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Handelsgewerbe zugelaffenen Geschästsstunden feil­halten und verkaufen.

Gehilfen, Lehrlingen und Arbeitern, welche in den unter Z. 24 aufgeführten Fällen länger als

5 Stunden beschäftigt werden, ist entweder an jedem zweiten Sonntag von morgens 6 Uhr bis abends

6 Uhr, oder an einem Wochentag von morgens 6 Uhr bis mittags 12 Uhr, oder von mittags 12 Uhr bis abends 6 Uhr freizugeben.

Der Verkauf von Lebensmitteln und andereu Bedarfsgegenständen für Reisende auf den Bahnhöfen durch die von den Eisenbahnbehörden zugelassenen Personen ist wie bisher gestattet.

Für die Arbeiten zur Herstellung von Back- waaren, Konditorwaaren und Fleisch- und Wurst- waaren, sowie für den landwirtschaftlichen Betrieb in den Gärtnereien gelten bis auf Weiteres noch die bestehenden Vorschriften.

III.

1) Auf Apotheken finden die Bestimmungen unter Ziffer I. insoweit keine Anwendung, als dieselben lediglich mit den zu dem Betrieb einer Apotheke ge­hörenden Waren handeln. Soweit in Apotheken auch noch andere Waren verkauft werden, unterliegt dieser Handel den allgemeinen Vorschriften.

2) Den Bestimmungen unter Ziffer I. sind ferner nicht unterworfen die Gast- und Schank­wirtschaftsgewerbe und die Verkehrs­gewerbe und zwar sowohl der Personen- als der Frachtverkehr.

Bäcker, Konditoren und Metzger, ebenso Obst­händler und Handelsgärtner, welche neben ihrem Hand­werk und Handelsgewerbe noch auf Grund einer ihnen zustehenden Konzession ein Wirtschaftsgewerbe be­treiben, insbesondere Wein, Bier, Branntwein oder Kaffee ausschänken, dürfen Backwaaren, Konditor­waaren, Fleisch- und Wurstwaaren oder Fett, sowie Obst und Garten-Erzeugnisse außerhalb der nach Ziffer II. Nro. 3 bis 5 für den Verkauf solcher Maaren freigelaffenen Zeit zwar an die in der Wirtschaft befindlichen Gäste abgeben, aber sonst nicht feilhalten oder verkaufen.

Konditoren, welche zum Ausschank von Liqueur nur in Verbindung mit dem Verkauf von Maaren ihres Gewerbes konzessioniert sind, dürfen diesen Aus­schank außerhalb der für den Verkauf von Konditor­waaren nach Ziffer II. Nro. 3 freigelaffenen Zeit nicht ausüben.

3) Friseure und Barbiere dürfen die Arbeiten ihres Gewerbes bis auf Weiteres noch nach den bis­herigen Vorschriften an den Sonn- und Festtagen ausüben und dazu Mangels anderer Räume auch diejenigen benützen, welche sie sonst zugleich zu einem Handel mit irgendwelchen Waren verwenden. Sie dürfen aber in diesen Räumen zu den Stunden, welche für den Verkauf dieser Waren nicht allgemein frei­gelaffen sind, die letzteren weder feilhalten noch ver­kaufen.

IV.

Das Feilbieten von Waren, Aufkäufen von Waren, Aufsuchen von Warenbestellungen und An­bieten gewerblicher Leistungen im Umherziehen an Sonn- und Festtagen sowohl innerhalb als außer­halb des Wohnorts und der dem Gemeindebezirk des Wohnorts gleichgestellten nächsten Umgebung ist verboten.

Nach Z 2 der Verfügung des K. Ministeriums

des Innern vom 26. März 1892 können aber die Ortsvorsteher einzelnen Personen für einzelne Sonn- und Festtage oder für einen bestimmten kurzen Zeit­raum den Verkauf von Eßwaren, anderen als geistigen Getränken und Blumen im Umherziehen auf öffent­lichen Wegen, Straßen, Plätzen und an anderen öffentlichen Orten außer der Zeit des vormittägigen Hauptgottesdiensts gestatten.

Weitere Ausnahmen zu gestatten, ist dem Ober­amt Vorbehalten.

V.

Zuwiderhandlungen gegen die vorstehenden Vor­schriften werden nach Z 146 a der Gewerbeordnung mit Geldstrafe bis zu 600 im Unvermögensfalle mit Haft bestraft.

Die vorstehenden Bestimmungen treten mit dem 20. August 1893 in Kraft.

Calw, den 15. Aug. 1893.

K. Oberamt.

Lang.

Die Ortsrrorstehrr

werden angewiesen, die vorstehende Verfügung als­bald in ortsüblicher Weise bekannt zu machen.

Calw, den 15. August 1893.

K. Oberanit.

Lang.

Bekanntmachung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft, betreffend die Abhaltung einer Prüfung im Hufbeschlag an der K. Tierärzt­lichen Hochschule in Stuttgart.

Für Schmiede, welche die in Artikel 1 des Gesetzes, betreffend das Hufbeschlaggewerbe, vom 28. April 1885, vorgeschriebene Prüfung im Hufbeschlag erstehen wollen, findet in der Zeit vom 5.7. Ok­tober d. I. eine Prüfung an der K. Tierärztlichen Hochschule in Stuttgart statt.

Diejenigen Kandidaten, welche diese Prüfung erstehen wollen und sich nicht an dem zur Zeit statt­findenden Lehrkurs an der Tierärztlichen Hochschule beteiligen, haben das Gesuch um Zulassung zu der Prüfung bis spätestens 13. September d. I. bei der Direktion der Tierärztlichen Hochschule anzubringen.

Bedingung für die Zulassung zur Prüfung ist der Nachweis der mit Erfolg bestandenen Lehrzeit im Schmiedehandwerk und einer zweijährigen Thätigkeit als Schmiedgeselle, wobei die Zeit der Beschäftigung im Hufbeschlag besonders angegeben sein muß. Die urkundlichen Nachweise hierüber sind mit dem Zu­lassungsgesuch vorzulegen.

Stuttgart, den 10. August 1893.

In Vertretung:

Krais.

^ Tayes-Ueuiqkeilen.

X. Simmozheim. Nach einer Schätzung, die Anspruch auf Genauigkeit hat, ist das heurige Obsterträgnis auf hiesiger Markung: 5000 Ztr. Aepfel, vorwiegend Luiken, 3000 Ztr. Birnen, 1400 Ztr. Zwetschgen. Gewiß ein schöner Ertrag, der den unter der Futterklemme leidenden Gemeindeeinwohnern von Herzen zu gönnen ist. Die Gemeinde selbst rechnet auf ein Erträgnis von 200 Ztr. Qualität des Obstes sehr gut. Die Zwetschgen sind teilweise der Reife nahe.

Freudenstadt, 14. Aug. In einer letzten

Samstag im Gasthaus zum Schwanen unter dem- Vorsitze von Stadtschultheiß Hartranft gehaltenen Ver­sammlung hiesiger Gewerbetreibender, welche sich sämt­lich für Einführung einer elektrischen Anlage aus» sprachen und von denen schon 60 Pferdekräfte ge­zeichnet sind, wurde beschlossen, im Laufe dieser Woche die Anlage in Nagold zu besichtigen, um hierauf weitere Schritte thun zu können.

Aistaig, OA. Sulz, 16. Aug. Gestern mit-: tag stieß ein Mann, der im Neckarbett zwischen hier und Oberndorf mit Sandgraben beschäftigt war, auf einen männlichen Leichnam, welcher, der weit voran­geschrittenen Verwesung nach zu urteilen, mindestens seit '/- Jahr daselbst gelegen haben muß. Es wird vermutet, daß der Aufgefundene mit einem Obern­dorfer Fabrikarbeiter, Namens B., der während eines Hochwassers im letzten Winter in den Neckar sprang, identisch ist.

Tübingen, 16. Aug. Bei Grabarbeiterr im Innern des hiesigen Schloßhoss entdeckte man dieser Tage einen über 6 w tiefen runden schön ausgemauerten Brunnen. Er befindet sich hark an einem gleichfalls zu Tage getretenen Grundge­mäuer, das etwa 6 m vor dem Nordflügel, dem Rittersaale, hinläust und offenbar von der alten klei­nen Pfalz stammt. Der Brunnen hat kaum 1 m Durchmesser, ist voll Wasser und war zugedeckt mit der Grabplatte eines Lsneäietus .... äs Linäel- ÜNA6N (Jahreszahl unleserlich, Schrift schön gothisch, ohne Schnörkel).

Urach. In der Nacht vom 12. auf 13. d^. Mts. wurde hier schon. wieder eine Brandstiftung begangen, die jedoch wegen der sofortigen Entdeckung keine schweren Folgen hatte. In einem hinter dem Anwesen der Metzger Vatters Witwe gelegenen. Viehstalle wurde der Raum zwischen Thüre und Vorthüre mit Stroh gefüllt und dieses angezündet. Eine in der Nähe wohnende Frau sah beim Schlafen­gehen das Feuer aus der Thüre schlagen und rief um Hilfe, worauf noch, kurz ehe der im Stall la­gernde Heuvorrat in Brand geriet, das Feuer ge­löscht werden konnte. Bei dem Umstande, daß in. nächster Umgebung mehrere ältere Häuser ohne Brandmauern stehen, war die Gefahr eine große. Es wäre dringend zu wünschen, daß der ruchlose Thäter ermittelt würde.

Mundelsheim, 14.Aug. Ueber den Stand der Weinberge ist Heuer nur Günstiges zu be­richten. Höhere Lagen, welchen der Frühjahrsfrost nicht geschadet hat, versprechen einen ^/« Herbst. Ende Juli hat es hier gefärbte Trollingertrauben gegeben, gewiß die größte Seltenheit; heute brachte ein Wein­gärtner dem Einsender aus dem Käsberg 2 aus­gereifte Trollinger, wie sie in manchen Jahr­gängen im Herbst nicht schöner getroffen werden. Im Jahr 1865 wurden die Weinberge am 23. August geschlossen, Heuer muß die Schließung derselben schon von Mitte August an erfolgen.

Marbach, 16. Aug. Stadtschultheiß Haff- ner von hier hat vergangene Woche eine Reise nach Weimar, Jena und Rudolstadt als Vorstand des hies. Schillervereins gemacht, um die dortigen Schiller­archive zu besuchen. In Weimar fand in der Fürstengruft während seines dortigen Aufenthalts eine erhebende Schillerfeier statt; Haffner legte einen Lor­beerkranz auf dem Sarg des Dichters im Namen der

Bordmann sein Anliegen ausemandcrsetzte, hatte ich Z?ü, den jungen Mann zu be­trachten. Stets mag ich gern in ein frisches Menschenantlitz schauen und die Schrift lesen, die der liebe Gott darin ausgeprägt, und hier lohnte es sich wahrlich der Mühe. Der junge Mann, in halb städtischer, halb ländlicher Kleidung und feinem weißen Strohhut auf dem braunen Haar, war eine wahre Siegfriedsgestalt. Groß und stattlich, doch ebenmäßig gebaut, einem männlich schönen, von blondem Vollbart umrahmten Gesicht; aus den sonnig leuchtenden Augen blitzte Geist und recht fröhlicher Jugendmut.

Als die WorteNeuer Schulmeister! 'n bittken schmal und blaß Stadt­luft sonst gar net so unverständig!" aus Peter Bordmanns Munde zu mir her­über tönten, wandte ich mich ab, dann ntt der junge Mann weiter und der erster« stieg wieder ein.

So, nun ist das abgemacht!" brummte er befriedigt, indeß er sich niederließ.

Das war wohl ein Gutsbesitzerssohn aus Nordenkirch?' fragte ich neugierig.

Gutsbesitzer? Ja. so mag es wohl auf vornehm deutsch heißen!" entgegnete der Bauer.Das ist nämlich der Hermann Reinberg, der muß Ohm sagen zu dem alten Sallert, denn dessen Schwester ist seine Mutter, die halt' damals, wie der Gallert noch nicht so reich war, 'ncn kleinen Bauer geheirat', bat es aber immer hoch im Kopfe gehabt und so hat er denn 'nen Fruchthandel angefangen und da find üe in die Höh' gegangen, gerad' so wie der Sallert; sollln jetzt steinreich sein und haben sich ein Haus gebaut wie ein Schloß; auch nach und nach so 'ir paar Gütchen dazu gekauft, daß es zusammen schon em ansehnlich Gut geworden ist. Der alle Reinberg ist gestorben, hatt' auch sein Lebtag nicht vi>l zu sagen. Die Frau hat 'S Regiment im Hause gehabt und ferner auch die Ackerwirtschaft und bas Ge­schäft fortgeführt mit ihrem Verwalter. Das ist ein ganz verfl.xier M nsch, aus dem Keiner klug werden kann, wie er eigentlich gesonnen ist. Ich mag dm Kerl nicht sehen, kommt mir immer vor, als wenn er 's nicht aufrichtig meint. Weil die

Frau immer so vornehm hat thun wollen, hat sie ihren einzigen Sohn, den Her­mann, auch auswärts auf die Schule geschickt und aller Gewalt 'nen Stadtherrn aus ihm gemacht. Der hat denn ein Jahr gedient und ist noch weit herum gewesen. Jetzt »st er seit kurzem wieder da, und das muß jeder ihm lassen, 's ist ein prächtiger Mensch und ein tüchtiger Kern in ihm; das vornehme Wesen hat ihm nix geschadet. Grad so wenig wie seiner Schwester, der Lena, die ihres Vaters Sinn geerbt hat und gar nix davon wissen will. Bin mal neugierig, wie der Hermann mit dem Verwalter, dem Winkelbach, auskommt."

Winkelbach! Wo habe ich doch diesen Namen heute schon gehört? Richtig! Einer jener Männer, die mit der unbekannten Frau auf dem Bahnhof zu C. sprachen, erwähnte ihn.

Während Bordmans Erzählung waren wir in die Nähe des Dorfes gekom­men, in dessen Straßen der Wagen jetzt einbog. Stattliche Bauerngehöfte wechselten ab mit Obst- und Gemüsegärten und freundlichen, meist weißgetünchten Häusern, aus denen vielfach das Klappern der Webstühle schallte. Die Leute verfertigten, wie mein Begleüer mir sagte, Seide und Halbwollenwaren für die Großkaufleute der benachbarten Fabrikstädte, das kurze Läuten einer kleinen Glocke tönte herüber und gleich darauf begegneten uns truppweise die Arbeiter der Sallert'schen Fabrik, welche jetzt ihr Heim aufsuchten. Aus dem letzten von ihnen blieben meine Augen haften, denn seine hohe kräftige Gestalt erinnerte mich sofort an Hermann Reinberg und da er im Gespräch mit einem ihm begegnenden Manne einen Augenblick stehen blieb» konnte ich auch sein Gesicht erkennen, das, obgleich von Rauch und Ruß geschwärzt- regelmäßig und ausdrucksvoll erschien. Ein stolzer, trotziger Zug spielte um seinen Mund und die schwarzen Augen waren forschend auf mich gerichtet.

E n mit Grummet-Heu hochbeladener, von zwei Pferden gezogener Wagen, kam uns entgegen.

(Fortsetzung folgt.)