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2) der Nachweis der mit Erfolg bestandenen Lehr» zeit im Schmiedhandwerk und einer zwei­jährigen Thätigkeit als Schmiedgeselle, wobei der Bewerber schon im Hufbeschlag beschäftigt gewesen sein muß; die Zeugnisse hierüber muffen von den betreffenden Meistern selbst ausgestellt und von der Orts­behörde beglaubigt sein;

3) wenn der Bewerber minderjährig ist, eine Ein­willigung des Vaters oder Vormunds;

4) ein von der Gemeindebehörde des Wohnsitzes des Bewerbers ausgestelltes Prädikatszeugnis, sowie eine Bescheinigung derselben darüber, daß dem Bewerber die erforderlichen Geldmittel zur Bestreitung seines Unterhalts während der Unterrichtskursus zu Gebot stehen werden;

5) eine von dem Bewerber, und wenn derselbe minderjährig ist, auch vom Vater oder Vor­mund unterzeichnet« Erklärung, durch welche die Verbindlichkeit übernommen wird, die der Staatskasse erwachsenden Kosten zu ersetzen, wenn von dem Schüler der Unterrichtskurs vor seiner Beendigung ohne Genehmigung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft verlassen oder durch eigenes Verschulden die Entfernung aus demselben veranlaßt oder die Prüfung binnen einer gesetzten Frist nicht erstanden wird (Z 4 Abs. 2 der Verfügung des K. Ministeriums des Innern vom 11 Juni 1885).

Stuttgart, den 7. November 1892.

v. Ow.

Tages-Neuigkeiten.

Weilderstadt, 14. Nov. Gestern, Sonntag abend ereignete sich in dem nahegelegenen Schaf­hausen, OA. Böblingen, zwischen zwei jungen Burschen im jAlter von 19 Jahren eine höchst bedauerliche Unthat. Aus hier unbekannten Gründen erhielt der Sohn des Gutsbesitzers Mammel von seinem Gegner Kuhm 17 zum Teil lebensgefährliche Messer­stiche, so daß an dem Aufkommen des elfteren ge- zweifelt wird. Nach der heute vorgenommenen ge­richtlichen Untersuchung wurde Kuhm, der selbst leichter verletzt wurde, festgenommen.

Stuttgart, 14. Nov. Gestern abend zwischen 6 und 7 Uhr war eine Gesellschaft von ca. 15 Lehr­lingen in der Wirtschaft von Wettstein in der Sennefelderstraße versammelt, wo sie als Mitglieder einer Verbindung NamensGermania" (!) ein eigenes Kneipzimmer haben, das mit Schlägern, Wappen, Schildern u. s. w. nach studentischer Art ausgestattet ist. Aus einer geringfügigen Veranlassung hat der dasPräsidium" der Verbindung führende 17 Jahre alte Paul Rumm, Schreinerlehrling von Heilbronn, seinen Gegner mittels eines Messers so in den Unter­leib gestochen, daß die Gedärme hervordrangen. Der letztere wurde lebensgefährlich verletzt ins Katharinen­

hospital verbracht und der mit so unkommentmäßiger Waffe kämpfendePräsident" festgenommen.

Frhr. v. Münch» Reichstagsabgeordneter für den 8. württ. Wahlkreis, erläßt im Freuden­städterGrenzer" eine Erklärung an seine Wähler, in der es heißt: Auf die wiederholte Weigerung der Parteivertrauensmänner, mir Gelegenheit zu geben, die Gründung eines Bezirksvolksvereins Freudenstadt zu empfehlen, und das an mich gestellte Ansinnen, mich Herrn Payer zu unterwerfen, wäre die Nieder­legung des Mandats die meinem Empfinden und meinem persönlichen Interesse entsprechendste Antwort gewesen. Die große Mehrzahl meiner Wähler, welche sich nicht derart von mir abwendete, hat aber den Anspruch, daß ich noch meine Stimme gegen die Militärvorlage abgebe, und ich möchte diese Pflicht allem voranstellen. Am Tage der Abstimmung über die Militärvorlage wird der Reichstag aufgelöst wer­den, oder werde ich, falls die Vorlage durchgeht, das Mandat niederlegen. Ein Kandidatur im 8. württ. Wahlkreis bei der nächsten Wahl werde ich alsdann unter keinen Umständen wieder suchen noch annehmen. Um keinenfalls einer Zweideutigkeit geziehen zu werden, erkläre ich dasselbe bezüglich einer Wiederwahl. Damit glaube ich meine Programmverpflichtung, dahin zu wirken, daß das nächstemal ein Mann gewählt werden könnte, dem das Vertrauen des Volkes besser und länger erhalten bliebe, als wie mir, erfüllt zu haben; vom Tage der Mandatsendigung an werde ich nur noch das Recht der Selbstverteidigung in der Ange­legenheit, in welcher ich kürzlich zu 2 Monaten Ge­fängnis verurteilt wurde, ausüben.

Auf einer Monatsversammlung der deut­schen Partei in Tübingen hat nach demSchwarzw. Boten" Prof, von Degenkolb seine Meinung zur Militärvorlage dahin abgegeben: Wir dürfen von unserer Stimmung über den neuen Kurs nicht ab­hängig machen, das zu bewilligen, was das Reich braucht. Prof. Dr. v. Thudichum erklärte es für notwendig, die Regierungsvorlage unbedingt anzu­nehmen, um die Landwehr möglichst zu schonen. Prof. Dr. Neumann sprach ebenfalls für die Regierungs­vorlage. Der größte Teil der geforderten 70 Mill. könne durch eine neue Reichs-Erbschaftssteuer, welche 50 Millionen trogen würde, gedeckt werden. Andere Redner erklären sich gegen die Bewilligung der Vorlage.

Güglingen, 14. Nov. Dem ledigen Albert Korn auf dem Sophienhof, hiesiger Gemeinde, platzte bei einem Schuß der Lauf seines Lefaucheux-Gewehrs. Der Schuß ging Korn in die linke Hand und zer­fleischte dieselbe so, daß sie vom Arzt zusammengenäht werden mußte.

Ehingen, 14. Nov. Eine hiesige Frau, welche ihren Sohn nach München begleitete, soll bei einem Besuche auf dem Münchner Friedhofe (der be­kanntlich sehenswert ist) der Geldbeutel mit beträcht­

lichem Inhalt aus der Hintertasche gestohlen morde» sein. Dieser Fall mahnt aufs neue zur Vorsicht bei Aufbewahrung des Geldes, besonders auf Reisen.

Kirchhe im u. T., 14. Nov. Ein bedauer­licher Unfall passierte Samstag abend dadurch, daß eine Frau, welche Wasser holen wollte, in eine eiserne Egge fiel und sich hiebei ganz bedeutende Verletzungen zugezogen hat. Es kann nicht oft genug darauf hin- gewiesrn werden, daß derartige Geräte an einer gang­baren Passage nicht untergebracht werden dürfen.

Aalen, 14. Nov. Der hiesige Zweigverein des Evangelischen Bundes hatte gestern abend eine sehr schön verlaufene Lutherfeier veranstaltet, zu welcher der Zudrang sich so großartig gestaltete, daß der Spritzensaal dicht gedrängt voll von Zuhörern wurde und sehr viele an der Thüre wieder umkehren mußten,, weil absolut kein Raum mehr vorhanden war.

Fridrichshafen, 14. Nov. Der Expedient der Dampfschiffahrtsverwaltung Lerch kehrte gestern mit dem Abendschiff von einem Sonntagsausflug nach Romanshorn hieher zurück; hiebei muß er sich zu sehr an die Schiffsbrüstung angelehnt haben, bekam das Uebergewicht und stürzte bei tief dunkler Nacht in. den See. Zwar hielt das Schiff alsbald an, setzte auch einen Rettungsnachen aus, allein nur noch einen Schrei des Entsetzens hörte man und Lerch sank in. die Tiefe, ohne wieder zum Vorschein zu kommen. Derselbe war ein beliebter Beamter und wird allge­mein betrauert.

München, 14. Novbr. Ein sensationeller Erbschaftsprozeß, bei dem es sich um die Kleinigkeit von 160,000 handelt, fand heute vor dem. Oberlandesgericht München durch Vergleichung sein Ende. Die Melberseheleute Joseph und Katharine Jochner hatten sich nämlich mit Testament vom 18. Dezember 1880 gegenseitig als Erben eingesetzt und mangels Kinder als Erben des Letztlebenden ihre beiderseitigen Verwandten zu gleichen Teilen substituiert. Jochner trat auf Grund des von ihm anerkannnten Testaments die Erbschaft beim Tode seiner Frau an. Als auch er, 83 Jahre alt, im Jahre 1891 starb, fand sich ein neues Testament vom 4. Februar 1891 vor, in welchem den Bruders-Kindern Jochners je 10,000 den Verwandten der Frau aber nur kleine Legate ausgesetzt waren. Dagegen war in dem unter dem Beistände des Domkapitulars Dompfarrer Dr. Kagerer zu stände gekommenen Testaments an, die Haushälterin 10,000 ^ und an verschiedene Kirchenanstalten, Institute rc. Legate im Betrage von zusammen rund 60,000 vermacht worden. Die Verwandten der Frau Jochner fochten dieses Testament mit Erfolg an, und vom Landgericht wurde das erste Testament als gültig erklärt. Heute wurde ein Ver­gleich dahin erzielt, daß die von den Verwandten Jochners eingelegte Berufung zurückgezogen wird, so daß es bei den Bestimmungen des ersten Testaments bleibt, wenn nicht etwa einer der Legatare klagt.

bergt hatten, ein solennes Frühstück in dem freundlichen Städtchen, das so recht der Mittelpunkt der rundum gruppierten Güter bildete, geben; sie hatten sämtlich erfreut zugesagt, und ich war am 30. Dezember auf Hermann'- Grauschimmel binüberge- ritten, um mit dem Wirt des Hotels die nötigen Verabredungen zu treffen. Die kleine Stadt lag etwa anderthalb Stunden vom Birkenhof entfernt, der Weg führte eine Strecke durch den Wald, dann über eine ziemlich unkultivierte Landstraße und die letzten zehn Minuten über Chaussee.

Den Sylvesterabend verbrachten wir bei einer dampfenden Bowle und einer Schöffel frischer Pfannkuchen in äußerster Gemütlichkeit unter uns. Wir gossen Zinn, griffe» Glück, lachten viel, und ich hatte zahllose gereimte und ungereimte An­spielungen von meinen lieben Freunden aufewiges Junggesellenthum" undhoff­nungslose Hagestolzen" hinzunehmen. Ja, es war richtig, der Zweck meines Birken - Hofer Aufenthaltes war in der Hauptsache verfehlt, aber ich hatte eine schöne,', genuß­reiche Zeit hinter mir!

Ich weiß nicht, wie der Winter des Jahres 1885/86 im übrigen Deurschland ausgefallen sein mag in Ostpreußen war er prächtig! Wir hatten Schnee und sternklare Nächte, eine frische durchaus nicht schneidende Kälte, und da ich am Morgen des 1. Januar selbst meine Arrangements im Städtchen zum Empfang meiner Gäste treffen wollte, so beschloß ich, in dieser Sylvesternacht noch einmal hinüberzureite». Meine Freunde wollten mich nickt fortlaffen, ich aber, durch die vortreffliche Bowle angeregt, bestand auf meinem Stück, dachte mir den Ritt durch die Winternacht überaus erfrischend und ließ mir gegen halb ein Uhr den wackern Grauschimmel, der den Weg zum Städtchen schon unzählige Male zurückgelegt hatte, vorführen. Hermann zwang mir noch eine Prstole auf, und nun sollte die Reise losgehen.

Frau Hedwig, in ihrem Wohnzimmer am Fenster stehend, blickte zum Himmel auf und meinte, der Wind habe umgesetzt und es könne schneien.

In der Thal hatten sich die Sterne unter einer gleichmäßigen, wattschimmern­den Himmelsdccke versteckt, und die Luft, welche ich durch das für eine Minute ge­öffnete Fenster einatmete, erschien mir eigenthümlich weich. Indessen, was that das?

Ich sagte meinen gütigen Gastgebern mit Handkuß und Umarmung Lebewohl, ver­pflichtete beide zu pünktlichem Erscheinen am nächsten Vormittag (Frau Hedwig sollte den Vorsitz führen) und bestieg meinen Grauschimmel, der den Schnee vor dem Hause beiseite gescharrt hatte und nun ungeduldig mit den Hufen das Pflaster hieb.

War das köstlich draußen! Wie gut, daß ich den Bitten meiner Freunde nicht nachgegeben hatte, um welchen Genuß wäre ich sonst gekommen! Ich ließ die Zügel auf den Hals des Grauschimmels gleiten und das gute Tier Schritt gehen. Von den weiten Schneeflächen rund umher dämmerte ein fahles Leuchten auf, kein Lüft­chen rührte sich, wie verzaubert standen die weißen Bäume in der Neujahrsnacht.. Jch atmete in wohligen, tiefen Zügen! Nun fielen mir ein paar Witze ein, die Her­mann heute zum besten gegeben hatte, und ich mußte leise vor mich hinlachen. Welch ein Unsinn, mir die Pistole mitzugeben, wer sollte mir in dieser Einsamkeit begegnen!' Und durch ein Dorf, wo allenfalls betrunkene Gesellen Sylvester feiern konnten, hatte ich nicht zu reiten!

Es kam etwas langsam vom Himmel durch die stille Luft zu mir nieder­geschwebt. ein gefiedertes Sternchen, das sich sacht auf den Aermel meines Reitpelzes herabsenkte, noch eines, und wieder eines. Kein Zweifel, das war der Schnee, den Hedwig Althaus prophezeit hatte!

Er that mir ganz und gar nichts, das war gewiß. Aber so dicht und rasch hätte er nicht zu fallen brauchen! Kaum konnte ich durch den weißen Wirbeltanz hindurchblinzcln und den Weg einigermaßen verfolgen! Der Grauschimmel schnob und schüttelte unwillig den Kopf, nicht wahr, Alter, uns kommt das ungelegen und überraschend? Aber umkehren? Kein Gedanke! Im Birkenhof liegt nun schon alles im tiefsten Schlaf! Also immer vorwärts! In den Wald hinein! Zwischen den Baumstämmen hindurch kam der Schnee, wie mir schien, nicht mehr in Flocken, sondern in ganz dichten Massen auf mich zu. Der Wind mußte sich wieder gedreht haben, es sing an scharf zu blasen, ich klappte den Pelzkragen in die Höhe und wischte mir das Wasser aus den Augen.

(Fortsetzung folgt.)