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eine Stunde früher als man sie erwartete, hielten das 1. und 2. Bat. des Jnf.-Reg. Kaiser Friedrich Nr. 125 vor dem kgl. Schlosse, während die Fahnenkompagnie mit der Regimentsmusik die Fahnen in den Wilhelmspalast brachte. An der Spitze marschierte das 2. Bat., das 1. folgte unmittelbar, mit den Spielleuten an der Spitze, nach. Das Kommando führte Oberst v. Kamerer. Auch das Ulanenregiment König Karl Nr. 19 traf gegen 10 Uhr in seiner Kaserne vor dem Königsthore ein; die Reg.- Standarte wurde bald darauf in den Wilhemspalast verbracht. Die Truppen waren heute nacht in Notquartieren. Die Biwak wurden abbestellt.
Fellbach. Der hiesige Stuttgarter Bote Ebinger siel von seinem Wagen, wobei er mehrere Rippenbrüche und innere Verletzungen davontrug.
Winnenden, 15. Sept. Marktbericht. Auf unfern gestrigen Jahrmarkt hat die starke Einquartierung in der ganzen Umgegend sehr nachteilig eingewirkt, was sich namentlich auch beim Viehmarkt bemerkbar machte, denn es waren nur zugeführt; 128 Ochsen, 132 Stiere, 197 Kühe und 154 St. Schmalvieh; sodann 320 Milchschweine, Preis 30—40 ^ pr. Paar, und 56 Läufer, Preis 40—50 pr. Stück, im Ganzen also 987 Stück. 1 Paar Ochsen im Preis von 942 -^5 86 ^ wog 30 Ztr., mithin kommt 1 Ztr. leb. Gewicht auf 31 ^ 43 --Z. Der Handel ging, beim Fettvieh namentlich, ziemlich lebhaft, beim Jungvieh war dies weniger der Fall. Die Preise erlitten keinen weiteren Rückgang, doch fand auch kein Aufschlag statt.
Winnenden, 15. Sept. Unsere Einquartierung belief sich in den letzten zwei Tagen auf 50 Off., 842 Mann und 231 Pferde; von heute auf morgen haben wir zum Schluß noch 51 Off., 983 Mann und 89 Pferde. Vom 13. auf 14. kamen noch 110 Mann mit Notquartier hinzu. Die Nachbarorte waren verhältnismäßig ebenso stark belegt. Die Manövergefechte nahmen am 13. bei Waldrems, zwischen hier und Backnang, ihren Anfang und zogen sich über Stfftsgrundhof und Nellmersbach bis Leutenbach, '/4 Stunde von hier, zurück. Statt eines Biwaks wurde dann nachmittags bei Leutenbach wieder ein sehr besuchtes Abkochlager aufgeschlagen. Am 14. wurden die Gefechte bei Leutenbach wieder ausgenommen; dieselben zogen sich in der Richtung gegen Schwaikheim hin. Heute begann das Feuer nahe bei der Stadt. Um '/-10 Uhr erschienen II. MM. der König und die Königin im Manövergelände; dieselben nahmen Stellung auf der Anhöhe im Breitlauchfeld, gegen Schwaikheim hin, woselbst man einen prächtigen Ueberblick über das Ganze hatte. Die Königin ließ dort den Schultheißen Schmid von Schwaikheim, welcher die Aufmerksamkeit hatte, Ihrer Majestät bei der Durchfahrt einen Blumenstrauß zu überreichen, zu sich an ihren Wagen rufen und richtete freundliche Worte an ihn, um '/-12 Uhr wurde das Gefecht abgebrochen, worauf um 12 Uhr auf der Anhöhe hinter Schwaikheim eine Parade vor Ihren
Majestäten stattfand. Eine grenzenlose Menschenmenge aus allen Himmelsgegenden hatte sich sowohl zum Manöver als zur Parade eingefunden, um das seltene Schauspiel zu genießen, zugleich um das geliebte Königspaar zu sehen.
Geislingen, 15. Sept. Ein Buchdruckerei- Gehilfe machte gestern nach Feierabend noch in dem angrenzenden Garten Schießversuche mit einer Windbüchse. Unglücklicherweise ging die Kugel fehl und traf ein 2'/, Jahre altes Knäblein in den Kopf, wo sie im Gehirn stecken blieb. Das Kind ist die meiste Zeit bewußtlos. An seinem Aufkommen wird ge- zweifelt. Der Schütze machte selbst sofort Anzeige beim Gericht.
Hohentengen, 15. Sept. Einem Radfahrer flog auf der Heudorfer Steige eine Gans in das im schnellsten Laufe befindliche Rad. Der Radler stürzte, verletzte sich durch den Fall am Arm und namentlich an der Kniescheibe so schwer, daß er weder stehen noch laufen könnte und per Pferdefuhrwerk mit Hinterlassung des Rads in seine Heimat zurückbefördert werden mußte.
Neresheim, 15. Sept. Zu Ehren des nach Calw abgehenden Obcramtmanns Lang hier versammelte sich gestern Abend eine über 100 Personen zählende Gesellschaft von Stadt und Land im Gasthof zur Traube. Die zahlreiche Beteiligung, sowie die Reihe von Toasten gaben Zeugnis davon, wie beliebt der Scheidende hier war. Seine Bemühungen um das große Werk der Härdtsfelder Wasserversorgung, die Vereinigung von Schloß mit Stadt Neres- heim, die Errichtung einer Kleinkinderschule dahier, Gründung von Raiffeisen'schen Darlehenskassenvereinen rc. sind sämtlich von Erfolg gekrönt gewesen. Die hiesigen bürgerl. Kollegien haben dem thätigen Beamten wegen seiner Verdienste um unsere Stadt das Ehrenbürgerrecht verliehen.
SchwarzenbronnOA. Mergentheim. Zwei mit Vorräten gefüllte Scheuern des Schultheißen und Oekonomen Stahl brannten nieder.
Biber ach, 14. Septbr. In Eichbühl ging letzten Freitag auf der Weide eine stattliche Kalbel durch und verlor sich im Walde. Da sie bis gestern nicht gefunden wurde, gingen beherzte Jäger auf die Sua-e. Die Kalbel scheint von dem Vorhaben der Söhne Nimrods Wind bekommen zu haben und stellte sich gestern mittag dem erfreuten Eigentümer vor der Stallthüre ein und bezog wieder ihre Behausung. Die Treibjagd nahm so einen recht gemütlichen Verlauf und verlief ohne — Blutvergießen.
Köln, 17. Septbr. Heute Nacht fuhr am hiesigen Bahnhof ein Güterzug auf den mit Reservisten besetzten Personenzug. Zwei Personen wurden getötet, elf Personen schwer, viele leicht verwundet. Der Personenzug hatte den Südbahnhof passiert, als die Notleine gezogen wurde, weil angeblich ein Reservist aus dem Zuge gefallen sei. Dies veranlaßte.
daß der dahinter herkommende Güterzug auffuhr. Der Verkehr ist wieder frei. Aerzte und Krankenwagen waren sofort zur Stelle.
— Die „M. N. N." eröffnen eine Sammlung für die Notleidenden in Hamburg.
Berlin, 16. Sept. Der amtliche Cholerabericht vom 15. Septbr. meldet aus Hamburg 306 Erkrankungen, 128 Todesfälle; im Reg.-Bez. Schleswig, Altona 3 bezw. 4; Wandsbeck 7 bezw. 1; Reg.-Bezirk Lüneburg, Wilhelmsburg 5 bezw. 2; Stadt Stettin 2 bezw. 2; Reg.-Bez. Stettin an 2 Orten im Kreise Naugard und Randow l bezw. 2.
Berlin, 19. Sept. Gestern kamen drei neue Fälle asiatischer Cholera vor, die sämtlich von Hamburg eingeschleppt sind. Im Krankenhause Moabit befinden sich noch 32 Männer 19 Frauen.
Potsdam, 16. Septbr. Nach dem letzten Bulletin befindet sich die Kaiserin nach einer sehr guten Nacht vollkommen wohl, ebenso die Prinzessin.
Hamburg, 13. Sept. Die „Weser-Ztg." berichtet, daß der Kaiser für Hamburg 30,000 ^ gespendet hat.
Hamburg, 19. Sept. Von vorgestern bis gestern Mittags wurden 286 Personen krank und 127 Todesfälle gemeldet, wovon auf Samstag 190 Kranke und 82 Tote entfallen. Der Transport beschränkte sich Samstag auf 163 Kranke und 53 Tote. Es ist eine merkliche Abnahme zu verzeichnen, da unter den Meldungen 57 Nachmeldungen mehr sind, als vorgestern.
Paris, 16. Sept. 233 Kranke sind in den Hospitälern. 45 neue Erkrankungen und 11 Todesfälle. In St. Quen 4 Todesfälle, Toulouse 4 Erkrankungen, Dieppe 1 Todesfall. In 7 Orten des Norddepartement sind 18 Erkrankungen und 12 Todesfälle vorgekommen.
Vermischtes.
— Die Lebensversicherungs- und Ersparnis-Bank in Stuttgart weist Ende August d. Js. einen Versicherungsstand von 358'/- Mill. und ein Bankvermögen (einschließlich Extrareserven von 16,s Millionen Mark) von 95'/- Millionen Mark aus. Neue Versicherungsanträge wurden bis dahin im laufenden Jahre über 26,? Millionen Mark d. i. 5,- Millionen Mark mehr als in demselben Zeitraum des Vorjahres gestellt. Sterbfälle wurden angemeldet zusammen über ^ 3 382 441.— Bis jetzt hat die Bank trotz starken Versicherungsstockes in Hamburg noch keinen einzigen Cholera-Todesfall zu verzeichnen. Als Dividende gewährt die Bank im laufenden Jahre nach ihrem Plan L (steigende Dividende) 3°/o der Gesamtprämiensumme und nach Plan ^.11 40°/o der lebenslänglichen und extra 20°/o der alternativen Zusatzprämie; allein auf die lebenslängliche Prämie berechnet kommen die letzteren Prozentsätze einer Dividende bis zu 70°/» gleich.
Als sie um ein Uhr in den Wagen stieg, den Herr Palma für diese Stunde befohlen hatte, waren Frau Carew und ihre kleine Tochter gerade angekommen und von Frau Palma empfangen worden. Regina erblickte die Fremden nur im Fluge und dankte Gott, daß sie nicht gesehen wurde und somit der Vorstellung entging.
Die Probe dauerte ziemlich lange, doch fiel Regina's Solo sehr befriedigend aus und so hatte der Professor nichts dagegen einzuwenden, daß sich das junge Mädchen kurz vor vier Uhr entfernte.
Glücklicherweise erreichte Regina einen in der Richtung des Parkes fahrenden Trambahnwagen und so durfte sie hoffen, nicht allzu spät zu erscheinen. Der Wagen war sehr besetzt, Regina saß dicht neben einem alten Herrn mit schneeweißem Haar und wider Willen vernahm sie einzelne Worte aus der Unterhaltung, welche ihr Nachbar mit seinem Gegenüber, einem militärisch aussehenden ältlichen Herrn, führte. Es war die Rede von dem gestrigen Ball bei Frau Tarrant und der weißhaarige Herr bemerkte unter Anderem:
»Oberst — Sie hätten Palma gestern Abend sehen sollen; er war die stolzeste Erscheinung von Allen, die Frauen umschwärmten ihn geradezu und es ist wahrhaftig kein Wunder, wenn er anspruchsvoll wird/
»Seltsam, daß er noch nicht verheiratet ist," meinte der Andere.
»Hm — Wahl ist Qual," citierte der alte Herr lachend, »man sagt übrigens, Palma stehe im Begriffe, sich endlich in Hmnen's Fesseln schlagen zu kaffen. Eine junge, liebreizende Witwe, deren Besitz nach Millionen zählt, soll es ihm angethan haben; sie ist seine Klientin, und der Prozeß, den er in ihrem Interesse zu einem glücklichen Ende geführt, wird ihm aller Wahrscheinlichkeit nach seine Freiheit kosten. Die fragliche Dame ist eine Kreolin; sie hat für einige Tage die Gastfreundschaft Palma'S angenommen und man sagt —"
Den Schluß der Unterhaltung vernahm Regina nicht mehr, da sie in diesem Augenblick aussteigen mußte, hastigen Schrittes ritte das junge Mädchen durch di,
Oststraße und stand endlich tief atmend am Parkthor. Diesem gegenüber, an der Ecke der Straße, hielt ein geschlossener Wagen. Regina warf einen flüchtigen Blick auf das Gefährt und betrat dann den Park; wenige Schritte vom Thor entfernt stand Patterson mit mürrischem Gesicht und Regina entgegengehend, sagte er unzufrieden :
„Kommst Du endlich? Ich glaubte schon, Du hieltest mich zum Narren."
„Ich konnte nicht früher kommen," sagte Regina hastig.
„Na, schon gut — was hat denn der Wagen dort an der Ecke zu bedeuten'
.Das weiß ich nicht — Wagen und Kutscher sind mir fremd."
„So? Die Sache scheint mir verdächtig, Regina — wartet der Wagen wirklich nicht auf Dich?"
„Nein — Niemand weiß, daß ich hier bin. Hier sind 45 Dollars — mehr besitze ich einstweilen nicht. — Ich habe noch gestern Abend an meine Mutter geschrieben und werde ihre Antwort abwarten, bevor ich Sie wiedersehe."
Patterson hatte das Geld in seine Tasche gleiten lassen; jetzt sagte er finster:
„Zweifelst Du noch immer, daß Du mein Kind bist?"
„Ja — bevor mir nicht vollgütige Beweise vorgelegt werden, zweifle ich daran."
„Minnie hat mich bei Dir verleumdet, „wie die Allen sungen, so zwitschern die Jungen", heißt es im Sprichwort."
»Meine Mutter hat niemals Ihren Namen genannt — was ich über Sie gehört habe, verdanke ich Hannah. Wo ist sie übrigens jetzt?"
„Ich weiß es nicht — wir haben uns überworfen. Aber noch Eins, Regina — ich muß Deine Photographie haben — und zwar will ich dieselbe immer auf meinem Herzen tragen."
(Fortsetzung folgt.)