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deutschen Weine auch nach dem Weingesetz unter den Begriff Wein fallen, endgiltige Entscheidung noch nicht ergangen sei. Donnerstag Fortsetzung. Vorher dritte Lesung des ägyptischen Handelsvertrags.

Berlin, 23. Febr. Der Reichs-Anzeiger meldet: Der Kaiser empfing heute mittag im Beisein des Ministerpräsidenten und des Landwirtschafts­ministers eine Abordnung der landwirtschaftlichen Zentralvereine der Ost Provinzen. Der Führer der Abordnung, Hr. v. Be low, überreichte mit einer Ansprache eine Denkschrift, in welcher die Wünsche der Landwirtschaft niedergelegt sind. Der Kaiser erwiderte hierauf folgendes :Ich danke Ihnen, Meine Herren, daß Sie zu Mir gekommen sind und sich unmittelbar an Ihren Landesvater wenden. Wie Mein unablässiges Streben auf das Wohl Meines Landes gerichtet ist, so ist es auch Mein Wunsch und Wille, den Schwierigkeiten und Sorgen abzuhelfen, mit welchen die Landwirtschaft zumal in den östlichen Provinzen zu kämpfen hat. Die Mittel und Wege, welche hiezu einzuschlagen sind, sind mannigfacher Art und schwieriger Natur; nur in längerer Zeit wird es, auch bei voller Hingabe Meiner Regierung an die gestellte Aufgabe, gelingen, dem angestrebten Ziele näher zu kommen. Dazu bedarf es vor allem des Friedens, zu dessen Erhaltung auch Sie beitragen können, indem Sie für die Stärkung unserer Wehrkraft eintreten. Die Wünsche, welche Sie vortragen, werden von Meiner Regierung eingehend geprüft und nach Mög­lichkeit berücksichtigt werden. Je mehr dies geschehen und das Gedeihen der Landwirtschaft gefördert werden kann, desto größer wird Meine Befriedigung sein, da die Landwirtschaft und die ackerbautreibende Bevölker­ung Mir besonders am Herzen liegen. Ich erblicke gleich meinen Vorfahren in ihr, wie ich vor drei Jahren in Königsberg auf dem Feste der Provinz ausgesprochen habe, eine Säule des Königtums, die zu erhalten und zu festigen Mir Pflicht und Freude ist, und Ich vertraue zuversichtlich, daß sie sich als solche in alter Treue allzeit bewähren wird."

Berlin, 21. Febr. Der Post zufolge sind 13 Russen, die kürzlich wegen revolutionärer Um­triebe verhaftet wurden, gestern wieder freigelassen worden. Acht von ihnen erhielten jedoch einen Aus. weisungsbefehl; sie müssen Berlin binnen 48 Stunden verlassen und werden heute Abend abreisen.

Tages-Neuiykeiten

Wildbad, 30. Febr. Die für unsere Bade­stadt hochwichtige Frage der Einführung der elek­trischen Beleuchtung ist ihrer endgiltigen Lösung wieder um einen Schritt näher gerückt. Nachdem, wie bekannt, die bürgerlichen Kollegien schon ver­flossenen Sommer einstimmig den Beschluß gefaßt hatten, nach Ablauf des mit der hiesigen Gasfabrik bestehenden Vertrags, das elektrische Licht hier einzu­führen und in der Zwischenzeit von Ingenieur Oskar v. Miller in München ein Plan hiezu ausgearbeitet

worden war, berichtete dieser verflossenen Samstag in einer Sitzung der bürgerlichen Kollegien eingehend über diesen Plan. Zur Beratung der bürgerlichen Kollegien waren auf ihr Ansuchen hiezu Reg.-Rat Haag von Stuttgart und Oberinspektor Ritter bei der k. Telegraphenanstalt von da erschienen. Der Vortrag und die Erläuterungen Millers, der neben den großen Vorzügen des elektr. Lichtes für unsere Badestadt alle in Betracht kommenden Verhältnisse sehr sachlich und gewissenhaft erörterte, fand bei allen Erschienenen großen Beifall. Von den von ihm aus­gearbeiteten Plänen für Gleichstrom und Wechselstrom empfiehlt Miller den Kollegien die Ausführung des Vorschlags für Gleichstrom mit Benützung einer beim Windhof oberhalb Wildbad 'gelegenen Wasserkraft und unter Anlage einer Akkumulatorenstation innerhalb der Stadt. Die Ausführung dieses Vorschlags käme im ersten Ausbau für 1200 gleichzeitig brennende Glühlampen zu 16 Kerzen ohne Reservedampfmaschine auf 204,000 ^ zu stehen, mit einer solchen von 4060 Pferdekräften um 23,300 höher. Ober­inspektor Ritter, welcher den Miller'schen Plan zuvor einer Prüfung unterzogen hatte, schloß sich den Aus­führungen Millers mit geringfügigen Abweichungen an und auch Reg.-Rat Haag befürwortete die Ein­führung dieser Beleuchtungsart, da die Eigenschaft Wildbads als Fremden- und Kurort namentlich hie- für spreche. In einer auf Einladung des Stadt­schultheißen Bätzer abends im Restaurant Funk zu­sammengetretenen Versammlung der hiesigen Bürger­schaft berichtete Miller nochmals über seine Pläne und fand auch hier allgemeinen Anklang.

H. Pforzheim, 22. Febr. Heute Abßnd gegen 10 Uhr wurde unsere Einwohnerschaft durch Feuerlärm in Aufregung versetzt. Auf noch un­aufgeklärte Weise war in den Ladenlokalitäten des Herrn Louis Franzmann am Marktplatz Feuer aus­gebrochen. Da dj^ Feuerwehr rasch zur Stelle war, ward die Gefahr rasch beseitigt. Immerhin ist der Schaden nicht unbedeutend. , Eine große Anzahl Weiß- und Wollwaren sind teils verbrannt, teils angebrannt oder sonst beschädigt. Franzmann ist versichert. Etwa 3000 Personen hatten sich auf dem Marktplatz zu­sammengedrängt gehabt.

Eßlingen, 22. Febr. Heute früh 7 Uhr ereignete sich auf dem hiesigen Bahnhof ein Unglück. Der 24jährige Arbeiter Clauß von Plochingen, der auf dem Schienengeleise mit dem Anziehen von Bolzen­schrauben beschäftigt war, wurde von einer Lokomotive, die in die Remise zurückfuhr, ergriffen und überfahren. Man verbrachte den Verunglückten sogleich ins städtische Krankenhaus, wo er im Laufe des Vormittags starb.

Horb, 20. Febr. Nachdem die mittlere und untere Stadt 2mal durch Wassersnot Nachts in große Angst versetzt worden war, wurde die ganze Stadt Nachmittags auch noch durch Feuerlärm, der durch einen im Hospitalgebäude ausgebrochenen Brand veranlaßt war, erschreckt; glücklicherweise stellte sich der Brand nur als ein Kaminbrand heraus, welcher.

ohne daß er viel Schaden angsrichtet hätte, nach 1 Stunde gelöscht war.

Bietigheim, 20. Febr. Die mehr und mehr sich unter den jungen Burschen einbürgernde Un­sitte, Taschenrevolver zu tragen, hat wieder ein Un­glück herbeigeführt. Von zwei fünfzehnjährigen Burschen, welche sich miteinander stritten, zog plötzlich der eine seinen Revolver aus der Tasche und schoß denselben gegen die Brust seines Gegners ab. Nur einem glück­lichen Umstand war es zu verdanken, daß die Kugel nicht tief eindrang. Bereits hat die Staatsanwalt­schaft Kenntnis von der Sache und der junge^Revolver- held wird erfahren müssen, daß es nicht angeht, seinen! Gegner so ohne weiteres über den Haufen zu schießen., Ellwangen, 20. Febr. Viehmarkt. Dem heutigen Viehmarkt waren etwas über 1300 Stück zugeführt. Der Handel ging etwas weniger lebhaft! wie am kalten Markt. Wie schon längere Zeit her war auch auf diesem Markt zum Schlachten gut ge­eignete Ware am meisten begehrt. Was die Vieh­preise betrifft, so kann weder ein Auf- noch ein Ab­schlag konstatiert werden. Unter Berechnung des aus­genüchterten Zustandes wurde u. A. ein 2220 Pfund^ wägendes Paar Ochsen um 31 ^ pro Zentner Lebendgewicht verkauft. Für ein Paar Ochsen, das 2200 Pfd. wog, wurden 712 ^ bezahlt und ein Paar Ochsen mit 2150 Pfd. um 612 ^ verkauft. Für ein Paar Ochsen, das 2400 Pfd. wog, sind- 720 für ein 800 Pfund wägendes Rind 197 und für ein weiteres Rind, das 700 Pfd. wog, 200 ^ erlöst worden. Was die Ochsen anbelangt, so waren "Ärch noch schwerere Exemplare am Platze, es kamen aber solche heute nicht auf die Wage. Das gewiß, billige Woggeld pro Stück 20 -rZ sollte bei einer Ware von etlichen Hunderten an Wert doch von, dieser lehrreichen Handlung nicht abhalten. Per Bahn, sind von diesem Markte mit verkauftem Vieh beladen, abbefördert worden 25 Wagen und zwar in der Rich­tung nach Crailsheim 2, Mergentheim 10, Crails- Heim-Hall 3, Jagstfeld 2, Bopfingen 1, Unter- böbingen 1, Schnaitheim 1, Stuttgart 3, Cannstatt 1 und Besigheim 1. _ (Jagsiztg.)

Standesamt ßakw.

Geborene:

23. Febr. Karl August, Sohn des Wilhelm Friedrich. Schaub, Schuhmachermeisters hier.

Gestorbene:

23. Febr. Emil Georg Buck, Tapezierer, ledig hier, 24 Jahre alt.

23. Johann Michael Schneider, Tuchmacher

_hier, 72 Jahre alt._

Samstag, 25. Februar.

Kirchliche Feier des Geburtsfestes. Seiner Majestät des Königs. Vorm. 10 Uhr Predigt: Herr Dekan Braun.

Gottesdienst

am Sonntag, den 26. Februar.

Vom Turm: 131. Predigtlied: 129.

Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun. 1 Uhr Christenlehre mit den Töchtern. 5 Uhr Bibelstunde im Vereinshaus: Herr Stadtpfarrer Eytel.

Mittwoch 10 Uhr Betstunde.

diesem abgelegenen Ort erforscht uns Ihr Herr Vater gewiß nicht. Und da drunten im Walde giebt eS Edelwild, in so gutem geschonten Stande, daß es eine wahre Freude für den Jäger ist. Da können Sie ihre Lust kühlen, bis es gegen ein anderes Wild geht, gegen einen übermütigen Feind!"

Der junge Mann blickte seinen Diener freundlich an und ein schelmisches Lächeln verschönte sein angenehmes Gesicht.

Wie schwer wird Dich der Zorn meine- Vaters treffen, wenn er erfährt, daß Du meine Flucht unterstützt hast."

Aber das war die väterliche Autorität mißbraucht." setzte er ernster hinzu. Mich starken, gesunden Menschen noch länger an dem Gängelbande der Doktoren Hallen zu wollen, mir bei seiner Ungnade zu gebieten in Madeira zu bleiben, während das ganze Volk unter Waffen steht, war dos nicht zu hart, alter Robert? Bin ich nicht im Rechte, ihm zu trotzen und ihm zu zeigen, daß ich nachgerade die Kinder­schuhe abgestreift habe?"

Wäre rch hier bei Ihnen, wenn Sie Unrecht hätten, Herr Graf? Und un­besorgt? Nach Ihrer ersten Waffenthat, wenn Sie ihm mit dem Celbstbewußtsein einer erprobten Mannes entgegentreten können, wird er sich wie alle Väter bei ähnlichen Gelegenheiten benehmen. Er wird stolz sein und gerne die übergroße Sorge für ihre Gesundhell aufgeben."

Glaubst Du, daß eS wirklich nur diese Sorge ist, die meinen Vater veran- laßte, mich noch länger aus Europa verbannen zu wollen?" fragte der junge Graf, indem er einem eigentümlichen Lächeln seine langen Haare aus der Stirne strich. Ich habe mir berichten lassen, daß mein Vater ein Lebemann ist, der eS vielleicht nicht gerne sieht, wenn rin erwachsener Sohn"

O, Herr Graf, rühren Sie daran nicht," unterbrach Robert, ganz gegen den Respekt, seinen jungen Gebieter.Das ist Ihnen von Leuten berichtet worden, di« sich durch ihre speichelleckerischen Briefe der Gunst de- künftigen Haupte- der gräflichen Familie schon bei guter Zell versichern wollten und denen r» dabei nicht

darauf ankam, eine Hand voll Mißtrauen und Zwietracht zwischen Vater und Sohn zu säen. Psui über dergleichen Menschen. Ich hatte zu Ihnen, Herr Graf, wo es gilt, Ihre Mannhaftigkeit gegen die Kelten zu verteidigen, die Ihnen die geldgierigen Mediziner noch länger anlegen möchten. In allem Anderen aber werde ich Sie immer bitten, gehorsam gegen Ihren Herrn Vater zu sein und sich nicht durch das böse Gerede gewisser Leute von ihm entfremden zu lassen."

So recht, wackerer Alter!" lächelte Graf Rudolf.Und jetzt gieb mir andere Kleider. Ich möchte den schönen Nachmittag zu einem Spaziergang benützen. Ha, es ist doch etwas herrliches, wenn man sich endlich die Freiheit errungen hat. Ich kann Dir nicht beschreiben, wie ich mich freute, daß wir dem unausstehlichen Dollar entwischt sind. Und wie der eine tüchtige Nase von meinem Vater bekommen wird, weil er den Vogel hat entfliegen lassen! Nur Eines macht mir Kummer!* fuhr er nach einer Pause mit plötzlich umdüsterter Stirne fort.Ich hätte so gerne meine Schwester wiedergesehen, oder eigentlich erst kennen gelernt. Elisabeth muß ein. gutes schönes Mädchen geworden sein, ihre Briefe sind entzückend!"

Warum schön?" fragte Robert lächelnd.Kann man das auch aus Briefen schließen?"

Man hat so seine Phantasier»," meinte Gras Rudolf. Ich kann mir Elisabeth nun einmal nicht anders als mit einem echten Madonnengesichte und blauen Kinder­augen vorstellen. Und wir wollen sehen, Alter, ob ich nicht recht behalte."

Kann sein, Herr Graf. Die Komtesse Elisabeth war ein schönes und liebeSKind."

Und nun adieu, Robert!" brach Graf Rudolf das Gespräch ab, denn er war jetzt völlig umgekleidet!

Was meinen Sie, Herr Graf, ist eS nicht etwas zu windig zu einem Spazier­gange?" fragte Robert in einem pedantisch besorgten Tone, den indessen seine lustige, pfiffige Miene Lügen strafte.

(Fortsetzung folgt.)