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begab er sich auf die nahegelegene Fasanerie zur Jagd. Geschossen wurden daselbst 31 Fasanenhahnen.
Dettingen, 7. Dez. Die 80jährige Witwe B. stürzte in letzter Woche infolge eines Fehltrittes mit solcher Wucht die Treppe hinab, daß ihr, als sie unten auf den Kopf zu fallen kam, die Haare mit der Haut vollständig vom Schädel gerissen wurden und sie in des Wortes verwegenster Bedeutung skalpiert war. Die Verunglückte, welche wunderbarerweise sich durch den Fall keine weitere Verletzungen zuzog, befindet sich jetzt, nachdem ihr die Haut von geübter Hand wieder angenäht worden, ganz wohl.
Kilchberg, OA. Tübingen. Am 4. Dez., abends, fuhr der Ochsenwirt Kemmler von hier mit Zug 65 von Tübingen hieher zurück. Im Eisenbahnwagen belästigte er die Mitreisenden durch Lärm und Beschimpfungen, so daß diese sich an den Schaffner um Abhilfe wandten. Nachdem er zur Ruhe gewiesen war, öffnete Kemmler der bestehenden Vorschrift zuwider die Wagenthüre und trat auf die Plattform, ohne daß dies von dem in einem anderen Wagen beschäftigten Schaffner wahrgenommen wurve. Bei der Einfahrt des Zuges in die Station bemerkte der Schaffner, daß sein Wagen und der folgende plötzlich einen starken Stoß erlitten, ohne daß zunächst fest- gestellt werde» konnte, was die Ursache war. Nachdem der Zug zum Stillstand gebracht war, wurde der Körper eines Mannes auf dem Geleise entdeckt, welchem der Brustkorb eingedrückt und beide Oberarme abgeführt waren. Es ergab sich, daß der leblose Körper derjenige des Ochsenwirts Kemmler war. Der Verstorbene muß zwischen dem Sicherheits- und dem ersten Personenwagen hinabgefallen und durch Ueber- fahren sofort getötet worden sein. Verschuldung einer dritten Person liegt nicht vor.
Aalen, 5. Dez. Nachdem den Fabrikaten der Firma I. Ostertag, Kaffen- und Schloßfabrik im Jahre 1889 auf der Weltausstellung in Melbourne ein erster Preis zuerkannt wurde, haben dieselben neuerdings im Wettbewerb mit ersten Konkurrenzfabriken wieder einen erfreulichen Erfolg errungen. Es wurde ihnen nämlich auf der im Laufe dieses Jahres stattgehabten Internationalen Ausstellung in Jamaica (engl. Kolonie in Westindien) die goldene Medaille zuerkannt, worüber dieser Tage das Diplom bei der Firma eingegangen ist.
Sulzbach a. M., 7. Dezbr. Gestern abend stürzte der verheiratete Schmied Nägele von Spiegelberg, welcher in Geschäften bei dem Oekonomen Reber in Großhöchberg war, bei dem letzteren die Treppe herab und starb, ohne wieder zum Bewußtsein zu kommen, innerhalb zwei Stunden. Die Leiche wurde heute der Familie, welche allgemein bedauert wird, überbracht.
Heidenheim, 6. Dez. In der Nacht vom Samstag sind auf dem Amalienhof bei Bartholomä zwei Füllen aus dem Stall entkommen und bis jetzt nicht eingefangen worden. Spuren der Richtung, die sie genommen, konnten bis vor Steinheim hin wahr
genommen werden. Ob dieselben von selbst aus dem Stall kamen oder ob solcher in böser Absicht geöffnet wurde, ist noch unermittelt.
Ulm, 7. Dezbr. Gestern wurde hier der 1. oberschwäb. demokratische Parteitag gehalten, zu dem aus allen Oberämtern des Oberlandes von Geislingen, Göppingen und Heidenheim die Gesinnungsgenossen sehr zahlreich erschienen waren. Vormittags fand im Greifensaal eine Besprechung der Mitglieder der Volkspartei statt, bei welcher R.-A. Freisleben-Heidenheim den Vorsitz führte. An die Rede des Hrn. Blank-Kanzach über Organisation schloß sich eine lebhafte Erörterung. Redakteur Oeser- Ulm sprach über Agitation und Beck-Mengen über die Parteipresse. Es wurde sodann beschlossen, den nächsten oberschwäbischen Parteitag in Aulendorf zu halten. Ferner wurden ohne Erörterung folgende Anträge angenommen: Der 1. oberschwäbische Parteitag der Volkspartei spricht sein Bedauern darüber aus, daß die württ. Abgeordneten in ihrer Mehrheit entgegen den Wünschen des Volkes und entgegen den Pflichten ihres Amtes gelegentlich des Thronwechsels dem König die Wünsche des Volkes vorzulegen unterlassen haben und erklärt sich mit dem Adreßentwurf des F. Haußmann einverstanden. Der oberschwäb. Parteitag drückt den Wunsch aus, die Regierung möge die Vertreter des Bundesrats instruieren, nur solchen Entwürfen der Militär-Gerichtsbarkeit zuzustimmen, in der die Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens enthalten sind. Ferner wird auf die Nachteile aufmerksam gemacht, welche dem gewerbetreibenden Bürgertum durch die sogenannten Offiziers- und Konsumvereine entstehen, und wird vom Staate erwartet, daß er diesen Vereinen weder direkt noch indirekt eine Vergünstigung gewähre. Um 1 Uhr fand ein gemeinschaftliches Mittagessen im Greifen statt. Um 3 Uhr nachmittags war in der Tuchhalle eine öffentliche Versammlung, welche von über 1200 Männern besucht war. Reichstagsabgeordneter Hähnle sprach über den Reichstag, seine erledigten Aufgaben und über den Etat; Konrad Haußmann über Verfassungsreform und Thronwechsel; er stellte in seiner Rede die Zusammensetzung der württ. Kammern dar und verlangte eine reine Volkskammer mit Ausscheidung der Privilegierten. So lange diese Forderung des Volkes nicht erfüllt werde, so lange bleibe diese Frage eine politische Tagesfrage. Zum Schluffe sprach noch R.-Anw. Mayer-Ulm kurz über die Aufgaben in der Gemeinde, worunter er die Ausübung des Wahlrechts durch die Bürger hervorhob.
Vom See, 7. Dez., schreibt man dem Oberschwäb. Änz.", daß in Langenargen, Hagnau und Konstanz gegenwärtig trotz der Schonzeit der Fang und der Handel in Blaufelchen schwunghaft betrieben werde. Abgesehen von der Minderwertigkeit des Fisches zu dieser Zeit, wird durch solche Raubfischerei der Felchenstand des Bodensee's sehr dezimiert; da hilft das Nachsetzen von Fischbrut nicht viel.
Mannheim, 6. Dez. Unsere Kriminalpolizei
hat neulich eine ganz gefährliche, aus 8 Köpfen bestehende Diebsbande erwischt, deren Thätigkeit sich- von Straßburg bis Köln erstreckt hat. Die Hauptpersonen sind der Hausierer Maschur, seine Frau und deren Schwester. Letztere wurde zuerst verhaftet, als sie in einer dem Leihhauskommissär Wittwer auffälligen Weise verschiedene Gegenstände versetzen wollte; dann lief die Frau Maschur dem Hrn. Wittmer und dem Polizeikommissär Meng am Leihhaus in die Hände, endlich wurde Maschur selbst in seinem Haus festgenommen. Hier fand sich eine ganze Wagenladung von Schmuckgegenständen, Kleidern, Eßwaren, u. s. w. vor. Durch einen glücklichen Zufall wurden gleichzeitig auch die 5 andern Mitglieder der Bande von dem hiesigen Polizeisergeanten Zitzer verhaftet und in Landau ein zweites großes Versteck gestohlener Sachen entdeckt.
— Aus Worms, 5. Dez., schreibt man der Fr. Z: Die von verschiedenen auswärtigen Blättern verbreitete Nachricht, daß der in dem Duell mit Lieutenant Ziemsen verwundete Herr Fr. Schön, gestern gestorben sei, beruht auf einem Irrtum. Obschon die Verwundung eine sehr gefährliche ist, so ist doch Hoffnung vorhanden, daß er mit dem Leben davonkommt, wenigstens ist der Zustand des Verletzten verhältnismäßig gut zu nennen. (Anlaß zu dem Duell war, derselben Quelle zufolge, eine eheliche Angelegenheit, in welcher der Offizier der beleidigte Teil war.)
Leipzig, 5. Dez. Beschlagnahme. Um die Verwendung der Zentral-Jnvalidenkasse für die Buchdrucker Deutschlands zu Streikzwecken zu verhindern, wurde dieselbe auf Antrag einer großen Anzahl Mitglieder, die durch den Rechtsanwalt Dr. Paul Schmidt-Leipzig und in dessen Substitution durch- den Rechtsanwalt Dr. E. Kielmeyer-Stuttgart vertreten waren, heute im Wege einstweiliger Verfügung vom Amtsgerichte Stuttgart in Sequester genommen.
Berlin, 7. Dez. Laut Telegramm aus Berlin sind die Handelsverträge zwischen dem Deutschen Reich und Oesterreich- Ungar n-Italien und Belgien heute, 7.. Dezember, in einer von 12—2 Uhr dauernden Beratung des Bundesrates angenommenworden.
— Dem Major v. Wißmann geht es, wie man der „Post" aus Kairo schreibt, noch immer nicht gut. Er ist zwar nicht, wie zuerst beabsichtigt war,, in das Hospital gekommen, aber noch sehr leidend. Der Gewährsmann der „Post" hatte ihn am 27. Nov., ausgesucht; Major v. Wißmann hatte das Bett verlassen, fühlte sich aber sehr schwach.
Saint Etienne, 7. Dez. Eine Explosion schlagender Wetter hat in den Kohlengruben stattgefunden. Man befürchtetet 60 bis 80 Opfer. — 8 Bergleute wurden nach Oeffnung des verschütteten Schachts gerettet, 73 wurden tot gefunden. Als Ursache des Unglücks wird dreistündiger Stillstand des Ventilators bezeichnet.
„Bleiben Sie! Wir haben nichts zu verheimlichen!"
Dann ging sie ruhigen Schrittes zur Thür und drehte den Schlüssel. Mit hoch gerötetem, von unsinnigem Zorn entstellten Antlitz drang der General-Konsul ein. Er hatte die geballte Faust erhoben, wie wenn er irgend etwas Niederschlagen wollte; da trat ihm Sarnow um einen Schritt entgegen, und bei seinem Anblick ging eine seltsame Veränderung in Röhrsdorf's Aussehen und in seinem Gebühren vor. Er hatte augenscheinlich einen Anderen zu finden erwartet als ihn, und er blieb in all' seiner eifersüchtigen Wut noch Geschäftsmann genug, um sich zu erinnern, daß Sarnow ein Mittel besaß, ihn zu verderben.
Sich die Schweißtropfen des Zornes von der Stirn trocknend, zwang er sein Gesicht zu einem Lächeln, das ihn wahrlich nicht angenehmer erscheinen ließ.
„Welche Uederraschung! — Ich bitte, mein Ungestüm zu entschuldigen! Wie konnte ich auch ahnen, daß Sie noch einmal zurückkehren würden, lieber Sarnow ! Jedenfalls hatten Sie den Wunsch, mich unter vier Augen zu sprechen."
In der Erregung des Augenblickes dachte Niemand von den Dreien daran, die Thür zu schließen. Man konnte durch eine Reihe zusammenhängender Gemächer bis in den glänzend erhellten Tanzsaal hineinsehen.
„Nein!" erwiderte Felicitas an Stelle des Gefragten mit einer Härte und Bestimmtheit des Tones, wie sie Röhrsdorf nie zuvor von ihr vernommen hatte. „Herr Sarnow kam nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf meine Bitte, um mir zu bestätigen, was ich meinen eigenen Ohren vorhin nicht hatte glauben wollen. Ich schickte nach ihm, um mir Gewißheit zu verschaffen über den Betrug, den Du in Gemeinschaft mit diesem Lisser auSzufiihren gedachtest."
Der General-Konsul, der sich sonst so trefflich zu beherrschen verstand, verlor unter der Wirkung dieser verächtlichen Worte sogleich alle Fassung. Er sah sich verraten und der mühsam unterdrückte Ingrimm loderte nur um so wilder und unbändiger empor.
„Wagst Du, mir so zu begegnen?" rief er mit keuchendem Atem, indem er hart vor Felicitas hintrat. „Soll ich Dich lehren, wie man den Uebermut einer ehrvergessenen Betteldirne wieder zu demütigem Gehorsam macht? Auf der Stelle bittest Du mich um Verzeihung, oder —"
Er vollendete nicht, aber seine drohende Geberde sprach deutlicher als Worte. Unzweifelhaft wäre er in seiner unsinnigen Wut vor keiner Rohheit zurückgeschreckt, wenn Sarnow nicht schützend zwischen ihn und die junge Frau getreten wäre. Auch seine Erregung war auf das Aeußerste gestiegen.
„Wägen Sie Ihre Worte, Herr!" rief er mit erhobener Stimme. „Ich werde nicht dulden, daß Sie Ihre Frau beschimpfen — und an Ihnen ist es, um Verzeihung zu bitten. Ich schwöre Ihnen bei meiner Ehre, daß Ihre Gattin keinen Vorwurf verdient hat."
„Bei Ihrer Ehre?" höhnte Röhrsdorf. „Welch' ein gewichtiger Schwur im Munde eines Mannes, der soeben sein Ehrenwort gebrochen hat."
„Ich danke Ihnen, Herr Sarnow", fiel Felicitas ein, „aber ich wünsche nicht» daß Sie mich verteidigen. Die Zeit ist zu kostbar, um sie mit solchen Dingen zu verlieren. Ich ersuche Sie vielmehr, mich zu unseren Gästen zu begleiten, deren Festfreude leü>er durch die Mitteilung vom Untergange der „Felicitas" gestört werden muß."
.Elende !* schrie der General-Konsul auf, nur durch Sarnow'S kräftigen Arm von einer Gewaltthat zurückgehalten. Schriller und gellender aber tönte in dem nämlichen Augenblick unmittelbar hinter ihnen ein Ausruf der Verzweiflung aus anderem menschlichen Munde.
„Untergegangen?" jammerte eine hohe, greisenhafte Stimme. „Nein, nein» sagen Sie nicht, daß die Felicitas untergegangen sei — sagen Sie eS nicht! Wir haben ja nichts in der Welt, als unseren einzigen Jungen!"
Fortsetzung folgt.