesetz die vermeintliche Härte durch Einführung des Nachschußoerfahrens wesentlich abschwächt.
Die Haftung der einzelnen Genossen kommt überhaupt (bei beiden Arten) erst in Frage, nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Genossenschaft. Diese ist zu beantragen, sobald die Zahlungsunfähigkeit eintritt, d. h., wenn die Ge
nossenschaft die Mittel nicht mehr besitzt, um füllige Schulden zu decken. Ueberschuldung allein macht (von dem Falle der Auflösung abgesehen) den Konkurs nicht notwendig; nur bestimmt das Gesetz, daß bei Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht das Konkursverfahren dann beantragt werden muß, wenn die Ueberschuldung «in Vierteil des Betrages der Haftsumme aller Genossen übersteigt. Der Genosse bei beschränkter Haftpflicht, namentlich der der Leitung der Genossenschaft ferner stehende, ist durch diese Bestimmung zweifellos besser geschützt, als der Genosse bei unbeschränkter Haftpflicht. Denn bei letzterer kann der Konkurs, insolange nur immer flüssige Mittel vorhanden sind, hinausgezögert werden, während bei der ersteren Art der Antrag auf Konkurseröffnung schon dann, wenn die Passiven die genannte Grenze überschritten, notwendig ist.
Ist der Konkurs eröffnet, so greift ein doppeltes Verfahren Platz, einmal das Konkursverfahren und daneben als ein Teil desselben, aber doch getrennt vor sich gehend, das Nachschußverfahren.
Bei beiden Arten von Genossenschaften sind die Genossen zunächst verpflichtet, insoweit als die Konkursgläubiger aus dem Vermögen der Genossenschaft nicht befriedigt werden, zur Konkursmasse Nachschüsse zu leisten; während jedoch — und dies ist schon ein wesentlicher Unterschied — die Nachschüsse der Genossen bei unbeschränkter Haftpflicht nicht begrenzt sind, dürfen die Nachschüsse der Genossen bei beschränkter Haftpflicht die Haftsumme nicht übersteigen.
Das Nachschußverfahren hat folgenden Verlauf:
Der Konkursverwalter hat sofort nach Niederlegung der Bilanz auf der Gerichtsschreiberei (also zu Beginn des Konkursverfahrens) zu berechnen, wie viel zur Deckung des in der Bilanz berechneten Fehlbetrags von den Genossen vorschußweise beizutragen ist. In dieser sog. Vorschußberechnung sind die Beiträge auf die einzelnen Genossen (die voraussichtlich unvermögenden werden weggelassen) in der Regel nach Köpfen zu verteilen.
Nach öffentlicher Verhandlung wird die Vorschußberechnung vom Gericht für vollstreckbar erklärt und nun kann der Verwalter von den Genossen die auf sie verteilten Beiträge zwangsweise beitreiben.
Inzwischen wird das Konkursverfahren soweit vorgeschritten sein, daß die Forderungen der Gläubiger feststehen, die Schlußverteilung genehmigt werden kann. Sofort mit Beginn des Vollzugs der letzteren hat der Verwalter die Nachschußberechnung aufzustellen, d. h. zu berechnen, wie viel von den (vermögenden) Genossen zur Deckung der Gläubiger an Nachschüssen zu leisten ist.
Diese Nachschußberechnung wird wieder durch das Gericht für vollstreckbar erklärt und kann der Verwalter auf Grund derselben wieder zwangsweise gegen die Genossen Vorgehen.
Nach Ablauf von drei Monaten nun seit dem Termin, in welchem die Nachschußberechnung für vollstreckbar erklärt worden, können die Konkursgläubiger, insoweit sie bisher nicht befriedigt sind, die einzelnen Genossen direkt in Anspruch nehmen. Also erst, nachdem das Konkursverfahren so ziemlich zu Ende geführt ist, ist den Gläubigern gestattet, sich direkt an die einzelnen Genossen zu halten, und nun
erstkommtderHauptunterschiedderbeiden Genossenschaftsarten zur Geltung; bei der Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht haftet jederGenosse für denAusfall solidarisch und ohne die Einrede der Teilung zu haben mit dem ganzen Vermögen, bei der Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht dagegen können die Genossen über die Haftsumme hinaus nicht in Anspruch genommen werden.
Ist die Zahl der Genossen eine große, so ist auch bei unbeschränkter Haftpflicht die Gefahr für den Einzelnen, mit dem ganzen Vermögen herhalten zu müssen, nach dem Ausgeführten wohl selten vorhanden, da für das Nachschußverfahren soviel Zeit gegeben ist, daß, bevor die Gläubiger den einzelnen Genossen direkt angreifen dürfen, durch gemeinsames Einstehen der Fehlbetrag meist gedeckt sein wird, immerhin wird die Frage, welche Form der Haftung für den Einzelnen vorteilhafter ist, unschwer zu entscheiden sein.-
Gewiß wird kein Mitglied bei dem Wunsch auf Umwandlung der Haftpflicht von irgend welchem Mißtrauen in die seit 32 Jahren mit gutem Erfolg verwalteten Bank geleitet. Der einzige Beweggrund ist der, daß jeder, der einer Bank als Mitglied angehört, genau wissen möchte bis zu welchem Betrag er im schlimmsten Fall haftbar gemacht werden kann. Die Zeiten und Verhältnisse sind wechselvoll. Für die Zukunft bürgt niemand. Dies war wohl auch der Grund, daß die hiesige landwirtschaftl. Creditbank und noch viele Genossenschaftsbanken die vorsichtigere Form der beschränkten Haftpflicht an Stelle der unbeschränkten einführten und traten noch nirgends hiedurch hervorgerufene Mißstände hervor. Daß der Credit der Bank durch die Umwandlung Not leide, wie von Gegnern vor. Jahr so sehr in Vordergrund gestellt wurde, daran ist um so weniger zu glauben, wenn man erwägt, daß bei beschränkter Haftpflicht ein Garantie-Kapital von ca. einer halben Million geschaffen wird. Die neu zu gründende Centralkasse der Genossenschaftsbanken führt aus wohlbegründeten Ursachen auch beschränkte Haftpflicht ein.
Bei der großen Wichtigkeit dieser Frage ist sehr zu wünschen, daß sich die Mitglieder möglichst, zahlreich an der Generalversammlung beteiligen.
Kandw. Kezirksverrm Calw.
Der Verein beabsichtigt auch in diesem Frühjahr wieder den Bezug von Obstbäumen zu vermitteln. Bestellungen bittet man
bis 15. März 18S4
an Hrn. O.-A.-Baumwart Müllerin Calw zu richten.
Die Abnehmer haben sich zu verpflichten, den Bäumen einen angemessenen Satz angedeihen und insbesondere genügend große Baumgruben fertigen zu lassen.
In einer größeren Anzahl von Gemeinden wird die Baumpflanzung vom Oberamtsbaumwart persönlich geleitet und hiebei Belehrung über das Setzen und Zurückschneiden der Bäume erteilt werden.
Die Herren Ortsvorsteher der Landgemeinden, werden ersucht, dies in ihren Gemeinden öffentlich bekannt zu machen.
Calw, den 2. März 1894.
Vereinsvorstand: Lang.
s 1 ^ ^ 6 1 O H. (Nachdruck verboten.;
Oaterlandsverral.
Novelle von Lothar Brenkendorf.
(Fortsetzung.)
Keine der drei Personen, die seine Gesellschaft ausmachten, hatte wahrgenommen, daß auf der breiten Promenade, die etwa um zehn Schritte von ihrem Tische entfernt war, die Gestalt einer auffallend schönen und hochgewachsenen jungen Dame aufgetaucht war, die gerade in dem Augenblick, da Jener seinen genußfrohen Toast ausbrachte, für eine kurze Zeit stehen blieb, um das lustige Kleeblatt mit dunklen, brennenden Augen zu fixieren. Der Gastgeber allein war dem Blick dieser schwarzen Augen begegnet, und sein plötzlicher Aufbruch war Beweis genug dafür, daß er ihn nicht gleichgültig gelassen hatte.
Seine Miene freilich war heiter und sorglos wie zuvor, als er sich in den Schwarm der Promenierenden mischte. Aber als er dann zwei Minuten später in ziemlich weiter Entfernung von dem kleinen Tische an der Seite der hochgewachsenen Dame stand, erschien eine tiefe Falt« zwischen seinen Braunen und wie in zorniger Erregung kam eS mit zischenden Lauten über seine Lippen.
»Was bedeutet dar, Leonore? — Bist Du hierher gekommen, in der Absicht, mich zu finden?"
»Ja!" erwiderte sie kurz und rauh, indem sie ihn unverwandt ansah. .Und Du magst dem Himmel danken, daß eS mir gelang. ES war dir höchst, Zeit, denn bei Gott, ich fing schon an, de» Suchens müde zu werden.'
So scharf markierte sich, während sie sprach, der herrische Zug in ihrem Gesicht, daß eS dadurch geradezu häßlich wurde. Ludolf antwortete ihr nicht, bi» sie »inen weniger belebten Seitenweg erreicht halten, dann aber sagte er in heftigem, vorwurfsvollen Ton:
»Und Du glaubst im Ernst, daß ich mir ein« so beschämend« Beschuldigung
> noch länger gefallen lassen werde? Der unweibliche Schritt, den Du da unternommen hast, bringt das Maß meiner Geduld zum Überlaufen. Es war meine feste Absicht, zu Dir zurück zu kehren, nachdem gewisse Angelegenheiten geordnet sein würden, die mein» Abreise von Berlin notwenig machten. Jetzt aber —"
Ihr scharfer, bohrender Blick, der ihm wie ein« Dolchspitze bi» ins innerste Herz zu dringen schien, wurde ihm unerträglich. Wenn der Zorn, den er von Anfang an zur Schau getragen hatte, erst vielleicht nur eine in kluger Berechnung gewählte Maske gewesen war, so trug allein dieser zugleich höhnische und anklagende Blick die Schuld daran, wenn er nachgerade zu einem wirklichen und ungeheuchelten wurde. Er hatte es nicht für nötig gehalten, den begonnenen Satz, dessen bedeutungsvolle ersten Worte ja allerdings schon vollständig genug sprachen zu vollenden. Leonore jedoch fragte scheinbar gelassen:
„Warum zögerst Du, Deine Gedanken auszusprechen ? — Du wolltest zu mir zurückkehren; jetzt aber, da ich Dir gefolgt bin, hast Du die Absicht, offen mit mir zu brechen. War «S nicht dies, was Du eben sagen wolltest?"
„Ich bin nicht imstande. Dir zu widersprechen. Aber Du selber bist eS, die mir einen so schmerzlichen Entschluß aufnötigt. Unter diesen beständigen Äußerungen eines anscheinend unheilbaren Mißtrauens hätten wir ja notwendig Beide unglücklich werden müssen."
.Und Du möchtest mir ein so trauriges Schicksal ersparen. Das ist sehr großmütig, mein Freund! Und wenn ich nun thöricht genug wäre, den Wert dieser Großmut zu verkennen. — Wenn ich auf meinem guten Recht bestände und von Dir verlangt», daß Du unter allen Umständen Dein« einmal gegebene Versprechungen erfüllst?"
Ludolf zuckte mit den Achseln; aber er vermied eS doch, ihr ins Gesicht zu sehen, während er sagte:
„Ich würde zu meinem Bedauern trotzdem nichts zurücknehmen können von-, dem, was ich Dir vorhin erklärt habe."
(Schluß folgt.)