33. Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 68. Jahrgang.
'LMd Msli! iisäMAL
el-LiroLw
BW
sSMM
/»HKN
.'ML
SAtzE«--
MM.
Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag.
Di- Sinrncknngsgebiihr b-trägt im Bezirk und nächster Umgebung S Psg. dis Heile, sonst >2 Psg.
Amtliche Aekarmtmachnngerr.
In Dachtel ist die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen.
Calw, den 14. März 1893.
K. Oberamt. Lang.
Deutsches Deich.
Gaprivis Rücktritt oder Reichstagsauflösung.
Von gut unterrichteter Seite meldet man in Bezug auf die Abstimmung in der Militärkommission und die Folgen dieser Abstimmung aus Berlin: Nachdem verschiedene Oppositionsblätter angekündigt haben, daß in diesen Tagen die Frage der Reichstagsauflösung oder der Rücktritt des Reichskanzlers der Entscheidung erheblich näher gerückt sei, haben sich auch Blätter anderer Parteien einer solchen Alternative zugänglich erwiesen und sich teils so, teils so entschieden. Ein in Wirklichkeit gar nicht gehaltener Vortrag des Reichskanzlers beim .Kaiser und eine preußische Ministersitzung, in der es sich um ganz andere Dinge als um die Militärvorlage handelte, wurden als bedeutsame Zeichen der Lage angesehen, und über die Person des Nachfolgers Caprivi allerlei Vermutungen angestellt. So spricht man z. B. vom Finanzminister Miguel als dem zukünftigen Reichskanzler. Diese Vermutungen beruhen auf einem Verkennen der wirklichen Lage. Der Rücktritt des Reichskanzlers ist nicht wahrscheinlich. Graf Caprivi wird voraussichtlich Reichskanzler bleiben, auch wenn von diesem Reichstage die Militärvorlage abgelehnt wird. Das nach jeder Richtung negative Ergebnis der ersten Commissionslesung hat nichts daran geändert, daß es sich um eine Verständigung oder um Reichstagsauflösung handelt. Sehr wohl möglich erscheint eine Verständigung zwischen Conservativen und Nationalliberalen, fraglich aber ist, ob einem solchen Compromiß die zur Mehrheit nötige Anzahl von Abgeordneten anderer Parteien beitreten würde. Wer das verneint, steht r>or keiner Alternative und braucht nur mit dem einen Falle zu rechnen: mit einer Reichstagsauflösung.
Stuttgart, 16. März. In der gestrigen Sitzung trat die Abgeordnetenkammer in die Beratung des Etats ein. Sachs betonte, daß es im Lande große Ueberraschung hervorgerufen habe, daß man wieder zu den früheren Steuersätzen für die direkten Steuern zurückgreifen wolle, und sprach weiter sein Bedauern darüber aus, daß die Staatsbeiträge für die Gemeinden im gegenwärtigen Etat nicht wieder eingestellt worden seien, da man sich an 'vielen Orten in Erwartung derselben auf größere Straßenbauten eingelassen habe. Haußmann- Gerabron» benutzte die Generaldebatte über den Etat, um über verschiedene politische Fragen sich zu verbreiten. Er besprach die Frage der direkten und indirekten Steuern und sprach sich für eine progressive Einkommensteuer aus; er streifte sodann die Frage der Tarifreform im Verkehrswesen und weiterhin die Frage der Einziehung der Gesandtschaften, wobei er auch auf den im Neuen Tagblatt zu Gunsten der
Samstag, den 18. Mär; 1893.
Beibehaltung der Gesandtschaften in Wien und München erschienenen längeren Artikel zu sprechen kam. Als er sodann den Fall Hegelmaier zur Sprache bringen wollte, wurde er vom Präsidenten darauf hingewiesen, daß der Gegenstand in der nächsten Woche beim Ministerium des Innern zur Sprache kommen werde; als Haußmann auf der Besprechung bestand, da ja auch die deutsche Partei den Beschluß gefaßt habe, die Frage in der Kammer zur Sprache zu bringen, erklärte v. Wolfs, die Kammerfraktion sei bei jenem Beschluß nicht beteiligt gewesen; schließlich wurde darüber abgestimmt, ob Haußmann das Wort über diesen Gegenstand erhalten solle, und mit 62 gegen 15 Stimmen (diejenigen der Linken und des Abgeordneten Stälin) dies verneint. Im weiteren Verlaufe der Ausführungen des Abgeordneten von Gerabronn, der nunmehr die Frage der Ver- fassungsrevission und später die Frage der Wahlbeeinflussungen behandelte, kam es infolge der Unterbrechungen, die er erfuhr, zu einem erregten Auftritt zwischen ihm und dem Präsidenten. Nach einer kurzen Erklärung des Ministerpräsidenten Dr. Frhrn. v. Mittnacht, der bei Beratung des Antrages, betreffend die Abänderungen der Bestimmungen des Wahlgesetzes, dem Abgeordneten Haußmann erwidern wird, und einer weiteren Bemerkung des Abgeordneten Haug, der für die Gewährung von Staatsbeiträgen an die Gemeinden aus Nestmitteln eintrat, ergriff der Finanzminister Dr. v. Riecke das Wort. Den Abgeordneten Sachs und Haug entgegnete er, daß Staatsbeiträge, allerdings nicht in der bisherigen Höhe, was ohne Steuererhöhung unmöglich sei, aber doch in geringem Umfang den Gemeinden noch zugewendet werden sollen; dem Abgeordneten Haußmann gegenüber bemerkte er, daß wenn die Militärvorlage zum Gesetz würde, zunächst auf die Restmittel zurückgegriffen werden müsse, doch werde eure Erhöhung der Matrikularbeiträge wohl nicht zu umgehen sein; würde die Malzsteuer in der Brausteuergemeinschaft erhöht werden, so müßten auch wir mit Erhöhung unserer Malzsteuer Nachfolgen. Nachdem verschievene Redner noch über die Schaffung einiger pensionsberechtigter Beamtenkategorien gesprochen, wurde die Generaldebatte über den Etat geschloffen und in die Einzelberatung eingetreten, worauf Kap. 1 und Kap. 4 bis 9 erledigt wurden. Kap. 2 (Apanagen und Donativ- gelder) blieb auf Wunsch des Ministerpräsidenten ausgesetzt, da eine Erklärung des Herzogs Philipp über die Donativgelderfrage zu erwarten steht, auch Kap. 3 (Staatsschuld) wird erst später behandelt werden.
Stuttgart, 16. März. Abgeordnetenkammer. Heute beriet man die Gesetzesvorlage betr. die Steuerbefreiung neubestockter Weinberge, wobei Referent Stock mayer daran erinnerte, daß die Frage, wie der mißlichen Lage der Weingärtner abzuhelfen ist, schon lange die Regierung und die beteiligten Kreise beschäftigte. Neben dieser Vorlage sei auch noch ein Entwurf betr. die Besteuerung der Kunstweinfabrikation zu erwarten. Wenn der Entwurf auch in finanzieller Hinsicht von keiner großen Bedeutung sei, so sei derselbe von den Weingärtnern doch mit Befriedigung ausgenommen worden, denn sie sehen darin die helfende Hand und. das Wohlwollen der Regierung. Minister Dr. v. Riecke
Abonnementspreis vierteljährlich in der Stadt SV >Psg. u«d 2v Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 15, sonst 1» ganz Württemberg Mk. 1. 35.
machte sehr eingehende Mitteilungen über den Ertrag unserer Weinberge, die Kulturkosten und Weinpreise und berechnete die Summe des Steuerausfalles mit jährlich 21,200 °^. Minister v. Schmid hob seinerseits das Bestreben der Regierung hervor, den hochachtbaren charakterfesten Weingärtnerstand wieder zu heben. Auch v. Hofacker, Meyder und Schnaidt sprachen sich über die Vorlage sehr sympathisch aus. Nachdem zur allgemeinen Debatte noch v. Hofacker, Meyder, v. Ellrichshausen, Schnaidt, Auer, Essich, Wagner und der Minister v. Schinid das Wort ergriffen haben, tritt man in die Spszial- beratung der Vorlage ein.
Berlin, 16. März. In der Militär- kommission des Reichstags beantragte heute v. Bennigsen (n.l.) eine Friedenspräsenz von 462 000 statt 492069. Die Fußtruppen sollen 2 Jahre bei der Fahne dienen, 5 Jahre der Reserve angehören. Anstatt 477 Eskadrons sollen 465, anstatt 37 Bataillone Feldartillerie 31, anstatt 24 Bataillone Pioniere 20 eingesetzt werden. Die unter den 711 Bataillonen befindlichen 173 Bataillonsstämme sollen nur so lange formirt werden, als die 2jährige Dienstzeit der Fußtruppen festgesetzt sei. In der Debatte erklärt der Reichskanzler den Antrag Lieber für unannehmbar. Der Antrag Bennigsens enthalte die Anerkennung des Grundgedankens der Regierung, genüge aber den militärischen Anforderungen nicht. Bezüglich der Deckungsfrage würde die Regierung auch andere Vorschläge, als die sie selbst gemacht annehmen. Richter (d.fr.) beantragt, die Friedenspräsenz vom 1. Okt. 1893 bis 31. März 1895 auf 486 983 Mann festzustellen.
Eine Aeußerung des Kaisers. In Abgeordnetenkreisen erzählt man eine Aeußerung des Kaisers, die für die Lage charakteristisch sein dürfte. Von Seiten der Anhänger der Zedlitz'schen Schulvorlage, so habe der Kaiser sich vernehmen lassen, sei deren Zurückziehung als ein Akt der Schwäche, als ein Zurückweichen vor einer künstlich gemachten Erregung der öffentlichen Meinung dargestellt worden, und das sei ganz unrichtig. Nicht zurückgewichen sei man, sondern der Kaiser habe gerade an seiner Ueber- zeugung festgehalten und sich einen Versuch untersagt, ihn in eine andere Richtung zu ziehen. Trotzdem werde die Krisis des Schulgesetzes immer als das Zeichen einer schwachen Regierung hingestellt. Die Militärvorlage werde jetzt Gelegenheit geben, durch die That zu zeigen, wie ungerecht dieser Vorwurf sei. Es werde der Beweis geliefert werden, daß der feste Wille seines Großvaters auch in Kaiser Wilhelm II. lebendig sei.
Cayes-Neuigkeiten.
— Freunde der Viehzucht dürfte es interessiren, daß im Stalle des Herrn Koch zum unteren Bad in Liebenzell ein 5 Wochen altes Saugkalb das respektable Lebendgewicht von 226 Pfund erreichte. Das Riesenkalb wird von Metzger Diefenbach in Liebenzell ausgehaurn.
:: Oberkollwangen. Von der hiesigen Jagdgesellschaft sind auch Heuer wieder die zwei ersten Schnepfen im Bezirk geschossen worden.