Beilage zumCallver Wochenblatt"

Nro. 44.

JerritLeton.

Nachdruck verboten.

Nuf dem Wosenhof.

Erzählung von H. Moevingus.

(Fortsetzung.)

Da haben wir ganz Dein Taufzeugnis vergessen, sagte der Bauer als er bei seinem künftigen Schwiegersohn eintrat.

Gieb's mir schnell, Hochwürden warten.

Ich weiß gar nit, wo's ist.

Sapperment, na das ist schön! So such' halt, ich wart derweil. Und unge­duldig durchmaß er das Zimmer mit langen Schritten, bei sich überlegend, welche Aenderung er treffen wollte, wenn die Zügel erst in seinen Händen lägen. Die Unordnung, die jetzt auf dem Rosenhof herrschte, war ihm nicht entgangen. Da hat wer die Hand im Spiel g'habt, dachte er, na laß das Mävel nur erst seine Frau sein, nachher soll's balv anders werden! Da fiel ihm das vertrackte Tauf­zeugnis wieder ein.

Hast es, Franz?

Nein, ich kann's nit finden!

Tod und Teufel, ja wo ist's denn? 's pressiert doch, sag' ich, Hochwürden wird die Geduld ausgehen.

Ich bring's Euch heut' abend, Seegrunder, begütigte ihn Franz, 's wird in dem Fach sein, das ganz oben im Wandschrank ist. Ich mag aber jetzt nimmer suchen, es ist mir gar nit recht. Alle Augenblick krieg' ich den Schwindel.

DaS wird ja immer besser! Jetzt wirst am End' noch krank, wie?

Könnt' schon sein, 's zieht mir in den Gliedern und übel ist's mir, als hält' ich mich übertrunken.

So, dann wird's Taufzeugnis wohl auch nimmer nötig sein, dann leg' Dich nur gleich in's Bett.

Mit einem grimmigen Fluch ging der Seegrunder hinaus. Franz lehnte sich an die Wand, ihm flimmerte vor den Augen. Vielleicht mußte er sich wrklich nie- derlegen, vorerst wollte er aber noch nach dem Taufschein suchen. Der fand sich richtig unter anderen wichtigen Papieren im obersten Fache des Wandschrankes. Dort lag aber auch noch etwas anderes, das der junge Bauer ganz erstaunt von allen Lecken betrachtete. Es war em großes zujammengesalUtes und mit fünf Sie­geln geschlossenes Papier, auf dem von deS verstorbenen Laibuchers Hanb geschrieben stand: «An meinen Sohn Franz, nach meinem Tod' zu öffnen." Franz trat mit dem Papier zum Fenster unv erbrach die Siegel. Die großen Buchstaben tanzten vor ihm wie spmveloürre Geschöpfe, die sich an den Händen gefaßt hielten. Er zwang sich aber, fest hmzusehen unv mit Anstrengung las er wie folgt:

Ost ahnt mir, daß eS mit mir mal jählings zum Sterben kommt. Für den Fall, daß mich unser Herrgott ohne Beicht und Absolution abruft, schreib ich dies nieder, vornehmlich für meinen Sohn Franz, nachher aber auch für die Käthe, die mir lieb ist, wie meine eigene Tochter.

Mein Sohn! Wenn's Dir vielleicht mitunter kmios erschienen ist, daß ich Dich in bre Siavt zu eurem Handwerker m die Lehr' geben had', wo Du doch ver­meinst, em reicher Bud zu sein, dem Haus und Hof gleich bei der Geburt m die Wiege fiel, so will lch's Dir hier sagen, warum. Wisse: Du bist nit der Erbbauer vom Rosenhof, die Erobäuerm ist die Käthe.

Du weißt nit, daß Dem Großvater noch einen Sohn Asix mit Namen g'habt hat. Der L-x-l war kein guter Bud', muß ich selbst sagen, von klein auf voll Lug und Betrug. Um die Zeü, wo er 16 oder 17 Jahr alt war, kam bas Auswanbern auch hier in der Heiligenfelder Gegend auf. Ganze Familien zogen nach Amerika, reihweise standen bie Hütten verödet. Auch L»xet packle bas Wander­fieder, so jung er war. Von früh bis spät lag er dem Vater in den Ohren, ihn ma Ruchbarstem', die auch sort wollten, ziehen zu lassen. Der Vater selig wollt' aber davon nix wissen. Er gab dem Bub', der sein Aeltester und Liebster war, eme tüchtige Tracht Prügel und sperrte ihn m eine finstere Kammer, bei Wasser und Brot; da würden dem Lexel die Mucken aus dem Kops fahr.n, meinte er. Als er aber andern Tages den Reuigen ausiasfin wollte, da war er längst auf und davon. Wie wir später erfuhren, Halle er sich etliche Tage >m Walde heunlings aufg'hallen und sich bann den Auswanderern ang'schlvffen. Der Vater tobte und die Mutter weinte, was war va aber zu thun, fort war er, ber Ungeratene! 2Xr Vater reiste selbst nach Hamburg, vielleicht sei das Sch,ff noch nicht avgesegelt. Das war aber wohl der Fall und das Schlimmste kam nach. Von keinem der Auswanderer lief je ein Schrelbebrief in Heiligenfeld ein, wohl aber ersuhr man, daß das Schiff n»t 'Mann unv Maus der furchtbarem Sturm elendiglich z'Grund 'gangen. Ja, das war ein Schlag für d«e Eltern! Kind bleibt doch alleweg Kind, ob's auch mißraten und undankvar ist. Der Mutter brach'» das Herz und der Vater koant's jahrelang n>t verwinden.

Jetzt war ich der Erbbauer und das dehagte mir ganz wohl, muß ich offen g'stehen. Ich liebte den Hof tausendmal mehr, wre der Lexel, ich wußte auch auf alles besser B'scheid wie er.

Die Jahre kamen und gingen.

Der Vater lag unter der Erve; ich hatte mir ein Weib g'freit, ein so schö­nes, herzliedes, daß mir noch jetzt das Blut warm zum Heizen schießt, wenn ich nur an sie denk! Du wurdest geboren, da starb sie. Hm war sie wie ein Hauch, sie hatte immer was Uebertldisches an sich. Erst dacht' ich, ich sollt' mich nun auch hinlegen neben die Tote, aber 's ist ein zäh' Leben in mir und 's stirbt sich auch nit so leicht, wie man oft denkt und wünscht. Ich lebte also weiter und auch recht vergnugsam mit der Zeit, denn ich hatte Dich Und vergieb mir's die

Rosen. Die waren mir die zweiten Kinder, ich Hab' die übermäßige Lieb' zu ihnen von meinem Vater selig g'erbt, der auch so närrisch darauf versessen war.

Du warst allgemach ins sechste Jahr gekommen.

Ich hatte cs mir so überlegt, daß ich das Holz vom Blümlisberg wollt' ab­holzen und das Land zu Wiesengrunv umschaffen lassen. Die Bäume standen weit und kahl auseinander, trug'n nichts ein und ließen sich just eben als Bauholz gut verwerten. In Heiligenfelo kriegte ich ab.r keine Arbeiter, ich mußte mir welche aus Buchau holen. Gehe ich also eines Tages hinüber, halt' muh ein Weilchen am Blümlisberg auf, schätz' das Holz so ungefähr ad und wandere dann fürbaß. Du

kennst die Stelle, wo >n den See der einzelne Felsen vorspringt. Wie ich dort vorbei

komm', seh' ich eins hoch droben sitzen und mit den Beinen schlenkern. Mich treibt die Neugier, wissen muß ich, wer der Waghals ist. Wie ich schon fast droben brn, wendet er den Kopf. Jesus Maria, daß mich selbigen Augenblick n>t der Schlag g'rührt hat, oder daß ich vor Schreck nicht das Glerchg'wicht verloren Hab', bas be­greif' ich bis heut' nit. Der Mann, der auf mich nieverschaute war kein anderer,

wie mein Bruder Alex, de» ich längst von Fischen gefressen wähnte. Ei, so grüß'

dich Gott, Bastel, rief er mir zu und schwenkte seine zerrissene Mütze, das ist 'ne rechte Überraschung für uns beide.

In dem hatte er recht; ich konnte vor Schreck keinen Laut ausstoßsn.

War just auf dem Weg zum Rosenhos, fuhr Alex fort, aber mein Mädel das zeig' ich Dir später könnt' vor Müdigkeit nit vom Fleck und weil mir vom vielen Tragen der Arm schmerzte bin von Hunger und Anstrengung ganz ent­kräftet, mußt wissen macht' ich hier bissel Rast, derweil das kleine Dmg schiäst. Dort unter dem Felsblock ist ein warm' Nestle, dort schläft sie.

Jetzt brachte ich endlich ein paar Worte heraus.

Wo kommst denn her? Bist denn nit mit dem Schiff untergegangen? Und was willst denn hier in Heiligenfeld?

Zu viel Fragen auf einmal! lachte Alex. Eh' ich Dir die beantwort', muß ich mich fein stärken. Er zog eine Branntweinflasche aus dem Sack und that einen kläjtrgen Schluck. Ich Hab' das Zeug nie g'mocht, 's übellief mich ordentlich, wie ich ihn trinken sah.

Wo ich herkomm? Je nun, aus Amerika. Daß ich nit ersoffen bin, siehst hoffentlich. Nahe dran war ich freilich; drei Tag trieben mich die Wellen, mit meiner Planke, an die ich mich m der Todesangst geklammert hatte, wie ein Kork- siück umher. Ich war dreiviertel tot, als sie mich rausfischten und ich wieder festen Boden unter die Sohlen bekam. Zum Glück ging das Schiff, das mich aufnahm, just meinem Wunsch gemäß, nicht nach Deutschland zurück, sondern nach Amerika; ich wollt' mich halt partout drüben umschauen. Na, das Hab' ich nachher auch reichlich 'könnt. Hundsg'mem ergangen ist's mir; 'rumg'ftoßen b»n ich, hierhin, dorthin, bald Hab' ich kein Bröckeln Essen g'yabt, daß ich schier g'storben bm vor Hunger, bald Hab' ich wieder den großen Herren g'spielt und im Ueberfluß g'schwelgt. Ich bm alles g'wesen, was Du Dir nur denken kannst: Packträger, Holzspalter, Kellner, Diener, Sklavenaufseher, Pferde- und Taschendieb. Haha! Das ist eine feine Zunft, die Diebeszunft drüben über dem großen Wasser! Allen Respekt vor den Leur', bis verstehen sich auf ihr Handwerk! ich war ihnen zu ehrlich, und da schickten sie mich mit Schimpf und Schand' sort. Haha! Er trank wieder. Na, bin schließlich unrer die Gotdwäscher nach Calrformen 'gangen, wollt' auch das mal probieren. Muß doch alleweil dem Glück ein Psörtle offen lassen. Und richtig, 's ist auch 'neing'schlüpst! Gold Hab' ich g'sunden, mehr als Du je bei einander ge­sehen, und dreimal mehr, als der ganz' Bettel hier wert ist. Juchhe! da ging ein gut' Leben an. Ich ging auf die Frei' unv sucht' mir eine Feme 'raus, bissel rot­haarig war sie, aber weiß dazu nne ein Lilienblatt. Wir lebten m Saus und Braus, wie die reichsten Leut' hier z'Lanv. Nach einem Jahr kam das Mädel zur Welt. Ist auch rothaarig wie seine Mutter und auch schloweiß dazu. Das Kind hat aber kein Glück bracht von seiner Geburt an gmg's abwärts. Das Gold war zum großen Teck vellhan, den Rest stahlen sie mir. Riem Weib stach einer mit dem Mtsfir, daß cS mir tot vor die Füße fiel. Es hatte nur treu bleiben und keinem anderen G'hör schenken wollen. Da war ich denn wieder der Lump von zuvor! Was Neues an­zufangen, dazu fehlte mir die Courag', das Kind hinderte mich auch an allem und ,m Stich lassen mocht' ich das arm' Würmle auch nit. Da besann ich mich noch rechtzeitig darauf, daß ich ja der Erbbauer vom Rosenhof war.

Auf, Matrosen, die Anker gelichtet!"

Das Überfahrtsgeld bettelte ich mir unterwegs zusammen, dann schiffte ich mich in New-Pork em und da bm ich nun, wie Du siehst, vermagert und zerlumpt erschöpft und ausg'hungert. Soll aber bald anders werden!

Er streckte sem mit schmutzigen Fetzen umwickeltes Bein aus und schlug sich mit der flachen Hand auf den Schenkel.

Siehst, wie sein mein Schuhwerk ist?

Er sah gar schrecklich aus, ganz verfallen und verkommen, gleich dem schlimmsten Landstreicher. Sein Gesicht war fuchsrot und verschwommen.

Du willst also jetzt Bauer auf dem Rosenhof sein? fragte ich. Und was soll denn aus mir werden?

Geht mich nichts an, schrie er. Hast Dich lang g'nug von meinem Brot g'mästtt, während ich Hab' darben müssen. Her mit allem, von jetzt ab bin ich der reiche Rosenhofer und Du der arme Lump.

Ich sühlte den Zorn in mir aufsteigen. Er, der Säufer, der ehemalige Taschendieb, er sollt'Herr sein auf dcm Rosenhos? Nimmermehr . . . nimmermehr! Er sollt' vertrinken, verschleudern, was ich geschafft? Nie ... nie! Nie wiist Du Bauer auf dem Rosenhof, rief ich, da mach Dir keine Hoffnung drauf. Eh'r stürz' ich Dich hier vom Felsen.

(Fortsetzung folgt.)