Berlin, 1. Febr. Am 5. Februar findet bei Caprivi ein parlamentarisches Diner statt, bei dem voraussichtlich auch der Kaiser erscheinen wird.
Hamburg, 1. Febr. Der Flügeladjutant Graf Moltke hat gestern dem Fürsten Bismarck im Auftrag des Kaisers den neuen, grauen Militär- Mantel überbracht.
— Die Nordd. Allg. Ztg. veröffentlicht einen Bericht über eine Verletzung der kaiserlichen Kriegs flagge auf der Dampfpinafse des Schiffes Alexandrine im Hafen von Rio de Janeiro. Eine Gewehrkugel war durch die Flagge gegangen, eine andere traf das Boot. Die brasilianische Regierung erklärte sich sofort bereit, jede verlangte Sühne zu gewähren. Der schuldige Offizier ist bestraft worden. Der Zwischenfall ist dadurch in einer beiden Reichen entsprechenden befriedigenden Weise erledigt worden.
Tagesneuitzkeiten.
Calw. Die Sektionen Pforzheim und Neuenbürg des Süddeutschen Eisenbahnreform-Vereins haben an die Generaldirektion der K. Württ. Staatseisenbahncn eine Bitte um Abänderung des Sommerfahrplans der Enz- und Nagoldbahn gerichtet, in welcher folgende Wünsche zum Ausdruck kommen:
Zug Nro. 136 von Wildbad um 5,50 Min. nach Pforzheim abgehend, sollte schon um 5 Uhr dort abgehen, um es zu ermöglichen, daß die Bewohner des Enzthales noch den um 6,05 Min. nach Karlsruhe abgehenden Zug Nr. 253 erreichen.
Zug Nro. 135 von Pforzheim in's Enz- thal sollte ebenfalls früher als um 7,45 abgelaffen werden, damit Geschäftsreisende früher an Ort und Stelle gelangen und nicht mehrere Stunden der so wertvollen Morgenzeit zu opfern haben. Auch Vergnügungsreisende würden es mit Freuden begrüßen, wenn sie das reizend schöne Enzthal schon zur Morgenzeit bereisen könnten. Dazu kommt, daß der erste Zug von Calw schon um 5,58 in Pforzheim eintrifft und Reisende, welche in's Enzthal wollen 1°/< Stunden in Pforzheim zu warten gezwungen sind. Der Zug von Pforzheim ins Enzthal sollte somit schon um 6 Uhr abgehen und um 7 Uhr in Wildbad eintreffen.
Zug Nro. 139, welcher seit Jahren um 2 Uhr 53 Min. von Pforzheim in's Enzthal abgeht, sollte schon aus dem Umstand, daß der Schnellzug Karlsruhe-Pforzheim schon um 12,15, der Zug Calw- Pforzheim um 12,24 und Stuttgart—Pforzheim um 12,25 in Pforzheim eintreffen, schon um '/-2 Uhr in's Enzthal abgelaffen werden, damit den Reisenden nicht ein unfreiwilliger Aufenthalt von 2'/- Stunden zugemutet wird.
Ein weiterer Wunsch wird dahin geäußert, es möchte möglich gemacht werden, daß man auch wäh
rend des Winterfahrplanes mit einem Mittagszuge aus dem Enzthal in das Nagoldthal gelangen könnte. Diesem stand entgegen, daß der Zug Pforzheim- Calw schon um 1,8 abgeht, während der Mittagszug vom Enzthal erst um 2 Uhr in Pforzheim eintraf.
Diese Wünsche erscheinen vollberechtigt und unschwed erfüllbar.
Stuttgart. Einige Blätter wollten dieser Tage wissen, die Persönlichkeit des Ermordeten von Neckarrems, der auf dem Pragfriedhof hier ausgestellt ist, sei ermittelt und seine Identität mit einem gewissen Julius Schwinghammer festgestellt worden. Diese Nachricht ist unrichtig: Schwinghammer befindet sich am Leben, und die Frage nach der Persönlichkeit des Ermordeten steht nach wie vor offen.
Sofia, 31. Jan. Infolge der Geburt eines Thronfolgers ist heute nationaler Feiertag. Der Jubel ist, wie wir schon gestern meldeten, im ganzen Lande überschwenglich. Zu großen Freudenausbrüchen kam es gestern vor dem Schloß, als die Fürstin-Mutter auf dem Balkon erschien, und der Menge den Neugeborenen zeigte.
Madrid, 30. Jan. In den Bergen von Toledo sind jetzt Räuberbanden aufgetaucht. — In der Provinz Malaga durchziehen Gruppen von Landarbeitern die Gegend und plündern die Felder. In der Provinz Cadix ist die Plünderung wohlhabender Einwohner an der Tagesordnung. In Puerto de Bujarillo wurde ein wohlhabender Einwohner aus Timena überfallen und zu Auslieferung seiner ganzen Barschaft gezwungen. In Prado del Rey zündeten die Räuber einem Gutsbesitzer, der die ihm abverlangte Summe nicht hinterlegen wollte, sämtliche Heuschober an. Auch in La Lima zeigen sich verdächtige Gestalten und nötigten die Bürger, die sich am Abend auf der Straße zeigen, Almosen zu geben. Dort wurde vor einiger Zeit sogar der Kommandant von Gibraltar, der mit seiner Tochter einen Spazierritt unternahm, von Strolchen angehalten. Die wegen des in Benaocaz begangenen Raubmordes Festgenommenen sollen sämtlich anarchistischen Anschauungen huldigen. In vielen Orten der Sierra herrscht ein solcher Schrecken, daß man jeden Augenblick auf Las Schlimmste gefaßt ist. Man glaubt dort, daß die große Stunde der allgemeinen Güterverteilung herannaht. Die Regierung hat dem Gouverneur von Cadix anbesohlen diesem Zustand unter allen Umständen ein Ende zu machen. Infolge des Raubs der Tochter eines reichen Bauern in Torre del Campo hat General Chinchilla den Kommandanten van Jaen ermächtigt, einen besonderen Sequestrationsrichter zu ernennen. Ebenso wurden sämtliche Militärbehörden in Andalusien angewiesen, ihr Möglichstes zur Ausrottung dieses Räuberunwesens zu thun, das wie gesagt einen anarchistischen Charakter zu tragen scheint.
Kandrvirtschaftt. Kezirksvereitt.
Unterrichtskurs über Obstbauwzucht betreffend.
Unter Hinweis auf die in Nr. 4 des heu
rigen landw. Wochenblatts enthaltene Bekanntmachung der K. landwirtsch. Centralstelle, betreffend die Abhaltung eines Unterrichts- kurseS über Obstbaumzucht inHohenheim, werden junge Leute unseres Bezirks, welche Lust haben, diesen Kurs mitzumachen, darauf aufmerksam gemacht, daß sie nach Vollendung desselben und nach Einsandt ihres Abgangszeugnisses an den Vereinsvorstand, bezw. an den Sekretär, einen Beitrag von 20 aus der Vereinskasse zu gewärtigen haben.
Die Gemeindebehörden werden ersucht, auch in ihrem Teil dazu beizutragen, daß die Zahl tüchtiger Gemeindebaumwärter in unserem Bezirk noch weitere Zunahme erfahre.
Calw, den 1. Februar 1894.
Vereinsvorstand
Lang.
Karrdwirtfchaftl. Kezirksvererrr.
Saatfruchtmarkt betreffend.
Nach Beschluß der Stuttgarter Landesproduktenbörse und der „Vereinigung württ. Landwirte" soll am 12. Febr. d. I. im Stadtgartensaale zu Stuttgart ein Saatfruchtmarkt abgehalten werden. Die Landwirte unseres Bezirks werden zur Teilnahme hieran mit dem Bemerken eingeladen, daß die benötigten Anmeldebogen bei Sekr. Ansel, Bahnhofstraße, erhältlich sind. Das Programm ist in Nr. 4 des heurigen landwirtschaftl. Wochenblatts enthalten, worauf behufs weiterer Belehrung hiemit hingewieien wird.
Calw, den 1. Februar 1894.
Vereinsvorstand
Lang.
Standesamt ßakw.
Geborene.
22. Jan. Friedrich, Sohn des Friedrich Nothacker, Bauers a. d. Windhof.
27. „ Maria Mathilde, T. d. Adolf Bachteler,
Schullehrers hier.
27. „ Emma Luise, Tochter des Wilhelm Heinrich
Dingler, Fabrikarbeiters hier.
30. , Julie Katharina, T. d. Karl Schnauffer,
Pressers hier.
Gestorbene.
26. Jan. Pauline Rosine Schlichter, 5 Jahre alt, Tochter des ch Franz Xaver Schlichter, Gärtners hier.
30. . Martin DittuS, Fabrikarbeiters Ehefrau,
Rosalie Luise geborene Linkenhcil hier, 40 Jahre alt.
Gottesdienste
am Sonntag Lsto midi, den 4. Februar.
Vom Turm: 344. Predigtlied: 379.
9'/- Uhr Vorm.-Predigt: Hr. Stadtpfarrverwcser- vr. Hory. 1 Uhr Christenlehre mit den Töchtern., 5 Uhr Missionsstunde im Vereinshaus: Herr Dekan: Braun.
Mittwoch um 10 Uhr Betstunde.
Areitag, den 9. Februar.
10 Uhr VorbereituugSpredigt und Beichte: Herr Stadtpfarrverweser vr. Hör y.
^ . INachdruil verbotm. > I
Valerlandsverral.
Novell« von Lothar Brenkendorf.
(Fortsetzung.)
„Ich begreife di- Bitterkeit, die au» Ihnen spricht, Erna, und doch thun Ihre Worte wir namenlos weh. Gott ist mein Zeuge, um wieviel glücklicher ich in diesem Augenblick sein würde, wenn alle Ihre Hoffnungen Wahrheit geworden wären."
Sie kehrt« ihm ihr Gesicht wieder zu und er sah, daß zwei große Thränen «n ihren Wangen zitterten.
„Verzeihen Eie mir," bat sie leise. „Ich wußte wohl, daß Sie niemals den Wunsch hatten, sich an mir gerächt zu sehen.
Er nahm die kleine, noch immer ri»kalte Hand, die sie ihm gereicht hatte, und führte sie an seine Lippen. Ein leise» Erbeben ging über ihre feine Gestalt. Sie zog die Hand zurück und ließ ihre Füße vom Sofa herabgleiten.
„Lasten Sir mich jetzt für eine kurze Zeit allein mein Freund! — Ich muß meine Gedanken sammeln, denn in einer Lage, wie es die mrinige ist. braucht man wohl vor allem einen klaren Kops."
Günther schickte sich sofort an, ihren Wunsch zu «Men.
„Ich werde da» Feuer in der Küche anzünden, damit die Aufwärterin Ihnen nachher sogleich eine Taste Thre od« sonst «in wärmende» Getränk bereiten kann. Wenn ich damit zustande gekommen bi», schaue ich noch einmal herein» ehe ich gehe die Frau zu holen."
Erna schlug die schönen Augen zu ihm auf, und ein wehmütige» Lächeln huschte um ihre Lippen.
„Wie gut Sir sind! — Ich danke Ihnen von ganzem Herzen —."
„Günther ging hinau» und hantierte, so gut «'s verstand, in der kleinen Küche, di« am entgegengesetzten Ende de» Korridor» lag. Es mochten wohl zehn
Minuten vergangen sein, ehe er zurückkam. Behutsam klopfte ev> an die Thür des Wohnzimmer»; doch vergebens wartete er auf die Erlaubnis einzutreten. Nach einer Weile rief er leise Erna» Namen; aber auch jetzt blieb drinnen alle» totenstill. Plötzlich von einer namenlosen Angst ergriffen, öffnet« er vorsichtig ein wenig die Thür, und mit einem Ausruf de» Schrecken» trat er über die Schwelle, nachdem er einen Blick in das Gemach geworfen. Das Zimmer war leer, und wenn er noch einen Zweifel daran gehegt hätte, daß Erna ihn nur fortgeschickt habe, um eine Gelegenheit zur Flucht zu finden, so würde ihm der Umstand, daß auch ihr Mantel: und ihr Hut verschwunden waren, volle Gewißheit gegeben haben. Die Scham hatte sie von dannen getrieben, und sie war heimlich gegangen, weil sie wußte, daß. er in seiner liebevollen Besorgnis sicherlich kein Mittel unversucht gelasten hätte, sie. zurückzuhalten.
So niederschmetternd wirkte die Entdeckung auf ihn ein, daß er minutenlang regungslos auf jene Stelle starrte, wo er sie zuletzt gesehen. Dann aber raffte er sich energisch auf und griff nach seinem Hute. Welche Rücksichten auch immer er ihrem so unzweideutig kundgegebenen Willen schuldig sein mochte, er mußte doch alle» daransetzen, sie wird« zu finden; denn bei ihrer angegriffenen Gesundheit war ja ein erneutes llmherirren in der schneidenden Kälte diese» winterlichen Abends seiner Überzeugung nach gleichbedeutend mit sicherem Verderben. E« war vielleicht, ein abenteuerliche» Unternehmen, sie in den Straßen der Millionenstadt zu suchen,, um so mehr, als sie ja inzwischen einen beträchtlichen Vorsprung gewonnen haben mußte und als er nicht einmal die Richtung kannte, nach der sie sich gewendet. Aber diese Erwägung durfte ihn nicht hindern, einen Versuch zu wagen, zu dem ihn sein: Herz getrieben haben würde» auch wenn es nicht ein Gebot der Menschlichkeit gewesen wäre. Er eilte hinau» und wandte sich auf's Geradewohl zur Rechten, ohne einen anderen Anhalt für seine Nachforschungen, al» die Vermutung, daß sie sich wahrscheinlich nach den belebteren Vierteln zurückgewendet haben würde. Wenige Minuten spät« war « in dem noch immer sehr lebhaften Straßengewühl der Riesen^ stadt verschwunden. (Fortsetzung folgt.)