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an der Nordseite gearbeitet. Die Orgelbrüstung hat eine Verkleidung erhalten.

Meßkirch, 27. Aug. Endlich ist das lang­ersehnte Erntewetter angerückt und ist ein großer Teil der Erntefrüchte schon in der Scheune aufgespeichert. Mit dem Ausfall der Ernte dürfen wir Heuer wieder zufrieden sein. Die Gerste hat zwar durch die Nässe vielorts bedeutend gelitten, sie blieb kurz im Halm mit magern Körnern. Das Korn und der Weizen hiegegen ist ausgezeichnet; voll und schwer sind die Aehren und hätte sich eine solche Ernte im Frühjahr, bei dem äußerst dünnen Stand der Winter­saaten Niemand träumen lassen. Am üppigsten steht der Hafer, er erreichte vielfach eine Höhe von 6 Fuß; derselbe geht sehr rasch seiner Reife entgegen, theilweise ist auch schon gemäht. Der Ausfall an Gerstenstroh wird durch das Letztere reichlich gedeckt. Oehmd gibt es auf trockenen Wiesen reichlich, auf nassen dagegen wenig. Am schlimmsten sind die Kar­toffeln, besonders die frühen Sorten (Rosen) weg­gekommen; dieselben blieben klein und speckig. Die späteren gediehen besser, namentlich die Kaiserkar­toffel, Champion und Psirsichblüte, diese haben große und mehlreiche Knollen. Das Kraut zeigt sich heuer- früh zum Absterben geneigt, was wohl mit dem vielen Regen zusammenhängt. Das Durchschnittsergebniß der heurigen Ernte lautet ziemlich gut bis gut.

Cassel, 27. Aug. Vom Kaisermanöver. Bei der Anwesenheit des Kaisers werden die Casseler Gesangvereine des Hessischen Sängerbundes dem Kaiser eine Serenade darbringen, wozu die Allerhöchste Zu­stimmung bereits erfolgt ist. Die Gesangvereine werden sich nach dem Festmahl, welches die Communal- stände dem Kaiser geben, hören lassen. Der König von Sachsen, welcher zu den Manövern nach Cassel kommt, wird mit den kaiserlichen Herrschaften im Schloß Wilhelmshöhe Wohnung nehmen, wo auch Prinz Heinrich von Preußen absteigen wird. Die übrigen Fürsten, welche erwartet werden, werden in Cassel wohnen, da auf Wilhelmshöhe nicht genügend Platz vorhanden ist.

Aus Straßburg teilt mau der A. C. R. mit: In den Vogesenwaldungen sollen nach und nach kaiserliche Jagdreviere mit Gatter eingerichtet werden. Zunächst hat man im Brenuchthal (Kreis Molsheim) den sog. Struthwald, in welchem ein guter Bestand Hochwild, Rotwild, Sauen u. s. w. besteht, eingegattert. Dieses Jagdgebiet erstreckt sich vom Re­vier Weißenberg bei Haslach bis zur sagenbekannten Burg Nideg.

Triest, 27. Aug. Die Bäckergenossenschaft beschloß, die Brotpreise von 12 resp. 14 kr. auf 16 kr. pro Pfund zu erhöhen. (Der Vorgang ist sehr lehrreich; er beweist, wie auch der jüngst ge­meldete Beschluß der dänischen Heeresverwaltung, für die Armeeverpflegung nach dem Vorgang Deutsch- '

lands zum Weizenbrot überzugehen, daß die heurige verhältnismäßige Teuerung international ist, und nicht in unserer heimischen Gesetzgebung ihren Grund hat.)

Kopenhagen, 28. Aug. Der preuß. General v. d. Groben ist gestern beim Wegfahren von der Eisenbahn in Helsingör verunglückt; er wurde mit Frau und Tochter zum Wagen hinausgeworfen und mußte ins Hospital gebracht werden, wo er nach 2 Stunden starb. Die Frau und die Tochter blieben unverletzt.

Große Schaaren flüchtender russischer Juden kommen fortwährend in Montreal an. Das dortige Hirsch-Institut ist zum Erdrücken voll. Das jüdische Hilfskomite von Montreal, welches die An­kömmlinge empfängt, hat sich an die kanadische Re­gierung mit der Bitte gewandt, ihm Land in Mani­toba zu überlassen, um 150 Familien dort anzusiedeln. Den Handwerkern unter den Einwanderern sucht man Arbeit in Montreal zu verschaffen.

Vermischtes.

DieMünch. N. N." schreiben: Bei der Begrüßung der Vertreter deutscher Städte am Mitt­woch abend in der bayerischen Bierhalle der Aus­stellung ist dem Oberbürgermeister von Frankfurt, Herrn Adickes, ein drolligerMißgriff" passiert. Er endete nämlich seine Ansprache mit dem Satze:Und ich erlaube mir, auf das Gedeihen unseres Werkes und auf das Wohl der hier anwesenden Vertreter deutscher Städte mein Glas zu leeren!" Und hob sein Bierglas in die Höhe und leerte es aber es war ein so kleiner Rest, daß die Umgebung des Herrn Oberbürgermeisters über dasLeeren" dieses Glases in Helle Heiterkeit ausbrach. Aber Herr Adickes war rasch besonnen; er ergriff das daneben stehende volle Glas eines Nachbars, erhob sich wieder und sagte launig:Es ist mir da ein eigentümlicher Irrtum passiert: Ich wollte dieses Glas leeren und ich wünsche nur, daß dieser erste Mißgriff auch der letzte sei!" Und setzte an und trank einen tüchtigen Schluck. Die darauf folgende allgemeine Heiterkeit bewies, daß der Herr Oberbürgermeister seinenMiß­griff" rasch wieder gut gemacht hatte.

Ein feiner Tropfen Wein. Eine große Rarität wurde letzter Tage durch den Bürgermeister von Erbach verkauft, nämlich ein HalbstückStein­berger Kabinett" aus dem berühmten Weinjahr 1868. Bezahlt wurde nach dem Rhein. Kur. für das Halb­stück (600 Liter) der hohe Preis von 20000 Demnach stellt sich die Schlegelflasche ("/» Liter) dieses edlen Tropfens auf 25 Käufer war eine Mainzer Weingroßhandlung.

Ungarische Giftmische rinnen. In der Gemeinde Szent-Tanms in Ungarn ist man einer- ganzen Reihe von scheußlichen Verbrechen auf die Spur gekommen. Vier Weiber wurden unter dem durch gewichtige Anzeichen gerechtfertigten Verdachte,

Giftmischerinnen zu sein, verhaftet. Das Haupt der Bande ist eine verwitwete Frau Pivnicski. Die Polizei verfolgte das Treiben dieser Frau seit längerer Zeit mit Aufmerksamkeit, allein erst dieser Tage brachte ein Zufall das schändliche Treiben dieser Megäre an die Sonne. Das Söhnchen ihres Geliebten, Alexander Legyenßki, kam in das Haus der Pivnicski, und da er Niemanden antraf, machte sich der Bursche über einen auf dem Tische stehenden Gänsebraten. Beim Essen erwachte erst recht sein Appetit und er öffnete alle Schränke, um etwas Eßbares zu finden. Statt dessen fand er eine Schachtel mit der AufschriftRatten­gift". Der Bursche, der die Pivnicski nicht leiden mochte, trug den Fund zur Polizei, eine Haussuchung förderte noch andere Gifte zu Tage, darunter Arsenik, welches die Giftmischerin solchen Frauen verkaufte, die ihre Männer los sein wollten, und darauf hin schritt man zur Verhaftung dieses entsetzlichen Weibes, welches beim Verhör Alles gestand und dabei sogar mehrere angesehene Damen der dortigen Gegend kom­promittierte. In Szt.-Tamäs selbst wurden drei Ex­humierungen vorgenommen, welche ergaben, daß die Betreffenden an Vergiftung gestorben seien, ebenso wurden in vier Nachbaroten Ausgrabungen angeordnet.

Litterarisches.

Josef Kürschner hat wieder einmal ein Büch­lein herausgegeben, wie nur er es versteht: einen echten Kürschner. Es heißt:Gekrönte Häup­ter" und ist bei der Deutschen Verlagsanstalt in Stuttgart erschienen. In Westentaschenformat, 444 Seiten stark, zu dem überaus billigen Preis von nur 50 Pf., sehr hübsch ausgestattet, mit einer Masse von Bildern geziert, enthält das Werkchen einen 6wbarru8 äo riobeWS an statistischen, politischen und persönlichen Notizen aller Art über unsere deutschen Fürstenhäuser und ihre Mitglieder. Was man auch-immer fragen mag, wenn das Gespräch auf solch ein Thema kommt, Kürschner weiß stets Auskunft zu geben, handelt es sich nun um Erbschaftsverhältnisse oder um Confessio» des regierenden Hauses, Civillistc, Größe des Landes und der wirtschaftlich benutzten Bodenfläche, Anzahl der Einwohner und ihre Verteilung nach Geschlecht, Confessio» und Dichtigkeit, Hauptstadt, Landesfarben, Wappen, Verfassung und Landesvertretung, admini­strative Einteilung; kurze Geschichte des Landes mit besonderer Berücksichtigung des regierenden Geschlechts; Biographie des regierenden Fürsten (mit Porträt und Facsimile der Handschrift), einschließlich der Regenten von Bayern und Braunschweig, die Gemahlinnen, Kinder und Gatten, Geschwister u. s. w. Weiter bietet das Büchlein eine Zusammenstellung der Ver­wandtschaftsverhältnisse jedes Hauses alphabetisch nach den Ländern, schließlich Angaben über die Orden mit Abbildung der wichtigeren derselben. Daß auch die Bürgermeister der freien Städte, sowie der Statt­halter von Elsaß-Lothringen nicht fehlen, ist selbst­verständlich. Wie Kürschner'sReichstagsalmanach", so werden auch Kürschner'sGekrönte Häupter" in keiner Bibliothek fehlen dürfen.

ihrige hinein, aber durch ihre schlanke Gestalt ging ein Zittern, und unfähig, ihre tiefe Bewegung zurückzuhalten, drückte sie mit der Linken das Taschentuch an die Augen.

O mein Gott!" flüsterte sie unter Thränen.Und meine ganze Hoffnung ruhte auf Ihnen!"

Könnte ich dies junge Menschenleben mit meinem eigenen retten, ich glaube nicht, daß ich zögern würde eS zu thun. Ich liebe das Kind, wie wenn es mein eigenes wäre, und nie habe ich die Ohnmacht meiner Wissenschaft vernichtender empfunden, als an diesem kleinen Krankenbett! Aber wir sollen darum nicht kleinmütig und unthätig verzweifeln. Noch ist uns nicht jede Hoffnung genommen, nd wenn es uns dennoch bestimmt wäre, zu unterliegen, so sei cs nur nach einem derftand bis zum Aeußersten!"

In dem Bettchen regte sich's und Alice befreite ihre Hand, die Nordenfeld, R ohne es zu wissen, noch immer gehalten. Guido war erwacht und seine

^inderaugen, welche die Krankheit unnatürlich groß gemacht hatte, hefteten erträumtem und staunendem Ausdruck auf die vor ihm Stehenden. Dann es wie sonniges Aufleuchten über sein schmales Gesichtchen, mit All­st. b er die kleinen Arme empor, und seine feine, wundersam zu Herzen

geh ne ertönte:

'aimund lieber Onkel Raimund!" den von Krankenbetten hatte Nordenfeld gestanden und seine Nerven waren g m alle die zahllosen Aeußerungen menschlichen Jammers und

menschlich. Wng, die wenigen Worte aus dem Munde dieses Kindes aber,

das ihm au ' Pein und Not lächelnd die Händchen entgegenstreckte, als

dem inbrünst Retter, der es von seinem heißen Martcrpfühl erlösen

würde, die) Worte brachten Sekunden lang seine Selbstbeherrschung

ins Wanken.

Mit halb e ckter Stimme einige liebkosende Worte murmelnd, beugte er sich auf den kleinen Patienten herab» um ihn zu küssen, und Alice, die an der anderen Seite des Lagers niedergekniet war, sah, daß eine Thräne an seinen Wimpern hing.

Du bleibst nun immer bei mir, lieber Onkel Raimund!" flehte das Kind. Guido's Kopf thut so weh, aber Du machst ihn wieder heil, nicht wahr?"

Und sein Händchen, das so weiß und fein war wie ein Blütenblatt, fuhr schmeichelnd über die Wange des Professors. Nordcnfeld sprach ihm freundlich und tröstend zu, und der Knabe blieb still und geduldig, so lange er sein Gesicht vor sich sah. Aber der Professor durste seine Stellung nicht verändern, bis die lähmende Mattigkeit des Fiebers die großen, flehenden Kinderaugen abermals geschlossen hatte. Dann mahnte ihn Alice mit jener herzlichen und unbefangenen Vertraulichkeit, wie sie ein großes, gemeinsames Interesse zwischen zwei Menschen rasch zu schaffen ver­mag, nun auch an sich selber zu denken.

Wir haben nicht viel überflüssigen Raum hier in der Villa," sagte sie,und Sie müssen darum vorbei» nehmen mit dem Zimmerchen, das ich Ihnen in aller Heimlichkeit habe Herrichten lasten. Denn Sie werdendoch bei uns wohnen, nicht wahr?"

Nordenfeld zauderte mit der Antwort, aber ein Blick auf Guido bestimmte seinen Entschluß.

Ich hatte freilich bereits Quartier im Gasthof bestellt," sagte er,aber wie die Dinge hier l-'"cn, halte ich cs für meine Pflicht, ohne Rücksicht auf etwaiges Gerede, Ihren freundlichen Vorschlag anzunehmen.

In diesem armen kleinen Körper da bereiten sich Krisen vor, welche in jedem Augenblick das Eingreifen des ArzteS fordern können, und meine werten französischen College» werden wir ohnedies verabschieden müssen. Vermutlich haben Sie sich bis­her mit der Fürstin in die Pflege des Kranken geleckt.

Alice errötete und die Antwort bereitete ihr merkliche Verlegenheit.

Meine arme Schwester, die ihrem Kinde so gern jeden Liebesdienst leisten würde, leidet schwer unter einer unerklärlichen Laune Guido's. Wie seltsam es auch klingen mag, er fürchtet sich vor ihr, und seine fieberhafte Unruhe wächst auf da» Bedrohlichste, sobald er sie nur in seiner Nähe erblickt!"

(Forts, folgt.)