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Als spezielle Eigenart zeigt sie sprungweises Vor- und Rückwärtsgehen. Rückfälle bilden die Regel. Bei schweren Erkrankungen mag nur die sorgfältigste Pflege die heimtückische, bösartige Krankheit in einem verhältnismäßig günstigen Verlauf zu erhalten.
Rottweil, 6. März. In der Nacht vom Fastnachtsdienstag auf Aschermittwoch schneite es so stark, daß der große Bahnschlitten geschleift werden mußte, da der Schnee über zwei Schuh hoch lag; inzwischen ist grimmige Kälte zu einer Zeit eingetreten, wo man sonst gelindere Witterung erwarten kann. Dieser rasche Temperaturwechsel äußert sich in verschiedenen Krankheiten bei jung und alt; insbesondere sind es die roten Flecken, welche unter der Kinderwelt herrschen, glücklicherweise ohne bösartigen Ausgang, aber so stark verbreitet, daß eine Klasse der Volksschule gänzlich geschlossen werden mußte, während in anderen Klassen bis zu 30 Kinder und darüber fehlen.
Tuttlingen, 9. März. Der gestrige Viehmark t war trotz des auf's neue eingetretenen harten Winters mit etwa 300 Stücken befahren. Kauflust gering, Preise hoch. Eine Kuh 340 eine Kalbin 320 ein Rind 120 ein vierjähriger Ochse 420 Zufahr zum Schweinemarkt: 190 Ferkel und 45 Läufer. Ferkel das Paar 24—32 Krämermarkt war unbedeutend. — Zufuhr zur Schranne war schwach, der Handel lebhaft. Kernen 11 60
bis 11 80 Gerste 8 Haber 5 ^ 50 -rZ
bis 7 ^ 10 -A Roggen 9 50 -H, Kartoffeln
kosten 8 ^ 50 per Sack. Die Holzpreise sind dieses Jahr wie allerwärts erheblich gestiegen. — Thermometerstand in der Nacht des 6.-7. März 18 Grad Kälte, am 8. März 13 Grad Kälte, am 9. März 6 Gr. Kälte.
Vom Lande, 10. März. Die Anfertigung von drei Millionen Gewehrschäften wurde von der russischen Regierung der Holzschneiderei Schmitt zu Ladenburg übertragen. Die wenigen Nußbäume der Bergstraße werden nun vermutlich durchweg der Axt zum Opfer fallen, zumal die Landwirte, die 60—80 Mark pro Stamm erhalten können, ein gutes Geschäft zu machen glauben. Ein gesunder Nußbau'm bringt aber, wie die Erfahrung lehrt, durchschnittlich jährlich 50 Mk. ein. Dieser Ertrag entspricht aber bei 5 Prozent einem Wert von 1000 Mark, so daß mit dem Niederlegen der Nußbäume ein erheblicher pekuniärer Nachteil für die Betreffenden verbunden ist. — Da auch in Württemberg durch Agenten der Ankauf von Nußbäumen betrieben wird und leider, wie man hört, mit Erfolg, so werden die Besitzer dieser ebenso schönen wie nützlichen Fruchtbäume gleichfalls vor Veräußerung um eines augenblicklichen Vorteils wegen gewarnt.
Frankfurt a. M., 8. März. Auf der Station Goddelau (Riedbahnstrecke) fuhr heute abend 7 Uhr ein von Mannheim kommender Güterzug auf den in der Station rangierenden Güterzug. Ein Maschinist und ein Heizer, sowie ein Zugführer und 4 Bremser sind zum Teil schwer verletzt.
Köln, 9. März. Die Stadt hat öffentliche Arbeiten angeordnet, wobei die Arbeitslosen gegen 1 ^ 80 iZ Tagelohn beschäftigt werden sollen. Vierhundert wurden schon eingestellt; weitere Hundert konnten keine Annahme finden und marschierten heute morgen zum Rathause. Der Oberbürgermeister versicherte, es würde nach Möglichkeit für Arbeit gesorgt; zunächst könnten jedoch nur Verheiratete berücksichtigt werden.
Kassel, 9. März. Gestern hat sich hier ein Unteroffizier erschossen. Er war, wie das Kaff. Tagebl. meldet, zum zweiten Male wegen Ausbleibens über den Zapfenstreich zuletzt mit 10 Tagen Arrest bestraft und scheint sich dies in den Kopf gesetzt zu haben. Er lud gestern nachmittag gegen 5 Uhr sein Gewehr mit einer scharfen Patrone und schoß sich durch den Kopf, worauf der Tod nach einigen Minuten eintrat.
Hamburg, 8. März. Auf Anregung des hiesigen Reichstagswahlvereins werden umfassende Vorkehrungen zu einem großartigen Fackelzuge getroffen, welcher unter Beteiligung der Vertreter zahlreicher Städte am Geburtstage des Fürsten Bismarck in Friedrichsruh stattfinden soll.
— Das „Frkf. I." schreibt: „Die Geister, die ich rief, die werd' ich nun nicht los", können mit Recht die Herren Bebel und Liebknecht klagen, welche augenblicklich Gegenstand der heftigsten Angriffe seitens der inoffiziellen Sozialdemokratie und des Anarchismus sind. In Berlin und anderwärts werden fast alltäglich Versammlungen von Anarchisten, „Lumpenproletariern" oder „unabhängigen Sozialisten" abgehalten, welche mit der „offiziellen Sozialdemokratie" noch heftiger in's Gericht gehen, als mit den bürgerlichen Parteien. Die Parteileitung und ihr Preßorgan „Vorwärts" müssen dabei manch' bitteres Wort hören. So faßte eine Versammlung in „Friedrichshain" folgende bezeichnende Resolution:
„Die Versammlung spricht ihre Entrüstung über das schmachvolle arbeiterfeindliche Gebühren des „Vorwärts" und seiner Hintermänner hinsichtlich der stattgefundenen Unruhen aus. Die Versammlung bezeichnet das Verhalten des „Vorwärts" bei Besprechung der Exzesse, die als eine Folge der wirtschaftlichen Not zu betrachten sind, als Verrat an der Sache des Proletariats. Der „Vorwärts", das Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei, hat durch sein Vorgehen das Recht verwirkt, noch ferner ein Organ der Arbeiterklasse genannt zu werden."
Den Parteileitern wurde in der Versammlung, wie wir zugeben müssen, mit vollem Recht vorgehalten:
„Die Herren Bebel, Liebknecht, Singer und Genossen können sich doch nicht wundern, wenn das, was sie dem Volke so lange gepredigt haben, von diesem Volke in Thaten umgesetzt wird. Die socialdemokratischen Führer sollten sich in Arbeiterkreisen bewegen. Leute, die in verschlossenen, herrschaftlichen Häusern zehn bis zwölf Zimmer bewohnen, können von dem Elend der Arbeiter keine Ahnung haben. Die officielle socialdemokratische Partei ist heuchlerisch und feig. Sie kann nur eine Hurrahcanaille zu Mitgliedern gebrauchen, die den Führern Beifall klatscht und ihre Beiträge bezahlt, ohne zu fragen, wozu die Gelder verwendet werden."
Den Führern wird angesichts dieser Gärung entschieden nicht besser zumute werden und man darf annehmen, daß ebenso wie nach links auch nach rechts hin Anhänger abfallen werden, denen das bourgeoismäßige Verhalten der Führer schon längst ein Dorn im Auge ist. _
Petersburg, 10. März. In mehreren Städten wurden nihilistische Maueranschläge angeheftet, worin dem Zaren das Schicksal seines Vaters angedroht wird.
Nermischtes.
Elektrische Kraftübertragung. Die Amerikaner, welche nichts unversucht lassen, um der Ausstellung in Chicago zum Glanze zu verhelfen, wollen nach dem Vorgänge Lauffen-Frankfurts 1000,000 Pferdestärken von dem 700 Kilometer entfernten Niagarafall nach der Ausstellung übertragen, in der Hoffnung, daß diese Kraft später in Chicago selbst zum Betriebe der Straßenbahnen und zur Beleuchtung Verwendung finden werde. Bei dem Lauffen-Frankfurter Versuch wurden nur 300 Pferdestärken 175 Kilometer weit übertragen, doch war er im Prinzip maßgebend. In Chicago wird man sich des Mehrphasenstromes mit einer Spannung von 30,000 Volts bedienen. Die Kraftübertragung fußt auf den bekannten Turbinenanlagen am Niagarafall, welche 155,000 Pferdestärken liefern und 1893 fertig sein sollen. Die übrigbleibende Kraft dürfte in der Nähe, sowie in dem 40 Kilometer entfernten Buffalo Verwendung finden.
— Unter den Folgen des russischen Notstandes hat sich eine ganz unerwartete und überraschende Erscheinung herausgestrüt — eine Steigerung der Eheschließungen unter den Bauern! Ein Herr Bystrenin, der in einem Orte des Gouvernements Simbirsk im Aufträge eines Komites den Notleidenden Unterstützung austeilt, macht nach der „Magdeburger Zeitung" die folgende originelle Mitteilung: Eines Tages, so erzählt er, kam der Bauer Shlanikow zu mir, um seinen Teil an den Gaben zu empfangen. Laut offizieller Liste waren in seinem Hause drei Personen zu versorgen; in der Bescheinigung aber, die er mir jetzt vorwies, waren plötzlich vier Personen verzeichnet. Ich fragte ihn, was das für ein neues Familien
mitglied sei und erfuhr, daß er, ein achtzehnjähriger Bursche sich verheiratet habe. „Wie?" fragte uh, „eben hast Du geheiratet und bittest gleich um Unterstützung? Ihr habt wohl viel Branntwein zur Hochzeit getrunken?" „Ein bischen .... ein halbes Wredo." (Zehn Flaschen.) „Ja, warum hast Du denn geheiratet? Wenn Du keine Mittel hast, so hättest Du warten sollen?" „Ja seht — die Mädchen sind jetzt billig! Sonst muß man bei uns für den Loskauf eines Mädchens von den Eltern an die vierzig Rubel mindestens zahlen. Jetzt aber gibt man sie mit Freuden umsonst fort. Und dann auch die Trauung! Früher mußte man dem Popen fünf Rubel dafür zahlen, jetzt thut ers aber für einen bloßen Dank. Und ebenso die Gäste. Es kostet jetzt viel weniger, sie zu bewirten, denn es ist ein Hungerjahr — wo soll mans hernehmen!" Die Naivetät, mit der das vorgebracht wurde, war verblüffend. Der Bauer gab nur die Anschauungsweise des ganzen Dorfes wieder, indem sich jeder Familienvater freute, wenn er im Hause eine Person weniger hatte, die Essen verlangte.
— James Berry, der englische Henker hat dem Minister des Innern, Matthews, seine Entlassung eingercicht. Gekränkte Amtsehre bildet den Beweggrund dieses Schrittes. Nach einer kürzlich erlassenen Verordnung soll nämlich der Gefängnisarzt die Tiefe des Falls bestimmen, den der Deliquent bei der Hinrichtung, wenn die Fallthüre niederschnappt, zu erleiden hat. Vor einigen Wochen fand eine Hinrichtung im Kirkdalegefängnis in Liverpool statt. Berry halte angeordnet, daß der Strick 3'/- Fuß lang sein sollte, I)r. Barr aber bestimmte die Länge auf 6 Fuß 8 Zoll. „Schon recht", sagte Berry, „wenn aber der Kopf vom Rumpfe getrennt wird, so werde ich niemals einen Menschen wieder hängen." Der erfahrene Henker, der schon 200 Hinrichtungen vollzogen hat, behielt Recht. Der Delinquent wurde buchstäblich geköpft. Das Entlassungsgesuch beweist, daß es James Berry mit seiner Drohung Ernst war. Um aber nicht müßig zu sein, will er Vorlesungen über „die Todesstrafe" halten. Außerdem beabsichtigt er ein Buch zu veröffentlichen, in dem er seine Erfahrungen ausführlich schildern will.
Elektrische Hinrichtungen. Die angesehene englische medizinische Wochenschrift Lancet schreibt: „Es freut uns aufrichtig, daß die Behörden des Staates New-Aork erwägen, ob die elektrische Hinrichtung nicht wieder abgeschafft werden soll. Es war in der That hohe Zeit. Die letzten Hinrichtungen derart waren noch haarsträubender als die erste. Der New-Iork Medical Record hat auch seine Stimme erhoben gegen diese sogenannte wissenschaftliche Hinrichtungsmethode und ein donnerndes „Halt" gegen das Experimentieren gesprochen, welches jedesmal stattfindet, wenn die Prozedur in Sing-Sing. beginnt. Der Delinquent kommt allerdings zu Tode, aber wie? Jedesmal mußte der Strom wiederholt angelassen werden. In den Zwischenräumen streiten sich die Sachverständigen. Der Todeskampf wird mit der Uhr in der Hand beobachtet, während das Opfer zwischen den sengenden Elektroden in Krämpfen daliegt. Die Einzelheiten dieser furchtbaren Prozedur bergen eine so kalte Brutalität in sich, daß man sie sich kaum vorstellen kann. Das soll nun die beste Methode sein, einen Menschen ums Leben zu bringen!" Die Ausdrücke sind stark, aber nicht zu stark. Aerzte werden sich an solchen Vorgängen künftig hoffentlich nicht mehr beteiligen.
Standesamt Kakr».
Geborene:
9. März. Friedrich, Sohn des Gottlieb Lutz, Fabrikarbeiters hier.
10. „ Luise Bertha, Tochter des Heinrich Bozen
hardt, Maschinenstrickers hier.
Gestorbene:
4. März. Christine geb. Burk Hardt, Ehefrau des Johannes Mattes, Nagelschmieds hier,. 54 Jahre alt.
7. . Luise geb. Gauß, Witwe des Wilhelm Fried
rich Wagner, Maschinenstrickers hier, 34 Jah re alt. _
Gottesdienst
am Sonntag, den 13. März.
Vom Turm: 413.
Vorm-.Predigt: Herr Dekan Braun. 1 Uhr- Christenlehre mit den Töchtern. 5 Uhr Bibelstunde iuu Vereinshaus: Herr Stadtpfarrer Eytel.
Mittwoch Betstunde.