Die Ozeanflieger
in Stuttgart und Friedrichshofen
Die Amerikaflicger Chambcrlin und Levine werden heute früh mit dem Flugzeug nach Friedrichshafeu sich begeben, um die Luftschiffwerft und die Dvrnierwerke zu besichtigen. Um halb 11 Uhr fliegen sie in einem Dornier- Merkur nach Stuttgart-Böblingen, wo sie 11.15 Uhr cin- treffen und sich sofort nach Stuttgart begeben werden. Nach den üblichen Empfängen durch die Behörden wohnen die Flieger nachmittags einer Vorführung im Ufapalast an, wo sie sich selbst im Bilde sehen werden. 3.45 Uhr treten die beiden Flieger den Weiterflug nach Frankfurt a. M. an.
Die Flieger im württembergische» Schwarzwald.
Die Ozeanflicger Ehamberlin und Levine weilten am DieuStag im Murgtal. Chambertin war über die Natur- schönhciten und Natnrgewalten des Schwarzwaldes geradezu begeistert und äußerte sich dem Besitzer des Schwarzwald- hotels Waldlust in Frendenstadt, der sich früher längere Zeit in Amerika anfhielt, gegenüber, daß wohl in Amerika.- nicht Herrlicheres und Lieblicheres gefunden werden kann. Ihr Land ist wunderbar, und ich bedaure unendlich, daß ich es schon wieder verlassen muß, ich werde es nie vergessen, war das Urteil der Amerikaner. Chambertin und Levine nahmen mit dem Versprechen, bald wieder den Schwarzwald aufzusncken, Abschied ans Frendenstadts schöner Umgebung. _—
Vom Landtag
Der Landtag fetzte am Mittwoch die Beratung des Nachtragsetats beim Kap. Finanzverwaltung fort. Bei Kap. 76 (Hochbau) bemängelte der Abg. Gengler lZ.), daß der Staat mit seinen Bauaufträgen so plötzlich herauskomme, was stets zu Preissteigerungen führe. Präsident Kuhn antivor- tete, daß die Hochbanverwaltung bestrebt sein werde, nicht alle Bauten auf einmal zu vergeben. Er erklärte dann, daß die Frage der Verlegung der Technischen Hochschule und der Vereinigung der Behörden in einem Gebäude vom Finanzministerium noch nicht erörtert worden sei. Eine längere Debatte entspann sich dann um einen Antrag Nath- Bock-Hölscher, eine mäßige Ueberschreitnng der Mittel zur Gewährung von Vaudarlehen für den Eigcnwvhnnngsban von Beamten und Angestellten nicht zu beanstanden. Bei Kap. 77 (Allgemeine Staatsbedürfnisse) kommen verschie- dene Ansschußanträge zur Besprechung, wonach den Staatsbeamten Nvtstandsbcihilfen und den staatlichen Waldarbeitern nachträglich Notzuwendnngen gegeben werden sollen. Bei Kap. 89 (Forsten) wurde die Eingabe der unteren Forstbeamten beraten. Der Finanzausschuß hatte einer Titclän- derung in Förster und der Schaffung von Einstufnngs- und Vvrrücknngsmöglichkeiten zugestimmt. Präsident Dr. König schilderte die Vorteile der praktischen Ausbildung der württeurbergischen Forstbeamten gegenüber der mehr theoretischen in Preußen und Hessen. Die Abstimmungen über die verschiedenen Anträge wurden wegen der schlechten Besetzung des Hauses auf morgen vertagt. Zum Schluß wurde der außerordentliche Dienst angenommen. Es handelt sich hier auf der Ausgabenseite um 3,5 Millionen Mk. zur Woh- uungsbauförderung, um 4,5 Millionen Mk. zum Ausbau der Staustufen in Obereßlingen und Horkheim und um 25 Mil
lionen Mark zum Ausbau der Nvrd-Süd-Skrecke. Bet den Einnahmen des außerordentlichen Dienstes sind vorgesehen 8 Millionen Mark aus der Restverwaltung und 29 Millionen Mark ans weiteren Anleihen. Fortsetzung morgen vormittag 9 Uhr.
Aus Stadt und Land
Calw, den 15. Juni 1927 Die Akazienblütc.
An Bahnbüschungen, Waldrändern, Steinbrttchcn und sonstigen Armen Böden findet man die fälschlich so genannte Akazie. Ihr eigentlicher Name ist Robinie (Nobinia psen- dacaeia),- sie hat ihre Heimat in Nordamerika, während die echte Akazie in Steppen, Wüsten und ähnlichen wasserarmen Gebieten der warmen Teile der Erde vorkommt. Eine afrikanische Art der echten Akazie liefert den wertvollen Gummi arabikum. Die Robinie, unsere Akazie, kommt als Strauch oder Baum vor. Wegen ihrer zarten Fiederblätter und der prächtigen, weißen, angenehm duftenden Blüten ist sie auch zum Zierstrauch geworden. Da sie sich infolge reicher Sa- menbildnng sowie durch Wurzelschößlinge stark vermehrt und mit dem dürftigsten Boden vorlicb nimmt, breitet sie sich bei uns immer mehr aus. Der Strauch besitzt am Grunde der Blattstiele zwei sehr spitzige Stacheln. Erreicht der Baum aber eine gewisse Höhe, so bilden sich keine Stacheln mehr. Das harte Holz wird zum Wagonbau verwendet. In diesem Jahr ist bei uns der größte Teil der Aka- zicnblüte erfroren. Wo dies aber nicht der Fall ist, stehen die Sträucher und Bäume in voller Blüte. Die weißen Blüten mit ihrem bezaubernden Duft locken die Bienen in Massen herbei, die aus ihnen den süßen Nektarsaft saugen. Man hört jetzt unter den Akazienbäumen das Brausen der Bienen wie später bei den Linden. Die Bienen berauschen sich förmlich an dem starken und äußerst angenehmen Duft der Blüten. Sie kommen deshalb in großer Menge herangeflogen, um ans den Blüten sich sestzusetzen. Während die Linden nicht überall honigcn, da es vielfach ans Standort und Bodenart ankommt, ist dies bei den Akazien stets der Fall. Sic geben überall, wo sic Vorkommen, reichlichste Bienennahrung. Der Akazicnhvnig hat seine besonderen Eigenschaften. Er ist schwach gelblich und kristallhell und von einem stark ausgeprägten aromatischen Geschmack. Für die Bienenzucht ist der Anbau der Akazien sehr wichtig. Die Bienenzüchtervcreine sind deshalb darauf bedacht, daß diese Sträucher nicht auSgcrottet, sondern 'in immer stärkerem Maße von den Forst- und Bahnverwaltungen angepflanzt werden. -»
Wetter für Donnerstag und Freitag.
Der Hochdruck über der Ostsee steht einer Depression über Spanien gegenüber. Für Donnerstag und Freitag ist zeitweise bedecktes und ,z» gcwitterartigen Niederschlägen geneigtes Wetter zu erwarten.
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SCB Stuttgart, 14. Juni. Von zuständiger Seite wird mitgeteilt: Anläßlich deS Todes des bayr. Finanzministers Dr. Krausncck hat bas württ. Staatsministerium an die bayrische Regierung folgendes Beileidstelegramm gerichtet: „An der Trauer um Herrn Staatsministcr der Finanzen Dr. .Krausneck, dem ein so erschütterndes Ende beschicken war, nimmt die Württ. Staatsregicrung herzlichen Anteil. Der Verlust dieses hochverdienten Mannes ist auch für
Württemberg überaus schmerzlich, gez. Bolz." Wie wir hören, wird ein Mitglied der württ. Regierung an dev Traucrfeierlichkeitcn in München teilnehmen.
SCB Cannstatt, 14. Juni. Gestern nachmittag zwischen 12 und 13 Uhr ging wieder ein Wolkenbrnch über dem Neckartal nieder, der dem vom Sonntag kaum nachstand. In einem Haus der Karlstraße mußten in den Keller ein- gedrungene Wassermasscn von der Feuerwehr mit der kleinen Motorspritze herausgepumpt werden. Auch in einen Fabrikgebäude der Waiblingerstraße mußte die Fcuerwach« mit der Pumpe gerufen werden.
SCB Gößlingcn OA. Rottweil, 14. Juni. Am Samstag mittag stürzte unter donnerühnlichem Krachen die zwischen dem Gasthaus zur Sonne und dem Anwesen des Landwirts Seeburger gelegene Scheuer in sich zusammen. Die zusam- mengebanten Häuser mußten schleimigst gesprießt werden, da weitere Einsturzgefahr bestand. Menschenleben kamen nicht zu Schaden.
Sport
Kartellsahrt dcö Automobilclubö von Deutschland
Wie uns das Gcneralsekretariat des Automobilclubs von Deutschland mitteilt, berührt die diesjährige Zuverlässigkeitsfahrt des Clubs auch die Stadt Calw. Die Kartell, sahrer werden unsere Stadt am 27. Juni papieren.
Geld,-Volks- und Landwirtschaft
Berliner Briefkurse.
100 holl. Gulden. 169.25
100 sranz. Franken 16,54
100 schweiz. Franken 81,25
Börsenbericht.
Die Börse lag gestern wieder etwas schwächer und die Kurse gaben leicht nach.
L.C. Berliner Produktenbörse vom 14. Juni.
Weizen mürk. 395—398- Roggen märk. 289—282,- Gerste 241—275,- Hafer mürk. 254-269- Mais prompt Berlin 193 bis 194,- Weizenmehl 37.59—39.59,- Noggenmehl 36—38: Weizenkleie 15.25—15.59: Roggenkleie 13,- Viktoriacrbsen 42 bis 65,- kleine Spreisecrbsen 27—39,- Futtcrerbscn 22—23: Peluschken 29—22,- Ackcrbohnen 21—23,- Wicken 22—24.59: Lupinen blaue 15—16,- gelbe 16—18,- Rapskuchen 15.69 bis 16.19: Leinkuchen 29.59—29.89.- Trockenschnitzel 12.99—13.49,- Soyaschrot 19.59—29: Raufntter: drahtgepreßtes Roggen- und Weizcnstroh 1.25—1.55,- desgl. Haferstroh 9.99—1: bind- fadengepr. Roggen- und Weizenstroh 1.19—1.56,- Häcksel 2 bis 2.25,- handelsübl. Heu 1.56—1.99,- gutes Heu 2.59 bis 2.75: Gcrstenstroh 9.99—1.19,- Tendenz: stetig.
Psorzhcimer Schlachtviehmarkt.
Auftrieb: 3 Ochsen, 12 Kühe, 39 Rinder, 19 Farren, 13 Kälber, 1 Schaf, 293 Schweine. Preise: Ochsen a 69—63, b 55—58, Farren a 54—57, b und c 52—59, Kühe b und c 36 bis 28, Rinder a 62—66, b 58—69, Schweine a 63—66, b 63 bis 66, b 63—66, c 69—62 Marktverlauf: Großvieh mäßig belebt, Schweine langsam.
Psorzhcimer Pfcrdemarkt.
Auftrieb: 132 Pferde, darunter 2 Fohlen. Preise: Schlacht- Pferde 59—199, leichte Pferde 269—566, mittlere 699—999, schwere Arbeitspferde 1999—1899 .L. Der Handel war leb- Haft.
Nun lag die Nische in beinah völligem Dunkel.
Das Lokal war stark besucht, lauter Gesellschaft erster Kreise und Hochschulstudenten — Söhne bemittelter Eltern, die sich einen Mittagstisch in einem erstklassigen Restaurant erlauben konnten.
Lachen, Plaudern, Tellerklappern und GlSserklirren schwamm durcheinander. Immer neue Gäste kamen und suchten Platz. Andere erhoben sich, bezahlten und ließen sich in ihre Mäntel helfen.
Sanders sah ungeduldig in all das Getriebe. Der Lärm und das ewige Hin und Her machten ihn nervös.^ Er war es nicht mehr gewohnt, und auf die Stille seines Doktor- - Hauses hin war es ihm beinahe etwas Lästiges.
Er bestellte eine Flasche Wein für sich und den Detektiv und ließ sich die Speisekarte geben.
Hellmuth blickte voll regstem Interesse in das Getriebe, als hätte er in seinem ganzen Leben noch niemals etwa» Aehnliches gesehen.
Seine Augen gingen hin und her wie Fackeln, liefen vor und zurück und sahen alles und jedes.
Dazwischen trank er, stieß mit dem Doktor an und steckte sich eine Zigarette in Brand — die zehnte an diesem Vormittag.
Von der Halle her kam ein Trupp junger Leute in trefflichster Stimmung. Sie sielen wie ein Heuschreckenschwarm auf den großen, viereckigen Tisch dem Eingang gegenüber, schälten sich aus ihren Mänteln und hingen die Hüte über die Haken des Ständers. Mit viel Geräusch, Gelächter und einem nicht endeumollenden Redeschwall ließen sie sich nieder.
Einer von ihnen griff nach der Speisekarte und sing an zu suchen. Sie steckten die Köpfe zusammen. Ein Gericht schien zuerst ihre Aufmerksamkeit zu erregen, dann ihre Lachlust. Sie kicherten auf.
Ein Ober kam herbei und frug nach ihren Wünschen. Gestikulierend zeigten sie nach der unbekannten Speise, die auf der Karte verzeichnet stand.
„Ist das ein Huhn — oder ein Fleisch — oder ein Gemüse?" frugen sie durcheinander.
Der Ober lachte, daß die Zähne blitzten.
„Eine Mehlspeise, meine Herren!" sagte er erklärend.
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Vom lieben HelietLt
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s UrdebeFeckkrckutr 1S2S ckurck Verlag Oikar dtelrter, Veräan ,
<67. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
-„Von Hammerstreet? Nein, mein Herr, ein solcher wohnt Dicht bei uns."
„Nicht," machte Hellmuth enttäuscht. „Ich glaubte ihn -ganz sicher zu erkennen. Aber ich muß Ihn wohl verwechselt shaben." Er lächelte verlegen. „Den Namen des Herrn und -ver es war, das kann ich wohl nicht erfahren?"
„Doch! — Es ist ja sonst niemand hereingekommen in den letzten zehn Minuten als —" Der Portier besann sich und zählte dann die Gäste auf, die als letzte den Windfänger passiert hatten.
, In Hellmuths Gesicht blitzte es auf. -
> „Ich danke Ihnen," sagte er höflich, „ich danke Ihnen vielmals! Ich habe mich also doch getäuscht. Verzeihen Sie die Störung!"'
- Als er wieder auf der Straße stand, lachte er vor sich hin. Glänzend war das! Da sage einer noch, daß ein Weib sich nicht zu verstellen wüßte.
- Er blieb stehen und steckte sich eine Zigarette in Brand, .dann stellte er sich vor die Fenster eines großen Kaufhauses, besah sich die Auslagen, trat ein und erstand allerlei Luxus- chinge für sein Iunggesellenheim. Heute konnte er sich aller- chand erlauben. So einen Fang wie gestern machte man nur alle zehn Jahre einmal.
k Was Sanders wohl gesagt hatte? Und ob er kommen würde? — Zweifelsohne! — Vorausgesetzt, daß das Telegramm noch rechtzeitig bei ihm eingetroffen war.
Als der Schnellzug einlief, stand er schon auf dem Bahnsteig und musterte die Ankommenden. Dann begann er plötzlich seinen Hut zu schwenken.
Sanders kam mit einer Reisedecke und einer Tasche am ^rm durch dis Sperre.
„Gestatten Sie — ich hatte noch nie das Vergnügen — Sie verwechseln mich wohl mit einem anderen."
„Nein, nein. Sie sind schon der» den ich erwarte," lachte der Detektiv und nahm die Brille ab.
„Herr Hellmuth! Verzeihen Sie, weiß Gott, Ich habe Sie nicht erkannt!"
„Das ist sehr schmeichelhaft für mich In diesem Falle," meinte Hellmuth. „Bei uns Polizeimenschen ist das Nicht- erkennen in der Regel von größter Wichtigkeit. Lassen Sie mich Ihnen die Decke abnehmen oder die Tasche. Einen Wagen habe ich draußen stehen. Cs ist nicht weit.". ' ^
„Zuerst eine Frage! — eine einzige!"
„Jede! — und soviel Sie wollen!" lachte Hellmuths <
„Sie ist es wirklich?" ^
„Wirklich!" bekräftigte der Detektt ^ ^
„Und Sie haben sich nicht getäuscht? .
„Ausgeschlossen!" §
„Und sie ist hier?" (
„Ja!-" ^
„Wo?" kam es aufgeregt.
Hellmuth faßte ihn unterm Arm und ging' mit' Ihm durch den Nordbau nach der Arnulfstraße. „Fassen Sie sich noch eine Viertelstunde in Geduld, lieber Herr Doktor, ich bin nämlich begierig, ob Sie auch ein zweites Mal an ihr vor-, übergehen, ohne sie zu kennen." ;
«Sie spannen mich auf die Folter!" klagte Sanders. , „Dafür kommt hernach auch die Seligkeit," scherzte dieser. Sie stiegen beide in die Autodroschke, die Hellmuth bereits bestellt hatte, und fuhren zum Stachus. Dort ließ der Detektiv halten, bezahlte und ging mit Sanders die andere Strecke zu Fuß weiter.
„Ich habe gelernt, vorsichtig zu sein," erklärte er lächelnd. „Ihre Braut ist nämlich ein ganz gewiegter Verbrecher."
Vor dem Hotel, in dem er vor zwei Stunden Nachfrage gehalten hatte, blieb er stehen. Dann drehte er entschlossen den Windfänger und trat als erster ein. Die große Halle tat sich vor ihm auf, dahinter lag der geräumige Speisesaal. Hellmuths Blick glitt rasch durch den Raum- Eilig schob er den Doktor in eine noch freie halbdunkle Nische nahe der Tür» von wo aus man das ganze Getriebe durchblicken konnte. Den herbeieilenden Kellner ersuchte er, die Flamme
„Da sind Sie ja, lieber Doktor," sagte Hellmuth erfreut, ^ Perblüjjt jah dieser den fremden Menschen a? ' ^
über dem Tisch zu löschen. weil das Licht selneAugen zu jehr HMM) ' - - ---- --- -