446

abgeht. Mit dieser Auffassung erklärte sich die Ver­sammlung einverstanden. Weiter kam der Mißstand zur Sprache, daß die süddeutschen Notenscheine im Norden selbst von der Reichspost nicht als Zahlungs­statt angenommen werden. Es sollen in dieser Rich­tung wieder geeignete Schritte eingeleitet werden. Mit 33 gegen 21 Stimmen (Vereine) wurde sodann der Anschluß des württ. Verbands an den Verband der deutschen Gewerbevereine (Vorort Köln) beschlossen. Nachdem sodann W. Metzger-Göppingen verschie­dene Vorschläge zur Abänderung der Grundlagen be­züglich der Erhebung der Beiträge zur Kranken-, Un­fall- und Jnvaliditätsversicherung gemacht, welche die Zustimmung der Versammlung fanden, erörterte Neg.- Baumeister Unseld Ulm noch die Frage:Was kann zur Ausbreitung der Lehrlingsprüfungen geschehen?"

Cannstatt, 5. Sept. Heute wurde von der Polizei hier ein Schwindler in der Person eines 21 Jahre alten Steinhauers festgenommen, der sein Unwesen in letzter Zeit hier und in Mühlhausen in der Weise betrieb, daß er sich als Bauführer ausgab, der in Mühlhausen eine Villa rc. zu bauen und zu diesem Behuf einen größeren Bedarf an Seilerwaren habe. Doch nahm er die bei Seilern hier bestellte Ware nicht an sich, sondern begnügte sich mit kleineren Anlehen, die er unter dem Vorgeben augenblicklicher Geldverlegenheit erhielt. In Mühlhausen prellte er Wirte um die Zeche.

Oberriexingen, 5. Sept. Eine aufregende Scene gab es am Montag nachmittag auf der Land­straße zwischen Oberriexingen und Enzweihingen. Eure ganze Gesellschaft sogenannterKarrenleute" aus dem Oberamt Horb, die wohl in Oberriexingen zu viel getrunken hatten und dem Amtsdiener den Vorweis ihrer Gewerbescheine verweigerten, wurden von dem­selben verfolgt, eingeholt und zum Stehen gebracht. Da die Bursche den Polizeidiener mißhandeln wollten, zog dieser in der Notwehr sein Faschinenmesser und verwundete den auf ihn Losstürzenden an der Brust. Die Klinge wäre vielleicht tödlich eingedrungen, wenn nicht eine Rippe dem Stoß eine ungefährliche Wendung gegeben hätte.

In Kiebingen OA. Rottenburg fordert die Halsbräune viele Opfer. Aus der kaum 600 Einwohner zählenden Gemeinde sind in diesem Jahr 32 Kinder, darunter 10 Schüler, gestorben. Ein Vater hat in einer Woche von seinen fünf Kindern vier verloren, und in mehreren Familien sind zwei Kinder gestorben. Die Schule mußte vier Wochen lang geschlossen werden; aber trotz aller Vorsichts­maßregeln will die Krankheit nicht weichen. In letz­ter Zeit sind auch einige erwachsene junge Leute an der Halsbräune erkrankt,

Weinsberg, 5. Sept. Die hiesige Wein­gärtnergesellschaft beabsichtigt, schon in der übernächsten Woche die reifsten Trauben, welche Schaden nehmen würden, vorlesen und abliefern zu lassen. Der Stand der Weinberge, hauptsächlich der höheren Lagen, ist ein ausgezeichneter und berechtigt zu den schönsten Hoffnungen. Auch der Ertrag des Obstes ist in unserem Bezirk ein guter. Verschiedene Gemeinden erzielen bei ihren gegenwärtigen Obstoerkäufen hohe Summen.

Ulm, 7. Sept. Nach Mitteilung eines Korr.-

Bur. wurde in den letzte« Tagen von Zürich ein Individuum eingeliefert, das unter dem Verdacht steht,. die Fräulein Reuß hier ermordet zu haben. Der Verdächtige war zur Zeit des Mordes in Ulm und- wurde auch von verschiedenen Leuten in der Nähe des Thatortes gesehen, verschwand dann aber und wurde bis jetzt gesucht.

Kassel, 4. Septbr. Am nächsten Sonn­abend und Sonntag tagt hier die 6. General­versammlung des Z e n tra l-V e r b and e L deutscher Kaufleute; die Tagesordnung ist reich­haltig und betrifft die Beseitigung der Uebelstände in Handel und Gewerbe, auch Gründung einer Sterbe­kasse für die Mitglieder.

Einquartierung und Futternot. Eine heitere Episode aus dem Manöverleben auf den Fil­dern, wo gegenwärtig unsere Stuttgarter Truppen manöverieren, wird dem Schwarzw. Boten berichtet: Fragte va jüngst ein höherer Offizier ein Filver- bäuerlein:Na, haltet Ihr auch die einquartierten Soldaten gut in Eurem Ort?"Sell will i moina," erwiderte das Bäuerlein.Ja, ich habe geglaubt, es geh' Euch so schlecht, Ihr habt kein Heu bekommen."Jo, jo," meinte das Bäuerlein, sich hinter dem Ohr kratzend,aber dia Soldat» fresset ebe koi Heu; wenn sell wär, no wärs g'fehlt."

Kandw. Kezirlrsverem Calw.

Die verehrt. Mitglieder werden auf die am Sonntag und Montag im oberen Saal des K. Bad­hotels in Wildbad stattfindende Obstausstellung (nebst Produkten der Bienenzucht) des landw. Bezirksvereins Neuenbürg aufmerksam gemacht. Am Sonntag Nachm. 2'/s Uhr wird auch der Vorstand des pomologischen. Instituts Reutlingen im Restaurationssaal des Bad­hotels einen Vortrag über Obstbau halten.

Den 8. September 1893.

Vereinssekretär

_ Ansel.

Standesamt Kakrv.

Geborene:

30. Aug. Frida Julie, Tochter des Josef Ebner. Schneidermeisters hier.

3. Sept. Willy Eugen, Sohn des Karl Herzog,

Kaufmanns hier.

4. » Anna Maria Karoline, Tochter des Eduard.

Wilhelm Kaag, Straßenwärters hier.

Getraute:

3. Jakob Friedrich Schühle, Schneidermeister

und Elisabethe Maier hier.

Gestorbene:

1- Sept. Matthäus Schwämmle, Ochsenwirt hier» 74 Jahre alt.

2. Karl Christian Friedrich Schechinger»

Sohn des Gg. Christian Schechinger» Wollsortierers hier, 23 Wochen alt.

6. Johann Jakob Brenner, Fuhrmann hier»

55 Jahre alt. _

Gottesdienst

am Sonntag, den 10. September.

Vom Turm: 52. Predigtlied: 590.

Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun. 1 Uhr Christenlehre mit den Töchtern. 2 Uhr Bibelstunde im VereinshauS Herr Stadtpfarrer Eytel.

Mittwoch früh 7 Uhr Betstunde.

'berg und Pfalzgrafenweiler, zeigen Abnahme, so daß der Wasserkonsum eingeschränkt werden muß. (Ges.)

Stuttgart, 7. Sept. Landesobstaus­stellung. Folgende landwirtschaftl. Bezirksvereine bezw. Obstbauvereine des Landes haben sich bis jetzt zu der am 26. Septbr. bis 1. Okt. hier stattfindenden Landesobstausstellung als Aussteller angemeldet: Stuttgart Stadt, Güterbesitzervorein; Stuttgart Amt, Backnang, Balingen, Biberach und Ochsenhausen, Blaubeuren, Brackenheim, Calw, Ehingen, Eßlingen, Geislingen, Gerabronn, Horb, Kirchheim u. T., Kün- zelsau, Leutkirch, Ludwigsburg, Mosbach, Münsingen, Neckarsulm, Neuenbürg, Nürtingen, Rottenburg, Rott­weil, Saulgau und Altshausen, Schorndorf, Spaich« ingen, Tettnang, Tübingen, Waldsee und Aulendorf, Wangen, Weinsberg; ferner werden ausstellen außer Konkurrenz: landwirtschaftl. Institut Hohenheim, Wein­bauschule Weinsberg Trauben, Freih. v. Brüssele'sches Rentamt Heutingsheim, Baumschulbesitzer Weiß, Otten­hausen bei Neuenbürg.

Cannstatt, 4. Sept. XXXV. Verbands- tagderWürttemb. Gewerbe-Vereine. Nach einer gestern Abend stattgehabten Vorversammlung tagte heute im Kursaal die 35. Wanderversammlung der württemb. Gewerbevereine, zu welcher etwa 300 Teilnehmer aus dem ganzen Lande erschienen waren. Im Aufträge des Ministeriums des Innern war Ober.-Reg.'Rat v. Schicker anwesend, außerdem war die Centralstelle für Handel und Gewerbe durch mehrere Beamte vertreten. Dem Verbände der württemb. Gewerbevereine gehören 78 Vereine mit ca. 9000 Mitglieder an. Den Vorsitz der Verhand­lungen führte Prof. Beißwanger-Reutlingen, lieber die Frage:Die Vertretung der Interessen des Kleingewerbestandes durch event. Errichtung eigent­licher Gewerbekammern" referierte K. Schindler- Göppingen. Man nahm folgende von ihm gemachten Vorschläge an: 1) für die Vertretung von Handel und Gewerbe sind die Handels- und Gewerbekammern beizubehalten, also nicht die Gründung neuer Gewerbe­kammern. 2) Die Zusammensetzung der Handels­und Gewerbekammern ist dahin auszubauen, daß mindestens ihrer Mitglieder dem Gewerbestand angehören müssen. Für einzelne Beratungen ist fakul­tative Trennung der Sektionen vorzunehmen. Weiter soll die Wahl zur Handels- und Gewerbekammer ge­heim vorgenommen werden u. s. w. Die Gesamt­kosten für die Wahl sind auf die Staats- und Ge­werbesteuer umzulegen. Punkt 3 der Tagesordnung bildete die Erörterung über die Frage: Ist die Er­richtung von Filialen der württ. Notenbank an ein­zelnen Plätzen des Landes Bedürfnis und welche Vor­teile sind ev. zu erwarten? Diese Frage war in Ver­bindung mit dem Umstand angeregt, daß 1896 die Konzession der Notenbank abläuft und man daher in den interessierten Kreisen sich überlegte, ob mit der Neukonzessionierung nicht auch neue Bedingungen an die Notenbank gestellt werden sollten. Oberregierungs­rat v. Schicker meinte, man solle von dem Verlangen, der Notenbank bei Erteilung der neuen Konzession die Gründung von Nebenstellen auf allen größeren Plätzen zur Pflicht zu machen, absehen, dagegen sollten die Stände der Regierung die Ermächtigung erteilen, je nach Bedürfnis die Errichtung von Filialen zu ver­langen, eine Befugnis, die der Regierung bis dahin

dann"-sie kam nicht weiter der Mann war aufgestanden und sah sie an mit

den starren Augen, und schrie ganz laut:

Macht, saß Ihr sortkommt, sonst hol' ich die Polizei, ich will nichts mit solchem Volk zu thun haben!"

Das waren grad' dieselben Worte, welche die Frau Reinberg gestern zu ihm und zu den Seinen gesagt hatte, ob sie ihm nun noch im Kopf lagen und er sie nur rief, ohne daß er eigentlich wußte, was er sprach, oder ob er's mit Absicht that, ich weiß eS nicht; die stolze Frau Reinberg war blaß geworden vor Ärger, sie brummte etwas von einem undankbaren Gesindel, ging hinaus und schlug die Thür so Kart hinter sich zu, daß die ganze Baracke zitterte. Das Mädchen lief von ihrem Kochtopf weg zum Vater, nabm ibn in den Arm und küßte ihn und rief immer zu:

O, Vater, das war recht, ich freu' mich, daß Du sie fortgejagt hast, sie soll niemals wiederkommen!"

Auch mir tbat's gut, daß das stolze Frauenzimmer nicht durchgesetzt hatte, was sie wollte. Es war ihr nur drum zu thun gewesen, die armen Leute, die doch nun einmal ihre Verwandten waren, wieder aus dem Dorf und wert, weit wegzubringev.

Den andern Leuten im Dorf besonders den reichen Bauern, war's ebenfalls nickt recht, daß die Fremden hier wohnen sollten. Der Bordmann schalt und brummte über seine eigene Gutmüt gleit, er hätte der Gemeinde 'ne rechte Last auf­geladen und hätte doch gar nicht nötig gehabt, den Konrad mit seiner Familie hier zu behalten, weit de> selbe kem H> imatrecht mehr habe.

In der Bude auf dem Ginsterberg ging indes alles gut. Das Mädchen kochte, wukch und nähte und fa, d noch Zeit, jede Woche nach Halmstädt hausieren zu gehen mit den Sachen, die ihr Vater machte. Das waren Körbchen und allerlei Flcchtwerk, die er v riertigen gelernt hatte in seiner Gefangenschaft. Dis Weiden und Binsen holte di Käthe herbe», auch noch manches andere aus dem Busch, Buch- nüssi, Erlenkätzchen, Tannenzapfen. Moos und bergt. Die verarbeitete die kranke Frau auf ihrem Belt zu Kästchen Dosen, Wandtaschen, und es wurden ganz hübsche.

niedliche Dinger, für welche Käthe manchen Groschen bekam. Das kleine Mädchen» das flink und gesund war, half dem Vater oder der Mutter. Auch Beeren und allerlei Pflanzen zu Thee suchten die Kinder im Busch, und Käthe verkaufte sie in der Apotheke. Der Konrad hatte Arbeit in der Schmiedewerkstätte bekommen. Er war so fleißig und geschickt, daß er bald für einen großen arbeitete und gut verdiente.

Indes war der Remberg krank geworden, und mußte lange zu B tt liegen, bis er endlich starb. Ob er sich auch nicht um seinen armen Bruder bekümmert hat, weiß ich nicht; er mocht's wohl gerne gethan haben, wenn er gedurft hält', aber die Frau führte ja das Regiment im Haus, und die litt's nicht. Vielleicht hätte er auch nicht die ganze Erbschaft für sich allein behalten, wenn die Frau nicht schuld- gewesen wäre. Daß sie einen Haß auf die armen Verwandten geworfen hat, kann ich mir wohl denken, nachdem ich damals gesehen hatte, wie's ihr erging, als sie zu ihnen gekommen war. Es hieß, sie hätte noch einmal 'nen Versuch gemacht, sie wegzukriegen, hätt' sich sogar drum hinter die Obrigkeit gesteckt, aber es hat doch nichts genützt. Nun, die Schirmers haben ihr den Haß auch reichlich vergolten;, nicht allein ihr, sondern auch dem ganzen Dorf; denn die Burschen und Mädchen im O>t verspotteten die Käthe wegen ihrer langen roten Haare und wegen ihrer Eltern. Weil sie dann gleich so wild und blitzig wurde, wenn einer ihr em bißchen zu nahe kam mit Worten oder sonstwie, wurde der Haß und die Verachtung nur immer größer.Brandkäthe!" nannten sie das Mädchen und den Namen hat sie behalten bis auf den heutigen Tag, wie sie ja wohl gehört haben. Mit keinem im Dorf hat sie Umgang, still und fleißig ist sie sonst, das muß man sagen. Seit die Mutter tot ist. haben sich die SchirmerS auch gut gemacht, das kleine Häuschen, drin sie jetzt wohnen, haben sie sich selbst gebaut; der Konrad hat abends nach der Arbeit mit gemauert und gezimmert, der ist überhaupt ein tüchtiger Mensch geworden, und nächst dem Werkmeister der erste in der Fabrik. In seiner freien Zeit hat er noch, immer gelernt, zeichnen, rechnen, und ich weiß nicht was alles.

(Fortsetzung folgt.)