Beilage zum „Calwer Wochenblatt
Nro. ZS
^ ^ 0 6 1 » Nachdrncs verboten.
Der Schwedenhof.
Novelle von Fritz Brentano.
(Fortsetzung.)
Wie oft, wenn ich in stiller Nacht mit der schußfertigen Flinte auf dem Anstand lag, alles war tot und schweigsam um mich her, nur zuweilen rauschten die Zweige hoch über mir oder »in schlafender Vogel gab im Traum einen Laut, da hörte ich plötzlich ferne das leichte Krachen dürrer Äste, wir es nur der Menschentritt hervorbringt. Dann sah ich seine dunkle Gestalt durch die Büsche schleichen, aber der Mondstrahl, der auf meinen blanken Gewehrlauf fiel, mochte ihm meine Gegenwart verraten haben, und das Gewissen trieb ven stolzen Herrn Förster vor dem wildernden Bauer in die Flucht. O, hätte er mir nur einmal gestanden, Auge in Auge, Schuß gegen Schuß —"
„Ulrich! Ulrich!" rief die Bäuerin und hob mahnend die Hand gegen den Sohn, der sich in wilde Heftigkeit hineingeredet und wie schußbereit das wuchtige Gewehr erhoben hatte. „Wo soll das hinaus!*
„Zu Ende!" stieß er knirschend heraus. „Er oder ich! Teufel ich habe die Qual satt, die mich seit jenem Tage verzehrt, wo die Dirne sich meinem ärgsten Feind hingab. Als ich aus meinem ersten, namenlosen Jammer erwachte, da meinte ich es mit der Zeit verwinden zu können, aber es ist nicht wahr, was sie sagen, daß die Zeit alle Wunden heilt — sie nährt auch den Haß, und die Geister der Rache flüstern in schlaflosen Nächten in unser Ohr, daß das Feuer nicht erlischt und der Wurm nicht stirbt. WaS habe ich nicht alles grthan, Mutter, um sie zu bannen. Ich habe gearbeitet für Drei, ich habe für den Hof gesorgt und geschafft und Dir die Last erleichtert, wie ein treuer Sohn, aber die bösen Gedanken wuchsen mir immer und immer wieder über den Kopf, und es trieb mich hinaus in dm rauschenden Wald/ wo mir am wohlsten ist, wenn der brausende Nachtsturm den Wurm in mir überschreit. Und heute erst, heute an ihrem Hochzeitstag, da will eS nicht Fried' da drinnen geben. Mir ist, als müßten die engen Wände mich ersticken, drum halte mich nicht, Mutter, es ist umsonst, ich muß hinaus!"
„Und für den Jammer Deiner alten Mutter hast Du kein Gefühl?' fragte schmerzlich bewegt die Bäuerin. „Meinst Du, fragte sie, ich empfinde nicht ebenso tief, was in Dir vorgeht und trage nicht gleiches Leid, wenn ich es auch nicht wie Du in alle Welt hinausschreie! Glaubst Du, die Mutter lese nicht im Heizen des Kindes!"
„O. Ulrich, seit st« Deinen Vater in der Herbstnacht nach Hause brachten und das totwunde, liebe Angesicht im roten Fackelschein vor mir lag, habe ich keine schmerzlichere Stunde erlebt, als da, wo es kund ward, daß die Gertrud Dir das Wort gebrochen und sich dem Jäger angelobt habe. Und auch in mir erwachte damals der wilde Groll — der Trotz, das Erbteil all' derer vom Schwedenhof regte sich in mir gegen alle Welt, und fast hätte auch ich Schiffbruch an Glauben und Menschenliebe in der Einsamkeit des Hofes gelitten. Aber das alle Bibelbuch, das mir schon einmal in schwerster Zeit Trost verliehen, hat mich aufrecht erhalten, und je mehr ich mich an den langen Winterabenden, wenn Haus und Hof eingeschneit waren, in dasselbe vertiefte, desto mehr tobte der Kampf in meinem Innern aus. Längst wäre der Friede wieder bei mir eingekehlt, wärst Du anders gewesen Ulrich, hättest auch Du Dein Herz dem Trost des Glaubens erschlossen. Aber Dein finsteres Schweigen, Deine nächtlichen Gänge zum Wald, um die ich längst wußte, ehe Du es ahntest, und so manches andere ließen mich nicht zur Ruhe kommen. Der Blick aber, den Du mich heute in Dein Inneres thun ließest, zeigt mir die ganze Tiefe Deiner Verblendung gegen Gott und Welt und läßt mich zurückschaudern vor dem Abgrund, an dem Du stehst. O, Ulrich, Ulrich, hättest Du der Mutter früher Dein Herz erschlossen, ehe das Gift so tief in Dich hineingefressen, eS wäre so weit nicht gekommen. Vielleicht ist es noch Zeit — komm, mein Sohn, lege die Mordwaffe ab und bleibe."
Er war auf den Schemel gesunken und kühlte seine brennende Stirn an dem Gewehrlauf, den er mit beiden Händen umfaßt hielt.
Die Mutter war zu ihm getreten und legte wie segnend di« Hände auf sein Haupt. Einen Augenblick schien es, als zöge der bessere Geist in sein krankes Herz«
„Du bleibst?" fragte sie leise.
Da tönte ganz in der Ferne ein Schuß vom Wald herüber und schreckte ihn auf.
„Nein, nein!" rief er aufspringend. „Heute nicht — ein andermal, morgen, Mutter!"
„Ulrich!" schrie sie auf.
„Ich suche ihn nicht auf, verlasse Dich darauf," sprach er, und wehrte die Hand der Mutter ab, mit welcher sie ihn vergeblich zu halten suchte. „Schlaf wohl!"
Schon war er draußen.
Die Nacht war längst angebrochen. Durch das Brausen des HerdstwindeS klangen vereinzelte Glockenklänge vom Dorf herüber — die Bäuerin faltete die Hände, und wie unbewußt flüsterten ihre Lippen:
„Führe uns nicht in Versuchung!"
III.
Der Förster war langsam auf das alte Forsthaus zugeschritten.
Da unten lag es vor ihm. Zwischen den Bäumen schimmerte das einsame Licht der Wohnstube.durch die Nacht — noch wenige Schritte, und er war daheim.
Aber immer zögernder wurde sein Gang, immer dunkler der Schatten auf seiner Stirn. Ein altes, halb verwittertes Steinbild — kein Mensch wußte es zu deuten — lag seit undenklicher Zeit hier am Wege. Er betrachtete es sinnend mit fremden, starren Blicken, als ob er eS nie gesehen, dann nahm er mechanisch die Büchse von der Schulter und setzte sich auf den umgestürzten Stein.
Er mochte nicht älter sein, als drüben der Ulrich vom Schwedenhof, und doch wie alt, wie müde sah er aus, als er hinüberschaute nach dem flackerndem Licht des Jägerhauses. ES war nur ein nebelhafter, bleicher Dämmer, der von dorten zu ihm herüberdrang, keinen Blick in die Stube gestattend — um ihn her war es still und tot, und dennoch sah er, hörte er alles.
Er sah beim Schimmer der Lampe das blasse, junge Weib dorten an dem alten richengeschnitzten Tisch sitzen, sah sie thränenlosen Auges nach der leeren Wiege hinübnstarren, aus der sie vor wenigen Tagen das tote Kind hinauSgetragen hatten in den herbstlichen Wald — er hörte das gleichmäßige, schwere Tiäen der uralten Wanduhr, wie er rS von Kindheit auf gehört hatte in dem stillen VoterhauS.
So saß er lange, das Haupt zur Erde gebeugt, bis ein ferner Ton ihn aufschreckte. Die Dorfuhr schlug sieben, und fast feierlich klang langsam Schlag um Schlag durch die Nacht. Er erhob sich und schritt in das Haus.
Da war alles, wie er es draußen im dunklen Wald geschaut. An dem Tisch das junge Weib — drüben an der Wand die leere Wiege — und zwischen den beiden Fenstern die alte Uhr.
' Tick - tack — tick - tack!
„Guten Abend, Gertrud!" sprach er mit scheuer Herzlichkeit.
„Guten Abend,' antwortete sie tonlos, ohne den Blick zu ihm zu erheben.
„Ich bin lang weg gewesen," fuhr er fort. „Hast Du Dich einsam gefühlt?"
„Bin ich's nicht immer?" fragte sie fast schneidend, „und doch, nein, ich bin eS eigentlich nie. Die bösen Gedanken leisten mir treulich Gesellschaft."
„Gertrud!" brauste er auf, „laß das thörichte Gerede; Du weißt, ich mag es nicht leiden und am wenigsten heute — an unserem Hochzeitstage," fügte er weicher hinzu.
„Mahnst Du mich daran?" sprach sie heftig und heftete ihre großen Augen mit einem so unheimlichen Ausdruck auf sein Gesicht, daß er sich abwandte. „Es ist just der rechte Tag, wo ich Grund zur Freundlichkeit habe. Unser Hochzeitstag! Haha! Er hat uns großen Segen gebracht!"
„Und durch wessen Schuld ward er uns zum Unsegen?" fragte er vorwurfsvoll. „That ich nicht alles, um Glück und Frieden in unser stilles Försterhaus zu bannen, wo sie seit Jahren gewohnt? Wer hat den bösen Geist über unsere Schwelle beschworen? Ich nicht!"
„Du nicht?" nef das blasse Weib. „Ei sieh doch! Wer war es, der mit roher Hand in mein Leben eingriff, Glück und Zukunft zweier Menschen zerstörte und mich durch ein teuflisches Mittel gewaltsam an sich fesselte? Warst Du das nicht? Wer war es, der meinen armen Vater — Gott schenke ihm Frieden — die ewige schreckliche Furcht wie ein Schloß vor den Mund legte, daß er es nicht hinausschrie in alle Welt, wie Du seine Tochter zum Weib gewannst? Und wenn dieses Weib, um den alten Vater vor dem drohenden Zuchthaus zu retten, Liebe und Glück, Lust und Leben für immer dahin warf und dafür ein langer, freudloses Dasein, die ewige Qual des Gedenkens eintauschte, die wie eine schwere Kette hinter mir drein schleppt, wunderst Du Dich dann, daß ich keine Ruhe finden kann? Warnte ich Dich nicht, sagte ich Dir nicht alles voraus, wie es kommen würde, Förster!"
Fortsetzung folgt.
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