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widmet hatte. Karl Frhr. v. Gravenreuth war am 12. Dezember 1858 als Sohn des königlich bayerischen Kämmerers Frhrn. v. Gravenreuth geboren. Am 30. Juni 1877 trat er in das 3. K. bayerische Infanterieregiment ein und wurde am 7. Mai 1879 zum Sekondelieutenant in demselben Regiment befördert. Seine Kameradschaftlichkeit und ritterliche Gesinnung machten ihn bald zu einem beliebten Mitglieds des Offizierkorps, seine militärische Tüchtigkeit erwarb ihm die Anerkennung seiner Vorgesetzten. Im Februar 1885 suchte er um seine Versetzung zu den Offizieren der Reserve nach, um sich einer Expedition nach dem Innern Afrikas anzuschließen. Er trat zunächst in den Dienst der ostafrikanischen Gesellschaft und wurde wogen seiner vorzüglichen Haltung bei der Verwaltung und Verteidigung Bagamoyos von Sr. Mas. dem Kaiser Ende 1888 mit dem Roten Adlerorden vierter Klaffe mit Schwertern ausgezeichnet. Zu Beginn des Jahres 1889 trat er in den Dienst des Reichskommissärs und wurde gleichzeitig unter Stellung L 1a suits seines Truppenteils zum Premierlieutenant befördert. Er übernahm zunächst die Vertretung des Reichskommissärs in Berlin und ging demnächst wiederum nach Ostafrika, wo er einen bedeutenden Anteil an der Niederwerfung des Aufstandes hatte, z. B. bei der Erstürmung des Lagers von Buschiri bei Bagamoyo am 8. Mai, sowie bei der Einnahme von Saadani am 6. Juni 1890. Als der Reichskommissär im September eine größere Expedition nach Mpuapua unternahm, vertrat Gravenreuth denselben an der Küste und lieferte am 19. Oktober das bekannte Gefecht bei Jombo gegen Buschiri, durch welches er die Küste vor der Verheerung durch die Mafiti schützte. Ende 1889 und Anfang 1890 sicherte er durch eine größere Expedition das Hinterland von Bagamoyo und Saadani und nahm am 4. Januar an der Erstürmung der Befestigung Buschiris bei Mkembule, sowie am 8. und 9. März 1890 an der Einnahme von Palamakaa teil, wo die letzten Reste der Aufständischen zersprengt wurden. Seine angegriffene Gesundheit nötigte ihn, im April 1890 einen längeren Urlaub anzutreten. Für seine Verdienste erhielt Gravenreuth den K. preußischen Kronenorden dritter Klasse mit Schwertern und das Ritterkreuz zweiter Klaffe des K. bayerischen Militärverdienstordens. Seine Beförderung zum Hauptmann erfolgte im September 1890. Nachdem er einige Zeit im Auswärtigen Amte gearbeitet hatte, wurde er mit der Leitung der südlichen Forschungsexpedition nn Hinterlande von Kamerun betraut und reiste am 5. Juli an seinen Bestimmungsort ab. Im vorigen Monat unternahm er mit den in Kamerun angeworbenen Leuten der Expedition, unterstützt durch die kaiserliche Marine, eine Expedition gegen den unweit des kaiserlichen Gouvernements ansässigen Abostamm und züchtigte diesen für die gegen die Regierung unternommenen Feindseligkeiten. Er befand sich bereits auf dem Marsche den Samagafluß, im südlichen Kamerungebiet, entlang, als er bei der Erstürmung des Ortes Buka
heldenmütig kämpfend fiel. Ein ehrenvolles Andenken ist dem Verstorbenen gesichert."
Tages-Ueuigkeiten.
* Calw, 23. Nov. Der Liederkranz gab gestern nachmittag ein wohlgelungenes Konzert im Badischen Hofe. Das 12 Nummern umfassende, reichhaltige und abwechslungsvolle Programm wurde durch den prächtigen Chor „Gruß aus Deutschland" von Becker eröffnet, welcher durch den ihm innewohnenden warmen Ton eine bedeutende Wirkung erzielte, wie überhaupt die an diesem Abend unter der umsichtigen Leitung des Hrn. Direktors Müller gesungenen Chöre, darunter mehrere Neuheiten, in schönster Weise zu Gehör gebracht wurden und tüchtig studiert waren; wir heben als besonders gelungen nur die Chöre „Frühlingsaugen" von Joeze, „Der Frater Kellermeister" von Tietz und namentlich die 2 schwäbischen Volkslieder „Untreue" und „Treue Liebe" von Silcher hervor. Hr. Baumann jun. trug mit bekannter Eleganz 2 Violinsolo vor. Der Sologesang war an diesem Abend vertreten durch die HH. H. Helffericy und W. Schwämmle; beide sangen 2 Duette von Mendelssohn und ersterer noch allein „Zur Drossel sprach der Fink" von E. D'Albert. Sämtliche Vorträge ernteten reiche und wohlverdiente Anerkennung. Im Laufe des Abends erhob sich der Vorstand des Vereins, Hr. Präzeptor Bäuchle, um mit warmen Worten der Anerkennung den 2 ältesten Sängern des Liederkranzes, den Herren Ehr. Veyl, Sänger des I. Tenors und Gottlieb Heller, Sänger des II. Basses, ein Ehrengeschenk, bestehend in einem Deckelkrug mit eingravierter Widmung zu übergeben. Getreu dem Wahlspruch des Liederkranzes „In Freud und Leid zum Lied bereit" gehören die beiden Jubilare schon mehr als 25 Jahre dem Verein an und haben durch ihre Liebe zum Gesang die Bestrebungen des Liederkranzes eifrig gefördert. Fleißig besuchen sie noch die Singstunde und singen mit den Jungen um die Wette, durch ihren Charakter und durch ihr aufmunterndes Beispiel von selbst Gutes wirkend. Möge es den Sangesfreunden noch lange vergönnt sein, im Liederkranz zu weilen und die schönen Lieder mitzusingen. Der feierliche Akt, welcher lebhafte Zustimmung fand, schloß mit Gesang des Sängerwahlspruchs.
Calw, 23. Nov. Die gestern im Dreiß'- schen Saale abgehaltene Cäcilienfeier der hiesigen katholischen Gemeinde hatte sich einer außerordentlich zahlreichen Beteiligung zu erfreuen. Das gut gewählte Programm, welches 16 Nummern und mehrere Einlagen umfaßte, wurde in gelungener und soweit es die gemischten Chöre und Solis betrifft, in feiner, vollendeter Weise durchgeführt. Dem Dirigenten des Kirchenchors, Herrn Lehrer Rathgeber, ist es gelungen, die Sänger und Sängerinnen zu einer verständnisvollen, künstlerischen Auffassung ihrer Aufgabe zu führen. Besonderen Beifall ernteten: „das Muttergotteskirchlein", komponiert vom Dirigenten, „das Wörtlein Nei" von Brenner, „der Waffer
eines Kapitäns der „Felicitas" mit einem Manne besetzt zu sehen wünschte, dessen Tüchtigkeit und seemännische Erfahrung derjenigen anderer Bewerber unzweifelhaft nachstand, aber Herr Röhrsdorf wird, wie ich hoffe, anerkannt haben, daß ich damit einfach meine Pflicht gethan.
„Sie sind ihm eritgegengetreten, und Ihre Meinung hat den Sieg behalten?"
„Allerdings! Ich würde sonst nicht länger auf meinem Platze geblieben kein."
In dieser mit ruhigem Selbstbewußtsein abgegebenen Erklärung war etwas, das Felicitas erfreute. Wohl war sie in die geschäftlichen Angelegenheften und Geheimnisse ihres Gatten nicht eingeweiht, aber die Ereignisse auf Dreilinden und manche andere Wahrnehmung, die sie während der letzten Jahre gemacht, hatten den glänzenden Schein eines eigenartigen Heldentums, mit dem sie Hugo Röhrsdorf einst in ihrem unerfahrenen Mädchenherzen umgeben hatte, längst zerstört. Es hatte ihr eine peinliche Empfindung bereitet, als er von Ludwig Sarnow mü etwas geringschätzigem Ausdruck wie von einem allezeit gefügigen Werkzeug gesprochen, und es erschien ihr fast wie eine Rechtfertigung des jungen Direktors, als er es jetzt als etwas Selbstverständliches betonte, daß er auch gegen ven Willen seines mächtigen Gönners dem Gebot der Pflicht Folge zu leisten habe. Aber sie kannte ihren Mann doch auch gut genug, um zu wissen, daß er, der allen Regungen der Freundschaft unzugänglich war. als Feind unversöhnlich und unbarmherzig sein konnte bis zur Grausamkeit. Und sie fühlte ein dringendes Bedürfnis, ihren Begleiter zu warnen, — ein Verlangen, dem sie nicht zu widerstehen vermochte, wie unklug es ihr vielleicht auch bei ruhiger Ueberlegung erschienen wäre.
Nahe an seine Sette tretend und ihre Stimme zu leisestem Flüstern dämpfend, sagte sie:
„Ich glaube, daß Sie das Rechte gethan haben werden, Herr Sarnow, aber ich bitte Sie, nicht allzufest auf eine unbefangene Beurteilung von Setten meines Gatten zu bauen. Er ist so wenig an Widerstand gewöhnt, daß er nicht leicht bereit sein wird, solchen Widerstand zu verzeihen, und ich glaube — wie wohlwollend
fall" von Tauwitz und die humoristischen Einlagen „das Jägerfrühstück" und „die kluge Frau Professorin".. Nachdem Herr Stadtpfarrverweser Schwaier die Anwesenden begrüßt und Herrn Lehrer Rathgeber den Dank für seine Bemühungen um den Kirchenchor abgestattet hatte, forderte er zur Gründung eines Cäcilien-Vereins auf, welchem Wunsche durch Abgabe zahlreicher Unterschriften entsprochen wurde. So nahm - der Abend einen nach allen Seiten befriedigenden Verlauf, der zu den schönsten Erwartungen hinsichtlich des Gedeihens des neugegründeten Vereins berechtigt.
Stuttgart, 18. Nov. In den letzten Tagen ist die Anpflanzung von jungen Ahornbäumen in der Umgebung des Marienplatzes beendet worden. Der große freie Platz wird hierdurch ein hübsches Ansehen erhalten. — Wie das N. T. hört, liegt bei dem Rekruten B. vom Stuttgarter Ulanenregiment, dessen Uniform und Säbel, wie bekannt, gestern früh in einem Gebüsch auf der Insel bei Berg gefunden wurden, dringender Verdacht der Fahnenflucht vor. Abends, vor seiner Entfernung aus der Kaserne, habe solcher mit mehreren Zivilisten verkehrt, auch lag bei der Uniform ein Papier, in welchem anscheinend ein Hut eingewickelt war.
Stuttgart, 19. Nov. (Um 1'/- Millionen.) Vor dem 2. Zivilsenat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten v. Hufnagel kam heute eine Berufungssache der Freifrau Gabriele v. Podewils, geb. Freiin v. Münch, zu Leinstetten, Berufungsklägerin, gegen den Freiherrn Oskar v. Münch auf Hohen- mühringen, betr. Aufhebung eines Vergleichs, zur Verhandlung. Die erstere war durch Rechtsanwalt Dr. Kielmeyer, letzterer durch Rechtsanw. Dr. Löwenstein vertreten. Frhr. v. Münch hat vor dem K. Landgericht Rottweil in erster Instanz mit seinem Ansprüche obgesiegt, wonach auf Grund eines von seinem Großvater, dem Freiherrn Christian v. Münch, im Jahre 1792 errichteten Familienstatuts mit Nachtrag vom Jahre 1821 beim Tod seines Vaters, welcher kein Testament hinterließ, im Jahre 1881 ihm als ältesten Sohne dessen Nachlaß, bestehend in einer Anzahl von Rittergütern in Württemberg und Bayern, als Fideikommißgut mit dem Rechte der Primogenitur (Erstgeburt) zugefallen und ein im Jahre 1882 von seiuem Vormund mit seiner Mutter und Geschwistern abgeschlossener Vergleich, kraft welchem zwei Rittergüter samt Gefällen von etwa anderthalb Millionen Mark als Allodialgut, das ist freies Eigentum, aus dem Fideikommißverbande ausgeschieden und letzteren zugewiesen wurden, keine Rechtsgültigkeit haben soll. Die Klägerin machte in der Berufungsklage geltend, das fragliche Familienfide'ikommiß sei längst ungiltig, und erhebe Jncidentwiderklage, über deren prozessuale Zulässigkeit der Zivilsenat zunächst zu beschließen hat.
Bebenhausen, 19. Novbr. Die „Tüb. Chronik" berichtet über die Ankunft Ihrer Majestäten : Bei herrlichem Wetter trafen heute nachmittag i/- unter dem Geläute der Klosterglocken Ihre Majestäten der König und die Königin mit
er sich auch scheinbar gegen Sie benimmt — er würde Ihnen, den er zu Dank verpflichtet glaubt, eine Auflehnung am allermeisten verübeln."
Die Miene des jungen Mannes wurde sehr ernst.
„Wenn Sie beauftragt waren, gnädige Frau, so zu mir zu sprechen, so bitte ich Sie, dem Herrn General-Konsul zu sagen —"
Er konnte den begonnenen Satz nicht vollenden, denn Felicitas unterbrach ihn mit flammenden Augen:
„Das ist unedel, Herr Sarnow! — Sie hätten wissen müssen, daß ich es gut mit Ihnen meinte, wie unbedacht immer meine Worte sein mochten."
„Ich hätte es wissen müssen?' wiederholte er mit einer Bitterkeit, welche die junge Frau befremdete. „Wäre es dazu nicht vor Allem notwendig, daß ich ein Gespräch vergessen könnte, welches ich einst in den Treibhäusern des Herrn Röhrsdorf mit Ihnen führen durste? Haben Sie ein Recht, mir zu zürnen, wenn mein Gedächtnis sich nicht zwingen läßt, Ihnen und mir diesen Dienst zu leisten? Oder soll ich glauben, daß Sie es auch damals gut mit mir gemeint?"
Hoch errötend und mit bebenden Lippen wollte ihm Felicitas antworten: aber die Möglichkeit dazu war ihr genommen, da sie eben jetzt von der übrigen Gesellschaft, an deren Spitze sich der General-Konsul befand, eingeholt wurden.
Röhrsdorf blickte ihr sehr aufmerksam ins Gesicht, aber er sprach kein Wort, während er sie zum Wagen führte und ihr behiflich war, denselben zu besteigen. „Wohin fahren wir?" fragte Felicitas, als die Pferde sich in Bewegung setzten. „Zum Festessen!" lautete die kurze Antwort. „Ich hoffe, daß Du Dich gut unterhalten wirst, denn Herr Sarnow wird an der Tafel Dein Gegenüber sein."
Ohne die letzte spöttische Bemerkung zu beachten, erklärte Felicitas mit Entschiedenheit :
„Ich werde mich an meines Vaters Todestage an keinem Festessen beteiligen, und ich ersuche Dich, mich in das Haus zurückzubringen, ehe Du Dich in das Hotel.