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Langem Zopf. Hu-Chi-Bin verbreitete sich über seine Bekehrung, wie er dazu kam nach Europa zu reisen und welchen Eindruck er von Deutschland und der deutschen Sprache bekommen habe. Dann berichtete er über die Religionen seiner Heimat besonders den Buddhismus und zeigte bei der Gelegenheit einen Götzen in Original. Die christliche Mission arbeite zwar seit Jahrhunderten in China, allein bei einer Bevölkerung von über 400 Millionen verschwinde sie fast. Er wies auf die Schwierigkeit hin, die der Missionar dort habe, da er Erfolge nur erziele, wenn «r sich ganz den Sitten Chinas anpasse, was bei dem vom unsrigen völlig verschiedenen Wesen der Chinesen sehr schwer sei. Die Einzelheiten über Gebräuche und Sitten in China waren äußerst interessant und der Redner fesselte trotzdem die im Ganzen gewandte Aussprache des Deutschen den Ausländer wohl noch verriet durch lebendige zum Teil mit Humor gewürzte Schilderungen. Der Saal war zum Erdrücken voll und viele Hörer mußten noch im Korridor stehen, alle aber lauschten dem Redner mit größter Aufmerksamkeit.
Klein-Steinheim, 3. Oktbr. Ein Hausbesitzer hier hatte einem Mieter die Wohnung gekündigt, was dieser einfach unberücksichtigt ließ, da er sich in seinen vier Wänden sehr, behaglich fühlte. Der Vermieter mochte nicht gerne an das Gericht gehen und erschien daher am Abend des 2. Mai unversehens bei dem Mieter, hängte die Hausthüre und 2 Stubenthüren aus und nahm dieselben mit. Er erreichte seinen Zweck. Die kalte Lust vertrieb zuerst die Kinder des Mieters und dann auch ihn selbst. Der Vorfall hatte aber auch für den Vermieter ein übles Nachspiel zur Folge, nämlich eine Anklage wegen Nötigung und Hausfriedensbruch. Trotz aller Ausflüchte wurde er für schuldig erklärt und in eine Geldstrafe von 80 ^ verurteilt.
— Die internationalen Preisrichter hatten sich bekanntlich in Chicago einer nichts weniger als aufmerksamen Behandlung Seitens der amerikanischen Ausstellungsleitung zu erfreuen. Nicht allein, daß für die Arbeiten der Jury keine zureichende Vorbereitungen getroffen waren, es fand auch niemals ,«me offizielle Begrüßung, Einladung oder Verab- sckiedunH des Preisgerichts statt und die zugesicherte Geldentichädigung von 750 Dollars wurde den Juroren bis jetzt noch nicht ausbezahlt. Um so bemerkenswerter ist eine wenigstens in Worten sehr höfliche Zuschrift, welche das Jurymitglied Graf Heinrich Adelmann nach Beendigung seiner Thätigkeit erhalten hat. Wir haben, schreibt der „Staatsanz.", von derselben Kenntnis erhalten und bringen dieselbe wegen der darin enthaltenen Anerkennung der deutschen Leistungen nachstehend in deutscher Uebersetzung zur Veröffentlichung :
Kommission der Columbischen Weltausstellung, Chicago, Jll., 26. Aug. 1893. An den ehrenwerten Grafen Adelmann, deutschen Preisrichter für Landwirtschaft.
Mein verehrter Herr! Beim Abschluß Ihrer Hervoragenden Dienste in der Abteilung, welcher Sie eine bedeutende Stütze gewesen sind, möchte ich Ihnen meine hohe Wertschätzung ausdrücken. Dem Deutschen Reich kann nicht genug dafür gedankt werden, daß es zu seiner Vertretung so vortreffliche Männer gesandt und durch Beteiligung mit ausgezeichneten
Gegenständen sein Interesse an der Weltausstellung bekundet hat. Mit den besten Wünschen für Ihr Wohlergehen und für eine glückliche Rückkehr verbleibe ich Ihr John Boyd Thacher, Präsident des Exekutiv-Komites für die Auszeichnungen.
Nermischtes.
— In Wismar (Mecklenburg) besah sich neulich ein Bauer mit aller Hingebung einen neu- ausgestellten Automaten. Auf der einen Tafel liest er „Kölnisch Wasser". Das lockt ihn. Bedachtsam steckt er. ein Zehnpfennigstück hinein, worauf er schmunzelnd das Fläschchen herauszieht, es- entkorkt und — an den Mund setzt. „Aber um Gottes willen!" ruft ein Zeuge, „was machen Sie denn da? Sie trinken ja das Eau de Cologne!" — „Je, fall denn dat nicht trunken wurden?" — „Nein, das ist doch zum Riechen!" — Der Bauer führt den Rest an die Nase, und mit dem vergnügtesten Grinsen erklärt er: „Ja, wahrhaftig, rüken detht't ok noch!" (riechen thut cs auch noch).
— lieber die Streikpatronen teilt der „Temp s" mit: Bald wird die ganze belgische Armee mit dem neuen Mausergewehr (7,65 mm) versehen sein; dasselbe ist in der Zahl von 250 000 in Lüttich und Heristal in Privatfabriken angefertigt worden. Die Staatswaffenfabrik in Lüttich fertigt die Mauserkarabiner für die Kavallerie an. Dort werden auch die Streikpatronen gemacht, bestimmt für die Truppen, welche in die Steikgegenden kommandiert werden. In diesen kartätschenartigen Patronen stecken viele kleine Kugeln, die sich beim Schuß zerstreuen; sie verwunden viele, aber machen keine so schweren Wunden, wie die Mauserpatronen. In der Schweiz hat die Gendarmerie im Kanton Neuenburg eine solche Patrone, die auf 100 m schießt; auch in Italien sind die Gendarmerie und die Gemeindemiliz mit ähnlichen Patronen versehen.
Mterarisches.
Zur Silber- und Währungsfrage. Zu den dringendsten Aufgaben der öffentlichen Organe gehört zweifellos die Verbreitung derjenigen Kenntnisse, die sich auf die Silber- und Währungs- frage beziehen. Der weitaus größte Teil von Personen und Vereinen, bei denen die Kenntnisse dieser wichtigen Materie gefordert werden sollten, hält sich aus Scheu vor der Schwierigkeit derselben allen Währungsstudien fern, wodurch dann den auf wirtschaftlichem Gebiete ihnen feindlich gegenüberstehenden Elementen die Arbeit wesentlich erleichtert wird. Nun ist aber das Studium der Währungsfrage gar nicht so schwierig, wie dies von Seiten sogenannter Währungs- und Finanzpolitiker dargestellt wird; es handelt sich eben um die populäre Form der Darstellung, die dem Leser alle hier einschlägigen Gesichtspunkte in einfacher Form und durch Beispiele erläutert. Zu denjenigen Arbeiten, die gerade den an ein solches Unternehmen zu stellenden Anforderungen in vollstem Maße gerecht geworden sind, gehört die im Verlage der „Deutschen Volkswirtschaftlichen Korrespondenz" erschienene Broschüre: „Die Zukunft des Silbers",*) in welcher der bereits zu wiederholten Malen auf dem Gebiete des Währungswesens bekannt gewordene Verfasser Or. Stall in kürzeren Absätzen
das ganze Material in einfacher, knapper und leicht verständlicher Form zur Darstellung bringt, und zwar derart, daß der Leser auch ohne Vorstudien in der ausreichendsten Weise sich zu unterrichten vermag. Die Broschüre behandelt das Währungsgebiet in vier Teilen und zwar: I. Allgemeines; II. Die Nachteile der Goldwährung; III. Die Zukunft des Silbers und positive Vorschläge; IV. Die Valuta-Regulierung in Oesterreich-Ungarn und Indien.
*) Die „Zukunft des Silbers" zu beziehen im Verlage der „Deutschen Volkswirtschaftlichen Korrespondenz', Berlin, Mohrenstraße 50.
Landwirtschaft!. Kezirksverein
Calw.
Der Verein beabsichtigt auch in diesem Herbst den Bezug von Obstbäumen zu vermitteln. Bestellungen bittet man
bis 2V. Oktober
an Herrn Oberamtsbaumwart Müller in Calw zu richten.
Die Abnehmer haben sich zu verpflichten, den Bäumen einen angemessenen Satz angedeihen und insbesondere genügend große Baumgruben fertigen zu lassen.
In einer größeren Anzahl von Gemeinden wird die Baumpflanzung vom Oberamtsbaumwart persönlich geleitet und hiebei Belehrung über das Setzen und Zurückschneiden der Bäume erteilt werden.
Die Herren Ortsvorsteher der Landgemeinden werden ersucht, dies in ihren Gemeinden öffentlich bekannt zu machen.
Calw, den 4. Oktober 1893.
Vereinsvorstand.
Lang.
Standesamt Kakm.
Geborene:
29. Sept. Christian Heinrich, Sohn des Heinrich
Melchingcr, Packers hier.
1. Okt. Karl, Sohn des Johann Hellmann, Tag-
löhners hier.
2. „ Karl Friedrich, S. d. Friedrich Pfrommer
jr., Bäckermeisters hier.
Getraute:
30. Sept. Martin Lauer, Schuhmacher und Maria
Ebxrhardt hier.
3. Okt. Albert Mörsch, Bäckermeister und Luise
Schmälzte hier.
5. „ Hermann Dierlamm, Bäckermeister und
Luise Heugle hier.
Gestorbene:
29. Sept. Christian Jakob Beißer, Metzger hier. 68'/. Jahre alt.
1. Okt. Georg Todt, Fabrikarbeiters Ehefrau Marie geb. Kling, 55^4 Jahre alt.
Gottesdienst
am Sonntag, den 8. Oktober.
Feier des Geburtsfests Ihrer Maj. der Königin.
Vom Turm: 3. Predigtlied: 64. Vorm.-Predigt: '/-10 Uhr Herr Dekan Braun. 1 Uhr Christenlehre mit den .Söhnen. 2 Uhr Bibelstunde im Vereinshaus: Herr-Otadtpfarrer Eytel. Keine Wochengottesdienste.
ich bei dem Hellen Mondlicht den Weg hinauf sehen konnte, war nichts von ihm zu entdecken. ES war nicht anders, er mußte in dem hinter dem Hause liegenden
Buschwerk verschwunden sein. Was aber hatte er dort zu suchen?
* *
*
Mit Hermann Reinberg traf ich in dieser Zell öfter zusammen; er erwähnte nichts von dem Vorfall jenes Abends und wenn ich die Rede darauf brachte, merkte ich, wie unangenehm es ihm war. Er ging dann gewöhnlich kurz darüber hinweg, nur als ich Winkelbach erwähnte, flammte es zornig auf in seinem Gesicht, und er sagte drohend:
„Dem sind wir auf der Fährte, warten wir's nur ab! Und" fügte er dann, von seiner Erregung übermannt hinzu, „Ihnen sag ich's im Vertrauen, längst wäre der widerwärtige Mensch schon fort, wenn nicht meine Mutter unbegreiflicher Weise so viel auf ihn hielte und förmlich unter seinem Bann zu stehen scheint. Wie er's will, so geschieht's, mag meine Mutter anfänglich noch so sehr dagegen sein, nachher fügt sie sich doch immer seinem Willen. ES wird mir oft wirklich unheimlich, wenn ich das so ansehe, denn begreifen kann ich'S nicht. Auch bei meinem Oheim, dem asten Sallert, hat er sich einzuschmeicheln gewußt und den braven Menschen, den Konrad, aus seiner Stelle verdrängt, mit mir machte er's gern ebenso, und er ist auf dem besten Wege dazu, Unfrieden zu säen zwischen Mutter und Sohn."
„Ihre Mutter ist doch sonst so that- und willenskrästig", wandte ich ein, „ich kann kaum begreifen, daß sie in wichtigen Dingen dem Willen dieses Mannes den ihrigen unterordnen sollte."
„Aber wirklich, sie thut's ich mag dagegen sagen, was ich will; es ist, als ob er eine geheimnisvolle Herrschaft auf sie ausübe, deren Ursache ich um jeden Preis ergründen muß. Schon deshalb gäb' ich viel darum, ihn hinweg zu bringen."
So arbeiteten Hermann und ich, jeder in seiner Weise daran, das Dunkel zu lüsten, welches diesen Mann umgab. Ich erinnerte mich jenes Auftritts auf dem Bahnhof zu C. Vielleicht war von dorther Auskunft zu erhallen. So schrieb ich
dann an meinen Freund, der in einer Stadt jenseits der Grenze eine Stelle bekleidete. Unter genauer Beschreibung jener beiden Männer, welche ich damals im Gespräche mit Frau Reinberg gesehen und von denen einer Winkelbachs Namen nannte, bat ich meinen Freund, doch wo möglich diese Männer ausfindig zu machen und ihr Thun und Treiben zu beobachten. Mit Ungeduld erwartete ich die Antwort.
An einem der nächsten Tage traf ich Peter Bordmann, der auf der Rückkehr vom Felde sich mir anschloß.
„Sagt mal, Herr Schulmeister," begann er geheimnisvoll, „Ihr seid doch eigentlich viel schlauer als Ihr ausseht, oder hattet Ihr das damals von einem Anderen, was Ihr mir von Rembergs sagtet?"
Ich wußte nicht, was er meinte.
„Ich verstehe nicht, worauf Sie hinauswollen, Herr Bordmann," erwiderte ich verwundert.
„Na, ihr habt doch gesagt, eS wäre nicht alles Gold, was glänzen thät bei den Reinbergs, wenigstens ungefähr so meintet ihr."
„Was soll denn das?"
Peter Bordmann sah sich um, ob kein unberufener Lauscher in der Nähe sei.
„Ja, so unrecht hattet Ihr damals nicht. Hab' mich mal umgehört, ganz im Stillen in Halmslädt und in Brambergen, und was mir da gesagt worden ist, will ich nicht weiter erzählen; bloß so viel sollt Ihr wissen, mit dem Bernhard und der Lena giebt's nichts. Macht aber keinen Gebrauch davon, das bind' ich Euch auf die Seel', hört Ihr?"
Er hielt mir seine Hand hin, in die ich einschlug mit der Zusage die Mitteilung zu verschweigen.
Am Abend kam Hermann zu mir. Er sah aufgeregt aus, und sein Wesen hatte etwas seltsam Hastiges und Unruhiges.
(Fortsetzung folgt.)