L76
verfolgt von dem in einen langen Mantel gehüllten und mit Schirm versehenen Manne. Ihre Hilferufe wurden gehört. Ohne Zweifel war es auf das Geld der Frau abgesehen und hat der bis jetzt Unbekannte jedenfalls Kenntnis gehabt, daß diese Frau, welche einige Tage vorher 2 Kühe verkauft und von ihrem verstorbenen Ehemann 8000 geerbt, bares Geld daliegen hatte.
Pfullingen, 14. Nov. Vor einigen Tagen stießen die Arbeiter in einem Sandsteinbruch auf eine Höhle. Dieselbe hat an der Oeffnung eine Höhe von etwa 1,20 m und eine Breite von 2 m. Hinter einer Einsenkung, durch die ein Mann noch eindringen kann, folgt ein größerer Gang in der Richtung gegen das Echatzbett, dessen Ausdehnung bis jetzt noch nicht bekannt ist. Die Decke der Höhle zeigt auffallend schöne Tropfsteinbildungen (meist in Traubenform), welche aber alle, da das Wasser über eisenhaltigen^ braunen Jura sickert, einen rostroten Ueberzug habeiz. Im gleichen Bruch wurde eine römische Armspange gefunden.
EKersbach a. F., 15. Nov. Endlich ist der schon seit vergangenem Sommer vermißte Feld- und Waldschütz Bader, aus dem '/« Stunde von hier entfernten Sulpach gebürtig, in einem Walde auf Bünzwanger Markung t o t ausgefunden worden. Bei einer vorigen Freitag dort abgehaltenen Hasenjagd drangen die Jäger auch in das dichte Gehölz einer Nadelkultur ein und fanden daselbst noch das Skelett des längst Vermißten; doch war derselbe noch an verschiedenen Spuren (Stiefeln, Kappe u. dergl.) zu erkennen. Bei der geringsten Berührung aber soll sich alles abgelöst haben, und die Knochen sollen umhergelegen sein. Ob als Todesursache Selbstmord oder Unglücksfall vorliegt, ließ sich nicht mehr genau bestimmen.
Heilbronn, 16. Nov. Gestern abend kam ein verheirateter Steinhauer betrunken nach Hause, warf das bereitstehende Nachtessen auf den Boden, seine Frau zur Thüre hinaus, schloß letztere zu und schleuderte dann die brennende Petroleumlampe an die Thüre, daß sie in Trümmer ging. Das Petroleum entzündete sich, das Feuer ergriff die Thüre, und der also Demonstrierende wäre verloren gewesen, wenn nicht der Hausbesitzer die Thüre gesprengt und that- kräftig eingegriffen hätte. Neben dem physischen und moralischen Katzenjammer dürfte denselben auch noch eine Strafe wegen fahrlässiger Brandstiftung treffen. Der böse „Neue"!
— Ueber das Treiben eines Schwindlers geht dem „Elsässer" folgende Zuschrift zu: Vor etwa 8 Tagen kommt da ein „feiner" Herr aus Köln nach Straßburg, um, wie er vorgab, Agenten für eine belgische Versicherungsgesellschaft zu suchen, und läßt auch diesbezügliche Annoncen in verschiedenen Zeitungen erscheinen. Zwei Männer sprachen denn auch bei dem Herrn vor. Derselbe versprach gleich für den Anfang sehr hübsche Löhne, nur mußte — das war
ja selbstverständlich — Kaution gestellt werden. Der eine hinterlegte bei dem Herrn 500, der andere 25 Bis dahin war alles in Ordnung. Aber, als nach zwei Tagen die Kautionssteller pflichteifrig antraten, um ihren neuen Dienst zu beginnen, war der „feine" Herr verschwunden und die 525 ^ Kaution mit ihm.
Berlin, 17. Nov. Für die Familien der zu Friedensübungen berufenen Mannschaften sind zum erstenmal 2 Millionen in den Reichsetat eingesetzt.
Wien, 17. Nov. In Budapest verlor gestern ein Postwagen ein Packet mit einer Million Gulden. Zwei Marktweiber fanden das Packet und brachten dasselbe zur Polizei. Die Postdirektion verweigerte die Auszahlung des in Ungarn üblichen zehnprozentigen Finderlohns, woraus ein Prozeß entstehen dürfte.
-Vk-
— JnderWasserwerksangelegenheit ^Alt- und Neubulach's erhalten wir noch die Zuschrift des Unterzeichneten, nach deren Aufnahme wir die Sache derart abgeklärt erachten, daß es einer weiteren Unterstützung unsererseits nicht mehr bedarf. Die Redaktion.
Zur Wasserwerksfrage Alt-, Neubplach.
Auf die Ausführungen des Herrn Kr über in Nr. 135 d. Bl. gestattet sich der Unterzeichnete Nachstehendes zu erwidern:
Allerdings untersuchte Herr Baurat Ehmann am 22. Okt. die Wasserleitungen Alt- und Neubulachs, leider aber konnte er, weil am gemeinschaftlichen Reservoir noch keine Maßeinrichtung angebracht war, über das von der Altbulacher Maschine gelieferte Wasserquantum kein sicheres Resultat gewinnen; doch glaubte man annehmen zu können, das betr. Werk liefere wenigstens das vertragsmäßig verlangte Wasserquantum, 21,600 Liter pro Tag. Bedauerlicherweise ist das aber, wie weiter unten ersichtlich ist, nicht einmal der Fall. — An der Leistungsfähigkeit der Maschine wurde hierorts noch nie gezweifelt, wohl aber herrschte von Anfang an die Ansicht, daß das Triebgefäll zu gering und daher auch das Förderquantum nicht hinreichend sei. Daß durch „Vermehrung des Triebgefälls" d. h. durch Verlegung des Maschinenhauses thalabwärts oder durch „Aufstellung eines Hilfsmotors" dem Uebelstande abgeholfen werden könnte, war bei uns ebenso bekannt, daß aber beides weitere erhebliche Kosten verursachen würde, kann nicht als Nebensache angesehen werden. „Zur Vermeidung ferneren Streites wird die Erbauung eines eigenen Reservoirs für Altbulach als sehr wertvoll empfohlen." Nach dem jetzigen Stand der Dinge ist es aber mehr als fraglich, ob ein solcher Behälter zweckmäßig wäre, ganz abgesehen von den hiefür notwendig wervenden weiteren 6—8000 °^. — Nachdem im Verlauf der letzten Wochen reichlicher Regen das Erdreich getränkt hat, wird auch Herr Kröber zugeben müssen, daß jetzt die Stollenquelle mindestens so stark ist, als „die geringste bis vor Ausführung — des Altbulacher Werks — gemessene Triebwasser
menge." Um das einzusehen braucht man keine eingehende Kenntnis von hydraulischen Dingen, noch vielmehr irgend welche böswillige Absicht. Weil aber Herr Kröber so sehr darauf pocht, das Altbulacher Werk liefere das verlangte Wasser und er habe nicht: den Auftrag gehabt, das Werk für höhere Leistungen anzulegen, so sei ihm erwidert, daß Neubulach bloß verlangt, die Nachbarleitung solle auch Wasser ins Reservoir liefern, denn gerade daran fehlts, wie sich Herr Kröber nunmehr jederzeit selbst überzeugen kann.. Recht eigentümlich nimmt sich die Behauptung Herr Kröbers aus: Neubulach habe „keinen Pfennig zu den Kosten des Baues beigetragen oder in Aussicht gestellt." Von wem haben denn die Altbulacher ihre Quelle erhalten? Ist diese überhaupt nichts wert? — Nach Herr. Kröber könnte man glauben, die Gemeinden Alt- und Neubulach seien im Streit mit einander. Anfangs gabs allerdings Reibereien, seit aber Altbulach sich über die Mängel seiner Leitung aufgeklärt hat, gehen beide Ortschaften Hand in Hand, so daß gestern eine genaue Messung beider Leitungen vorgenommen werden konnte. Zu diesem Zweck wurde im Reservoir eine Vorrichtung angebracht und sodann sämtliche Brunnen und Hausleitungen in beiden Gemeinden auf einige Stunden amtlich abgeschloffen resp. versiegelt. Die Vertreter beider Orte, sowie der Bauführer über die Altbulacher Leitung nahmen nun die Messung vor. Diese ergab für das Altbulacher Werk 25 Liter in 160 Sekunden, also täglich 13,500 Liter (Vertrag 21,600 Liter), während die Neubulacher Leitung in 40 Sekunden 25 Liter, also pro Tag 36,000 Liter liefert. Beide Maschinen waren auf 40 Touren gestellt. Nach dieser Messung steht es unzweifelhaft fest, daß die Gemeinde Altbulach „aus- ihrer eigenen Maschine" nicht hinlänglich mit Wasser versorgt ist. Wahrscheinlich wäre der Aufsatz des Herrn Kröber vor Druck bewahrt geblieben, wenn ihm das Resultat obiger Messung vorher bekannt gewesen wäre.
Neubulach, den 16. Nov. 1892.
Jul. Hermann.
Gottesdienste
am Sonntag, den 20. November.
Vom Turm: 151. Predigtlied: 152. Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun. 1 Uhr Christenlehre mit den Söhnen. 5 Uhr Bibelstunde im. Vereinshaus: Herr Stadtpfarrer Eytel.
Kreitag, 25. November.
Vorm. 10 Uhr Vorbereitung und Beichte.
Standesamt ßakrv.
Geborene:
3. Nov. Anna Bertha, Tochter des Ludwig Baral, Fabrikarbeiters hier.
Gestorbene:
5. Nov. Karl Christian Kiefer, Wagner von Arnbach, OA. Neuenbürg, 53h- Jahre alt. 17. „ Luise Wagner, ledig hier, 24 Jahre alt.
am Wegesrande hin und band meinen Grauschimmel, der durch seinen aufgeregten Kameraden gleichfalls unruhig geworden war, daran fest.
„So! Ich stehe zu Diensten. Wo sind Sie aber?"
„Hier! Die Glocke läutet ja ununterbrochen, das Handpferd schüttelt sich fortwährend. Reichen Sie eine Hand herauf, hierher, so, da haben Sie die Leine! Ich will aus dem Schlitten heraus und das Pferd frei machen!"
„Darf ich das nicht lieber besorgen?"
„Nein, danke! Ich weiß mit dem Riemenzeug Bescheid. Da wäre ich!"
„Sie kommen hier bis über die Knie in den Schnee."
„Schadet nichts! Haben Sie die Leine gefaßt? Ja? Dann halten Sie nur fest. Wo der Braune und Christian nur geblieben sind? Die beiden sind lautlos versunken."
Das Handpferd wälzte sich unbeholfen hin und her und bewegte seine Glocke, wir wußten laut und in Absätzen reden, um einander verständlich zu werden. Dazu flogen einem die Flocken in den Mund, wenn man ihn austhat, so dicht schneite es. Aber es war eine wohllautende Stimme, die zu mir sprach, eine junge, frische Stimme.
„O, o, komm, komm; nicht so wild, Alter, so, so," redete sie dem Pferde zu, dann wieder zu mir: «Haben Sie ein starkes Messer bei sich?"
„Ja, warten Sie einen Augenblick. Hier!"
Ich hatte den Pelzhandschuh ab gestreift, um in meiner Rocktasche zu suchen; jetzt fühlte ich etwas Seidenweiches, Warmes an meiner Rechten, eine gleichfalls handschuhlose Damenhand.
„Werden Sie sich nicht verletzen?" fragte ich besorgt.
„Hoffentlich nicht, das Pferd schlägt freilich heftig um sich. Aber es wird gehen, da, nur ruhig, ruhig, willst du wohl! Da hätten wir den Kopf frei. Nun auf, Hans, auf!"
Ein vermehrtes Schellengeläut, gleich darauf tiefe Stille belehrten mich, daß das Wagstück gelungen war.
„Und nun Christian und der Braune!"
.Gestatten Sie jetzt, daß ich nach den beiden sehe, kommen Sie hierher in den Schlitten!" rief ich lebhaft. „Nein, nein, keine Widerrede, ich bitte! Hier ist die Leine!"
„Und da Ihr Messer, vielen Dank!"
Wieder tastete die weiche, kleine Hand sich zu der meinigen herüber, und es gab mir ein so seltsam reizendes Gefühl, sie zu berühren, daß ich die Fahrleine sehr sorgfältig abgab.
Es fand sich, daß Christian mitsamt dem Braunen im Graben lag, von wo jetzt unartikulierte Laute zu mir empordrangen. Der Schlitten schwebte haarscharf am Rande und war ganz zur Seite geneigt, es war ein bedenklicher Fall. Das Pferd in die Höhe zu bringen, hielt sehr schwer, zumal der Kutscher mir fast gar nicht beistehen konnte, augenscheinlich war er ziemlich stark angetrunken, dazu noch durch den plötzlichen Sturz in den Graben halb betäubt. Ich hielt es für meine Pflicht diese Thatsachen der Insassin des Schlittens in einem nicht sehr korrekten Französisch mitzuteilen.
Sie antwortete — der Wahrheit die Ehre, sie sprach sehr viel besser französisch, als ich — daß sie dies, leider zu spät, gleichfalls bemerkt habe, und fügte hinzu: „Was nun?"
Jawohl, was nun? Der Schlitten war zerbrochen, ein Pferd entschieden unbrauchbar — der Braune, der an allen Gliedern bebte und sich schwer verletzt haben mußte — ich konnte doch unmöglich nächtlicher Weile eine wildfremde Dame vor mich aufs Pferd setzen und mit ihr durch das wildeste Schneetreiben auf gut Glück irgend wohin reiten! Aber etwas mußte geschehen, das lag auf der Hand.
(Fortsetzung folgt.)