Karl folgendes Telegramm an des jetzt regierenden Königs Majestät gerichtet:

Tief erschüttert durch die eben erhaltene Nachricht beeile ich mich. Dir, Deiner Gemahlin, und Deinem gesamten Volke meine aufrichtigste Teilnahme auszudrücken. Einer der Mitstifter des Deutschen Reiches und Mitgenofse meines teuren Großvaters ist dahin. Ich komme, persönlich mei­nen Anteil an der Trauer Württembergs zu be- thätigen. Mögest Du im neuen Amt mit Gottes Beistand für Dein Volk und unser Deutsches Vater­land ein Segen sein. Meiner wärmsten Freund­schaft und innigsten Zuneigung bist Du ru jeder Zeit sicher. Wilhelm.

Darauf haben Seine Majestät Nach­stehendes erwidert:

Die Worte, welche Du an mich gerichtet hast, haben meinem schwer gebeugten Herzen unendlich wohlgethan. Ich bin mir der großen Verantwor­tung, welche Gott mir in meinem neuen Amte auf­erlegt, tief bewußt, hoffe es mit Seiner Hilfe zum Wohl unseres gemeinsamen Deutschen Vaterlandes wie meines Landes auszufüllen und fühle mich gestärkt durch die wohlwollenden Gesinnungen, welche Du mir wie immer so jetzt kundgiebst. Aus tiefster Ueberzeugung stehe ich wie seit Jahren als Glied der Preußischen Armee zu dieser, jetzt als deutscher Regent fest und treu zu Kaiser und Reich.

Um 11 Uhr Mittwoch vormittags traf die Königin Charlotte aus Nachod ein. Zum Em­pfang auf dem Bahnhof hatten sich S. M. König Wilhelm mit I. K. H. der Prinzessin Pauline eingefunden.

Die Beeidigung der württ. Truppen hat gestern Donnerstag mittag 12 Uhr in allen Gar­nisonen stattgefunden.

Den Eid auf die Verfassung hat Se. Maj. König Wilhelm II. am Dienstag nachmittag in der Sitzung des Großen Rates geleistet.

Die allerhöchsten fürstlichen Besuche sind: Se. Maj. Kaiser Wilhelm II., im Schloß in den Oldenburgischen Zimmern Wohnung nehmend, II. KK. HH. Prinz und Prinzessin Wilhelm von Baden, II. KK. HH. Herzog Philipp von Württemberg, Herzogin Therese von Würt­temberg, Herzogin Jsabella von Württemberg. S. K. H. Großherzog Friedrich von Baden steigt in den unteren Kaiserzimmern ab, S. H. Fürst v. Teck in den oberen Kaiserzimmern. S. K. H. Herzog von Leuchtenberg mit Adjutant. S. K. H. Großfürst Michael von Rußland, S. K. H. Erzherzog Friedrich von Oestreich, S. K. H. Prinz Heinrich von Preußen.

Se. Maj. der Kaiser traf Donnerstag abend um 9 Uhr in Stuttgart ein, wozu großer Empfang vorbereitet war. Zum Ehrendienst bei Se. Maj. sind General v. Wölckern und Oberst Krummacher kommandiert worden. Dem Vernehmen nach reist Kaiser Wilhelm Freitag abend um 8'/- Uhr wieder ab. Zum Salutschießen ist eine Batterie von Lud­wigsburg befohlen.

Den Bau der Gruft unter der Kapelle des alten Schlosses, in welcher König Karl auf seinen Wunsch beigesetzt wird, hat Oberbaurat v. Trit sch­ier geleitet. Derselbe wurde bei der unmittelbar nach dem Regierungsantritt des nunmehr Verewigten vorgenommenen Restauration der Kapelle gebaut und zieht sich in drei Abteilungen unter der Kapelle hin. Die letzte Ruhestätte haben bis jetzt dort gefunden Herzog"Eugen, gestorben am 27. Januar 1877, sein Sohn, gestorben 9. Nov. 1875, und die Gräfin Marie v. Taubenheim, geb. Gräfin v. Würt­temberg, gest. 31. Dez. 1886. Herzog Eugen und sein Sohn liegen unmittelbar unter dem Altar, die Särge stehen gleichlaufend mit der Außenwand; die Gräfin Marie liegt in der Abteilung links, an der Schmalwand.

So viel wir hören, wird die gottesdienst­liche Trau er fei er für das Ableben Seiner Maje­stät des König Karl in den evang. Kirchen des Landes Sonntag, den 18. Oktober, begangen werden. In den Stuttgarter Kirchen ist der Trauergottesdienst schon auf Sonntag, den 11. Okt., angeordnet.

Die um 3," nachm, eintreffenden Blätter be­richten über die Ankunft des Kaisers und des Prinzen Heinrich.

Aus allen Teilen des Landes und des Reiches kommen Berichte über die schmerzensvolle Anteil­nahme an dem 'Verlust, den Württemberg durch das Hinscheiden unseres edlen Königs erlitten hat. Alle Blätter widmen dem Verewigten Nachrufe, in denen übereinstimmend die edle Herzensgüte des Verstorbenen, sein Sinn für alles Schöne, sein redliches Mühen um die Wohlfahrt des Volkes hervorgehoben wird. So schreibt derReichsanzeiger" in einem weiteren Nachruf: Mit dem Württemberger Königshaus und dem Lande vereinigen sich in aufrichtiger Trauer die Teilnahme Sr. Maj. des Kaisers und Königs und des ganzen deutschen Vater­lands an der Bahre des Dahingeschiedenen, der durch den Tod von jahrelangen, aber in Ergebung getragenen Leiden erlöst worden ist. Der R.-Anz. erinnert an die Stuttgarter Kaiserrede vom 25. Juni 1889 und schließt: An dem Leid des Württemberger Landes nehme der Kaiser, die deutschen Fürsten und Stämme mit aufrichtiger Trauer im Herzen, aber auch mit dem Wunsche teil, Gott möge auch ferner das Königshaus und das Land in Schuz nehmen, daß aus der gemeinsamen Trauer der deutschen Fürsten und Stämme das Gefühl der Solidarität neue Kraft und Stärkung gewinne und daß Württemberg wie zu seinem König Wilhelm II. und seinem Hause, so auch zu Kaiser und Reich in den Tagen wie der Freude so des Leides fest, furcht­los und treu bis in die fernsten Jahrhunderte halten möge.

Tages-Ueuigkeiten.

Z Calw, 8. Okt. Der Gemeinderat hat nach Einlauf der Nachricht von dem Hinscheiden Sr. Majestät des Königs Karl der aufrichtigen Trauer der hiesigen Bevölkerung über den Verlust des ge­liebten edlen Landesfürsten in Beileidsadressen an Ihre Majestät die Königin Olga und Seine

Majestät König Wilhelm H. Ausdruck gegeben- Hierauf ist folgende Zuschrift aus dem König!. Ka- binet an Herrn Stadtschultheiß Haffner eingetroffen::

Euer rc. beehre ich mich höchstem Befehle ge­mäß mitzuteilen, daß Seine Königliche Majestät die von dem Gemeinderat in Calw auß Anlaß Höchst- Jhrer Thronbesteigung mittelst Eingabe vom 6. d. M. dargebrachte Versicherung treuer Ergeben­heit wohlwollend entgegengenommen haben und für solche wie für die Worte inniger Teilnahme an dem Hingang Seiner Majestät des HöchstSeligen Königs gnädigst danken lassen..

Indem ich Euer Wohlgeboren ersuchen darf, hievon auch den übrigen Gemeinderatsmitgliedern Kenntnis zu geben, beharre ich mit hochachtungs­vollen Gesinnungen

Stuttgart, Der Kabinets-Chef

den 7. Oktober 1891. Griesinger.

Landwirt schaftl. Kezirksverein.

Winterabendschule» betreffend.

Laut hohen Erlasses der König!. Centralstelle für die Landwirtschaft ist der Verein auch Heuer in den Stand gesetzt, den bestehenden Winterabendschulen, landw. Versammlungen Erwachsener und Lesevereinen Unterstützungen in der bisherigen Weise zukommen zu lassen.

Wegen richtiger Zahlbestimmung des diesen Fortbildungsanstalten unentgeltlich zugedachten landw. Wochenblatts, sowie im Interesse rechtzeitiger Ein­reichung der betreffenden Liste und der davon abhänigen Sicherstellung der Unterstützungen und Prämien, werden die Schul- und Gemeindebehörden ersucht, die von dem mitunterzeichneten Beirat noch auszugebenden besonderen Anfragen möglichst bald zu beantworten, und ebenso etwaige freie Mitteilungen ohne Säumnis machen zu wollen.

Im übrigen hegen wir die Hoffnung, es werden- die Gemeinden im Hinblick auf die Wichtigkeit der Fortbildung unserer bäuerlichen Jugend es an der Förderung der guten Sache nicht fehlen lassen.

Calw, den 8. Okt. 1891.

Vereinsvorstand schultech. Vereinsbeirat Supper. Ansel.

Standesamt Kakw.

Geborene:

27. Sept. Emil Julius Gottlieb, Sohn des Emil- Wid maier, Sattlers hier.

2. Okt. HedwigRosine,TochterdesJakobSchneider, Maschinenstrickers hier.

4. Okt. Albertiue, Tochter des Anton Schramm, Bezirksfeldwebels hier.

Getraute:

27. Sept. Gg. Albert Valentin Frohnmayer, Bäckers hier, mit Rosine Amalie Pfromm er.

Gestorbene:

8. Okt. Katharine schuler, Tochter des Friedrich- Schüler, Schuhma chermeisters h ier.

Gottesdienst

am Sonntag, den 11. Oktober.

Vom Turm: 596.

Vorm.-Predigt um '/-IO Uhr: Herr Stadtpfarrer Eytel. 1 Uhr Christenlehre mit den Töchtern. 2 Uhr Bibelstunde im Vereinshaus: Herr Dekan Braun.

Das Opfer ist für den Kirchenbau in Zuffen- Hausen bestimmt.

» Nachdruck oerboten.

Zlelly's Jertoöung.

Eine nächtliche Geschichte von Reinhold Ortmann.

(Fortsetzung.)

Nelly wurde von den Frostschauern noch heftiger geschüttelt als vorher. Der starke Geruch des Glühweins, der das ganze Zimmer erfüllte und den sie sonst so sehr liebte, war ihr äußerst unangenehm. Ihre Gemütsstimmung verschlechterte sich von Minute zu Minute. Noch nie in ihrem ganzen Leben hatte sie eine gleiche Empfindung der Verlassenheit und Vernachlässigung gehabt. Auch die Tante schien ja bei dem Genüsse des feurigen Trankes ihrer vollständig vergessen zu haben. Sie war wirklich ganz außerordentlich unglücklich! Da wollte sie wenigstens mit ihrer Bitterkeit gegen Denjenigen nicht zurückhalten, den sie nun einmal hauptsächlich für die Jämmerlichkeit ihrer Lage verantwortlich machte.

Wie hat Dir denn nun dieser Doktor Fischer gefallen, Tante Dorette? Gegen Dich hat er sich ja auch ganz besonders zuvorkommend benommen! Ich glaube, wenn cs auf ihn angekommen wäre, lägest Du noch jetzt unter dem Wagen."

Ach, Kind, warum erinnerst Du mich an diese schrecklichen Augenblicke? Wie oft habe ich nicht zu Deinen Eltern gesagt: Gestattet dem Kinde um Gottes- willen nicht, auf Bälle zu gehen, das führt niemals zu etwa» Gutem! Und nun haben wir ja gesehen und gehört, wohin eS führt!"

Nelly trommelte mit den Fingern ihrer unverletzten linken Hand ungeduldig auf dem Tisch.

Ich bitte Dich, Tantchen, was hat denn der Ball mit unserem Unfall zu thun? Und es wäre auch noch garnicht so schlimm gewesen, wenn uns nur irgestd ein anderer Mensch an Stelle dieses Doktor zu Hilf« gekommen wäre! Unsere Ver­zweiflung und Verlegenheit scheint ihm jüwch eine wahre Augenweide gewesen zu sein."

Meinst Du das wirklich, Kindchen?" fragte die Tante, die ihren Glühwein unterdessen ausgetrunken und sich wieder so bequem als möglich auf der Matratze placiert hatte, mit schwacher Stimme.Das wäre ja eine entsetzliche Barbarei!"

.O, es ist schlimmer als eine Barbarei! Es ist eine ein nun, es ist abscheulich! Früher war es ein ganz leidlicher Mensch; aber jetzt brrr! Ich möchte lieber sterben, ehe ich mich von einem solchen Arzte behandeln ließe!"

Da würde sich die Mamsell doch erst zuvor ein wenig bedenken, meine ich!" mischte sich die Alte ein, die unbeweglich neben ihrem Kochherd stehen geblieben war und als ihr Nelly nur mit einem kühlen, abweisenden Blick antwortete, fuhr sie in ihrer rauhen Weise, ohne Gereiztheit, aber auch ohne Höflichkeit, fort:

Mein armer Mann, ver da drinnen auf seinem Krankenbette oder, wenn Gott will, auf seinem Sterbebette liegt, hat auch immer gesagt: Mir soll keiner von den Quacksalbern über die Schwelle kommen! Er hatte einen so grimmigen Haß auf die Herren Doktoren alle mit einander. Und er hatte auch einen Grund dazu, der wahrscheinlich besser war als Ihrer, Mamsell!"

Nelly hatte sich durch das Dreinreden der Alten zwar etwas gekränkt gefühlt, aber das ging rasch vorüber, da ihre Teilnahme ein wenig, vielleicht auch ihre Neugierde rege gemacht war.

Was für ein Grund war denn das, Mutter Conrad?" fragte sie; und ohne ihre Stellung zu verändern, erwiederte die alte Frau:

Nun, das werden Sie am Ende kaum verstehen; denn Sie sind noch sehr jung und können keine Ahnung davon haben, wie es einem Vater und einer Mutter am Krankenbette ihres Kindes ums Herz ist. Außerdem sind Sie reich und sind'» wohl gewohnt, daß gleich ein hilfreicher Herr Hausarzt da ist, wenn Ihnen einmal eins von den zierlichen Fingerchen weh thut!"

Mit einer raschen Bewegung streckte Nelly bei diesen Worten die Hand mit: den verwundeten Fingern unter den Tisch; aber die Aste blickte starr vor sich hin in die leere Luft und hatte «» nicht bemerkt. (Fortsetzung folgt.)