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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk Lalw
68. Iahrgav-.
Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag. Di- Einrückuiigsgebiihr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung g Psg. di« Zeile, sonst tL Psg.
Dienstag, Len 5. September 1893.
Abonnementspreis vierteljährlich in der Stadt SV Pfz. rmt 20 Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 15, sonst i» ganz Württemberg Mk. 1. 35.
Tayes-Neuigkeiten.
Gültlingen, 31. Aug. Auf dem Acker des Dreher Schimpf von hier in der Richtung gegen Sulz ist gegenwärtig ein etwa 12jähriger Apfelbaum zu sehen, der neben ausgewachsenen Aepfeln gegen 20 blühende Knospen und eine große Anzahl Tragsprossen, am Aufbrechen befindlich, aufweist. Gewiß eine Seltenheit für unsere Gegend. (Ges.)
Weilderstadt, 1. Sept. Heute nachmittag brach in dem sog. Storchenturme, einem Ueber- bleibsel der ehemaligen Befestigungsmaurr, durch unbekannte Ursache Feuer aus, welches denselben gänzlich hohlbrannte. Da dasselbe in den unteren Gelassen seinen Ausgang nahm, kamen vier in den oberen Wohnräumen sich befindende Kinder im Alter bis zu fünf Jahren in den Flammen um. Bedauerlicherweise waren im kritischen Momente zwei Kinder benachbarter Familien auf dem Turme. Die Mutter der zwei andern Kinder, die ebenfalls oben sich befand, floh bei Ausbruch des Brandes schleunigst, ohne auch nur eines der unglücklichen Kinder mitzunehmen. Die Erregung hier ist groß. Ein Knäblein wurde eben verkohlt aus der brennenden Masse hervorgezogen. N. Tagbl.
Ludwigsburg, 1. Sept. Die Nationalfeier beschränkte sich hier auf eine Totenfeier, die der Kriegerverein König Wilhelm II. bei dem Kriegerdenkmal auf dem Friedhofe veranstaltete. Unter Vorantritt des bürgerl. Schützenkorps begab sich der Verein mit umflorter Fahne zum alten Friedhof, wo sich Abordnungen von Mannschaften der hies. Regi
menter und eine größere Zahl von Offizieren, unter ihnen der Garnisonsälteste Gen.Lieut. v. Dettinger, Oberst Frhr. v. Röder, Gen.-Maj. a. D. v. Bartruff u. a., eingefunden hatten. Nachdem die Kapelle des Dragonerreg. Königin Olga den Zug mit dem sog. Beethovenschen Trauermarsch empfangen hatte, hielt Stadtpfarrer Roos, selbst ein Veteran von 1870/71, eine tief empfundene Rede, deren Grundgedanke war: Von dem Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unfern Augen. Er erinnerte an die wunderbare Fügung und Führung Gottes und betonte, daß wir uns auch heute der Thaten und Errungenschaften des großen Kriegs freuen können, wenngleich manche Hoffnungen nicht in Erfüllung gegangen sind. Der 33jähr. Friede allein schon sei ein Wunder. Werde der Tag von Sedan ein Tag ernster Einkehr für unser Volk, eine Mahnung zu treuer Pflichterfüllung gegen Fürst und Vaterland, dann werden wir auch ein gutes Vertrauen in die Zukunft haben dürfen. Ein inniges Gebet und der Gesang: Lobe den Herren, o meine Seele, beschloß die Gedenkfeier. Unter den Klängen der Musikkapelle marschierte der Verein in die Stadt, wo bei einer einfachen Vereinigung vom Vorstand des Vereins ein Hoch auf Kaiser und König ausgebracht wurde.
Backnang, 30. Aug. Das Kind eines Hilfsbahnwärters vor der Station Burgstall war vergangene Woche auf das Bahngeleise geraten, als gerade der Zug von hier nach Bietigheim hrranbrauste. Der Zug ging über das Kind weg, das nur leicht am Kopf verletzt wurde. — Am letzten Viehmarkt verkaufte ein Bauer aus Althütte 2 Stück Vieh um 200 Er begab sich in eine Wirtschaft und schlief
daselbst ein. Beim Erwachen war seine Barschaft verschwunden.
Heilbronn, 1. September. Ledermarkt. Nach verschiedenen schwach besuchten Märkten können wir dieses Mal über recht bedeutende Zufuhren berichten, was nicht allein der lang andauernden Trockenheit der letzten Monate, sondern auch dem Umstande .zugeschrieben werden darf, daß die Produzenten es vorzuziehen scheinen, die ihnen näher liegenden Messen zu besuchen. Bei dem starken Angebot vollzogen sich die Abschlüsse, wenn auch etwas schleppend, doch im Allgemeinen zu unveränderten Preisen; freilich mußtg auch Manches zurückgenommen werden. Von dem großen Vorrat Wildoberleder wurde das Meiste zu seitherigen Preisen verkauft bis auf einige Posten geringerer Gattung, die etwas nachgeben mußten, während bessere Sortimente bevorzugt waren. Auch Schmalleder konnte sich bei großem Angebot nur schwer behaupten, vielfach mußten auch Preis-Conces- sionen gemacht werden. Kalbleder bleibt in lebhafter Nachfrage und hat einen kleinen Preis-Aufschlag zu verzeichnen. Die kleinen Zufuhren von Sohlleder bestanden meistens aus leichterer Ware, welche je nach Qualität und Trocknung bezahlt wurde. Auch von Zeugleder war wenig am Markte; die Preise blieben unverändert. Schafleder in großer Menge zugeführt und vorherrschend aus leichten Gewichten bestehend war etwas billiger erhältlich. Ge- sammtumsatz ca. ^ 235000.—. Der nächste Ledermarkt findet Dienstag den 10. Oktbr. d. I. hier statt.
Ellwangen, 29. Aug. Zu dem auf gestern und heute anberaumten Vieheinkauf seitens der
Jeuittel on.
Brandkäthe.
Aus den Papieren eines Dorfschulmeisters.
Von A. Linden.
(Fortsetzung.)
Märchens Augen sprachen dieselbe Bitte aus; ihnen schien der junge Mann nicht widerstehen zu können. Er zögerte und sah fragend auf seine Schwester.
„Komm'!" drängte sie ungeduldig.
„Käthe, Du darfst jetzt nicht Weggehen, Du hast meine Wahl angenommen rmd mußt auch jetzt bleiben,* sagte Hermann unwillig.
Wieder lachte sie spöttisch auf, daß die weißen Zähne blitzten.
„Warum kamst Du zu mir! Du hast ja gewußt, daß ich bös bin, und Dir nnd den andern alles zum Tort anthue, was ich kann* Sie hängte sich an den Arm ihres Bruders und wandte sich zum Gehen. Dann aber noch einmal umkehrend, reichte sie Marie und Klärchen die Hand und sagte zu Hermann in verändertem, kalten und ruhigen Tone: „Ich dank Euch, Herr Reinberg! Ihr habt es zuletzt gut mit mir gemeint und seid freundlich zu mir gewesen, es thut mir leid, daß ich's drum doch nicht vergessen kann, weshalb Ihr grad' mich geholt habt* Während fle so sprach, verschwand für kurze Zeit der trotzige spöttische Zug in ihrem Gesichte und machte jenem weichen Ausdruck Platz, den auch ich schon bemerkt hatte.
Sie ging. Hermann sprang auf, um sich jetzt einer übermütigen Fröhlichkeit hinzugeben; mir schien's jedoch, als ob diese bei ihm nur den Unwillen und Verdruß über Käthe's Weggehen verdecken sollte.
Gerne hätte ich auch den Ort verlassen, der mir jetzt nach dem Verschwinden zeneS Mädchens mit dem ich noch kein Wort gewechselt und das mir doch einen so Liefen Eindruck gemacht, öde und reizlos dünkte. Es drängte mich, mehr von ihr zu
erfahren. Ich wandte mich deshalb an den allen Hall,, der in einem Winkel des Festzeltes ein schweigenver Beobachter des Vorgangs gewesen war und der sich jetzt zur Heimkehr anschickte.
„Wollt Ihr auch schon gehen, Herr Lehrer?' fragte er, als ich zu ihm trat, um mich ihm anzuschließen.
„Ja, 's ist doch Zeit für uns und wenn Jhr's erlaubt, gehen wir zusammen."
„Mir Alten ist des Lärms ein bißchen zu viel da drinnen, der Kopf kann'» nicht mehr vertragen, wird einem ganz duselig davon, die frische Luft hier draußen thut einem ordentlich wohl,* sagte er, als wir zusammen durch das Abenddunkel über den freien Platz schritten.
Das fühlte auch ich. Die frische Herbstluft umwehte mich kühl und kräftig. Nur ein Stern war am Himmel emporgestiegen und gerade jenseits des Dorfes üb« dem kleinen Hause dort auf der Heide stand er groß und leuchtend.
„Wohnt dort drüben die Käthe, die Schützenkönigin?* fragte ich, nach jen« Richtung deutend.
„Ja, mit ihrem Vater und ihren Geschwistern.*
„Warum wird sie denn so gehaßt von den Dorfleuten und woher kommt dir Feindschaft mit den Reinbergs?* fragte ich schnell.
Der Alte sah mich einigermaßen verwundert an. „Ja Herr, das ist 'ne lange Geschichte, aber wenn's Ihnen lieb ist, davon zu hören, will ich's Ihnen erzähl«^ wir können indes langsam um das Dorf herum gehen, ein Gang durch die frische Lust kann uns beiden nicht schaden.*
„Sehen Sie, Herr ReinbergS Vater hat noch 'nen Stiefbruder gehabt, d« viel jünger war. Es war ein prächtiger Mensch, der Konrad, fleißig, munter und frisch, nur ein bißchen rasch und hitzköpfig. Der ist einmal auf dem Jahrmarkt im Halmstädt gewesen und als er wieder heimgekommen, hat er e« Mädchen mitgebracht und gesagt, sie sei seine Braut und er wolle sie heiraten, sobald r« anging. Er hatte sie in einer Bude gesehen, wo sie Kunststücke am Seile gemacht hat, urch gehört, wie der Kerl, dem die Bude eigen war, das Mädchen hat schlagen wollen^ well sie sich geweigert, noch länger auf da» Seil zu gehen. Das hat der Konrad