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gewerbescheine für 1892 werden den Schultheißenämtern zur Aushändigung an die Bittsteller zugefertigt werden. Vor Ausfolgung derselben ist je aus der zweiten Seite die Personalbeschreibung und die Unterschrift des Empfängers bezw. der Begleiter desselben beizufügen und vom Ortsvorsteher zu beglaubigen.
Persönliches Erscheinen der Gesuchsteller beim Oberamt ist nicht geboten.
Zugleich werden die Ortsvorsteher und die Gemeindepfleger veranlaßt, sich mit den Bestimmungen des Gesetzes betr. die Kommunalbesteuerung des Hausiergewerbebetriebs vom 23. Mai 1890 (Reg.-Bl. S. 100 fg.) und der Verfügung der Ministerien des Innern und der Finanzen vom 28. Oktober 1890 betr. die Vollziehung des eben genannten Gesetzes (Reg.-Bl. S. 280 fg.) genau vertraut zu machen.
Nach Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes haben die mit einem Steuerkapital von einhundert und mehr Mark eingeschätzten Hausiergewerbetreibenden außer denjenigen Steuern, welche sie innerhalb Württembergs an ihrem Wohnsitz bezw. an dem Ort des Beginns des Wandergewerbebetriebs entrichten, in jedem Oberamtsbezirk, auf welchen sie ihren Gewerbetrieb ausdehnen, vor Beginn des Gewerbebetriebs in diesen Bezirken eine Abgabe an die Amtskörperschaft (Ausdehnungs-Abgabe) zu entrichten, welche den fünften Teil der ihnen angesetzten Staatssteuer, wenigstens aber 40 beträgt. Zu diesem Zweck sind diese Hausiergewerbetreibenden nach Z 9 der Ministerial- verfügung verpflichtet, in jedem anderen Oberamtsbezirk, auf welchen sie ihren Wandergewcrbebetrieb auszudehnen beabsichtigen, vor dem Beginn des Betriebes von diesem Vorhaben, und zwar, wenn der Betrieb in der Oberamtsstadt fortgesetzt werden soll, bei der Amtspflege, andernfalls bei der Gemeindepflege derjenigen Gemeinde, in welcher der Betrieb in dem Ausdehnungsbezirke Oeginnen soll, mündlich oder schriftlich Anzeige zu erstatten und sich hiebei über die Berechtigung zur Ausübung ihres Wandergewerbebetriebs und über die erfolgte Beiziehung zur Staatsgewerbesteuer durch den Wandergewerbeschein, Gewerbesteuerschein oder das Steuerzeugnis der Ortsbehörde auszuweisen.
Die Bescheinigung über die Entrichtung dieser Ausdehnungs-Abgabe hat der Wandergewerbetreibende während der Ausübung seines Wandergewerbebetriebes stets bei sich zu führen, auf Erfordern den zuständigen Behörden oder Beamten vorzuzeigen und sofern er hiezu nicht im Stande ist, auf deren Geheiß den Betrieb bis zur Herbeischaffung der Bescheinigung einzustellen.
Hierüber, sowie über die weiteren in Betracht kommenden Bestimmungen des Gesetzes und der Ministerialverfügung, insbesondere auch über die Strafbestimmungen in Art. 4 des Gesetzes, sind die Hausiergewerbetreibenden bei Anbringung ihrer Gesuche um Ausstellung neuer Wandergewerbescheine, sowie wiederholt bei Aushändigung der letzteren zu belehren.
Da nach H 8 Ziff. 1 der Minist.-Verfügung
vom 28. Oktober v. I. an in die Wandergewerbescheine das für den Inhaber festgesetzte Steuerkapital und der Betrag der Staatsgewerbesteuer einzutragen ist, so ist zu diesem Zweck künftig in den für die Erlangung eines Wandergewerbescheins erforderlichen Ausweisen der Betrag des Steuerkapitals und der Staatsgewerbesteuer jedes einzelnen Hausiergewerbetreibenden anzugeben.
Den 12. Dezember 1891.
K. Oberamt.
Supper.
Die Herren
haben bis spätestens 20. d. Mts. über den Vollzug der Steuerumlage in oen Gemeinden ihres Bezirks zu berichten und gleichzeitig anzuzeigen, wieviel Amtsund Gemeindeschaden nach der Steuerumlage 1891/92 auf 1 Staatssteuer kommt.
Calw, den 12. Dezember 1891.
K. Oberamt.
Supper.
Di Gemeiudebehördru und die Vorstände der Bezirkskrankenkasse, Bezirkskrauken- pflegeverfichernng und der städtischen Krav- revpflegevcrsicherung in Calw
werden auf die Bekanntmachung des K. Ministeriums des Innern, betreffend die den Aufforderungen des Z 75 des Krankenversicherungsgesetzes genügenden Hilfskassen, vom 11. November 1891 — Min. A.-Bl. S. 302 — zur Nachachtung aufmerkam gemacht.
Calw, den 13. Dezember 1891.
K. Oberamt.
Supper.
Tages-Aeuigkeiten.
(Amtliches aus dem Staatsanzeiger.s Seine Majestät der König haben Allergnädigst zu ernennen geruht: den Vizewachtmeister Staelin vom Landwehrbezirk Calw, zum Sekondlieutenant der Reserve des 2. Feldartillerie-Regiments Nr. 29 Prinz- Regent Luitpold von Bayern.
* Calw, 14. Dez. Am Freitag abend hielt Hr. Rektor Vr. Müller im Georgenäum einen Vortrag über „einige Männer aus der Zeit der Befreiungskriege". Es sei interessant und wertvoll, führte der geehrte Redner aus, wenn man einen Rückblick werfe auf eine große Zeit, aus der spätere Geschlechter sehr viel lernen könnten. Uns liege das große Jahr 1870—71 noch ziemlich nahe und in mancher Hinsicht erinnere diese Zeit echt vaterländischer Gesinnung und Tapferkeit an die Zeit der Befreiungskriege, in welcher teils Staats- und Kriegsmänner, teils aber auch Gelehrte und sonstige andere Stände die Flamme der Begeisterung entfacht und sich um das Wohl des Volkes höchst verdient gemacht haben. Unter den Nachwirkungen der französischen Revolution und durch den genialen Feldherrn, aber rücksichtslosen Tyrannen Napoleon I. habe Deutschland sehr zu
6 ic c6 1 O » Nachdruck verboten.
(Fortsetzung.)
Der Schiffbruch der „Felicitas
Erzählung von Ferdinand Herrmann.
Das Geschwätz der Dienstboten hatte es in alle Welt hinausgetragen, daß die Gattin des General-Konsuls bei Nacht und Nebel davongegangen sei, und daß Niemand, am wenigsten aber ihr eigener Mann, eine Ahnung davon habe, wohin sie sich gewendet. Natürlich brannte man vor Begierde, di» Beggründe dieser unter so auffälligen Umständen erfolgten Flucht zu erfahren und eS währte nicht lange, bis alle bierseligen Stammgäste an den Kneiptischen und alle um ihre Kaffeekannen geschaarten alten Jungfern davon des Langen und Breiten zu berichtest wußten. Man wußte jetzt, daß die schöne junge Frau, die sich stet« ein so tugendhaftes Ansehen zu geben verstanden, in Wirklichkeit ein geheimes Liebesverhältnis mit dem ehemaligen Buchhalter ihres Mannes, dem Direktor Sarnow, unterhalten habe und daß sie in der Festnacht von dem General-Konsul bei einem Stelldichein mit ihrem Liebhaber überrascht worden sei. Eine so offenkundige Schamlosigkeit und Verhöhnung aller gutm Sitte konnte natürlich nur die härteste rückhaltloseste Verurteilung finden. Man beklagte den hart geprüften Mann um seine- zweifachen Mißgeschickes willen, und man fand es vollkommen begreiflich, daß er keinen Schritt that, um die Ehrvergessene in ein Haus zurückzuführen, welches durch ihre Handlungsweise so beispiellos beschimpft worden war. — Wie es indessen der landläufigen Auffassung derartiger ehelicher Trauerspiele entspricht, galt das vermeintliche Verbrechen Ludwig Sarnow'S für daS bei Weitem geringere und mindir strafwürdige. Niemand hätte daran Anstoß genommen, auch weüer mit chm zu verkehren, und verwundert schüttelte Jedermann dm Kopf, als eS eine Woche später hieß, daß er seine Stellung niedergelegt habe und nach Amerika ausgewandert sei.
leiden gehabt. Diese Zeit sei eine Schmach für Deutschland gewesen, feine Einheit wurde zerrissen und manche Staaten von ihm weggenommen. So bestand der Rheinbund aus 16 deutschen Fürsten, welche alle auf Seite ves Korsen standen. Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung habe kaum noch Hoffnung auf Erhaltung deutschen Wesens gegeben. Wohl drückte das Gefühl der Schmach manche deutsche Brust, und E. M. Arndt gab in dem „Geist der Zeit" dem Gefühle Worte; aber wer wagte es noch ferner zu sprechen, seitdem der wackere Buchhändler Palm von Nürnberg auf Befehl des despotischen Machthabers das Opfer eines schmachvollen Justizmordes geworden war? Als aber das Maß der Leiden voll war, da sei doch der deutsche Tapferkeitssinn erwacht; der von dem Jüngling Staps unternommene Mordversuch gegen Napoleon beurkundete die tiefe Aufregung der Gemüter. Der hochsinnige Freiherr vom Stein suchte den Bürger- und Bauernstand zu heben, nach denselben Grundsätzen handelte auch der kluge Staatskanzler von Hardenberg; Scharnhorst schuf das Heerwesen gänzlich um; ihm zur Seite stand der tapfere Gneisenau, der die Festung Kolberg aufs standhafteste verteidigte. Die Reden Fichte's weckten Freiheitsgesühl im Volk und bei der strebsamen Jugend. So vollzog sich ein gründlicher Umschwung in der deutschen Nation und ungeheuren Erfolg hatte daher der Aufruf des Königs von Preußen „An mein Volk", als nach dem russischen Feldzug und der grenzenlosen Mißhandlung Preußens es galt, den Peiniger Deutschlands aus dem Lande zu jagen und den Unterdrücker zu Boden zu werfen. Die Macht Napoleons wurde vollständig gebrochen und Deutschland gerettet. Mit einem Vergleich der damaligen deutschen Zustände und der jetzt glorreich errungenen Einheit des deutschen Reiches schloß der Redner seinen ebenso interessanten wie anregenden und belebenden Vortrag.
Stuttgart, 12. Dez. Die Beteiligung an den Gemeinderatswahlen war gegenüber früheren Jahren lebhaft. Es wurden an den Thüren der Wahllokale nicht weniger als dreizehn- oder vierzehnerlei Wahlzettel angeboten. Vor allem die der ständig konstituierten Parteien: die deutsche Partei, der deutsch-konservative Verein, die Volkspartei (diesmal unter dem Titel „Freisinnige Wähler") gaben ihre Wahlzettel heraus, ferner wurde ein Wahlzettel der Vereinigten Bürger-Vereine, ein solcher der Vorstädte, einer „der Gewerbetreibenden" einer „der Kleingewerbetreibenden" angeboten. Während diesmal ein Wahlzettel zu Gunsten der Erbauung des Rathauses auf einem bestimmten Platz fehlte, erschien dagegen ein solcher zu Gunsten der Einführung der elektrischen Beleuchtung. Wir verzeichnen ferner einen „parteilosen" Wahlzettel, auf dem katholische, evangelische und israelitische Kandidaten friedlich neben einander stehen; einen Wahlzettel mit dem Motto: „Prüfet Alles und das Beste behaltet"; ein anderer empfiehlt, frische, nach keiner Seite hin abhängige Männer aufs Rathaus zu bringen. So hatte der Wähler, wenn
„Auch den hat die leichtfettige Frau auf ihrem Gewissen", meinten die gutherzigen Leute. „Der arme junge Mann hätte hier eine glänzende Zukunft gehabt, auch wenn die Aktien-Gesellschast zu Grunde gehen sollte. Drüben aber kann er sein Leben von vorn anfangen, wenn er es überhaupt noch einmal zu etwas bringt. Hoffentlich wird diese Verführerin ihre gebührende Strafe auch dafür empfangen!"
Aber die Reihe der Ueberraschungen für die Bewohner der Hansestadt war damit noch nicht zu Ende, und die schlimmste von allen war es, welche nun folgte. Sechszehn Tage waren seit dem Bekanntwerden des Schiffbruchs vergangen, da geschah das Unerhörte, daß die Bankboten, welche fällige Wechsel an den Kassen der Firma Hugo Röhrsdorf zu präsentieren hatten, von den Beamten achselzuckend bedeutet wurden, daß keine Geldmittel zur Zahlung vorhanden seien. Am Nachmittag wurden diese Wechsel protestiert, und am Abend erzählten sich's schon die Arbeiter im Hafen: der General-Konsul Röhrsdorf sei bankerott!
So hatte das unheimliche Gerücht also dennoch die Wahrheit gesprochen, und viele, viele Kaufleute rechneten an diesem Tage aus ihren Geschäftsbüchern voll schwerer Sorge die großen Zahlen zusammen, mit denen sie an dem Konkurse des angesehenen Hauses beteiligt waren. Nicht minder eifrig aber beschäftigte man sich mü derselben Angelegenheit in den Schreibstuben der Staatsanwaltschaft und der Kriminal-Polizei. War doch der Herr General-Konsul schon seit drei Tagen auf einer „Geschäftsreise" abwesend, und hatte sich doch bereits feststellen lassen, daß er alle auf irgend welche Weise flüssig zu machenden Gelder — insgesamt eine sehr bedeutende Summe — auf diese Reise mit sich genommen habe, von der er nach der Ueberzeugung der Behörden freiwillig niemals zurückkehren würde. Stunden lang trieb der elektrische Strom in den Telegraphenlettungen nach allen Setten hm sein rasches Spiel; aber eS schien, als habe er vergeblich gearbeitet, denn Tag um Tag verging, ohne daß eine Kunde von der Verhaftung des Betrügers oder auch nm von einer Auffindung seiner Fährte gekommen wäre.
Fortsetzung folgt.