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Amts und Anzeigeblalt für den Bezirk Lalw.

68. Jahrgang.

Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag. Die t^nriicknngsgebiihr beträgt im Bezirk und nächster Um­gebung » Psg. die ^eile, sonst IL Psg.

Samstag,

AbonnementSpreiS oierteljSbrlich in der Stadt So M,. und 20 Psg. Träg-rlohn. durch di- Post bezogen Mk. 1. 1b, sonst i» ganz Württemberg Mk. I. 3S.

Amtliche Bekanntmachungen.

Die Ortsvorstrher

erhalten den Auftrag, den Gemeindepflegern zu er­öffnen, daß sie bezüglich der vom K. Kameralamt geleisteten Staatsbeiträge zu den Schullehrers­besoldungen, sowie der staatlichen Alterszulagen an die Schullehrer genaue Abschriften von den kameralamtlichen Ouittungsbogen zu ihren Rechnungs- akten zu nehmen, worin insbesondere die vom Kgl. Kameralamt gemachten Abzüge vollständig aufzuführen sind.

Calw, den 24. März 1893.

K. Oberamt. Lang.

Bekanntmachung des Ministeriums des, Innern, betr. den Vollzug des ReichsgcsetzSs, vom IN. Mai 18S1 über die Prüfung der Läufe und Verschlüsse der Handfeuerwaffen.

Nach der Kaiserlichen Verordnung vom 20. Dez. 1892 (R.G.Bl. S. 1055) tritt das Reichs Gesetz vom 19. Mai 1891 betreffend die Prüfung der Läufe und Verschlüsse der Handfeuerwaffen (R.G.Bl. S. 109) am 1. April d. Js. seinem vollen Umfang nach in Kraft. Nach diesem Zeupunkt dürfen in Deutsch­land die der Prüfung und Abstempelung unterliegen­den Handfeuerwaffen ohne die vom Bundesrat vor­geschriebenen Stempel nur dann noch feilgehalten oder in den Verkehr gebracht werden, wenn sie vorher mit dem von dem Bundesrat bestimmtenVorrats­zeichen" versehen sind (Z 5 des Gesetzes). Ueber letzteres trifft Ziffer 22 der Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 28. Juni 1892 (N.G.Bl. S. 674) nähere Bestimmung.

Zur Ausführung des Z 5 des genannten Ge­setzes wird nunmehr Folgendes verfügt:

1) Die Anbringung des Vorratszeichens hat auf Antrag der Beteiligten zu erfolgen

a. in den Städten Stuttgart, Ulm, Ludwigsburg,

Heilbronn, Reutlingen und Ravensburg durch

die dortigen Ortspolizeibehörden,

b. im übrigen durch die K. Zentralstelle für Ge­werbe und Handel in Stuttgart.

Die Ortspolizeibehörden anderer Gemeinden als Her unter a) bezeichneten können die Anbringung der Vorratszeichen gleichfalls übernehmen. Sie haben bies der Zentralstelle für Gewerbe und Handel an­zuzeigen.

Die Ortspolizeibehörden sind befugt, aber nicht verpflichtet, auch die Stempelung von Waffen solcher Antragsteller vorzunehmen, welche nicht im Gemeinde­bezirk wohnen oder ein Gewerbe betreiben.

2) Die Vorratszeichen werden auf den zu diesem Zweck zu übersendenden Handfeuerwaffen von der nach Ziffer 1 zuständigen Behörde unentgeltlich angebracht. Die Kosten der Anbringung fallen der damit betrauten Behörde zur Last. Die Ausgaben für Fracht und Porto und sonstige Kosten ves Trans­ports, insbesondere des Verpackungsmaterials hat je­doch der Antragsteller zu tragen. Die Einsendung, sowie die Rücksendung der Waffen erfolgen auf Ge­fahr des Antragstellers, für die Rücksendung hat die das Vorratszeichen anbringende Behörde Sorge zu tragen.

3) Den Ortspolizeibehörden werden die Stempel für die Vorratszeichen auf Rechnung der betreffenden Gemeinden von der K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel geliefert. Die Verwendung anderer Stempel ist unstatthaft.

Nach vollendeter Stempelung der vor dem

1. April eingelieferten Waffen sind die Stempel zu vernichten.

4) Für das Verfahren bei der Stempelung sind die Vorschriften der Ziffer 20 und 22 der Be­kanntmachung des Reichskanzlers vom 22. Juni 1892 (R.-G.-Bl. S. 674) maßgebend. Das Aufschlagen des Vorratszeichens muß durch Sachverständige er­folgen. Die Waffen sind sorgsam zu behandeln.

5) lieber die gestempelten Waffen ist von der Behörde eine Liste zu führen, in welche der Einsender die Zahl und die nähere Bezeichnung der Waffen einzutragen sind. Die Liste ist zu verwahren.

Stuttgart, den 6. März 1893.

S ch m i d.

Die Grlspslizrihehsrderr

werden auf den Min. Erlaß vom 6. ds. Akts., betr. den Vollzug des Reichsgefetzes vom 19. Mai 1891 über die Prüfung der Läufe und Verschlüsse der Handfeuerwaffen .(Staatsanzeiger Nr. 56), hiedurch aufmerksam gemacht, mit dem Auftrag, die betreffen­den Gewerbetreibenden entsprechend zu belehren.

Calw, den 13. Mürz 1893.

K. Oberamt.

Lang.

Deutsches Deich.

In der Sitzung des Reichstags am letzten Montag erklärte der Antisemit Ählwardt anläßlich der Beratung des Etats des Reichsmvaliden- fonds. Die Zahl der Invaliden habe abgenommen, der Ertrag jedoch nicht, deshalb hätten die Zinsen ausreichen müssen, auch hätte den noch vorhandenen Invaliden viel mehr gegeben werden können. Starb dann der letzte Invalide, dann besaß Deutschland ein freies Kapital der bedeutendsten Art, wodurch es von den großen Börsenjnden unabhängig geworden wäre, und das wollten diese nicht. Bekanntlich kann der Krieg gar nicht erklärt oder geführt werden, wenn die großen Börsenjuden nicht wollen; aus dieser Ge­fahr wären wir herausgekommen. Man hat aber vorgezogen, den Fonds niedriger zu dotieren. An der Einrichtung, wie sie getroffen wurde, hatten außer der Börse noch die damaligen Oppositionellen Interesse, denn der preuß. Verfaffungskonflikt war eben erst zu Ende gegangen. (Lachen links). Nun ist klar, daß alle Abmachungen hinter den Kulissen sich der Oeffentlichkeit entziehen. Aktenmäßig durch Unterschriften von Herren, die noch hier sitzen, und von einem Herrn, der jetzt eine hohe Stellung in der Regierung einnimmt, ist nachgewiesen, daß bei anderen ähnlichen Dingen Verhandlungen der schlimmsten Art thatsächlich geführt worden sind. (Rufe: Namen nennen!) Es ist jetzt nicht möglich, so nahe am Schluffe des Reichstags eine tagelange Debatte an­zufangen. Der Name des jetzigen preuß. Finanz­ministers ist auch darunter. Es wird sich zeigen, daß von diesen Leuten das deutsche Volk um Hunderte von Millonen betrogen worden ist. (Rickert: Ist der Mann gesund?) Es sitzen hier auf allen Seiten Freunde des Judentums, die ihr eigenes Volk ver­raten. (Rufe: Herunter von der Tribüne!). Staatssekr. v. Maltzahn: Der Vorredner hat sich nicht entblödet, den schweren Vorwurf zu wiederholen, welchen er der Regierung und dem Reichstag von 1871 gemacht hat, daß sie ihr Land verraten hätten. Ich kann nur wiederholen, daß diese Behauptung der Wahrheit direkt widerspricht. Präs. v. Levetzow: Den Vorwurf, daß die damaligen Mitglieder der Regierung und der Reichstag ihr Vaterland um Geld verraten hätten, habe ich nicht gehört. AHi­

rn ardt: Bei dieser Stelle sprach ich von Ange­hörigen des deutschen Volkes schlechthin. Sie verraten ihr Volk an ein fremdes Volk, um von der Beute etwas zu bekommen. Ich habe das weder auf den Fürsten Bismarck noch auf die Regierung bezogen. Richter: Es handelt sich darum, ob das wahr ist, was Ählwardt behauptet hat; es handelt sich um einen Angriff auf die damalige Regierung. Ählwardt hat behauptet, er habe 11 Aktenstücke, darunter einige unterzeichnet vom Finanzminister, welche Verhandlungen der schlimmsten Art bezeugen. Wir wollen ihn zwingen, diese Behauptungen zu beweisen, sonst stehen seine Angriffe auf die Finanzverwaltung genau so da, wie diejenigen auf die Militärverwaltung. Ählwardt: Ich habe nicht von der Finanzverwaltung gesprochen. Die Originalaktenstücke werde ich gleich nach Wieder­eröffnung der Sitzungen auf den Tisch des Hauses niederlegen. (Zwischenruf: Gestohlen!) Ob sie ge­stohlen sind oder nicht, kommt nicht in Betracht; sie sind übrigens ehrlich erworben. (Lachen links.) Rickert (d.freis.) beantragt die Vertagung der Sitzung und will, daß man Ählwardt veranlasse, die Akten schon morgen vorzulegen. Ein Vorwurf von dieser Schwere dürste auch nicht 24Stunden auf den verb. Regierungen sitzen bleiben. v. Man teufst unterstützt den Antrag. Das Haus beschließt ein­stimmig unter großer Erregung dem Antrag gemäß.

Berlin, 22. März. (Reichstag.) Der An­drang des Publikums zu der heutigen Sitzung war ein außerordentlicher, handelte es sich doch um den Vorwurf des Vaterlandsverrats von Mitgliedern des Hauses. Ählwardt erklärt die Akten beizubringen, wenn man ihm noch einige Tage Zeit lasse, vorerst lege er einen Teil derselben auf den Tisch nieder, der andere Teil lagere bei Buchhändler Glöß in Leipzig und werde jedenfalls heute abend einlaufen. Auf Antrag des Grafen Ballestrem wird die Sitz­ung um eine Siunde vertagt, in welcher ein SenioreN- convent die Prüfung dieser Akten vornehmen soll. Dieselbe ergab durchaus nichts, was Ählwardt zu diesen Aussagen berechtigen konnte. Letzterer zieht dieses in Betreff der Aktenstücke zu, allein die andern vermöge er doch nicht innerhalb 24 Stunden zu be­schaffen. In diesen Akten läge ein Originalbrief des Präsidenten eines Senatsgerichtshofs eines auswär­tigen Staats, der sich bei einem hervorragenden deut­schen Staatsbürger für die deutsche Geldbewegung be­dankt. Es entspinnt sich noch eine längere Debatte seitens Ählwardt und Richter, Richter, Stöcker und Rickert. Nächste Sitzung: Donnerstag 13. April.

Tatzes-Neuigkeilen.

sAmtliches aus dem Staatsanzeiger.^ Infolge der vom 6. d. M. und den folgenden Tagen abgehaltenen Kollaboraturprüfung ist für befähigt er­klärt worden: Bosch, Martin, Lehrer an der höheren Handelsschule m Calw.

Cannstatt, 23. März. In letzter Nacht wurde einem ledigen Friseur hier, der in einem Gast­haus wohnt und nicht zu Hause war, mittels Er­brechens von Behältnissen in der Wohnstube 500 ^ nebst zwei wertvollen Uhren gestohlen. Der Dieb ist noch zu ermitteln.

6. Karlsruhe, 22. März. Hinrichtung. Ein schweres Verbrechen, das seiner Zeit so unge­heures Aufsehen erregte, hat heute seine Sühne ge­funden. Im Gefängnishof des Gr. Landgerichts wurde heute früh 7 Uhr, der in letzter Schwurgerichts­periode wegen Ermordung und Beraubung des Holz­händlers und Landwirts Schneider von Freiolzheim