der unsrigen auf den Kopf der Bevölkerung. Der Antrag Hüne verlange 55 Millionen Mehraus­gaben, mit den nötigen Kasernenbauten werden es aber mindestens 106 Millionen werden. Wenn die Vorlage Gesetz wird, treiben wir geradewegs in die Monopolwirtschaft. Der Patriotismus der Konser­vativen wäre anerkennenswert, wenn die Großgrund­besitzer die Liebesgabe der Brenner (große Unruhe, Lachen rechts) auf dem Altar des Vaterlandes opfern wollten. (Beifall links.) Statt dessen schließen sie einen Bund für Lebensmittelverteuerung. (Unruhe, Widerspruch rechts, Zustimmung links). Die fort­gesetzte Beunruhigung in Friedenszeiten durch Steuer­polizei und Militärgesetze erschüttert den Unterneh­mungsgeist. Das Ansehen des Reichstags werde sicher nicht gewinnen durch Annahme der Vorlage. Meine Freunde meinen, nie patriotischer gehandelt zu haben, als in dem Augenblick, da sie diese Vor­lage ablehnen. (Beifalls links, Widerspruch rechts.) Reichskanzler Graf Caprivi: Die Negierung kann dem Abg. v. Hüne nur Dank wissen, der so mann­haft in der eigenen Fraktion für die Vorlage einge­treten sei. (Beifall rechts.) Wenn Richter abfällig über die Offensive urteilt, so möchte ich doch daran erinnern, was ein Krieg im eigenen Lande bedeutet. Auch die eigenen Truppen würden sich sehr unlieb­sam bemerkbar machen. Das Wohl des Staats er­fordert dann rin rücksichtsloses Vorgehen, die Trup­pen müßten requirieren und Werte ohne Schonung zerstören. Die Behauptungen Richters bezüglich Frankreichs und Englands dürften noch zu erweisen sein. Der Reichskanzler rechnet ziffermäßig nach, daß Deutschland verhältnismäßig besser daran sei, wie irgend ein anderes Land. Caprivi schließt: Ich habe gestern gesagt, bei Neuwahlen würden wir uns Vorbehalten, die gemachten Konzessionen zurückzu- zunehmen; heute kann ich erklären, daß wir das nicht thun werden, und um diesen Ausspruch in eine einfache Formel zu fassen: Wenn es zu Neu­wahlen kommen wird, wird unsere Wahlparole der Antrag Hüne sein. (Lebh. Beifall.)

Berlin, 5. Mai. Der Bundesrat hat den Antrag Preußens auf Auflösung des Reichstags für den Fall der Ablehnung des Antrags Hüne bereits einstimmig angenommen. Heute Abend findet bei dem Reichskanzler ein Essen statt, woran die preuß. Minister, die Staatssekretäre des Reichs und einige Abg. teilnehmen. Es wird vermutet, auch der Kai­ser werde beiwohnen.

Berlin, 4. Mai. Der Kaiser fuhr gestern abend nach seiner Ankunft im Neuen Palais alsbald mittels Sonderzugs nach Berlin, verweilte längere Zeit beim Reichskanzler und kehrte alsdann in das Neue Palais zurück.

Berlin, 4. Mai. In parlamentarischen Kreisen wurde gestern abend die Auflösung des Reichstags als sicher betrachtet.

Tayes-Neuigkeiten.

^Amtliches aus dem Staatsanzeiger.s' Se. Mas. der König haben am 1. d. M. die neuerrichtete Kollaboratorsstelle an der Lateinschule in Murrhardt dem Kollaboraturkandidaten vr. Keller in Wiesbaden (Calw) allergnädigst zu übertragen geruht.

Calw, 4. Mai. Heute Nachmittag, um 1'/, Uhr beginnend, brannte das Hinterhaus des Badischen Hofes hier bis auf die Grundmauern nieder. Das ziemlich lange Gebäude enthielt Stal­lung, Waschküche, einige bewohnte Räume und die Kegelbahn. Der Dachstock war in seiner ganzen Länge mit Heu und Reisach gefüllt, wodurch die Flammen bald mächtig emporschlugen und das auf der Gartenseite anstoßende Hauptgebäude ernstlich bedrohten. Durch die angestrengte Thätigkcit und die anerkennenswerte Leistung vieler fleißiger Hände gelang es, diese Gefahr noch zeitig abzulenken, so daß nur ein Teil des Daches, sowie ein Zimmer Schaden nahmen. Eine willkommene Ablösung für die hies. Feuerwehr brachte eine durch die Betriebs- inspekrion vom Bahnhof beorderte Lokomotive, welche vom nahen Schienengeleise aus einen kräftigen Strahl in die Trümmer sandte. Die Entstehungsursache ist unbekannt. Hr. Häring, der Besitzer des Bad. Hofes, ist durch den Verlust dieses Gebäudes zwar

sehr geschädigt, doch wird die Geschäftsfortführung dadurch nicht benachteiligt.

Calw, 4. Mai. Kaum hatte die Feuer­wehr die noch rauchenden Trümmer beim Bad. Hof verlassen als um '/,6 Uhr wiederholt die Feuerglocken ertönten. Es brannte in der Kratzenfabrik von H. F. Baumann, in dem früheren Spinnereigebäude des Hrn. Wöhrle, der sogen. Walkmühle. Als die Löschmannschaften eintrafen, qualmte nur dichter Rauch aus den oberen Räumen des gegen das Wehr gelegenen Teils, so daß das Feuer noch im Innern des Gebäudes bewältigt werden konnte. Der Scha­den ist jedoch ein bedeutender, indem die Räume und die Maschinen durch Feuer und Wasser in einen Zustand gebracht wurden, der eine längere Arbeits­stockung im Gefolge haben dürfte. Ein im Lager warmlaufender Exhaustor soll den Brand verursacht haben.

Calw, 4. Mai. Heute fand auf dem Brühl die staatliche Bezirks-Rindviehschau statt. Die Commission bestand aus den Herren Negierungs­rat Clausnitzer, Landwirtschaftsinspektor Römer, Oberamtstierarzt H a n f t - Herrenberg , Oekonom Bühler-Gültlingen. Vor Beginn der Schau gab Hr. Regierungsrat Clausnitzer eine eingehende Schilde­rung des Prämierungswesens und der in Betracht kommenden 8 Maaße, sowie der 9 Wertzahlen für Körperteile und Eigenschaften. Vorgeführt wurden 11 Stück Farren, von denen 8 Stück in Betracht kamen und 4 prämiert wurden. Es wurden über­reicht zwei III. Preise ä ^ 100. an Farrenhalter Roller, bezw. Gemeinde Liebelsberg, und Wilhelm Hauser in Simmozheim; ferner zwei IV. Preise L 80. an I. Friede. Stepperin Oberhaugstett und Balthasar Dongus in Deckenpfronn. Die nächst­schönen Farren gehörten: Mich. Rentschlerin Unter- haugstett, Hirschwirt Kugele in Sommenhardt, Jakob Angerhofer in Althengstett, Oskar Goez auf Hof Dicke. An Kühen wurden von 19 ange­meldeten 18 vorgeführt; in Betracht kamen 12 Stück, von denen 5 prämiert wurden und zwar ge- gelangten zur Ausgabe ein III. Preis (^ 80.) an Schultheiß Flik, Althengstett, und vier IV. Preise (-^ 60.) an Mühlebesitzer Münsinger Wwe., Ostelsheim, Hugo Rau in Calw, Kronenwirt Wör - ner, Simmozheim, Mühlebesitzer Karl Hai sch, Liebenzell. Die nächstschönen Tiere gehörten den HH. Oettinger-Calw, Kopp-Möttlingen, Aichele-Decken- pfronn, Gebrüder Emendörfer-Liebenzell, Fr. Linken- heil-Simmozheim,Gleich-Möttlingen, Ganzhorn-Hirsau. In den hiesigen Bezirk gelangten somit in diesem Jahre Preise im Betrag von 680 gegen 420 ^5 im Vorjahre. Herr Regierungsrat Clausnitzer sprach sich dahin aus, daß das heurige Bild ein anderes gegen das Vorjahr und ein ganz entschiedener Fort­schritt bemerkbar sei, es würde ihn freuen, wenn das sichtbare Bestreben kräftige Fortsetzung finden würde. Das kaum beendete gemeinschaftliche Mittagessen im Bad. Hof wurde unterbrochen durch den Brand­ausbruch im Hintergebäude.

^-^Calw. Am letzten Sonutog fond in Wild­bad ein Fe st schießen aus Anlaß des fünfzig­jährigen Bestehens des Schützenvereins statt. Se. Maj. der König hatte hiezu als Ehrengabe einen hohen silbernen Pokal gespendet. Unter den übrigen zum Teil recht wertvollen Gaben, war besonders auffällig eine Schwarzwälder Uhr mit rcichgeschnitztem Gehäuse im Werte von 60 ^, Ehrengabe der Frauen und Jungfrauen Wildbads. Den 1. Preis (Königspreis), aufFestscheibe König Wilhelm", er­rang sich C. Mohr, Stuttgart, den 2. Preis Pri­vatier Joh. Seeg er (1 Schwarzwälder-Uhr), den 7. Preis Hr. Mogler, Hirsau, 1 Fruchtschale, den 10. Hohenstein, Weilderstadt, 2 Jagdbestecke, den 30. Preis Fabrikant Hippe lein, Calw, 1 Buch von Wildbad. Den 1. Preis aufHauptscheibe Wildbad" erschoß sich V i l l f o r t H-Eßlingen.

Laupheim, 3. Mai. Der Bezirksfischerei­verein erhielt dieser Tage aus der kaiserlichen Fisch­zuchtanstalt Hüningen (St. Louis) 30 000 Zander- eier, welche in die Rottum, Riß, Roth und Weih­ung eingelegt wurden. Außer 45000 Stück Regen­bogenforelleneier sind Heuer 10000 Stück Aal­brut zum Aussetzen angelangt.

Wie die Frankfurter Zeitung erfährt, erörterte der Kaiser in seiner Unterredung mit dem Bundes­

präsidenten Schenck sehr lebhaft das Mkoholmonopol,. das durch den Bundespräsidenten geschaffen war.

Straßburg, 3. Mai.Endlich, endlich!" jubelten Bäume, Pflanzen, Aecker und Wiesen und mit ihnen die besorgten Landwirte, als heute kurz, nach 11 Uhr der langersehnte Regen, der gestern und heute seine Vorboten vorausgeschickt hatte, sich, aus der dichten Wolkenmasse loslöste. Allem An­schein nach ist er diesmal kein sogenannterSpritzer"^ sondern ein richtiger Regen.

Saint Etienne, 4. Mai. Die Polizei' entdeckte dieser Tage eine seit 25 Jahren an nied­riger Stelle ohne Luft und Licht heimlich gefangen gehaltene 43jährige Tochter eines 73jährigen, wohl­habenden Grundbesitzers. Die Eingesperrte lag nackt auf bloßer Erde, unfähig aufzustehen, sie war voll­ständig kindisch geworden, stieß unartikulierte Laute aus und war mit Schmutzgeschwüren bedeckt. Der Vater hatte gelegentlich einer Krankheit des damals 18jährigen Mädchens die Todesanzeige gemacht.

Belfort, 4. Mai. Gestern äscherte eine große Feuersbrunst die hiesige Niederlage von Baum- wollabfällen ein. Der Verlust beträgt 500,000 Fr.

Paris, 2. Mai. In der Akademie der Wissenschaften machte gestern Renon, der Direktor der Sternwarte von Saint-Maur, einige Mitteilungen über die gegenwärtige Dürre. Seit 1757, erklärte er, hat man in Frankreich keinen so trockenen und zugleich heißen April gesehen, wie in diesem Jahre. An Hitze kam ihm nur der April von 1865 gleich,. in welchem die Temperatur bis auf 28° stieg. Girard,, der Direktor der chemischen Abteilung im landwirt­schaftlichen Institut, riet den Landwirten, dem Mangel an Viehfutter durch die Anwendung des Bau Ur­laubs, dessen Genuß dem Vieh zuträglich sei, abzu­helfen.

DieDiamanten desZaren gestohlen. Aus New-Aork wird dem LondonerStandard" ge­meldet: Em russisches Packet, das die kaiserlichen Diamanten für die Ausstellung in Chicago enthalten sollte, fand sich leer bei der Eröffnung. Der Sach­verhalt wurde den russischen Behörden mitgeteilt.

Vermischtes.

Fast einstimmig erkennt die englische Presse die deutsche Ausstellung als die glänzendste in Chicago an. So ist z. B. im Glasgow Herald,, einem der wichtigsten Blätter außerhalb Londons, zu lesen:An der Ausstellung ist dem britischen Volke nur eines nicht ganz angenehm, nämlich, daß. Großbritannien nicht den ersten Platz auf ihr ein­nimmt. Die imponierendste Entfaltung seines Kön­nens hat Deutschland gemacht, und zwar nicht ganz ohne gerechten Zusammenhang mit dem ewigen Gang der Dinge, wie unangenehm es auch für unsere na­tionalen und kommerziellen Gefühle sein mag. Deutsch­land hat zu der Lieblingsschöpfung der amerikanischen Nation wirklich Wesentliches beigetragen." Ueber Japan schreibt dasselbe Blatt:Daß Japan den zweiten Platz an Wichtigkeit und Interesse einnimmt,, illustriert erstens die Thatsache, daß die große Neu­geburt der Industrie und Zivilisation im Osten eine der auffallendsten Entwicklungsformen in der mensch­lichen Geschichte darstellt, und zweitens den Ausdeh­nungsbereich der amerikanischen Zivilisation nach dem. Westen hin."

Standesamt Kakw.

Geborene:

29. April. Emil Georg, Sohn des Jakob Schneider,.

Küblers und Küfers hier.

30. . Dietrich Berthold, S. d. Heinrich Sautter,

Schönfärbers hier.

Getraute:

29. April. Georg Neber, Herrschaftskutscher in Stutt­gart und Emilie Einsele von hier.

3V. Jakob Wötzner. Schneidermeister in

Schwieberdingen OA. Ludwigsburg und Mathilde Hözel hier.

Gottesdienst

am Sonntag, den 7. Mai.

Vom Turm: 264. Predigtlied: 368.

9 Uhr Vorm-Predigt: Herr Stadtpfarrer Ey tel. 1 Uhr Christenlehre mit den Töchtern. 2 Uhr Nachm. Predigt Herr Stadtpsarrer Eytel.

Donnerstag, den 11. Mai. Kirnmekfahrtsfest.

Vom Turm: 179. Prediatlied: 182. Vorm.-Predigt: Herr Stadtpfarrer Eytel. 1 Uhr Kinderlehre mit den Oberklassen.