Neckarsulm, 17. Jan. Indem in unseren Bezirk gehörigen Städtchen Möckmühl wurden 11 Schuhmacher in den Bürgerausschuß gewählt. Ein Witzbold meint, für diese 11 Schuhmacher wäre vielleicht ein Gerber als Obmann recht!
Göppingen, 19. Jan. In der Spinnerei von A. Gutmann u. Comp, hier verunglückte beim Schmieren der Transmission heute morgen ein Arbeiter, indem die Leiter rutschte, auf welcher er stand, und er so unglücklich herabfiel, daß man ihn mittels Droschke ins Krankenhaus verbringen mußte; wahrscheinlich hat er innere Verletzungen davongetragen.
Köngen, 19. Jan. Eine Schlittenfahrt, die am letzten Sonntag Teckwirt R. von Kirchheim mit seiner Frau hieher machte, fiel sehr unglücklich aus. Auf der Rückfahrt gingen nämlich die Pferde noch innerhalb des hiesigen Ortes durch. Die Frau sprang bei den Pappeln aus dem Schlitten und wurde so unglücklich gegen einen Weichstem geschleudert, daß sie sofort bewußtlos war und aus Ohren und Nase blutete. Die Pferde rasten weiter, konnten aber an der Brücke zum Stehen gebracht werden. Die Frau wurde in das Gasthaus z. Schwanen beim Bahnhof in Unterboihingen verbracht. Der sofort herbeigerufene hiesige Wundarzt konstatierte außer einer tiefen Wunde am Kopf eine heftige Gehirnerschütterung. Seit gestern ist sie wieder zeitweise bei Bewußtsein. Wenn auch noch nicht alle Lebensgefahr ausgeschlossen ist, so hofft man doch, sie am Leben erhalten zu können.
Pfullingen, 19. Jan. Ein seit kürzerer Zeit als Assistent an der hiesigen Heil- und Pfleganstalt beschäftigter junger Arzt, aus Norddeutschland gebürtig, gab sich heute Nacht in seiner Wohnung durch einen Revolverschuß den Tod. Schon seit einigen Tagen hat man an dem sehr thätigen, fachmännisch tüchtigen jungen Mann Anzeichen geistiger Störung und hochgradige Aufregung bemerkt und es ist darin jedenfalls die Veranlassung der sehr bedauerlichen That zu erblicken, die allenthalben lebhaftes Bedauern erregt.
— Die „Rottweiler Schwarzw. Bürgerzeitung" enthält folgende Korrespondenz:
Aus dem untern Bezirke, 18. Jan. Einsender dieses ist zwar kein Artikelschreiber in ein öffentliches Blatt, dennoch sieht sich derselbe genötigt einmal die Feder zu ergreifen.
Wenn man seit den letzten Reichs- und Landtagswahlen den „Neuen Alb boten" zu lesen Gelegenheit hat, so wird und muß einem jeden Leser etwas ganz besonders auffallen, nämlich die in demselben so oft und wie es scheint mit so großer Vorliebe gebrauchten Worte: Die „Lebenslänglichen", „lebenslängliche Staatssäulen", der „Gestrenge", der „Allgestrenge" u. s. f.
Ich möchte nun die Frage stellen: „Hält der „Neue Albbote" eine solche Rede oder Ausdrucksweise denn wirklich für anständig und den Verhältnissen unserer Zeit angemessen! Ist solch eine Sprache überhaupt eines deutschen Mannes würdig?"
Ist es nicht der Ortsvorsteher, der durch das Vertrauen seiner Mitbürger an die Spitze seiner
Gemeinde berufen und vor Gott, dem Gesetz und seinem Gewissen verpflichtet ist, nur das Beste seiner Gemeinde zu wollen, ver in seiner Gemeinde an allem Freud und Leid zuerst Anteil nehmen muß und dadurch in so manche Familienverhältnisse eingeweiht wird, der fast jedem einzelnen Bürger mit Rat und That an die Hand gehen soll und es auch gerne thut. Und nun glaubt der „Neue Alb-Bote" wahrscheinlich dadurch seine Aufgabe zu erfüllen und Wasser auf seine Mühle zu bekommen, wenn er in oben bezeichneter Weise die Ortsvorsteher herunterwürdigt vor den Augen ihrer Gemeinden und das Vertrauen gegen sie zu untergraben sucht. Ja der „Neue Albbote" weiß ganz gut wohin dieses zuletzt führt, und deswegen betreibt er es so geschäftig und fleißig.
Einsender dieses war seiner Zeit ein begeisterter Anhänger der damals im Wachsen begriffenen Volkspartei, besonders als der redegewandte Rechtsanwalt, jetzt Reichs- und Landtagsabgeordnete K. Haußmann, zum erstenmal im Bezirk auftrat. Damals glaubte auch der Schreiber dieses: Ja besser meint es mit dem gemeinen Volk niemand als diese Partei und in der That, was damals Hr. Haußmann sagte, war für jeden Mann recht und annehmbar. Nachdem aber einige Erfolge errungen waren, da wurde aus dem „Neuen Albboten", dem vorher so bescheidenen Volksblatte, ein Hetz- und Schürblatt ersten Ranges fast gegen jegliches Recht, stolz und grob gegen jedermann, der es wagt, ihm etwas zu widerlegen oder anderer Ansicht zu sein.
Mit diesem Wenigen möchte der Einsender dem allesbekrittelnden „Neuen" den einfachen Rat geben, künftig nicht mehr in so frivoler Weise die Ehre und das Ansehen eines Standes schwächen zu suchen, der es wahrlich verdiente ob der vielen Lasten, die er zu tragen hat, rücksichtsvoller und artiger behandelt zu werden.
Uermischles.
— Ein seltener Akt, an dem auch die Schulen mit ihren Lehrern teilnahmen, vollzog sich in der letzten Woche in Pudewitz (Prov. Posen). Es handelte sich um die Verleihung der Rettungs- Medaille am Bande an die Frau des Rentiers Dölln, zu welchem Behufe der Oberregierungsrat Gedike aus Posen erschienen war, um nach einer Ansprache, in welcher er die Geistesgegenwart, den Mut und die Nächstenliebe der Dame hervorgehoben hatte, von der Verleihung der Rettungsmedaille durch den Kaiser der Frau Dölln Mitteilung zu machen. Dieser Auszeichnung liegt nach der Schles. Ztg. folgender Vorfall zu Grunde: Im Februar v. I. ging das Dölln'sche Ehepaar in der Nähe des Piestrochowo'er Sees spazieren, als von dort her laute Hilferufe ertönten. Der 11jährige Sohn des Maurers Lisniewski war eingebrochen und dem Ertrinken nahe. Niemand weiter als das D.'sche Ehepaar befand sich in der Nähe, und da Herr Dölln selbst alt und kränklich ist, machte sich seine Frau an das Rettungswerk, ihr eigenes Leben einsetzend; denn die Eisdecke war infolge des einige Tage vorher eingetretenen Tauwetters dünn und mürbe geworden und kaum im Stande, Frau D. zu tragen. Trotzdem wagte sie sich an jene gefährliche Stelle, legte sich platt auf das Eis,
reichte dem verunglückten Knaben den Stock ihres- Mannes und zog ihn an demselben mit großer Anstrengung aus dem Wasser.
— Ueber ein entsetzliches Unglück wird unter dem 15. Januar aus Bukarest berichtet. Die in der Caela Victorici wohnende Gemahlin des Generals Algin lag in den letzten Zügen, und man hatte der Sterbenden nach dem Brauche der griechischen Kirche eine brennende Wachskerze in die Hand gegeben. Plötzlich fingen die Bettgardinen Feuer, und dieses griff so rasch um sich, daß das Sterbezimmer im Augenblick in Flammen stand. Frau Algin wurde später als halbperkohlte Leiche aus dem Zimmer geschafft. Der Brand verbreitete sich rasch auch auf die übrigen Räumlichkeiten des Hauses, erfaßte den Dachstuhl und zerstörte auch die beiden angrenzenden Paläste. Während des Brandes wurde der furchtbare Verdacht laut, daß die ganze Katastrophe von der Dienerschaft der Generalin, welche sich den bevorstehenden Tod ihrer Herrin zu nutze machen wollte, um Wertsachen zu stehlen, herbeigeführt worden.. Mehrere Diener wurden verhaftet.
Attentat auf einen Redakteur. Auf den Chefredakteur des in Madrid erscheinenden „Jmparcial", Herrn Rafael Gasset, wurde vorige Woche in einem Zimmer des Redaktionsgebäudes von dem in ganz Madrid bekannten Anarchistenführer Francisco Diaz ein Attentat verübt. Diaz hatte einige Tage früher bei einem Sozialistenmeeting eine Brandrede gehalten und war in dem Berichte, den der „Jmparcial" über diese Versammlung brachte, „Phrasenheld", und „Narr" genannt worden. Diaz drang mit einem Revolver und mit einem sogen.. Totschläger bewaffnet in das Sprechzimmer des Chefredakteurs ein und forderte von diesem Genugthuung für die ihm im „Jmparcial" zugefügte Beleidigung., Als ihm Herr Gasset die Thür wies, schlug er mit dem mit Blei gefüllten Knüttel auf ihn los, indem er die Worte ausstieß: „Stirb, du Preßhund!" Gasset wurde am Kopfe verwundet, war aber noch im Stande, auf den Knopf des elektrischen Läutewerks zu drücken und die anwesenden Redaktionsmitglieder herbeizurufen, welche den tobenden Anarchisten überwältigten, und so lange festhielten, bis er dem rasch herbeigeeilten Polizeiagenten übergeben werden konnte.
Schneller Entschluß. Ein Winzer in Piesport hatte im Laufe des letzten Jahres mit dem Einkleben der Marken für die Jnvaliditäts- und Altersversicherung für seine Dienstmagd nicht recht fertig werden können und am Schluß des Jahres war die Karte in „schönster Unordnung." Diese ewigen Quälereien hatten den Mann vollständig gebrochen. Er wählte das kleinere Uebel, ging mir der Dienstmagd — aufs Standesamt und heiratete sie. Der glückliche Bräutigam zählt 55, die Braut 27 Lenze.
Pünktliche Buchhaltung. In Remscheid ist dieser Tage in der Person eines dortigen Uhrmachers ein Dieb abgefaßt worden, der dem Gerichte die Arbeit recht sehr erleichtert hat. In dem Besitz
und seine Erregung war so groß, daß es ihm augenscheinlich nicht leicht wurde, das rechte Wort zu finden, mit dem er einen so unerhörten, einen so ungeheuerlichen Vorwurf zurückzuweisen habe. Dann aber durchbrach seine gerechte Entrüstung unaufhaltsam alle die Schranken, welche er bisher unter dem Einfluß der Vergangenheit unwillkürlich noch respektirt hatte.
„Ein Hundsfott, wer den Mut hat, mich einen Kuppler zu nennen!" donnerte er mü so mächtiger Stimme, daß es von den Wänden widerhallte.
„Wir haben fortan keine Gemeinschaft mehr mit einander, Herr Werner Petersen, und der da oben wird meine alten Knochen wohl noch so lange Zusammenhalten lassen, bis ich auf Heller und Pfennig zurückgegeben habe, was Sie mir geschenkt zu haben glauben! Ihr Sohn aber — und das ist mein letzte- Wort, Herr Petersen! — Ihr Sohn wird meine ElSbeth heiraten, wie es seine Pflicht ist, oder beim allmächtigen Gott, die Sache kann nimmer ein gutes Ende nehmen!"
Langsamen, festen Schrittes und hoch erhobenen Hauptes, wie er gekommen war, verließ Kapitän Herbold die prunkvolle Wohnung und das stolze Haus seines ehemaligen RhederS. Er war sich vollkommen darüber im Klaren, daß er nun alle Brücken hinter sich abgebrochen habe, und daß das Zukunftsbild, welches sich jetzt vor ihm austhat, wahrscheinlich kein hoffnungsvolles und sonniges sei. Aber dessenungeachtet kam ihm nicht die leiseste Regung des Bedauerns über das. was er gesagt und gethan. Der Schmerz und der Zorn über die schwere Beschimpfung, welche er von Petersen erfahren hatte, zitterten noch immer in jeder Faser seines Herzens
nach, und wer von seinen Nachbarn aus der B.straße ihm jetzt begegnet
wäre, der würde in seinem dunkel geröteten Antlitz vergeblich nach den sonst so unabänderlichen, gutmütig biederen Zügen gesucht haben.
Der Kapitän machte einen weiten Umweg um das ganze Alsterbecken, ehe er
die gerade Richtung nach seinem Heim einschlug. In einer Gemütsstimmung, wie «S seine gegenwärtige war, konnte er unmöglich vor Elsbeth hintreten. Sie würde ja unzweifelhaft tötlich erschrocken sein, und die Mitteilungen, welche er ihr zu machen hatte, waren ohnedies von einer so trübseligen und unfteulichen Art, daß er mindestens doch bemüht sein mußte, mit Hilfe reiflicher Überlegung eine zarte und schonende Form für dieselben zu finden.
Als er aber, grimmig vor sich hinschauend, über die Lombardsbrücke ging, sah Kapitän Herbold einen kleinen, halb verwachsenen Menschen, der sich über das Geländer gebeugt hatte und unverwandt in das tief unter ihm dahinfließende Wasser starrte. Die unscheinbare Gestalt kam ihm sogleich bekannt vor, und als er näher hin schaute, erkannte er, daß es wirklich sein Nachbar, der Schreiber Johannes Jas- mund sei. Der kam ihm in seiner gegenwärtigen Bedrängniß gerade recht, denir wenn auch Kapüän Herbold, so lange er die Planken eines Schiffes unter den Füßen gespürt, niemals eines Rate» oder Beistandes in kritischen Augenblicken bedurft hatte, so sehnte er sich jetzt doch recht aufrichtig nach einem teilnehmenden Freundesherzem
Der kleine Schreiber fuhr in jähem Erschrecken zusammen, als er sich so unerwartet am Arm berührt fühlte, und als er den Kapitän erkannte, errötete er wie Einer, den man über der Ausübung eines Unrechts bettoffen hat.
„Ich — ich wollte mich hier nur ein wenig auSruhen!" stotterte er. als wäre er über den Zweck seines Aufenthalts am Brückengeländer befragt worden, obwohl dem Kapitän eine derartige Erkundigung durchaus nicht in den Sinn gekommen war. Und daher senke er den Kopf, als fürchte er. eS sei ihm auf dem Gesicht geschrieben. wie schön und lebhaft er sichS soeben ausgemalt, da unten auf dem Grunde deL rasch dahinsttömenden Flusses auszuruhen für immer.
(Fortsetzung folgt.)