M 122.

Amis- und Anzeigeblait für den Bezirk (Lalw.

68. Jahrgang.

Erscheint Di-nStag, Donneritaz nnd SomSt-,,. Die Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um­gebung S Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg>

Dienstag, den 17. Oktober 1893.

Abonnementspreis vierteljährlich in der Stadt Sv Pfg.

. , - ' ", sonst

20 Pfg. Trägerlohn, durch die ganz Württemberg Mr. 1. 35.

oft bezogen Mk. 1. 15, sonst b»

Amtliche Neka»«1mach«ngen.

Bekanntmachung»

betr. die Jahresschätzung der Gebäude.

Unter Bezugnahme auf den oberamtlichen Er­laß vom 14. vor. Mts. (Calwer Wochenblatt Nr. 109) werden bezüglich dersonstigen" Gebäude (bei deren Einschätzung der Brandversicherungsinspektor nicht mit­zuwirken hat) die Ortsbehörden veranlaßt, alsbald Aufforderung an die Gebäudeeingentümer zur An­meldung der seit der letzten Jahresschätzung vorge­kommenen Neubauten oder sonstigen Bauausführungen ergehen zu lassen, die Feuerversicherungsbücher unter Berücksichtigung der Ziff. H, Abs. 2, des Erlasses des K. Verwaltungsrats der Gebäudebrandversiche­rungsanstalt vom 18. Aug. ds. Js. (Min.-A.-Bl. S. 244) einer Durchsicht zu unterwerfen und die sich ergebenden Aenderungsanträge mit der Beurkundung, ob eine Vergleichung der Brandversicherungsanschläge mit den neuen Gebäudesteueranschlägen stattgefunden hat und das Geeignete wahrgenommen worden ist, spätestens bis 25. ds. Mts. dem Oberamt vorzu­legen, wobei noch besonders anzugeben ist, ob die Ortsfeuerschauer zu der Prüfung der Versiche- runqsanschläqe zuqezoqen worden sind.

Calw, den 11. Oktober 1893.

K. Oberamt.

Lang.

An die Schnltherßenarnter.

Die Erledigung der bis zum 1. ds. Mts. ver­fallenen Oberfeuerschaudefekte ist, soweit dies noch nicht geschehen, ohne Verzug hierher nachzuweisen.

Calw, den 13. Oktober 1893.

K. Oberamt.

Lang.

Bekanntmachung.

Durch hohe Ministerial-Entschließung vom 8. d. Mts. ist dem

Friedrich Sch von, Schuhmacher von Calw und Friedrich Stotz,

das Ehrenzeichen für langjährige, treu geleistete Dienste in der Feuerwehr verliehen worden.

Calw, den 14. Oktober 1893.

K. Oberamt.

Lang.

Tayes-Ueuitzkeiten.

** Calw. Im Hopsenhandel herrscht wieder regeres Leben. Die Nachfrage nach Hopfen ist stark, dennoch die Preise aber nicht höher, sondern etwas gedrückt. Während anfangs 215220 be­zahlt wurden, werden jetzt nur noch 210 und etwas darüber geboten. Vorgestern wurde im Gäu ein großer Posten zu 212 pro Zentner verkauft. Einige Produzenten halten noch mit dem Verkauf zu­rück in Erwartung höherer Preise.

Plattenhardt, 13. Okt. Gestern wollten 4 Kinder am Losbrennen eines Feuerteufels sich vergnügen. In unvorsichtiger Weise versuchte ein 13jähriger Knabe Pulver nachzuschütten, worauf das Päckchen in seiner Hand sich entzündete, seine Kleider in Brand setzte und ihn, besonders im Gesicht, das teilweise geröstet wurde, schwer verletzte. Die Kleider seiner 10jährigen Schwester, welche in der Tasche ein zweites Päckchen hatte, gerieten ebenfalls durch Ex­plosion dieses Päckchens in Brand, so daß auch dieses Kind schwere Brandwunden und für den Fall der Wiederherstellung dauernde Verunstaltung davontrug. Sein Befinden war gestern Abend sehr bedenklich.

Zwei andere Kinder wurden durch die Pulverexplosion leichter verletzt.

Stuttgart,13. Okt. Nachdem die Nachricht von der vorgestern erwähnten Schießaffaire die Runde durch alle Blätter nah und fern gemacht, stellt sich jetzt heraus, daß es sich nur um eine allerdings un­begreifliche Unvorsichtigkeit gehandelt hat. Am Tage zuvor sei in einer Dienstbotenkammer der Liederhalle eingebrochen und am nächsten Abend der Dieb im Garten vermutet worden. Um denselben aufzuschrecken, habe der Pächter der Liederhallewirtschaft in die Luft geschossen; die Schüsse seien somit ohne Ziel gewesen.

Stuttgart, 14. Okt. Heute nacht stahl ein sehr gut gekleideter, einen goldenen Zwicker tragender Herr einem jungen Kaufmann auf dem Bahnhof das Portemonnaie aus der Tasche, das der Dieb in den Abort warf, als er gesehen hatte, daß es leer war. Nachher entwendete er einem Rekruten, der auf einer Bank schlief, dessen Bündel mit gesamtem Geldvorrat, etwa 50 Bahnhofportier Kuli brachte jedoch den Dieb samt dem Gestohlenen wieder zur Stelle.

Eßlinger Berge, 10. Oktbr. Gestern hat unter allgemeiner Freude die Weinlese begonnen. Von der ledigen Weingärtnerjugend ist vor Sonnen­aufgang der Herbst angeschossen worden wie schon viele Jahre nicht mehr. Es ist auch Grund zur Freude da, denn junges Feld und Höhenlagen stehen da, wo der Weingärtner sich durch die Fehljahre in seinem Fleiß nicht beirren ließ, schön mit gesunden und edelreifen Trauben. Man hofft daher wohl nicht ohne Grund auf raschen Absatz des Neuen bei guten Preisen. Das Kernobst ist großenteils von den Bäumen. Die Höhenlagen trugen reichlich. Trotzdem

Jeuikkstorr.

Brandkäthe.

Aus den Papieren eines Dorfschulmeifters.

Von A. Linde«.

(Fortsetzung.)

An den Stamm einer der Bäume gelehnt, stand eine regungslose Gestalt. War es dieselbe, die ich vorhin gesehen? Nein, das war nicht möglich, und jetzt sah ich's auch deutlich, es war ein schlankes Mädchen, dessen Gesicht ein Tuch halb Perhüllte.

Regungslos, wie gebannt starrte sie hinein in das festlich fröhliche Treiben da drinnen, auf das ihr gerade gegenüber sitzende Paar, den schönen jungen Mann mit dem blassen Gesicht und den sonst so leuchtenden blauen Augen, die jetzt so seltsam verschleiert, wie unter dem Bann eines Traumes in das Dunkel hinausblickten. Weiter wandelten die Bicke der Beobachterin auf das geputzte, rotwangige Mädchen an der Seite Hermanns, das so laut und übeklnütig lachte und kreischte zu den groben Späßen der jungen Burschen und Mädchen, und sich stolz mit dem drallen, halbentblößten Arm auf die Schulter ihres Bräutigams lehnte.

Jetzt mußte die Lauscherin meine Schritte gehört haben. Hastig wandte sie sich um und sah mich erschrocken an, indes ein leiser Schrei ihren Lippen entfuhr.

Käthe!" sagte ich tiefbewegt und wollte ihr die Hand reichen,ich bin's, «schrecken Sie nicht!"

Sie wandte ihr blasses Gesicht, auf das jetzt der Helle Lichtschein fiel, mir voll zu, und ich erbebte fast vor dem wilden, zornigen Ausdruck desselben und dem irren, starren Blick der großen Augen. Kurz und schrill lachte sie auf, es klang wie der Todesschrei eines Vogels, den das verderbenbringende Blei in dieBrust ge­

troffen dann eilte sie lautlos hinweg doppelt schwer war's mir nun, in de» schwatzenden lachenden Kreis da drinnen zu treten. Noch stand ich zögernd. Da ward die Thür aufgerissen, und der Thalmüller, der Vater der Braut, trat heraus mit einem der jungen Burschen.

Guten Abend, Herr Lehrer!" rief er laut, als er meiner ansichtig wurde; S'ist doch schön, daß Ihr noch gekommen seid. WennS auch alleweil spät ge­worden ist, könnt doch noch ein Stündchen lustig sein mit uns! Geht nur scho» hinein, ich komme gleich, die Toni meint, es hätt' eben ein Eulenvogel geschrieen da draußen und das bedeutet nichts Gut's. Nun wollt' ich mal sehen, wo das Tier sitzt, und e« fortjagen, sonst setzt sich das Mädel noch allerlei dummes Zeug ia den Kopf."

Ich ließ ihn ruhig auf seiner Eulenjagd und trat ein.

Mir wurde der Ehrenplatz in der Nähe des Brautpaares zuerteilt neben der dicken Müllerin, die mir sogleich erzählte, daß zu ihrem Leidwesen Frau Reinberg nicht habe kommen können, weil's ihr gar nicht wohl geworden sei und sie nun zu Bett liegen müsse.

Hermann wurde glühend rot, als ich ihn begrüßte bald aber wich die Röt« von seinen Wangen, und er saß blaß und schweigsam da wie vorhin; auch der Braut schien sich jetzt diese trübe Stimmung mitgeteilt zu haben; hatte der ver­meintliche Eulenruf das Unbehagen heroorgerufen oder die käste Schweigsamkeit des Bräutigams? Sie machte ein ziemlich mürrisches, verdrießliches Gesicht, und als ihr Bruder Heinz im beginnenden Rausche anfing, Hermann wegen seines auffälligen Wesens zu necken, und allerlei Andeutungen machte von der Brandkäthe, fuhr st«, diesen so heftig an, daß auch er trotzig entgegnete.

Haltet den Mund!" schrie der Müller, der indes von seiner erfolglosen Jagd zurückkehrend, wieder hereingetreten war.

Herr Schulmeister, hastet Ihr doch mal 'ne schöne Red', Ihr könnt's ja, das haben wir gesehen an dem Tag, wo ihr hergekommen seid. Legt mal los.