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Es kann aber schon jetzt festgestellt werden, daß ein sehr starker Bruchteil des Reichstags auch mit der von den Ausschüssen des Bundesrats dem Gesetzentwürfe gegebenen Fassung nicht einverstanden ist. Diese Fassung ist zwar nicht wie der ursprüngliche Gesetzentwurf dem Wortlaute nach wohl aber in ihren wichtigen Abweichungen von dem Letzter» durch die Zeitungen bekannt geworden. Danach ist das Strafmaß fast durchweg herabgesetzt, welches im ursprünglichen Entwurf überall sehr hoch gegriffen war, es sind ferner diejenigen Bestimmungen gegen die Wirte und Trinker bezw. das Publikum, an deren Ausführbarkeit, ohne die größte Ungerechtigkeit bei den Einzelfällen, überhaupt Jedermann zweifelte, und die oft gerade zu komischen Folgen geführt haben würden, teils ganz weggefallen, teils so weit verändert, daß man wenigstens eine gute Wirksamkeit im Allgemeinen nicht geradezu von vornherein für unmöglich erklären kann; endlich sind in juristischer Beziehung klarere Begriffsbestimmungen und wegen des Maßes des im Kleinhandel zu verkaufenden Branntweins bessere Anordnungen dem Gesetze einverleibt worden. Auch bleibt mehr, als nach der Vorlage, der Gesetzgebung oder Verordnung in den Einzelstaaten überlassen, und das sicherlich gerade bei dieser Sache mit Grund. Trotzdem sind nicht nur die D.-Freisinnigen, die Volkspartei und Sozialdemokraten, sondern auch ein großer Teil der Nationalliberalen und des Zentrums durchaus Gegner auch der so umgewandelten Vorlage oder verlangen doch noch viel weiter gehende Abänderungen.
— E. Richter meint in der Freis. Z.: „Wir glauben nicht, daß in dieser Session des Reichstags die Jesuitenfrage überhaupt zu irgend einer Erörterung kommen wird." Den Freisinnigen ist diese Erörterung nämlich sehr unbequem; sie kommen in eine arge Verlegenheit zwischen ihren Wahlverpflichtungen gegen das Zentrum und der Stimmung ihrer protestantischen Wähler. Dagegen versucht die Germ, für die Behandlung der Frage jetzt Stimmung zu machen oder die vorhandene Stimmung zu erproben. Sie greift dies so plump als möglich an. „Eine entscheidende Stunde für Deutschland ist wieder einmal nahe", schreibt sie. In der Behandlung der Jesuitenfrage müsse es sich entscheiden, ob noch eine „Gleichberechtigung der Konfessionen" existire! Man ist nach den jüngsten Vorgängen sehr kühn geworden in den ultramontanen Kreisen. Es wird Mühe kosten, die Aufdringlichen wieder abzuschütteln. Aber es wird geschehen müssen, wenn auch ein klägliches Geschrei über Undankbarkeit sich erheben wird. Schw. M.
Taqcs-Neui-ckeiien.
Nagold, 5. Jan. Mit Beginn des neuen Jahres ist hier ein freiwilliger Kursus für Handfertigkeit sKerbschnitt und Papparbeit) eröffnet worden. Den Unterricht erteilt Unterlehrer Retter.
Stuttgart, 7. Januar. S. Hoh. Prinz Herrmann zu Sachsen-Weimar ist heute früh.
wegen Ablebens seines Bruders, des K. und K. Feldmarschalllieutenants a. D. Prinzen Gustav zu Sachsen-Weimar mit Orientexpreßzug nach Wien abgereist.
Ludwigsburg, 4. Jan. In der Nacht vom letzten Mittwoch auf Donnerstag versuchte der im Zellengefängnis des hiesigen Zuchthauses untergebrachte Zuchthausgefangene Krumm aus Reutlingen, der bereits im vergangenen Sommer mit zwei Mitgefangenen einen erfolglosen Fluchtversuch gemacht hatte, abermals zu entweichen. Er wurde, als er im Begriff war, die Ringmauer zu überklettern, vom Posten entdeckt und festgenommen.
Ebersbach a. F., 6. Jan. In unserem Nachbarfilial Krapfenreuth hat sich die Diph- theritis auch einquartiert. Einem Familienvater starben von drei Kindern zwei im Alter von 2 und 3 Jahren an dieser heimtückischen Krankheit und wurden miteinander zu Grabe getragen.
Mühlhausen, 3. Jan. In der Neujahrsnacht saßen in der Restauration zur Haltestelle mehrere Männer beisammen, in aller Gemütlichkeit ein Spiel machend. Währenddem zog ein 19 Jahre alter Bursche von Schwenningen, Johs. Müller, ein Pistol aus der Tasche, was den mitspielenden Waldschützen Bertsche zu einer Warnung an denselben veranlaßte. Kaum hatte dieser ausgesprochen, krachte ein Schuß und eine Kugel saß im Oberschenkel des Bertsche. Unbegreiflicherweise hatte der unvorsichtige junge Mann sein Pistol mit scharfen Patronen geladen gehabt und scheint derselbe mit der Waffe gespielt zu haben, da an ein absichtliches Schießen wohl nicht zu denken ist. Gefahr ist für den Verletzten zwar nicht vorhanden, doch ist die Kugel bis jetzt noch nicht gefunden, worden.
Waldsee, 6. Jan. Aus dem dritten Stockwerke eines hiesigen Metzgerhauses wurden vorgestern nacht, während noch alles im Hause wach war und sogar der Hausherr den Dieb über seinem Schlafgemach laufen, die Rauchöfen öffnen hörte und ein großer, scharfer Hund im Hausgang Wache hielt, zwei große Stangen voll saftiger Peitschensteckenwürste gestohlen.
Ravensburg, 5. Jan. Als heute mittag der Knecht in der Bierbrauerei zum Storchen mit einem mit Bierfäßchen beladenen Wagen abfahren wollte, gingen die Pferde durch. Hiebei fiel der junge Mann so unglücklich, daß er durch den Huf eines Pferdes am Kopfe verletzt und sodann noch vom Wagen überfahren wurde, so daß nach kurzer Zeit der Tod eintrat.
Mannheim, 5. Jan. Welch schlimme Folgen unter Umständen der Unfug der Absendung der sogen. Uz karten am Neujahrstag haben kann, zeigt nachstehender Fall, der sich hier ereignet hat. Der Heizer K. dahier erhielt zu Neujahr von einem Mädchen, mit dem er während seiner Militärzeit ein intimes Verhältnis hatte, welches er jedoch schon einige Jahre
6. Jan.
3. Jan.
4. ..
sah. „Gerade die falschen Freunde sind es, die uns das tiefste Herzeleid zufügen können."
Erst viel später sollte dem Sohne des reichen Handelsherrn das rechte Verständnis aufgehen für diese rätselhaften und — wie es scheinen wollte — keineswegs wohlwollenden Andeutungen seines neuen Bekannten. An diesem abend waren sie ihm noch völlig unbegreiflich und da er durchaus keine Neigung verspürte, sich durch die unbequemen Betrachtungen eines halb verrückten Schreibers gewaltsam aus seiner glückseligen Gemütsverfassung reißen zu lassen, so zögerte er nicht, sich der unbehaglichen Gesellschaft zu entziehen.
„Gute Nacht, mein Herr!" sagte er. „Und wenn ich mir erlauben darf Ihnen zuletzt noch einen wohlgemeinten Rat zu geben, so ist es der, von diesen grundlosen Befürchtungen und Ahnungen wenigstens gegen Fräulein Herbold nichts verlauten zu lassen. Sie könnten es mit Ihren thörichten Besorgnissen vielleicht schließlich gar dahin bringen, die junge Dame zu beunruhigen, und wenn Sie ein Freund des Kapitäns sind, kann das doch schwerlich ihre Absicht sein."
Jasmund, welcher mitten auf der Straße stehen geblieben war, schüttelte den Kopf.
„Fürchten Sie nichts," sagte er mit beinahe tonloser Stimme. „Ich werde Fräulein Herbold nicht in Angst und Unruhe versetzen, und ich werde ja auch nicht einmal eine Möglichkeit dazu haben, denn Niemand hat mir das Recht gegeben, sie zu warnen. Aber ich werde darüber wachen, daß ihr kein Unrecht geschieht, und ich werde denjenigen vernichten, der sie hintergeht! Und damit gute Nacht, Herr Petersen!"
Er ließ den erstaunten jungen Mann stehen unv ging langsam seiner einsamen, armseligen Behausung zu. In wie ganz anderer Gemütsstimmung kehrte er heute in sein Stübchen zurück als nach jenem ersten Abendbesuche in Kapitän Herbolds Hause! Sein blasses Gesicht schien plötzlich viel hagerer und verhärmter als vorher und seine schmalen Lippen zuckten.
vor seiner Verheiratung vollständig löste, eine Uzkarte,, worüber die 25 Jahre alte Ehefrau des Heizers K. so in Aufregung geriet, daß sie ihrem Leben durch einen Sprung in die hochgehenden Fluten des Neckars ein Ende machte. Die Leiche wurde wenige Stunden darauf geländet.
Berlin, 5. Jan. Zum Buchdruckerstreik. Vier große Versammlungen zu Gunsten der ausständischen Buchdrucker sind auf morgen vom ge- schästsführenden Ausschuß der Berliner Controll- kommission einberufen worden. Durch die vier Versammlungen soll den schwankenden Elementen Mut eingeflößt werden. Um die Sozialdemokratie zu bewegen, in diesen Versammlungen massenhaft zu erscheinen, wird in einem Aufruf an sümmtliche Arbeiter und Arbeiterinnen Berlins erklärt, daß die Buchdrucker durch diesen Ausstand ihren Anschluß an die Sozialdemokraten vollzogen haben.
Breslau, 6. Jan. Der Verleger der Schlesischen Zeitung, Korn, erhielt ein Kabinettsschreiben des Kaisers, worin der Kaiser seinem Interesse an der Jubiläumsfeier der Zeitung Ausdruck giebt, seinen Glückwunsch ausspricht und für die ihm übersandte Festschrift dankt. Die Zeitung, die allezeit treu zu Kaiser und Reich gestanden habe, möge weiter gedeihen und die gleiche vaterländische Gesinnung auch in Zukunft bewähren.
— Die Gemeinde Goß au bei St. Gallen ist am Neujahrstage durch einen furchtbaren Raubmord in ungewöhnliche Aufregung versetzt worden, schreibt die Appenzeller Zeitung. Die betagten Eheleute Völklin hatten sich, wie üblich, zum Gottesdienste nach Goßau begeben. Nach Beendigung desselben traten sie den Heimweg an. Im Zoll ließ der Gatte die Frau vorausgehen, um das Mittagessen zu bereiten, während er sich noch an einem Glase Wein erquickte. Als Völklin nun ahnungslos nach Hause kam, bot sich ihm ein grauenvoller Anblick dar. Die Gattin lag mit einer Kette um den Hals erwürgt im Hausgang. Behälter waren aufgebrochen und verschiedene Wertgegenstände und Barschaft waren entwendet. Es liegt also ein Raubmord vor. Gleichen Tags noch gelang es, des mutmatlichen Thäters in der Person eines 19jährigen Burschen habhaft zu werden.
Standesamt ßalu».
Geborene:
Emilie Karoline, Tochter des Jakob Talmon,, Fabrikarbeiters hier.
Gestorbene:
Rudolf August Haug, Schreiuermeister hier., Johann Wilhelm Gengenbach, Dienstknecht, von Liebenzell.
Gottesdienst
am Sonntag, den 10. Januar.
Vom Turm: 506.
Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun. 1 Uhr Christenlehre mit den Söhnen. 5 Uhr Abend-Predigt:: Herr Stadtpfarrer Eytel.
Mittwoch Betstunde.
Und doch — warum das Alles? Was hatte sich denn im Grunde seitdem ereignet, das ihn so tief unglücklich machen konnte? Daß Elsbeth dem reichen und vornehmen jungen Mann, der obendrein so schön und stattlich war, die Liebe ihres reinen Herzens zuqewendet hatte, wie es in Jasmunds Ueberzeugung unumstößlich fest stand, — was konnte ihn daran überraschen, und wie konnte es ihn grämen?" — Hätte er sich nicht fest dem ersten Tage seiner Bekanntschaft mit dem holdseligerr Mädchen sagen müssen, daß ein solches Ereignis bei ihrer sieghaften Schönheit und ihrer bestrickenden Anmut sicherlich bald genug eintreten würde?
Oder hatte er etwa gar in irgend einem versteckten Winkel seines Herzens eine thörichte und unsinnige Hoffnung für sich selber gehegt? — Nein von diesem letzteren Vorwurf wenigstens konnte er sich mit reinem Gewissen freisprechen. Er war niemals so wahnwitzig gewesen, an die Möglichkeit einer Zuneigung Elsbeths für seine eigene schwächliche und unansehnliche, mißgestaltete Persönlichkeit zu denken und seine tiefsinnige Verehrung der herrlichen Mädchengestalt war rein gewesen von allen niedrigen und selbstsüchtigen Wünschen.
Aber das menschliche Herz ist nun einmal ein gar unbegreifliches und widerspruchsvolles Ding! Er hatte an diesem Abend in der Wahrheit nur etwas verloren^ das er niemals zu besitzen geglaubt hatte, und doch war ihm zu Mut, als wäre er erst heute zu der Erkenntnis gekommen, daß er ein armer, häßlicher, widerwärtiger Krüppel sei, für immer ausgestoßen aus der Gemeinschaft der Fröhlichen und ohne dm winzigsten Anspruch auf das allerbescheidenste Glück.
Er zündete mit zitternden Fingern die Lampe an und legte seine Schreibereien zurecht, denn er gedachte in der Arbeit Trost und Vergessenheit zu finden. Aber als er mit Anstrengung die ersten Federzüge gethan hatte, überwältigte ihn doch das schwere, herzeinschneidende Weh. Er glitt neben seinem Bretterstuhl in die Knie verbarg das Gesicht in den Händm und weinte bitterlich.
Fortsetzung folgt.