2

kilage zumCalwer Wochenblatt"

Nro. :!<>.

Iseuicteton.

Die Adoptivtochter.

Erzählung von K. Labacher.

(Fortsetzung.)

Und ihr Vater, Herr Graf?" sagte Frau Anna ohne besondere Betonung und doch klang es fast betäubend in die Ohren des jungen Mannes.

In dieser Beziehung wartet meiner allerdings ein schwerer Kampf," er­widerte er gesenkten Augen.Aber ich werde ihn siegend bestehen, so wahr ich Elisabeth liebe!"

Und meinen Sie, daß Elisabeth eine Ehe eingehen wird, die mit eine« Fluche, dem väterlichen Fluche, beladen ist, Herr Graf? Meinen Sie, daß sie die Ursache sein will, wenn der Sohn sich den Geboten Gottes und den Sitten der Menschen entgegen wider den Vater auflehnt im thörichten Ungehorsam? Elisabeth liebt Sie, das hat sie Ihnen nicht verhehlt, und ich, als Mutter, will Ihnen keine Vorwürfe machen, daß sie das Herz der Armen mit Wünschen erfüllt haben, die sie für immer von sich weisen muß. Aber Eines können wir beide von Ihnen ver­langen, daß Sie keinen Versuch mehr machen, noch mehr Schmerz und Unruhe unter diese« bescheidene Dach zu bringen, als Sie schon gethan haben. Ihre Bemühungen, zu Elisabeth zu dringen, wären ohnehin fruchtlos sie hat mich gebeten, Ihnen das zu sagen, sie selber will Sie nie wieder sehen!"

Und Elisabeth meint, daß ich mich aus so nichtigen Gründen abweisen lasse und mich jetzt zurückziehe, nachdem ich um ihre Liebe für mich weiß?" erwiderte der Graf einer Stimme, in welcher die tiefste Leidenschaftlichkeit zitterte.O, dann glaubt sie ja nicht an meine Liebe oder will sie mich nur auf die Probe stellen, ob ich so leichthin auf sie verzichte! Ja gewiß, so ist's, nicht wahr, Mutter? Elisabeth will mich und meine Liebe prüfen. Wie konnte ich das auch im Ernste nehmen? Sagen Sie ihr nur sogleich, daß ich ihre schelmische List durchschaut habe und ihr das ungerechte Mißtrauen verzeihe."

Sie irren sich, bei Gott, Sie irren sich!" sagte Frau Anna ergriffen, denn so viel Zärtlichkeit und Aufrichtigkeit leuchtete aus den Augen des jungen Grafen, daß sie nur Schmerz auf einen so liebevollen Gatten für ihr teures Lieschen verzichten konnte.Sie »rren sich," fuhr sie mit tiefem Ernste fort, als er die Hand über seine Augen legte und wie biS in's Innerste getroffen vor ihr stand.Elisabeth treibt keinen Scherz Ihnen. Ach, ich wollte, daß sie im stände wäre, an einen Scherz zu denken. Gehen Sie, Herr Graf, lassen Sie mein Kind den Feieden wiederfinden, dann allem wird es Ihnen Gott verzeihen, daß Sie emem unschuldigen Geschöpfe alle Lebensfreude geraubt haben."

Aber Elisabeth ist ja selbst schuld, wenn sie unglücklich ist und ich es mit ihr bin," brauste der Traf auf.Warum hat sich Elisabeth um meinen Vater zu kümmern? Ist ihr die Zufriedenheit meines Vaters, den sie nicht einmal kennt, mehr wert, als da« Glück desjenigen, den sie zu lieben vorgiebt?"

Fragen Sie Ihren Vater, Herr Graf, wie er über die Schuhmacherstochtcr, Elisabeth W>lk, denken würde, wenn sie zum Dank für alle Wohlthaten, die sie von ihm empfangen hat, so vermessen wäre, gegen seinen Willen die Hand seines Sohnes anzumhmen. Und nun leben Sie wohl, Herr Graf! Ersparen Sie uns jede ähnliche Szene."

Damü schlüpfte Frau Anna in die Hütte und schloß hastig die Thüre hinter sich zu. Graf Rudolf rief so laut, daß es auch Elisabeth hören mußte:Ich werde nicht verzichten!"

Dann entfernte er sich langsam gegen das Schloß zu, über die Worte nach­denkend, welche Frau Will zuletzt gesprochen hatte. Wohlthaten hatte Elisabeth von seinem Vater empfangen? Wie sollte er dieses Rätsel deuten? Den Reden des Verwalters nach war ja der alte Graf seit langen Jahren nicht in diese Gegend gekommen!

Frau Anna war zu Elisabeth zurückgekehrt und bemühte sich, ihr einzureden, daß der junge Hitzkopf sich bei reiferer Überlegung schon beruhigen werde, daß nun aller Kampf vorüber sei und er nur darauf ankomme, die Wunde still vernarben zu lassen.

Elisabeth nickte mit einem unsäglich wehevollen Lächeln.

Ja, vernarben" flüsterte sie.Jetzt blutet sie noch stark! Ach, könnte ich daran verbluten!"

Aber der Kampf war nicht vorüber, er begann vielmehr erst. Graf Rudolf wußte den alten Josef Will wohl zu finden und erzählte ihm, was vorgefallen war, wobei er seinen Schmerz und seine grenzenlose Liebe so lebhaft und erschütternd schilderte, daß der alte Mann heiße Thränen in den Augen bekam und gelobte, alles daran zu setzen, um Elisabeth von ihrer thörichten Entsagung, wie er es nannte, zu bekehren. Der alle Schuhmacher ließ sich leicht von dem jugendlich schwärmerischen und für seine Liebe begeisterten Rudolf bereden, daß so ein Grafentitel, im Ver­nünftigen betrachtet, eigentlich gar nichts sei, am wenigsten aber wert, daß zwei gute, junge Leute ihr Lebensglück deshalb verlieren sollten.

Und über dieses Thema breüete sich Josef Wilk zu Hause gar umständlich aus, in so bewegtem Tone Elisabeth ihn auch bat, sie nicht mehr zu quälen, ihr Entschluß sei ja unwiderruflich. Dieser häuslichen Not durfte das junge Mädchen nicht einmal auf Viertelstunden entfliehen, durfte nicht hinaus in ihren lieben herr­lichen Walö, wie «m« Gefangene mußte sie m der engen Hütte bleiben. T>at sie nur einmal über dre Schwelle, so sah sie Rudolf schon auf sie zueüen, um sie zu quälen und mit Buten zu bestürmen, daß sie schnell wieder zmücifluchtete in ihr Gefängnis. Öffnete sie das Fenster, so war es, als hätte er unsichtbare Geister m seinem Dienste, die es ihm verrieten, er kam alsbald und sprach zu ihr hinein, bi» sie sich wieder absperrt« von der so wohlthätigen Luft.

Ich ertrage diese Pein nicht mehr!" sagte sie endlich rotgeweinten Augm

zu ihrer Mutter.Rudolf muß von hier fort, oder ich gehe zu Giunde. Mein Gott, eS gehört ja eine übermenschliche Kraft dazu, sich fortwährend gegen etwas zu stemmen, was eigentlich das höchste Glück wäre. Und noch in derselben Stunde schrieb sie folgenden Brief:

Verehrter Herr Graf! Betrachten Sie diese Zeilen als eine teilweise Ab­zahlung j.ner Schuld, die Sie von meiner Kindheit an bei mir angehäuft haben. Rufen Sie Ihren Sohn zu sich, lassen Sie den jungen, feurigen Mann nicht hier in der gefähilichen Einsamkeit, wo sich seine Phantasie verirrte und sein Herz für eine Neigung empfänglich geworden ist, welche Sie mit dem aufrichtigsten Ent­setzen erfüllen muß. Ich habe Ihren Sohn kennen gelernt, ich weiß nicht, welche Gründe ihn bewogen, mir einen andern als seinen wahren Namen zu sagen genug, unter diesem falschen Namen schlich sich die Erwiderung seiner heißen Liebe in mein argloses Herz. Endlich wurden mir die Augen geöffnet. Was ich darauf beschloß, werden Sie erraten, wenn Sie Elisabeth je richtig beurteilt haben. Wirkungslos aber verhallt meine unbedingte, strenge Zurückweisung vor Rudolf'« Leidenschaft. Ich fühle mich ohnmächtig wieder ihn, darum kommen Sie mir zu Hilfe. Rufen Sie Ihren Sohn zu sich, erlösen Sie von dem bitteren Kampfe gegen ihr eigenes Herz die Ihnen ewig dankbare Elisabeth Will.

14 .

Graf Raveneck, der erst durch Elisabeth von dem eigentlichen Aufenthalte seines Sohnes unterrichtet wurde, trat sogleich die Reise zu dem Ungehorsamen an, da er auf die Gewalt brieflicher Ermahnungen und Befehle keine große Hoffnung setzte. Während des ganzen langen Weges beschäftigte ihn der Gedanke an seine Pflegetochter, die nun zum zweiten Male achtlos ein hohe« Glück von sich gewiesen halte, nur um den Forderungen ihres Pflichtgefühles zu genügen. Er, der blasierte Weltmann, der nie an eine wirkliche Tugend und menschliche Erhabenheit geglaubt hatte, fühlte etwas wie Bewunderung für dieses junge Mädchen. In einer Lehm­hütte zu leben, wenn man einen Palast hätte bewohnen können, das war ein Rätsel, dessen Lösung der Graf mit mehr Teilnahme und Interesse versuchte, als er je auf eine Angelegenheit gewendet hatte.

Seinem Sohne trat der Graf vieler Milde entgegen, er sah an des jungen Mannes kräftiger Gestalt und seinen elastischen Bewegungen wie sehr unrecht die Ärzte mit den Berichten über dessen bedenkliche Kränklichkeit gehabt hatten und wie seine Flucht nur eine Selbstverteidigung war. Von Elisabeth sprach der alte Graf viel und lange. Rudolf hörte nicht nur, daß er der Geliebten entsagen müsse, wenn er nicht den väterlichen Fluch auf sich hcrabbeschwören wolle, sondern auch, daß er nicht einmal mehr eine Schwester habe, daß er beide in der hochherzigen Elisabeth verliere. Er verzichte nicht ausdrücklich auf seine Liebe, aber dem Befehle seine» Vaters, sofort in die Residenz zu reisen, erklärte er sich nach anfänglich heftigem Widerstande plötzlich einverstanden. Nur begehre er, Abschied von Elisabeth nehmen zu dürfen, ohne einen solchen Abschied wollte er keinen Zoll des ihm so teuer ge­wordenen Bodens verlassen.

Der alte Graf versprach, auf diese Kapitulationkbedingung einzugehen und Elisabeth selbst für eine letzte Unterredung zu gewinnen. Er machte sich in dieser Angelegenheit sogleich auf den Weg nach dem Hause des Schuhmachers ; es drängte ihn auch eme gewisse Neugierde, seine Pflegetochter in so ganz neuer, ungewohnter Umgebung zu sehen und zu beobachten, wie sie sich darin fühlte und benahm.

Es war, als hätte das junge Mädchen seinen Besuch erwartet, so wenig überrascht zeigte sie sich bei seinem Eintritte. Sie schob ihm einen Stuhl hin und bat Katharine und den Vater leise, sie mit ihrem Gaste allein zu lassen.

Der Graf warf einen raschen, spähenden Blick auf Elisabeth; er mußt« sich gestehen, daß sie die groben, ärmlichen Kleider mit eben so viel Anstand trug, wie einst die kostbaren, seidenen Gewänder; das liebliche Gesicht trat aus der unscheinbare» Folie jitzt in noch holderen Reizen hervor, nur bleicher war es geworden von bitterem Schmerz, und die Augen hatten ihren früheren heiteren Ausdruck verloren.

Ich sehe Dich nicht gerne also wieder," begann der Graf, als sie schweigend vor ihm stehen blieb. »Diese Umgebung ist Deines Geistes, wie Deines vortreffliche» Gemütes unwürdig."

Elisabeth machte eine schmerzliche Bewegung nach ihrem Herzen hin.

Die Umgebung, wa« thut die zu unserem inneren Ergehen, Herr Graf? Ich habe Liebe hier gefunden, ich war zufrieden bis"

Bis der junge, ungestüme Störenfried kam und Dein Herz gewann," er­widerte der Graf einem leichten Lächeln.Er soll entfernt werden, da« ver­spreche ich Dir. Aber ich möchte gerne mehr für Dich thun. Du hast Dich so brav und edel benommen gegen mich, ich bin Dir für Deinen hochherzigen Verzicht auf meinen Sohn so viel Dank schuldig, Du hättest mir großen Kummer machen können und hast ihn auf Kosten Deines Herzens in Freude und Bewunderung Dei­ner Großmut verwandelt. Das kann nicht so ohne Vergeltung bleiben."

M>t einer adwehrenden Bewegung wandte sich Elisabeth zur Seite; sie wollte den Grafen nicht durch den Kampf in ihren Zügen sehen lassen, wie viel sie diese Entsagung kostete.

Er fuhr ganz freundlich fort:In mein Hau» kann ich Dich nun freilich nicht mehr zurückrufen, Du weißst ja warum. Aber ein würdige» Asyl kann ich Dir bieten. Ich überlasse nun Dir das Schloß hier zur Wohnung, Du magst auch Deine alten Eltern mit hinaufnehmen. Dian wird Dich als eine entfernte Ver­wandte von mir onsthen und achte». Bist Tu eS zufrieden, Elisabeth?"

N.m, o new!" ruf sie.Ich kann aus meine Liebe verzichten, abkaufen laste ich si. nicht!"

Welcher Gedanke, Du thörlchtes Mädchen. Es ist nicht mehr al» billig, wenn ich für De,ne Zukunft sorge."

(Fortsetzung folgt.)