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Versammlung verschiedenen Widerspruch. Schließlich trat man einem Beschluß des Ulmer Vereins bei, welcher die Erörterung dieser Frage auf einen demnächst zu bestimmenden Fischereitag verlegte, für welchen Cannstatt vorgeschlagen wurde. Die Verhandlungen, welchen die Abg. Wittich-Aalen und Holzherr- Rottenburg anwohnten, fanden 6Uhr ihren Schluß.
Tübingen, 7. Jan. Innerhalb drei Tagen ist jetzt zweimal auf dem Bühnenraum der Restauration des Herrn Stroh zur „Seif" angezündet worden und zwar letztmals Mittwoch früh 2 Uhr. Brandstiftung ist zweifellos und wäre die Festnahme des frevelhaften Thäters sehr zu wünschen. Bei den baulichen Verhältnissen des Häuserrayons an der Neckarhalde und Burgsleige könnte ein nicht bald nach Entstehen entdeckter Brand großes Unheil anrichten.
Reutlingen, 7. Jan. In sämtlichen hies. Bäckereien und Wirtschaften herrschte am heutigen abend ein reges Leben und Treiben; galt es doch die Feier des Mutsch eltages, der immer auf den dem Erscheinungsfeste folgenden Donnerstag fällt. Die Mutscheln sind ein Gebäck von der Form eines Sterns, dessen Spitzen, oder wie die hier übliche Benennung heißt „Zinken", die strahlende Sonne darstellen sollen. Der Volksglaube bezeichnet mit diesem Stern den der Weisen aus dem Morgenlande. Die Mutscheln werden in fröhlichem Würfelspiel ausgeworfen und nur der, welcher mit hiesigen Verhältnissen vertraut ist, macht sich einen richtigen Begriff von dem Umsatz, der in manchen Bäckereien erzielt wird.
Rottenburg, 8. Jan. Gegen die im vorigen Jahre hier überhandnehmenden Brandfälle sind von den bürgerlichen Kollegien Maßregeln getroffen worden. Unter diesen heben wir besonders hervor die eingeführte nächtliche Patrouille. Es werden schon seit anderthalb Monaten von der Stadtbehörde je zuvor für den betreffenden Dienst 8 Einwohner bezeichnet, welche mit der Polizeimannschaft alle Stadtteile von abends 8 Uhr bis morgens 4 Uhr zu begehen haben. Es ist der allgemeine und berechtigte Wunsch, daß diese und andere Vorsichtsmaßregeln — verbunden mit den zu hoffenden Wirkungen der im vorigen Monat hier abgehaltenen Mission — dahin führen mögen, der hiesigen Stadt die führere Ruhe und Sicherheit wieder zu verleihen.
Bietigheim, 8. Jan. Als Mittelpunkt ihrer Thätigkeit im Enz- und unteren Neckarthal hat die Heilsarmee unser Städtchen sich erkoren. Ein Lokal ist bereits gemietet, in dem die Versammlungen abgehalten werden sollen; die dazu nötigen Einrichtungen liefert das Hauptquartier Berlin.
Sulz ach a M., 7. Jan. Einen Selbstmord mittelst Erschießens führte heute früh ein hies. junger Bürger aus, der, erst kürzlich vom Militär beurlaubt, mit einem Dienstmädchen ein Verhältnis unterhielt, das die Eltern des jungen Mannes absolut nicht dulden wollten.
Blaubeuren, 8. Jan. Der Kassier der Gewerbebank, Kaufmann Schwarz, wurde gestern abend nach Ulm in Untersuchungshaft eingeliefert. Er ist geständig, die Gewerbebank um 240,000 -46 geschädigt zu haben; er hat nicht nur sein gegen 100,000 ^ betragendes Privatvermögen, sondern auch die Einlagen der Mitglieder, darunter vieler kleiner Leute, an der Berliner Börse verspekuliert. — Dem „Ulm. Tgbl." wird von hier aus mitgeteilt, daß sich die Summe von 240,000 ^ auf die gesamten Passiva der Bank beziehe und daß dem gegenüber noch Aktiva in Ausständen, Kaution rc. bestehen, so daß, soweit sich die Sache bis jetzt übersehen läßt, immerhin ungefähr 70 Proz. herausbezahlt werden können.
Ulm, 7. Jan. Wie aus der anläßlich der Vereidigung der bürgerlichen Kollegien gestern gehaltenen Rede des Schultheißen Wagner zu entnehmen, ist höchsten Orts die Veranstaltung einer weitern Lotterie zur Gewinnung der Mittel für den vollständigen Ausbau des Münsters im Aeußern und Innern genehmigt worden. Es werden dem Vernehmen nach 2 Serien von 300,000 Losen L 3 ^5 zur Ausgabe gelangen.
Ulm, 7. Jan. Ein 14jähriger Bursche von hier, Namens Frank, der wegen verschiedener Diebstähle schon gerichtlich bestraft wurde und bis Anfang November d. I. im Gefängnis in Memmingen war, ist seit dieser Zeit nicht zu seinen Eltern zurückgekehrt, sondern treibt sich vagierend und nur vom Bettel und Betrug lebend, in der Umgebung umher. Einem Bäckermeister in Attenhofen, Bezirksamt Weißenhorn, log er vor, er sei der Sohn einer armen Witwe und habe Niemand, der für ihn sorgen könne, und ließ sich von demselben als Lehrling einstellen. Nach einigen Tagen wurde er zum Verkauf von Brod ausgeschickt, kam aber weder mit dem Geld, noch dem Brodkorb zurück, welch letzterer im Ackerfeld aufgefunden wurde. In den jüngsten Tagen trieb sich der Schlingel aus der Alb umher und zuletzt tauchte er in Geislingen auf, woselbst er die Frechheit hatte, dem Stationskommandanten eine falsche Anzeige über eine an ihm angeblich von einem Unbekannten verübte Unterschlagung von 5 ^ zu erstatten. Hoffentlich wird dem Bürschchen das Handwerk bald gelegt.
Biberach, 8. Jan. Der seit mehreren Tagen orkanartige Sturm hat heute nacht starken Schneefall gebracht, der auch tagsüber anhält und bedeutende Verkehrsstörungen heute schon im Gefolge hat; denn der Schnee liegt bereits fußhoch. — Wie schon seit Jahren gewöhnt, beschloß der Stiftungsrat die Verabreichung von je 1 Um Tannenscheiterholz an 400 arme Einwohner. Eine zu diesem Zwecke niedergesetzte Kommission förderte das Werk so, daß im Laufe der nächsten Woche sie Holzverteilung fertiggemacht wird.
Frankfurt a. M., 4. Jan. Ein großer Gewinn von 20,000 ^ auf Nr. 17053 der In
ternationalen Elektrotechnischen Ausstellungslotterie fallend, ist noch unerhoben. Das Loos ist an einen Unbekannten verkauft, und da man annimmt, daß der Betreffende die Gewinnliste nicht mit der nötigen Sorgfalt eingesehen hat, so werden alle Besitzer solcher Loose noch darauf aufmerksam gemacht, sich ihre Nummern nochmals genau betrachten zu wollen.
Braunschweig, 6. Jan. Gestern wurde hier eine Falschmünzerwerkstätte entdeckt und die beiden Falschmünzer verhaftet. Dieselben haben hauptsächlich falsche Zweimarkstücke angefertigt und in Verkehr gebracht, ferner fand man noch unvollendete Thalerstücke.
— Von Brüssel schreibt ein Correspondent der M. N. N.: Die Influenza ist hier und in einzelnen Städten und Ortschaften mit solcher Heftigkeit ausgebrochen, daß die Zahl der Opfer bereits die Toten- liste der letzten Cholera—Epidemie übertrifft. In Antwerpen werden seit mehr als einer Woche täglich 50—60 Totesfälle an Influenza constatiert. In dem 3000 Einwohner zählenden Städtchen Gheel in der Provinz Antwerpen starben seit Weihnachten nicht weniger als 265 Personen an Influenza.
Kairo, 7. Jan. Der Khedive Mehemed Tewfik Pascha ist, nachdem er nur wenige Tage an Influenza erkrankt war, wozu Lungenentzündung hinzutrat, heute abend gestorben. (Mehemed Tewfik Pascha war im Jahre 1852 geboren und im Jahre 1879 seinem Vater, dem Khedive Ismail Pascha, welcher auf den Thron verzichtet hatte, in der Regierung gefolgt. Erbprinz ist sein Sohn Abbas Bei, geb. 14. Juli 1874. Der Vater Tewfiks, Ismail lebt zur Zeit in Konstantinopel. Die vollständige Abhängigkeit Tewfiks von den Westmächten zeitigte 1882 den Aufstand Arabi Pascha's, der wiederum die Besetzung Egyptens durch die Engländer zur Folge hatte. Der Mahdismus und der Verlust des Sudans an denselben waren die nächsten wichtigen Ereignisse).
Nermischtes.
Vom Buchdruckerstreik. Mit dem Gehilfenorgan, dem „Correspondenten", wird ein „Aufruf" an die „arbeitenden Kollegen" versandt, heute am 9. Jan. einmütig zu kündigen und dadurch dem Streik zum Sieg zu verhelfen. Es zeugt von einer Naivetät, von den Männern, die zwei Monate lang aufs Hefrigste beschimpft und verfolgt wurden, jetzt, da den Streikenden selbst das Wasser an der Kehle sitzt, Hilfe zu verlangen. Oder ist der Aufruf gar nicht einmal ernst gemeint und nur zu dem Zwecke erlassen, entweder die Schuld an dem Scheitern des frivolen Streiks den Arbeitenden aufzubürden oder — diese hinterlistig von ihren Stellen zu locken, damit die Streikenden Platz zum Wievereintritt erhalten? Es ist natürlich ausgeschlossen, daß der Aufruf auch nur den geringsten Erfolg erzielen könnte. In Breslau sind von den 300 Ausständigen nur 65 wieder eingestellt worden; alle anderen Stellen
Schrei ausstieß und sich eilig los zu machen suchte. Kurt Petersen aber dachte nicht daran, sie frei zu geben. Er legte vielmehr noch obendrein seinen rechten Arm um ihren schmiegsamen Leib und trat mit der schamhaft Widerstrebenden freimütig vor Kapitän Herbold hin.
„Da ich nun einmal in Lagr-mti ertappt bin, würde mir doch mein Leugnen nicht helfen," sagte er lustig. „Und es ist mir gerade recht so, denn das, was Sie da gesehen haben, erspart mir eine lange Erklärung: kurz und bündig, wie es sich zwischen einem Soldaten und einem Seemann geziemt, bitte ich Sie um Ihre Einwilligung zu unserer Heirat, lieber Papa Herbold, und — woran uns besonders gelegen ist — um ein kräftiges Segenswörtchen!"
Der Kapitän stand erst noch für ein paar Sekunden zweifelnd und unentschlossen da. In einer ähnlichen Situation hatte er sich natürlich noch nicht befunden, und er wußte darum nicht recht, wie er sich dem unerwarteten Ereignis gegenüber zu benehmen habe. Aber seine Ungewißheit war nicht von langer Dauer, denn er hielt es, wie immer in seinem Leben, für das Geratenste, auch hier dem Antrieb seines biederen Herzens zu folgen. Und dessen Sprache war gerade in diesem Falle deutlich genug. Wenn er seine geliebte ElSbeth schon einmal weggeben sollte» so gab er sie sicherlich keinem Anderen so gern und voll so freudigen Vertrauens, als diesem jungen Manne, den er kaum aufrichtiger hätte lieben können, wenn es sein leiblicher Sohn gewesen wäre.
Daß zwischen den beiden Liebenden eine schier unausfüllbare Kluft gesellschaftlicher Unterschiede bestand, und daß Herr Werner Petersen aus diesem Grunde von der Wahl seines ältesten Sohnes unmöglich entzückt sein könne, kam ihm vorerst noch gar nicht in den Sinn. Er begnügte sich damit, erst sein holdverschämtes Töchterchen und dann auch den jungen Offizier mit seinem einzigen vorhandenen Arm kräftig an die Brust zu drücken, und das Segenswörtchen, um welches Kurt geb^en hatte, ließ an Herzlichkeit und Aufrichtigkeit wahrhaftig nicht« zu wünschen übrig.
Aber eine Viertelstunde nachher, als da» erste Erstaunen überwunden war.
und als Kapitän Herbold Dank der übermütigen Erzählungen Kurts und der schüchternen Geständnisse Elsbeths einigermaßen begriffen hatte, wie sich etwas so Wunderbares unter seinen eigenen Augen unbemerkt hatte vollziehen können, durchfuhr der Gedanke an Werner Petersen plötzlich wie ein Blitzstrahl sein Gehirn.
„Aber, potz Wetter, mein lieber Kurt, was wird denn Ihr Vater dazu sagen?" platzte er heraus. „Die Elsbeth ist ja ein ganz armes Mädel, und wenn er sich's nun in den Kopf gesetzt hätte, eine reiche Schwiegertochter zu bekommen, so wäre das ja eine ganz verteufelte Geschichte!"
Kurt bemühte sich, bei dieser Frage seine heitere und zuversichtliche Miene festzuhalten; aber es wollte ihm doch nicht ganz gelingen, um so weniger, als er auch Elsbeths schöne Augen mit ängstlich flehendem Ausdruck auf sich gerichtet sah.
„ES ist ja nicht unmöglich, daß sich mein Papa bisher mit solchen Gedanken getragen hat," meinte er, mit einiger Ueberwindung einen scherzhaften Ton anschlagend, „und er wird darum im Anfang vielleicht ein wenig brummen und unzufrieden sein; aber einer solchen Liebe gegenüber, wie wir Beide sie für einander hegen, kann er nicht lange und nicht ernstlich widerstreben. Daraus, daß er meine Elsbeth herzlich gern hat, machte er selber ja noch niemals ein Geheimnis, und da er in eigener Person ihre Erziehung und Ausbildung geleitet hat, konnte er doch in Wirklichkeit nichts Anderes gegen sie einwenden, als das Fehlen eines Reichtums, dessen er zum Glück weder für sich, noch für seine Söhne mehr bedarf. Ein solches Bedenken aber läßt sich gewiß überwinden."
Kapitän Herbold hatte chm aufmerksam zugehört und seine Worte wiederholt mit einem zustimmenden Kopfnicken begleitet; aber fein Gesicht war doch recht ernst geworden.
Fortsetzung folgt.