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un- Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.
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Donnerstag, den 11. Jebruar t892.
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Tages-Ueuigkeiten.
X. Calw, 10. Febr. Wie aus dem Inseratenteil zu ersehen ist, wird Herr Organist Koch aus Stuttgart am nächsten Sonntag ein Kirchenkonzert in der hies. Stadtkirche veranstalten. Das Programm, welches in nächster Nummer veröffentlicht werden wird, bietet sehr viel aus dem reichen Gebiete der Kirchenmusik. Der Konzertgeber, ein Schüler von Professor Faißt in Stuttgart, ist in hohem Grade befähigt, die Orgel, die Königin aller Instrumente, in der Mannigfaltigkeit ihrer Klangwirkungen vorzuführen, wobei ihn eine eminente Spielfertigkeit unterstützt. Ebenso interessant werden für Freunde der Musik die Gesangsvorträge der künstlerisch ausgebildeten Sängerin, Frl. Brackenhammer, sein, die auch in hies. Stadt auf dem Gebiet des Kunstgesangs schon anerkannt Vorzügliches geleistet hat. Neben weiteren hiesigen Musikkrästen, welche die Güte haben mitzuwirken, wird hauptsächlich auch der hies. Kirchengesangverein einige kirchliche Chöre zum Vortrag bringen. Möge ein zahlreicher Besuch des Konzerts aus Stadt und Land dem Konzcrtgeber zeigen, daß man bei uns derartige Kunstgenüsse stets dankbar zu schätzen weiß. Herr Koch hat in letzter Zeit in verschiedenen Städten unseres Landes Kirchenkonzerte veranstaltet, daher hier ein Bericht des „Schwäb. Merkurs" aus Geislingen vom 28. Dez. v. I. angeschlossen werden soll: „Unter den Genüssen mannigfacher Art, welche die Weihnachtsfeiertage brachten, nimmt weitaus den ersten Rang ein das gestern von dem Organisten M. Koch unter Mitwirkung von Frl. I. Brackenhammer aus Stuttgart und von Mittelschull. Lauffer von hier und dessen Schülerchor veranstaltete Kirchenkonzert. 6 Orgelvorträge, 3 Altgesänge und 3 Schülerchöre bildeten in abwechslungsreicher
Anordnung die Stückfolge. Organist Koch zeigte eine bewundernswerte Meisterschaft auf seinem Instrument, die in Beziehung auf Technik keine Schwierigkeit kennt, in Bez. auf Klangmischung die ergreifendste Wirkung hervorzubringen versteht. Frl. Brackenhammer entzückte mit ihrer klangreichen weichen Stimme und ihrem seelenvollen Vortrag auch das verwöhnteste Ohr und die Schülerchöre wurden so pünktlich vorgetragen, daß auch sie neben den vollendeten Leistungen der Künstler mit Genuß anzuhören waren. Die hohe Befriedigung der Zuhörer gab sich u. a. dadurch zu erkennen, daß ein großer Teil derselben sich nach dem Konzert um Künstlerin und Künstler scharten, was zu einem improvisierten Nachkonzert in der Sonne Anlaß gab, bei welchem auch hiesige Gesangskräfte, Frl. E. Hirsching und Buchhändler Roth, mit ihren Leistungen zu glänzen Gelegenheit hatten.
Stuttgart, 6. Febr. Die Urheber der in der Nacht vom 5. zum 6. Dezember v. I. auf der Gänsheide beim Wege von hier nach Gablenberg angerichteten vandalischen Verwüstungen hat nun die wohlverdiente Strafe ereilt. Sie erhielten zuerkannt: der 20 Jahre alte Taglöhner Wilh. Eisele von hier 5 Wochen, der 20 Jahre alte Maschinenmeister Wilh. Bofinger von hier über 30 Tage, der 18 Jahre alte Taglöhner Karl Heppeler von Gablenberg 4 Wochen und der 19 Jahre alte Taglöhner Karl Schultheiß von Gablenberg 4Woch. Gefängnis.
Stuttgart, 9. Febr. Der heutige Lebensmittelmarkt sah die ersten Sp arge ln, selbstverständlich im Frühbeet gezogen; der Bund wurde zu 1 ^ angeboten. Junge Gemüse wie Kresse, Sonnenwirbele, Ackersalat, Brunnenkresse und Lattich, auch Wintergemüse reichlich. Obst heute auffallend viel von vorzüglicher Schönheit. Eingeführtes Obst nicht
mehr zahlreich und nur noch aus Oestreich. An Fischen meist einheimische sog. Backfische, Barben, Hechte, daneben Zander und Schellfische; der Bodenseekarpfen ist ein besonders beliebter Fisch geworden.
Stuttgart. Helgoland-Panorama. Nachdem am 31. Jan. das Champigny-Panorama geschlossen wurde, war man im Laufe der vergangenen Woche eifrig mit der Entfernung des plastischen Anbaus und der Aufrichtung der nötigen Fahrstühle beschäftigt, so daß nun mit dem Abnehmen des Champigny-Gemäldes begonnen werden konnte. Das neue Rundgemälde ist bereits von Bremen aus unterwegs und wird in den nächsten Tagen eintreffen, so daß dann sofort mit Aufhängen des neuen Gemäldes begonnen werden kann; wenn es möglich ist, soll die Eröffnung am 25. Febr. zur Geburtstagsfeier S. M. des Königs erfolgen. Von welch riesigem Umfange ein solches Rundgemälde ist, geht daraus hervor, daß man zum Transporte des Champigny-Gemäldes extra eine Kiste von 11 m Länge anfertigen lassen müßte.
— Die elektrische Ausstellung in der Legionskaserne wird am Mittwoch eröffnet.
Untertürkheim, 7. Febr. Gestern abend fand im Gasthof zur Krone hier eine seltene Feier statt. Am 2. Februar waren es, wie bereits mitgeteilt, 40 Jahre, daß Gemeindepfleger Warth sein Amt als solcher angetreten hat. Zu diesem Jubiläum hatte sich eine große Anzahl Freunde des Herrn Warth eingefunden, um dem körperlich und geistig noch frischen 78jährigen Jubilar ihre Glückwünsche darzubringen. Schultheiß Fiechtner begrüßte die Versammlung und führte den Anwesenden die großen Verdienste des Gefeierten in bewegten Worten vor. Feldinspektor Warth aus Stuttgart, ein Sohn des
^ 44 1 n . Nachdruck ,«rb»t«n.
Kapitän Herbol-'s Tochter.
Novelle von F. Herrmann.
(Fortsetzung.)
Der Beamte durste ihm nicht einmal Zeit lassen, sich mit vielen Worten von seiner Tochter zu verabschieden. Der Möglichkeit einer geheimen Verständigung durch Worte oder Zeichen mußte jedenfalls vorgebeugt werden und selbst das Mitleid, das der Polizist mehr und mehr mit dem schönen jungen Mädchen empfand, durfte ihn nicht bestimmen, sich einer Vernachlässigung seiner Pflichten schuldig zu machen.
Die Leute in der B.straße schauten wohl neugierig aus, als Kapitän
Herbold der sonst so straff und aufrecht einherging, an der Seite eines fremden Herrn mit gesenktem Haupt durch die Straße schritt und keinen der Grüße erwiederte, welche hier und da an ihn gerichtet wurden. Daran, daß er ein Gefangener sein »könnte, dachte Niemand und am allerwenigsten kam irgend einem auch nur die leiseste Ahnung von der Schwere der Beschuldigung, unter welcher der von Allen so hoch geachtete alte Seemann stand.
Erst als gleich nachher auch die Thür des Ladens verschlossen wurde, geriet man auf die Vermutung, daß irgend etwas Außergewöhnliche» geschehen sein müsse, nnd da sich allmählich auch die Kunde von dem blutigen Ereignis der letzten Nacht selbst in dieser entlegenen Gegend verbreitete, konnte es natürlich nicht fehlen, daß man die überraschende Schließung des GeschästSlokalS mit jenem Vorfall in einen Zusammenhang zu bringen suchte.
XI.
In Johannes Jasmund» elendes Mansardenstübchen fiel eben ein breiter Streifen der Nachmittagssonne, die draußen Stadt und Land mit einem goldigm,
verklärenden Schimmer übergoß, und die hier die traurige Armseligkeit und Jämmerlichkeit des kleinen Zimmers nur um so greller zu Tage treten ließ.
Der verwachsene Schreiber hatte sich heute nicht wie sonst an seine Arbeit gesetzt. Seine hagere, zerbrechliche Gestalt ruhte auf der harten Lagerstätte an der Wand, und es hatte ganz das Aussehen, als ob er sich aus eigener Kraft von derselben nicht wieder erheben würde.
Seine Krankheit mußte innerhalb weniger Stunden furchtbare Fortschritte gemacht haben, denn die Züge seines Antlitze» waren ganz wie die eines Sterbenden. Seine Wangen waren noch tiefer eingesunken, breite schwarze Ränder umgaben seine Augen, und Kinn und Nase waren eigentümlich spitz und farblos geworden. Er lag meist mit geschloffenen Augen da, aber schlief doch nicht, und er war auch nicht ohne Bewußtsein, denn von Zeit zu Zeit irrten seine abgemagerten Hände umher, um nach irgend einer Stütze zu tasten, und dann machte er verzweifelte Versuche, sich in die Höhe zu richten, wie wenn es seine Absicht sei, das Bett zu verlassen. Doch seine schwindenden Kräfte waren einem solchen Beginnen bei weitem nicht mehr gewachsen. Er vermochte den Kopf kaum noch vom Kiffen zu erheben, und die scheinbar so geringe Anstrengung verursachte ihm jedesmal Hustenanfälle, welche ihn dem Erstickungstods nahe brachten.
Dann stöhnte der Unglückliche gleich einem Verzweifelnden und seine Augen füllten sich mit Thränen. Er war offenbar von irgend einem sehnlichen Wunsch, von einem brennenden Verlangen erfüllt, und die physische Unmöglichkeit, demselben Genüge zu thun, quälte ihn ungleich mehr als die körperlichen Schmerzen, welche er erlitt. Über den Zustand, in welchem er sich befand, konnte sich der Arme keiner Täuschung mehr hingeben. Er fühlte, wie seine Lebenskraft von Viertelstunde zu Viertelstunde mehr dahinschwand, und er wußte, daß die eisigen Schauer, die seinen Körper in immer kürzeren Zwischenräumen erbeben ließen, nichts Andere» waren, als der Hauch des unbarmherzigen Würgers Tod, dessen unsichtbare Knochengestalt schon fest dem Anbruch diese» Tage» zu Häuptm seine» Lagers stand.