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Amis- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.

66. Jahrgang

Erscheint Dien« ta g , D»nn-r«t-g und Sam« tag. Die Einrückungsgebühr betrügt im Bezirk und nächster Um­gebung S Psg- die Zeile, sonst 19 Psg.

Donnerstag den 3. Dezember t891.

Abonnemmt-preir vierteljährlich in der Stadt BO Pfg. u r 2o Pfg. Trägerlohn, durch die Post btzvgen MV. 1. 1b, sonst « ganz Württemberg Mk. 1. 3S.

Amtliche Wekanntmachungeu.

Ale Ortsbehörden für die Arbeiternerfichernng

werden beauftragt, auf Grund der neuesten Personen­verzeichnisse der Ortsbehörden und Krankenkassen, sowie nach dem Verbrauch im laufenden Jahr ihren Bedarf an Quittungskarten auf 1. Jan. 1892 bis spätestens 6. Dezember d. I. hieher anzuzeigen.

Da einzelne Ortsbehörden Zweifel darüber ge­äußert haben, ob die Quittungskarten nach vollständiger Ausfüllung mit 52 Marken oder schon nach Einklebung von 47 Marken umzutauschen feien, so werden die Ortsbehörden dahin belehrt, daß der regelmäßige Um­tausch der Quittungskarten nicht vor dem Abfluß des Kalenderjahrs 1891 erfolgen darf, und daß auf diesen Termin nur die mit 52 Marken ausgefüllten Karten umzutauschen sind, während diejenigen Karten, welche -am Ende des Jahrs weniger als 52 Marken ent­halten, abgesehen von den Ausnahmefällen der Geltend­machung des Anspruchs auf eine Rente oder der Aus«"^ stellung einer Quittungskarte auf Kosten des Versicherten, sowie in späteren Jahren des Umtauschs behufs Ver­meidung des Erlöschens der Giltigkeit einer Quittungs- karte (Z 104 des Reichsgesetzes), erst dann umzutauschen sind, wenn in dieselben 52 Marken eingeklebt worden sind.

Calw, den 2. Dezember 1891.

K. Oberamt.

Supper.

Tages-Ueuiglreilen.

Calw. Am Sonntag hatten sich im Dreiß'- schen Saale hier die Veteranen des Bezirks ver­sammelt um in Erinnerung der Tage von Champigny

und Villiers gesellige Unterhaltung zu pflegen. Schriftführer Schwämmle von Teinach begrüßte die zahlreich Erschienenen und Herr Schultheiß Holz­äpfel von dort brachte einen Toast auf Se. Maje­stät den König aus. Der Vorstand des Stamm- heimer Vereins, Kämpf, hielt eine längere wohlge­setzte Ansprache, in welcher er des verst. Kaisers Friedrich und des Grafen Moltke in ehrender Weise gedachte. Auf ein an Seine Majestät den Kömg abgesandtes Telegramm lief folgende Antwort ein:

Seine Königliche Majestät haben die von den Veteranen des Bezirks Calw dargebrachte Hul­digung wohlwollend entgegengenommen, und lassen für solche gnädigst danken. Auf Aller­höchsten Befehl. Der Kabinets-Chef Griesinger."

8-r. Gechingen, 1. Dez. Heute Mittag 12 Uhr brach hier Feuer in einer Doppclscheuer aus, ^an die auch noch zwei Wohnhäuser angebaut waren. Das Feuer griff so schnell um sich, daß an eine Rettung der Scheunen nicht mehr zu denken war, obwohl die hiesige Feuerwehr alsbald herbeieilte und auch sehr rasch Hilfe von Dachtel, Stammheim und Ostelsheim erschien. Die Scheunen brannten ganz nieder. Das eine Wohnhaus, welches dem Bauern Friedrich Kühnle gehörte, wurde größtenteils zerstört, und auch das Wohnhaus des Mechanikers Friedrich Geh ring wurde vom Feuer stark beschädigt, doch gelang es der angestrengten Thätigkeit der Feuerwehr, weitere Gebäude, die sich in allernächster Nähe be­fanden und die auch schon unrettbar verloren schienen, zu retten. Ein sehr großes Glück war es, daß wäh­rend der Dauer vollkommene Windstille herrschte. Die Entstehungsursache des Feuers ist bis jetzt gänz­

lich unbekannt. Die Abgebrannten, die allgemein be­dauert werden, sind versichert, aber nicht genügend.

In Gültlingen wurde der Hirschwirt Kleiner von einem Farren so unglücklich ins Auge gestoßen, daß das Auge wahrscheinlich verloren sein wird. Der in weiteren Kreisen bekannte Mann wurde gestern in eine Augenklinik nach Stuttgart verbracht und wird infolge dieses Unglücksfalles allgemein be­dauert.

Herrenberg, 26. Nov. Se. Maj. der König hielt gestern mit einer kleineren Jagdgesellschaft im hiesigen Stadtwald eine Treibjagd ab. Es wurden 4 Stück Hochwild zur Strecke gebracht, worunter ein Sechzehnender von seltener Größe und Schwere. Nach einem weiteren Stück, welches angeschossen wurde, wird heute gesucht.

Wildbad, 29. Nov. Gestern Abend hielt Rechtsanwalt Jakob von Pforzheim im hiesigen Ge­werbeverein einen Vortrag über die Reform der Eisenbahnpersonentarife. Jakob ist, wie bekannt, Gegner der von Engel und Perrot angestrebten Zonen­tarife und strebt die Einführung von Kilometer- billeten an.

Stuttgart, 30. Nov. Während der gestrigen Vorstellung im Hoftheater (gegen den Schluß des zweiten Aktes) wurde eine Dame, wie man hört die Frau des Fabrikanten Flinsch aus Frankfurt, derart vom Herzkrampf befallen, daß sie vom Zuschauerraum in ein besonderes Zimmer verbracht werden mußte, woselbst sich der Krampf wiederholte. Das Stöhnen der Unglücklichen drang bis auf die vierte Galerie und wurde die Vorstellung einige Minuten unterbrochen, bis die ziemlich korpulente Dame anderweitig untergebracht war. Aerztliche Hilfe

^ ß ^ ß td 11» Nachdruck »erbalm.

Der Schiffbruch derFelicitas".

Erzählung von Ferdinand Herrmann.

(Fortsetzung.)

Ein Lohndiener näherte sich Felicitas mit der Meldung, daß der Champagner zur Neige gehe und daß der Herr Generalkonsul, welcher den Schlüffe! zum Wein­keller wieder an sich genommen habe, trotz allen Suchens nirgends zu finden sei.

Mein Gatte wird sich in sein Arbeitszimmer zurückgezogen haben", sagte sie, aber es ist ihm vielleicht nicht angenehm, dort von Ihnen gestört zu werden. Er­warten Sie mich im Vorzimmer. Ich werde Ihnen dort nach fünf Minuten den Schlüssel einhändigen."

Sie machte sich auf den Weg, um ihrer Hausfrauenpflicht zu genügen, und sie ging dabei durch das kleine Ankleidezimmer, welches unmittelbar an das Arbeits­gemach anstieß und nur durch einen Thürvorhang aus schwerem Plüsch davon ge­schieden war. Der Raum war dunkel und ihr leichter Schritt blieb unhörbar auf dem weichen Teppich. Aus dem Arbeitszimmer selbst fiel Heller Lichtschein, doch als Felicitas eben im Begriff war, den Vorhang zurückzuschlagen, verriet ihr der Klattff einer fremden Stimme, daß ihr Gatte nicht allein da drinnen sei. Sie wollte sich leise, wie sie gekommen war, zurückziehen, denn nichts lag ihr so fern, als der Wunsch, Röhrsdorf's Geheimnisse zu belauschen. Da drang ein recht bekannter Name an ihr Ohr, und zwar in einer Verbindung mit Worten, deren Seltsamkeit sie fast wider ihren Willen nötigte, stehen zu bleiben.

Ich habe Sarnow mundtot gemacht von ihm ist für die nächsten vier­undzwanzig Stunden nichts zu fürchten!' hörte sie ihren Gatten sagen.Und außer ihm und mir sind Sie hier der Einzige, welcher etwas von der Sache weiß."

Die junge Frau konnte sich nicht enthaften, die Falten deS Vorhangs ein

wenig auseinander zu schieben, und nun erkannte sie auch den Andern, zu welchem der Generalkonsul sprach. Das rote, gedunsene Gesicht mit den kleinen, listig zu­sammengekniffenen Aeuglein war ihr schon zu jener Zeit, da Lisser häufige Besuche im Herrenhause von Dreilinden machte, so überaus widerwärtig gewesen, daß es nicht leicht ihrem Gedächtnis entschwinden konnte. Seine äußeren Glücksumstände schienen seitdem einige Aufbesserung erfahren zu haben, denn er war mit einer ge­wissen Eleganz, wenn auch nicht besonders sorgfältig gekleidet. Unter den einge­ladenen Gästen hatte er sich jedenfalls nicht befunden, und daß er es wagen konnte, Röhrsdorf mitten in der Nacht seiner Gesellschaft zu entziehen, ließ zu Felicitas' peinlicher Ueberraschung auf ein sehr vertrautes Verhältnis zu Beiden schließen. Sie hatte eine unbestimmte Vorstellung, daß geschäftliche Angelegenheiten, welche mit diesem Manne und unter solchen Umständen verhandelt wurden, nicht von ehren­hafter Art sein könnten, und jenes erste Wort, das sie durch einen Zufall vernommen, war ja in der That ganz darnach angethan, solchen Verdacht zu nähren. Auch zweifelte sie nicht, daß das hier geführte Gespräch in engstem Zusammenhang stände mit der dringenden Angelegenheit, die Sarnow vorhin in das Haus geführt hatte, und mehr einem Gefühl der Angst als der Neugier folgend, verharrte sie trotz inneren Widerstrebens horchend auf ihrem Platze.

Ich werde nichts verraten das ist gewiß!" erwiderte Lisser, der sich an­scheinend in ganz ausgezeichneter Laune befand,denn der liebe Gott bescheert mir nur alle zehn Jahre einmal ein Geschäft, wie es hier gemacht werden kann, wenn die Sache gut geht. Aber was den Herrn Sarnow anbetrifft, so traue ich ihm nicht recht. Der Mann ist von einer pedantischen ich möchte beinahe sagen: un­verständigen Rechtschaffenheft, und ich habe nie begreifen können, daß er Ihnen nicht längst unbequem geworden ist."

Das erklärt sich sehr einfach! Ich habe ihn niemals tiefere Einblicke in eine Sache thun lasten, als es unumgänglich notwendig war. Aber ich leugne nicht, daß ich mich trotzdem ein wenig mit ihm verrechnet habe. Ich setzte ihn auf de»