Beilage zum „Calwer Wochenblatt"
Nro. 67.
. . Nachdruck verboten.
Strandgut.
Novelle von I. von Brun Barno w.
(Schluß.)
Campellas Augen leuchteten auf. „Hat das in Wahrheit mein Spiel vermocht," rief er begeistert, „dann, lieber Graf, hoffe ich, daß jene Melodien, die ich am Bettchen meines Kindes einst gespielt habe, ihren Erinnerungen zur Klarheit verhelfen werden. Kommen Sie, mein theurer Freund" — er griff zu seiner Geige — „lassen Sie uns zu meinem armen Kinde eilen."
„Ja, lassen Sie uns zu ihr gehen," sagte Graf Fabrie, obgleich er mit bangem Herzklopfen diesem gewagten Experiment entgegenging, „und Gott stehe Ihnen bei und lasse Ihre Amati die richtige Sprache finden."
Auf schneeigen Kissen, mit fieberhaften Wangen und wirren Reden, lag Mona. Ihre Augen strahlten in überirdischem Glanze und ihre Lippen flüsterten abwechselnd bald Fabries, bald Campellas Namen. Die blonden Locken waren von einer marmorweißen Stirn zurückgestrichen und hüllten sie wie in einen goldenen Mantel ein.
Unruhig fuhren ihre wachsbleichen Hände über das Deckbett hin und falteten sich nur wie im bangen Ringen mit den widersprechenden Stimmen ihres Herzens. So sah sie Campella, als er nach kur »er Rücksprache mit dem Rheder von dem erschütterten Mann an seines Schützlings Lager geführt wurde. Keines Wortes mächtig, sank Campella am Lager seines Kindes in die Knie und bedeckte die schmalen, weißen Hände mit Thronen und Küssen. Jene sah und fühlte es nicht. Der höchste Grad deS Fieberdeliriums war eingetreten, nur ein Wunder konnte die bereits dem Tode Verfallene reiten — nur ein Wunder!
Würde dies seine Amati, die Trösterin verzweifelter Stunden, bewirken ? Wenn noch die geringsten Zweifel an CampellaS Vaterrechten bestanden, so hatten diese die vom Rheder ihm zur Durchsicht übergebenen Papiere vernichtet, die allerdings nichts weiter, als seinen Taufschein und den Taufschein Monas enthielten.
Diese aber genügten, um jeden Zweifel zu beseitigen. Jetzt handelte es sich nur darum, ob diese geliebte, spät gefundene Tochter erhalten blieb, oder ob er den Becher deS Glücks nur an die Lippen geführt, um ihn gleich darauf in Scherben zu seinen Füßen zu sehen.
Es giebt eine Geschichte von Indianern, die einer Mutter ihr dreijähriges Kind geraubt haben. Nach vierzehn Jahren gelang es der Frau, in die Nähe ihres Kindes zu dringen. Der Häuptling, den sie um die Zurückgabe desselben anflehte, stellte ihr die Mädchen seines Stammes vor, unter ihnen befand sich die Tochter. Alle waren gleich bräunlich, gleich tätowirt. Die Mutter fand ihre Tochter nicht. Da gedachte sie eines Liedes, das sie oft ihrem Kinde vorgesungen: »Allein bin ich und doch nicht allein". Das Mutterherz hatte den richtigen Ton getroffen, das Kind sang das Lied weiter.
Graf Fabrie fiel diese Erzählung ein, als er von Campella auf die Geliebte blickte, und sein Herz klopfte zum Zerspringen, als dieser nach seiner Amati griff. Ob Campella den richtigen Ton treffen würde, welcher die Geliebte dem Leben wiedergab, den Bann brach, der ihren Geist in beängstigende Fesseln geschlagen?
Eine atemlose Stille herrschte in dem Gemache, drei Männerherzen schlugen in herzbeklemmender Erwartung. Es war, als habe sich ihre Spannung der Natur mitgeteilt. Der Sturm hatte nachgelassen, nur leise rauschten die Blätter der Linden und flüsterten geheimnisvoll. Verstohlen huschte ein zitternder Sonnenstrahl durch die Spalten der herabgelafsenen weißen Gardinen und schlich schüchtetn über das schöne Leidensgesicht der Kranken.
Leise — leise — wie Geisterhauch setzte Campella den Bogen an. Seine Hand bebte, seine Schläfen pochten, sein Atem ging langsam und schwer. Es war ein hoher Preis — ein Kampf um Leben und Tod, den sich heute seine Geige gesetzt — ein Preis, der das höchste Glück, aber auch das tiefste Elend bringen konnte. Welchen würde er erringen?
Immer weiter verirrte er sich in die Vergangenheit und schmeichelte in den süßen
Melodien jene mondbeglänzten Abende herauf, wo er seinem geliebten Weibe und dem holden Kinde vertraute Heimatsweisen gespielt und sie mit leiser Stimme, in Begleitung seiner Amati, ihren Liebling zur Ruhe gesungen. Es war kein Wiegenlied , was sie dazu gewählt. Es war nichts als eine wehmütige Liebcsklage, die, selbst angesichts ihres friedvollen Eheglücks, von dem Drucke Zeugnis gab, unter dem ihr Herz stand, seit sie zu ihrem heimlichen Bündnis ihre Zustimmung gegeben hatte.
Bei dem ersten leisen Geigenstrcich Campella's war die Kranke zusammengezuckt. Ein anderer Eindruck zeigte sich aber nicht. Ihre Lage blieb unverändert und auch die Unruhe ihrer Hände. Nur die fieberglänzenden Augen schienen sich zu weiten und die wirren Reden zu verstummen. Plötzlich ging aber eine Wandlung in ihr vor, Campella intonirte die ersten Klänge an das Lied der jungen Mutter:
„Aus meinen Thränen sprießen viel blühende Blumen hervor, und meine Seufzer werden ein Nachtigallenchor".
Mit einem schnellen, energischen Ruck richtete sich die Kranke empor und folgte mit vorgebeugtem Kopfe und erinnerungsverlorenen Blicken der Melodie. — Immer leuchtender wurde der Glanz der schönen, traurigen Augen, — immer fester, ruhiger schlangen sich die Hände in einander, immer mehr schwand die heiße Meberröte von den Wangen, immer klarer wurde das liebliche Antlitz.
Jetzt flog ein verklärendes Lächeln über dasselbe hin und leise und doch so verständlich für die atemlos aufhorchenden Männern flüsterten ihre Lippen den Endreim des begonnenen Liedes: „Und wenn Du mich lieb hast, Kindchen, schenk ich dir die Blumen all'". Überwältigt von dem auf ihn einstürmenden Glücksgefühl setzte Campella frohlockend ein: „Und vor Deinem Fenster soll klingen das Lied der Nachtigall!"
Dann lag die Geige am Boden, und jauchzend rief Campella: „Mein Kind, mein teures Kind!"
„Vater — mein Vater!" klang es zurück, und in sprachlosem Jubel hielten sich Beide umschlungen — dann sank, von seinen Armen umpfangen, die zarte, kraftlose Gestalt der Kranken mit geschlossenen Augen in die Kissen zurück.
„Mein Gott, sie stirbt!"
„Nein, sie ist gerettet!" beruhigte der Rheder Graf Fabrie, der an ihre Teste geeilt war und den letzten innigen Blick der müden Augen aufgefangen hatte.
„Der Arzt kündete den Schlaf als einzige Rettung an. — Sie haben ihn," wandte er sich an Campella, „Ihrer Tochter gebracht."
Und so war es — Mona war gerettet.
Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht von ihrer wunderbaren Rettung unter den Badegästen, und wie ein Lauffeuer die Kunde, daß Campella ihr Vater und ihre Mutter eine Prinzeß Hohenheim gewesen sei. Natürlich hatte man der schönen Rhedersbraut ihre hohe Abkunft von mütterlicher Seite sofort angesehen, und daß der Rheder für sie keine passende Partie sei, was der verständige Mann auch cingesehen und die Verlobung zu lösen sich bereit erklärt hatte.
Jedenfalls würde nun Graf Fabrie als ihr Bewerber auftreten. Die Gesellschaft hatte richtig kombiniert. Es geschah, wie sie vorausgesagt hatte, nur die Motive waren bei weitem edlere, und die Dankbarkeit des Grafen für seinen großmütigen Freund eine bleibende.
Es giebt nur noch wenig hinzuzufügen. Mona gab den Kamps mit ihrem Herzen auf und erklärte sich für überwunden. Der Liebeswerbung bedurfte es von Seite des Grafen nicht. In schweren Kämpfen hatten Beide ihr Herzensgeheimnis schon längst verraten. Sehr bald nach ihrer Genesung fand Monas Vermählung mit dem Grafen Fabrie in Hamburg feierlichst statt. Der uneigennützige Rheder wollte es nicht anders.
„Mona bleibt mein Adoptivkind, dieses Recht lasse ich mir nicht nehmen," erklärte er Campella und Fabrie. Beide Herren waren weit davon entfernt, dem Mann, welcher dem armen Strandgut einst den sichern Hafen gegeben, dieses Recht streitig zu machen, darum wurde auch das Haus des braven Rheders für spätere Zeiten der Mittelpunkt, wo sie sich alljährlich zusammenfanden.
Ende.
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