— Die Worte, mit denen die französischen Blätter die russischen Gäste willkommen heißen, gleichen einem Aufatmen nach einem jahrelangen Druck. Die Stimmung vor dem Besuche der Russen und jetzt kennzeichnet eine Auslassung des „Temps", der schreibt: Lange hing der Friede Europas von dem Dreibunde ab, oder um es richtiger zu sagen, von dem einzigen der verbündeten Staaten, der einen Befehl zu erteilen hat und das Recht, das ist die Stärke, besitzt, sich Gehorsam zu verschaffen. So lange diese Lage anhielt, fühlten wir uns niemals sicher, auch nicht hinter den aufrichtigsten, friedlichsten Absichten. Gegenwärtig bildet eine Macht, welche nicht geringer ist als die des Dreibundes, Gegengewicht. Zum ersten Male ist der Weltfriede gesichert. Deß' sind wir froh, aber wir sind nicht minder froh, denken zu dürfen, daß wenn die Macht der Umstände jemals diesen Frieden störte, die Bedingungen dieses furchtbaren Kampfes nicht mehr ungleich wären. Das ist eine der Bedeutungen der jetzigen Feste, welche zugleich Friedensfeste und Vertrauensfeste sind.
Dover, 14. Oktober. Der Dampfer Marie Henriette, der von Ostende kam, stieß in der letzten Nacht mit einem kleinen dänischen Schiffe zusammen. Von dem letzteren, das sank, ertranken 5 Personen. Der Dampfer traf mit 3stündiger Verspätung in London ein.
Vermischtes.
Pariser Weltausstellung 1890. Der Präsident der französischen Republik hat ein Dekret erlassen, welches die nächste Weltausstellung in Paris für das Jahr 1900 bestimmt. Bezüglich der Pariser Weltausstellung 1890 bemerkt die „Papier-Zeitung": „Der Erfolg Deutschlands in Chicago hat, soweit wir die Stimmung beurteilen können, die Ansichten über den Wert der Teilnahme an fremden Ausstellungen erheblich geändert und man glaubt allgemein, daß Deutschland 1900 in Paris nicht fehlen darf.
— - Ein ungeheurer Lärm, der durch Einschließung mehrerer Hundert Personen hervorgerufen wurde, entstand Freitag vormittag in Berlin in der Engros-Markthalle. Durch Verordnung des Markthallenkuratoriums ist bestimmt, daß die Halle um 10 Uhr geschlossen werden soll. Pünktlich um 10 Uhr erschienen die Pförtner und schlossen die sämtlichen Thüren zu. Schutzleute und Polizeileutnant, Käufer und Verkäufer verblieben als „Gefangene" in der Halle, bis endlich gegen 11 Uhr, nachdem die Eingeschloffenen gedroht, alles zu zertrümmern, geöffnet wurde.
— Von einem traurigen Geschick ist, wie die „Königsb. Allg. Ztg." mitteilt, eine deutsche Familie in Rußland betroffen worden. Seit 16 Jahren wohnte sie (der Mann ist Zimmermann und Tischler) m einem größeren Dorfe des Gouvernements Kowno, und da der Mann sein Handwerk gut
verstand, ehrlich und tüchtig war, so hatte er vollauf zu thun, im Sommer beim Bau der russischen Holzhäuser und im Winter durch die Tischlerei. Die Folge hievon war in erster Linie der Neid der russischen Zimmerer- und Tischlerleute, mit denen er fortgesetzt zu kämpfen hatte; dieser wurde aber um so größer, als der Mann sich im vergangenen Sommer seinen eigenen Hof nach deutscher Art erbaute und sich auch Kühe, Schweine, Schafe und ein Fuhrwerk halten konnte. Man suchte nun die Familie in jeder Weise zu schädigen. Nicht nur, daß man dem Manne in allen seinen Unternehmungen Schwierigkeiten bereitete, er wurde auch oft bestohlen, so daß schon dadurch seine Verluste bedeutend waren. Im vergangenen Sommer entdeckte der Mann sogar eine Brandstiftung, und nun war seine sofortige Aufgabe seine Gebäude versichern zu lassen. Dies hatte sich natürlich im Dorfe sehr bald herumgesprochen, und eben hatte er an einem Tage die Versicherung beantragt, als Wohngebäude, Stall und Scheune in der nächsten Nacht bis auf den Grund niederbrannten. Das Feuer, natürlich gelegt, brach in allen 3 Gebäuden zu gleicher Zeit aus und griff bei den Holzbauten so schnell um sich, daß die Familie nur das nackte Leben rettete. Der Mann war mit einem Schlage fast gänzlich ruiniert. Er konnte infolge der immer offener zu Tage tretenden Feindseligkeiten der russischen Bewohner nicht daran denken, noch länger in Rußland zu verbleiben, verkaufte daher das Land für einen Spottpreis und brach mit seiner Familie nach Deutschland auf, nachdem er fast sein ganzes erworbenes Vermögen wieder verloren hatte. Die Familie begab sich nach ihrer alten Heimat Schlesien.
— Ein ergötzlicher Gaunerstreich wurde dieser Tage in Worms verübt. Von zwei fremden Burschen fehlte es dem Einen an Fußbekleidung, Mittel zum Ankauf waren auch nicht vorhanden und so kamen Beide nach längerer Beratung auf den Gedanken, folgendes Stückchen auszuführen. Der Eine begab sich in einen Schuhladen, ließ sich Sllefel vorlegen und probierte sie an. Als er eben'ein Paar passende an den Füßen hatte, trat der Andere eiligst in den Laden, versetzte ihm rechts und links ein paar tüchtige Ohrfeigen und ergriff wieder die Flucht. Diese schmähliche Beleidigung konnte sich der zum Tode erschrockene Geschlagene doch nicht ohne Weiteres gefallen lassen. Er besann sich nicht lange und rannte dem Missethäter sofort auf dem Fuße nach. In wilder Flucht sprangen die Beiden die Straße entlang, während der Ladenbesitzer — neugierig darüber, ob der Beleidigte den Thäter einholen würde — ihnen nachschaute, bis sie in einer Seitengasse verschwunden waren. Der Ladenbesitzer wartet noch heute auf die Rückkehr der Burschen.
Humoristisches. Ertappt. Junge Frau: „Womit hast Du denn den Hasen geschossen?" — Mann: „Na, mit der Flinte!" — Junge Frau:
„Aber hier steckt ja noch der Lappen im Lauf, den ich heute Morgen hineingestopft habe."
Gemeinnütziges.
Rezept zu Schlehenlikör. Die gesammelten reifen Schlehen bringt man in ein Gefäß mit Wasser und läßt jene so lange in solchem liegen, bis sich das Fleisch von den Steinen ablöst. Letztere säubert man sorgfältig, trocknet und zermalmt sie zu grobem Pulver. Auf 500 Ar zerstoßene Kerne kommen 1500 Ar Wasser, 1500 Ar 90 ° gereinigter Weingeist, je nach Geschmack, 600—800 Ar gepulverter weißer Zucker, welcher, nachdem das Ganze 8 bis 14 Tage bei mäßiger Wärme aufeinander eingewirkt hat, zugesetzt wird. Wenn der Zucker sich aufgelöst hat, wird das Ganze filtriert und auf Flaschen abgezogen. Der Likör wird in einigen Jahren sehr fein.
Ktlerarisches.
Unsere Heilpflanzen in Bild und Wort für Jedermann. Vollständig in 11 Lieferungen L 50 Pfennig. Gera-Untermhaus. Verlag von Fr. Eugen Köhler. Unter Benutzung der Tafeln der deutschen Floren von v. Schlechtendal-Hallier, Thomö rc. ist es dem Verlage möglich geworden, dies Werk zu einem so erstaunlich billigen Preise Jedermann zugänglich zu machen. In naturgetreuen farbigen Bildern werden dem Leser 92 der wichtigsten Heilpflanzen vorgeführt, welche sämtlich von klar und verständlich gehaltenen Beschreibungen (Nutzen, Anwendungen, Culturi begleitet sind. Dem für jede Familie nützlichen Buche wünschen wir die weiteste Verbreitung; es eignet sich prächtig als Weihnachtsgeschenk.
Keongsnsum.
Neues in der Bibliothek. .
1) Die Fahrt nach der alten Urkunde von
August Sperl.
2) Aus dem Schwarzwald. Nro. 3.
3) Deutscher Kolonial-Atlas von Lang
haus. 5. Lieferung.
Nro. 28. Schutzgebiet der Neu-Guinea-Kom» panie. Blatt 3.
Nro. 2. Deutscher Handel und Verkehr auf der Erde.
Kandrvirtschaftl. Serirksvereiu.
Der in Nro. 42 des heurigen landw..Wochenblatts mit Angabe seines Inhalts den Landwirten warm empfohlene Fritz Möhrlins Schwäb. Bauernfreund wird auf mehrfaches Ersuchen für Vereinsmitglieder zu ermäßigtem Preis abgegeben werden. Für diesen Zweck wird auf der nächsten Generalversammlung (28. Okt. d. I.) eine Partie von diesem Kalender aufgelegt sein.
Vereinsvorstand
Lang.
„Kennen Sie ihn denn nicht?" sagte sie, sich mir zuwendend; ich erkannte Marie. „Das ist ja der Bernhard! Ach, wenn er nur nicht herunterfällt und ihn das Feuer nicht ergreift! Er wagt alles!"
Krachend stürzten Gebälk und Sparren hernieder; Staub und Rauch wirbelten auf. Als sich derselbe etwas verzogen, war der junge Mann droben verschwunden.
„Er ist nicht mehr da, er hat ein Unglück gehabt!" schrie Marie verzweiflungsvoll. Ich suchte sie zu beruhigen, der Bernhard werde wohl hinunter gestiegen sein, ehe das Dach zusammengebrochen sei. Sie aber hörte nicht auf mich, sondern eilte fort.
„O, Herr Lehrer, mein Sohn, mein Bernhard! er ist noch oben gewesen, als das Dach herunterstürzte, und nun ist er nicht mehr da und hier unten findet ihn keiner, er liegt dort begraben!" sagte Peter Bordmann jammernd, indes die Hellen Thränen über seine gefurchten Wangen liefen.
„Verzagen Sie noch nicht, Herr Bordmann. Er mag sich doch noch gerettet haben", entgegnete ich erschüttert, indes ich einigen Männern half, mit dem Feuerhaken das glimmende Gebälk auseinander zu ziehen.
Wo war aber Hermann? Ich hatte ihn noch nicht gesehen an der Brandstätte. Da. da kam er gerade aus der Thür, mit KISrchens Hilfe seine Mutter stützend und führend, die wie geistesverwirrt bisher nicht zu bewegen gewesen war, die Lagerräume zu verlassen, zu denen sie geeilt war, als in den Hintergebäuden der Brand auSbrach.
„Sie hatte sich zuerst eingeschloffen und ist hin und her gelaufen wie toll, kein Mensch hat gewußt, was sie drin gethan hat", berichtete der Knecht; „und jetzt, wie der Hermann gekommen ist, hat er die Thür mit der Axt aufgeschlagen und seine Mutter herausgeholt."
Hermann getestete seine Mutter in das Haus, während Klärchen lauschend flehen blieb und plötzlich erschrocken ausrief:
„Hört Jhr's nicht? Der Herr Sallert ruft um H'lfe."
Und wirklich, durch all' das Getöse hindurch hallten aus dem still und dunkel daliegenden Hause Salleits gellende Hilferufe. „Konrad, der bei den Spritzen thätig gewesen, trat hastig herzu.
„Ich will hin! Sei ruhig, Klärchen", sagte er.
„Aber Konrad. es wird Dir doch wohl nichts geschehen, wer weiß, was e8 ist! Geh' doch nicht allein!" bat das Mädchen.
„Sei nicht bang um mich, Lieb!' entgegnet« er leise, indem er ihr zunickte und warm in die Augen schaute. Dann eilte er fort, der fest verschlossenen Hausthür Sallerts zu. Ich folgte ihm, um idm nötigenfalls Beistand zu leisten. Die Hilferufe kamen aus dem Schlafzimmer SallertS. Es war nicht möglich, mit einer Lester in das Haus zu gelangen, da die Fenster sämtlich durch schwere Eisenstäbe gegen jedes Eindringen von außen verwahrt waren.
Endlich wich die Thür unseren vereintlichen Anstrengungen. Wir betraten den Flur.
„Bleiben Sie unten, Herr Lehrer, Sie wissen kein Bescheid in dem Hause!" rief mir Konrad zu und war in ein paar Sätzen die schmale, dunkle Treppe hinaufgeeilt.
Ein Stampfen, Poltern und Scharren entstand dort oben, ein unterdrückter Schrei, dann stürzte ein Mann, den ich im ersten Augenblick für Herrn Sallert hielt, die Treppe hinab und eilte, sich schnell ausraffe,>d, durch die Hinterthür ins Freie. Doch Herr Sallert konnte es nicht gewesen sein, denn nun hörte ich droben dessen Stimme. Unterdrückt und schluchzend klang's, was er sprach, und als ich hinaufgmg, sah ich im Flammenschem, der von drüben heremfallend das Gemach mit roter Dämmerung hüllte, wie er sich bebend und zitternd an Konrad klammerte.
„Konrad, Du hast mir das Leben gerettet! ohne Dich hätte der schändliche Mörder mich getötet!' sagte er mt schwacher Stimme.
(Fortsetzung sotat.