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zu den Vorjahren eine ganz respektable, bleibt aber noch eine sehr bescheidene, wenn wir ihr diie 6—7000 Lehrlinge gegenübrrstellen, welche alljährlich in Württemberg aus der Lehre treten. Letzterer Vergleich zeigt uns deutlich, wie weit wir noch vom Ziele entfernt sind. Das begonnene Winterhalbjahr an den Fortbildungsschulen bietet gerade jetzt die günstigsten Gelegenheiten, aus die jungen Leute einzuwirken, damit sie rechtzeitig den Entschluß fassen, sich im kommenden Frühjahr einer solchen Prüfung zu unterziehen. Mögen alle und besonders die Meister und Eltern, welche es mit der gewerblichen Jugend wohl meinen, ihren Einfluß auf dieselben ausüben, damit wir im Frühjahr 1893 einen schönen Fortschritt aufzuweisen die Freude haben dürfen.
Deckenpfronn. Der Viehmarkt am 10. Nov. war sehr stark befahren. Zugeführt wurden etwa 150 Stück Ochsen, ca. 150 Kühe, 80 Rinder, 25 Körbe Saugferkel, 80 Stück Läuferschweine. Der Absatz ging rasch zu annehmbaren Preisen; besonders gesucht war fette und fleischige Ware, weniger begehrt Zugochsen. Neumelkige Kühe und Zuchtrinder fanden ebenfalls rasch Käufer. Höchster Erlös für 1 Paar Ochsen, geschätzt zu 28 Ztr., 1000 Saugferkel wurden zu 25—30 pro Paar, Läufer zu 40 bis 80 rasch abgesetzt. I,.
Alten steig, 13. Nov. Heute starb hier ein 72 Jahre alter Gerber an Blutvergiftung. Derselbe war trotz seines hohen Alters noch sehr rüstig, verletzte sich aber vor 8 Tagen an einem Finger der linken Hand. Die Schmerzen verbreiteten sich rasch auf den ganzen Arm und heute trat der Tod ein. — Die hies. Kunstmühle oberhalb der Stadt wurde dieser Tage verkauft um 36,000 ^ an die Werner- sche Anstalt in Reutlingen. Die Mühle verfügt über eine bedeutende Wasserkraft. In Folge des Kaufes wird wohl die Filiale der Werner'schen Anstalt hier erweitert werden.
Stuttgart, 11. Nov. Zur Warnung für Eltern teilen wir folgenden in den letzten Tagen in Sillenbuch vorgekommenen Unfall mit. Eine Frau hatte den zum Putzen verwendeten Laugstein in der Küche stehen lassen, ihr kleines Kind sah denselben und naschte davon im Wahn es sei Zucker. Mund und Gesicht des Kindes schwoll sofort sehr bedeutend aus.
Stuttgart, 12. Nov. Heute vorm, von 9 Uhr an fand die Beeidigung der am 9. Nov. eingetretenen Rekruten statt. Nachdem eine kombinierte Fahnenkompagnie des II. Bat. vom 7. Jnf.-Reg. Kaiser Friedrich unter Führung des Hauptmanns Wundt mit dem Musikkorps die Fahnen im Wilhelmspalast abgeholt hatte, marschierte dieselbe direkt in die Garnisonskirche, woselbst die Rekruten evang. Konfession schon eingetroffen waren. Nach dem Gesang zweier Verse des Chorals „Ein feste Burg ist unser Gott" mit Begleitung durch das Musikkorps hielt
Garnisonsprediger Prälat v. Müller die Ansprache an die Mannschaften, worauf Auditeur Herrlinger die Worte des Fahneneids vorsprach, welche von den Rekruten nachgesprochen wurden. Der 3. Vers des Lutherliedes schloß hier die Feier, welche sich 9'/» Uhr in der kathol. Kirche St. Eberhardt wiederholte, woselbst Kaplan Fohmann die Ansprache hielt. Das De ätznm beschloß hier die Feier. Um 10 Uhr fand alsdann im Hofe der Jnf.-Kaserne Nr. I dir Beeidigung der Nichtwürttemberger und Israeliten rc. statt. Gegen 11 Uhr wurden die Fahnen in den Wilhelmspalast zurückgebracht. Der Brigadekommand. Generalmajor Frhr. v. Schlotheim, die Reg.-Komman- deure, sowie viele Offiziere wohnten den feierlichen Akten in beiden Kirchen bei. — Eine Frau von Both- nang hat angezeigt, sie sei gestern Vorm. 11'/» Uhr auf der Straße zwischen Stuttgart und Bothnang, auf der sogen. Bothnanger Höhe, von einem Manne räuberisch ange fallen, auf den Kopf geschlagen zu Boden geworfen und ihrer Baarschaft im Betrage von 245 bestehend in 7 20-^-Stücken in Gold, das Uebrige in Silbergeld, beraubt worden.
Eßlingen, 11. Nov. Aus Anregen des deutsch-konservativen Vereins hielt Redakteur Schrempf aus Stuttgart gestern Abend hier im Kugel- schen Saal einen Vortrag über unsere politischen Pflichten. Der Redner ging hiebei von den politischen Rechten des Staatsbürgers aus, um die ihnen entsprechenden Pflichten ins Licht zu setzen; des weiteren wurden dann die treibenden Kräfte unserer Zeit genannt und bezeichnet, woran sich ungezwungen die Beantwortung der Frage anschloß: wie sollen wir unsere politischen Pflichten ausüben? Der Vortrag, faßlich und anschaulich gehalten, erntete reichen Beifall.
Kirchentellinsfurt, 10. Novbr. Kürzlich hatte der ledige Sohn des Christian Walker in der Wirtschaft zur „schönen Aussicht" einen Wortwechsel mit etlichen jüngeren Burschen von hier. Nach Beendigung des Streites entfernten sich dieselben und lauerten in der Nähe dem Beleidiger auf. Als der ebenfalls anwesend gewesene Vater des Walkers, der sich in keiner Weise in den Streit gemischt hatte, heimgehen wollte, schlugen die Bursche denselben, da sie ihn in der Dunkelheit höchst wahrscheinlich für den Sohn hielten, mit starken Prügeln dermaßen auf den Kopf, Arme und Schultern, daß er niederstürzte und heimgebracht werden mußte. Walker, der nun bedeutend Schmerzen hat, ist auf längere Zeit arbeitsunfähig. Die Thäter sehen ihrer Bestrafung entgegen.
Marbach, 11. Nov. Gestern, am Geburtstage Schillers, fand hier vor Beginn der alljährlichen Feier eine außerordentliche Hauptversammlung des Schillervereins statt. Hiebei konnte der Vorsitzende, Stadtschultheiß, Haffner die erfreuliche Mitteilung machen, daß für den Schillerverein und Schillerhaus ein ansehnlicher Schatz von Briefen, Dokumenten und
Reliquien, welche von dem Dichter selbst oder Anger- hörigen seiner Familie herrühren zur Aufbewahrung' und Ausstellung übergeben worden seien. Ferner ist es gelungen, die Sammlung zu erwerben, welche- sich aus die Großenkelin der Schwester des Dichters,, Frl. Krieger in Möckmühl, vererbt hat. Dieselbe besteht in 123 Nummern.
Besigheim, 11. Nov. Von unfern Jagdpächtern wurde gestern in unserem Gemeindewald eine Jagd gehalten, an der sich viele auswärtige Schützen beteiligten. Das Ergebnis war ein günstiges, insofern 3 Rehböcke, 56 Hasen und mehrere Fasanen erlegt wurden; unter letzteren erregte ein kupferfarbener Hahn allgemeine Bewunderung.
Heilbronn, 11. Novbr. Ein Soldat der hiesigen Garnison bestahl neulich einen betrunkenen Arbeiter und wurde darauf fahnenflüchtig. Als ein junger Bursche dieser Tage auf der Polizeiwache um ein Nachtquartier bat, erkannte ein Schutzmann in- ihm einen früheren entflohenen Soldaten. Derselbe wurde festgenommen und seinem Truppenteil zugesandt.
Heilbronn, 11. Nov. In einem hiesigem Gasthaus, im Osten der Stadt, an dem z. Zt. bauliche Veränderungen vorgenommen werden, bemerkte- die Wirtin in ihrem Weinkeller einen bedeutenden- Abmangel an Schaumwein, feinen Flaschenwein, sowie Wein vom Faß, so daß sie auf den Gedanken kam, es müssen hier Diebshände im Spiele sein. Nachgemachter Anzeige bei der Polizei wurde der That- bestand untersucht und es fanden sich gefüllte Weinflaschen da uud dort, namentlich im Bauschutt versteckt vor, so daß sich dringender Verdacht aus die im Hause beschäftigten Arbeiter lenkte. Zwei Jpser- gesellen legten im Laufe des Verhörs ein teilweises Geständnis ab und wurden, da es sich um einen Wertsbetrag von annähernd 200 M. handelt, festgenommen und zur Hast gebracht. Es sollen noch mehrere Arbeiter, teils als Diebe, teils als Hehler, in die Angelegenheit verwickelt sein.
Aale n, 10. Nov. Von einem ehrlichen Manne berichtet die „Kocherztg.": Vorgestern nachts- ging ein Arbeiter von Unterkochen heim dem Härtsfeld zu, es war schon Mitternacht durch; unterwegs wurde er, begünstigt vom Hellen Mondenschein, eines Gegenstandes aus der Straße liegend gewahr, es war eine Brieftasche. Zu Hause angekommen, fand sich in derselben die Summe von 900 ^ vor. Zuerst dachte der Finder: Nun, damit wäre dir lange geholfen; aber nein, sprach er, das darfst du nicht thun, du mußt ehrlich bleiben; hast du vorher nichts gehabt, sollst du auch ferner auf unrechtmäßige Weise nichts haben. Frühmorgens trug der Brave seinen Fund zum Schultheißenamt, welches bald den unvorsichtigen Verlierer ermittelte. Hoffentlich wird derselbe dem redlichen Finder auch den gebührenden Lohn
undzwanzig Jahre) gegenübersaß und nun Farbe bekennen sollte, einen schweren Stand. Das liebe Geschöpf forschte mich aus, wie der gewiegteste Untersuchungsrichter es nicht besser vermocht hätte, aber meine Antworten fielen unbefriedigend aus und entbehrten, ich fühlte es selbst, jeglicher Logik, auf die wir Männer doch, im Gegensatz zum weiblichen Geschlecht, ein entschiedenes Vorrecht haben. Nein, ich hatte ganz und gar nichts gegen Fräulein Malwine Schmidt einzuwenden, sie war ein hübsches, lebhaftes Mädchen mit guten Manieren und dito Vermögen, und die schwarzäugige Meta Werner war allerliebst, amüsant, schlagfertig, eine brillante Tänzerin, und Fräulein Thekla Wüte (das war eine von den imposanten Gestalten) galt nicht ohne Grund für eine Schönheit und wußte sich gewandt zu unterhalten. „Ja, ja, liebe Freundin, Sie haben recht, das sind wirklich reizende Damen, und Fräulein Günther auch, die kleine Holm ebenfalls, ja — aber —"
Hier saß ich fest.
Frau Hcdtdig legte das weißwollene Kinderkleidchen, an dem sie häkelte, hin und sah mich erwartungsvoll aus ihren kluge» blauen Augen an. „Nun?"
Ich zündete mir eine frische Cigarette an, räussperte mich und schwieg „in verschiedenen Sprachen," wie wir als Studenten so zu sagen pflegten.
„Sie sagen doch selbst, lieber Sartorius, daß auf eine plötzlich entflammte Leidenschaft bei Ihnen ganz und gar nicht zu rechnen ist; wenn Sie also mü dem Verstände wählen wollen, dann müssen Sie doch stichhaltige Einwendungen Vorbringen, sobald ich Ihnen dieses und jenes hübsche und liebenwürdige Mädche r vorschlage! Sagen Sie nur einmal: was haben Sie gegen Malwine Schmidt, oder Thekla Witte, oder die kleine Holm?"
„Nichts!" entgegnete ich beschämt.
-Also?"
„Aber, beste Frau Hedwig, Sie werden mir zugeben müssen, es ist durchaus notwendig, daß ich etwas und zwar etwas viel für sie habe! Hätten Sie Hermann geheiratet, wenn Sie nur die einfache Thatsache festgestellt haben würden, daß Sie nichts gegen ihn hatten?"
Sie mußte lachen. „Nein!"
„Nun sehen Sie!"
„Ja, aber, ich habe mich schlecht und recht verliebt, sehr leidenschaftlich sogar, und stand und stehe nicht an, das zu bekennen. „Da gilt kein Widerstand und keine Wahl!' Sie aber behaupten, das kopflose Verlieben gehöre bei Ihnen zu den Unmöglichkeiten, es sei absolut ausgeschlossen!"
„Absolut! Ich muß dabei bleiben!"
„Und ihrem Verstände wollen Sie auch nicht gehorchen?"
„Bloß dem Verstände? Nein!"
Hier trat Hermann ins Zimmer. „Wieder das alte Thema?"
„Ja, Männchen. Und wieder erfolglos. Ich verzweifle an ihm; er ist unverbesserlich !"
„Nun sage mal, mein Sohn," Hermann ließ sich behaglich in einen Lehnsessel sinken und zwinkerte lustig zu mir herüber, „wie soll so recht eigentlich diese deine nebelhafte Zukünftige beschaffen sein? Du erlaubst doch, liebes Kind?" Dies zu Frau Hedwig, die ihm selbst Zündhölzchen zum Anzünden der Cigarette herbeiholte. „Besten Dank. Also bitte. Edmund! Wie soll sie aussehen? Wie soll sie sein?"
„Ach Gott," wehrte ich verlegen ob, .denkt nur nicht, daß ich so unerhörte Ansprüche mache: was in aller Welt sollte mich wohl dazu berechtigen! Einfaches Mittelmaß, weiter nichts! Eine gefällige Erscheinung, keine Schönheit, blond jedenfalls, nicht gar zu jung, mindestens Mitte der zwanziger, einiges Vermögen — Frauen brauchen heutzutage so viel — die landläufige Mädchenschulbildung, ja nicht mehr! Nur keine Krau, die Schopenhauer kennt, die Darwin liest und für Richard Wagner schwärmt! Echt weiblich soll sie sein, keinen Schatten von einem Blaustrumpf darf sie an sich haben, auch nicht das leiseste Emanzipationsgelüst, sie muß nahem und vortrefflich kochen können —"
(Fortsetzung folgt.)