Beilage zum „Calwer Wochenblatt
Nro. 52.
NachdnlÄ verboten
Die Spionin.
Roman-aus dem russischen Nihilistenleben.
Nach den Aufzeichnungen eines Petersburger Polizeibeamten.
Von Willibald Mencke.
(Fortsetzung.)
„Warum soll ich nicht hier mein Glück versuchen?" erwiederte der Angeredete.
„Hoffentlich wird es Dir so freundlich zulächeln wie mir."
„Ah! Du bist zufrieden?"
„Ich habe zweitausend Rubel gewonnen. Das ist immerhin etwas."
„Und Du gehst schon?"
„Ich muß eine Dame bei den Italienern abholen. Nimm meinen Platz! Er wird Dir hoffentlich ebenso viel Glück bringen wie mir. Adieu, mein Freund!"
„Besten Dank. Adieu, man ober!"
Der junge Mann, welchen sein Freund Alexander genannt hatte, nahm an dem Spieltische Platz und zog sein Portefeuille hervor. Er begann damit, daß er 100 Rubel auf Rot setzte.
„Lou^s 8KKNS et conlsur!" rief der Marquis aus, nachdem er nun die beiden Reihen aufgelegt hatte.
Das war das erste und einzige Mal, daß Alexander hier siegreich war. Nach Verlauf einer halben Stunde war sein Portefeuille leer. Er hatte mehr als zehntausend Rubel verloren. Keine Miene auf seinem schönen Gesichte hatte sich dabei verlogen; nur seine Wangen hatten sich leicht gerötet.
Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück und drehte die Spitzen seines schwarzen Schnurrbärtchens, als denke er darüber nach, ob er wohl gehen oder bleiben solle.
„Fünftausend Rubel auf Rot!" rief er dann plötzlich aus.
„I'avvkpt wonsionr", bemerkte Herr Marquis. Er legte die Karte auf und mit derselben ruhigen und monotonen Stimme verkündete er das Resultat: „Louxs xsrä, Is. eonleur As-Kns."
Der junge Mann zog eine Visitenkarte aus seinem Portefeuille heraus und schrieb mit einem Bleistift darauf: „Von xour eingus milles ronbles." Dann überreichte er die Karte dem Banquier.
„Entschuldigen Sie, mein Herr", bemerkte dieser, „ich habe nicht die Ehre- Sie persönlich zu kennen, und falls Sie gesonnen sind, in dieser Weise weiter zu spielen, so muß ich Sie bitten, mir einen mir bekannten Herrn dieser achtungswerten Gesellschaft zu nennen, dessen Bürgerschaft die Garantieen vervollständigt, die schon —"
Können Sie nicht lesen, mein Herr?" unterbrach ihn der junge Mann, indem er die Worte hervorstieß, während zugleich eine dunkle Röte in seinem Gesichte aufstieg.
„Ich denke wohl, mein Herr, und der Name, den ich auf Ihrer Karte gelesen habe, ist mir nicht unbekannt. Aber ich sprach auch nur von einer Vervollständigung der Garantieen, die mir dieser Name schon giebt, und da Sie entschlossen zu sei» scheinen, ein hohes Spiel ohne materiellen Einsatz zu spielen, so begreifen Sie wohl —"
„Ich begreife nichts, als daß Sie ein Elender sind!" rief der junge Mann aus, indem er von seinem Sitze aufsprang.
„Mein Herr!" Der Marquis hatte sich in seiner gamen Größe aufgerichtet und eine Pose angenommen, die eines alten französischen Legitimsten würdig war.
„On arravgsra es xstit atkairs!-' fuhr er dann fort, indem er sich wieder setzte, „Llsssisurs, kaltes votrs jeu!"
Er flüsterte einem Bekannten ein paar Worte ins Ohr, der dann auf die andere Seite des Tisches hinüberging, um den jungen Menschen aufzusuchen.
„Unterdessen erlauben Sie mir wohl, Herr Fürst", bemerkte auf einmal ein kleiner, breitschulteriger Herr in der Nähe des Banquiers in russischer Sprache, „daß rch Ihre Karte auslöse?" Und indem er dem Banquier ein Bündel Noten zuschob, fügte er hinzu: „Hier sind fünftausend Rubel. Ich bitte um die Karte des Herrn Fürsten."
Der Banquier reichte ihm die Visitenkarte und nahm das Geld an sich.
„Ich weiß nicht, mein Herr, wie Sie dazu kommen, Geld für mich zu zahlen", - sagte jetzt der junge Fürst zu dem Unbekannten, der seinen Bon mit einer so bedeuten
den Summe Geldes eingelöst hatte. „Ich kenne Sie nicht", fügte er lächelnd hinzu, „und ich kann daher sagen, wie andere Leute: ich weiß nicht, ob Sie mir sicher genug sind."
„Ich bitte Eure Durchlaucht ausdrücklich darum, mir zu gestatten, daß ich Ihnen diesen kleinen Dienst erweise. Mein Name ist Stephan Goluboff, ein guter Russe, mein Fürst, der in Ihnen den Träger eines der erlauchtesten Namen unseres Vaterlandes verehrt. Ich kann nicht annehmen, daß Sie an der Bank dieses Herrn da noch weiterspielen, sonst würde ich mich beeilen, Eurer Durchlaucht 100,000 Rubeln zur Verfügung zu stellen, die in einer Viertelstunde in Ihren Händen sein können."
„Bravo! Bravo!" — murmelten mehrere Stimmen.
„1s vvus xris, messisurs, kaltes votrs ssu!" — begann der Marquis von Neuem.
Mittlerweile hatte sein Abgesandter den jungen Fürsten angesprochen und ihn ersucht, ihm seine Sekundanten zu nennen. Zwei Herren der Gesellschaft erhoben sich und stellten sich ihm zur Verfügung.
„Ich bin im Restaurant zu treffen", sagte der Fürst, indem er seinen Hut ergriff, „und ich bitte Sie, mir das Resultat Ihrer Verhandlungen dorthin zu überbringen. Und wohin, mein Herr", wandte er sich dann an den Unbekannten — „kann ich Ihnen das Geld überschicken?"
„Wenn Sie mir erlauben wollen, Durchlaucht, so begleite ich Sie in das Restaurant."
„Ich bitte darum, mein Herr!"
Eine Viertelstunde später saßen die beiden Männer, die auf eine seltsame Weise mit einander bekannt geworden waren, in einem kleinen Separatzimmer des Restaurants.
„Gestatten Sie mir zunächst, mein verehrter Herr", begann der Fürst die Unterhaltung, „daß ich eine Bemerkung richtig stelle, die ich vorhin fallen ließ. Wenn mir auch heute erst unter so eigentümlichen Umständen das Vergnügen Ihrer persönlichen Bekanntschaft zu Teil wurde, Ihr Name war mir nicht unbekannt. Wer hat nicht schon von dem reichen Goluboff gehört? Sie sind, wenn ich nicht irre, der Sohn des Herrn Goluboff?"
„Sein Neffe, Durchlaucht, den er aber an Sohnesstatt angenommen hat. Ich bin Teilhaber des Geschäftes und ein viel zu vorsichtiger Geschäftsmann, als daß ich ein Vergnügen daran finde, durch mein Spiel an dem Nrsute-et-guarants- Tisch zu dem Lebensunterhalt des Herrn Marquis de l'Orme das Meinige beizutragen. Ich glaubte, einen Freund in dem Speisesaal zu treffen, der mich in das Restaurant bestellt hatte, und da ich ihn auch dort im Spielzimmer nicht vorfand, so stellte ich mich einen Augenblick an den grünen Tisch, um dem Spiel zuzufehen. So wurde ich Zeuge jener Scene, die die Taktlosigkeit dieses albernen Franzosen heraufbeschwor."
„Na, so ganz im Unrecht war er im Ganzen nicht" — meinte der Fürst. „Er macht ja die Honneurs des Salons, und ich habe versäumt, mich ihm persönlich vorstellen zu lassen."
„Aber Ihr Name — mein Fürst —"
„Dieser Name mag für einen Russen wie Sie einen besseren Klang haben als für den Franzosen. Ich begreife am Ende auch, daß er Ihnen gewichtig genug erschienen, um meine Karte mit fünftausend Rubeln auszulösen. Aber sind Sie wirklich der vorsichtige Geschäftsmann, den Sie sich genannt haben, wenn Sie mir eine Summe von hunderttausend Rubeln zur Verfügung stellen?"
„Halten Sie mich beim Wort, mein Fürst. Ich bin auch jetzt noch bereit, Ihnen diese Summe ohne Sicherstellung auf beiiebige Zeit vorzustrecken."
„Dann wissen Sie nicht, mit wem Sie es zu thun haben. Gewiß, ich bin der Erbe eines glanzvollen Namens und eines bedeutenden Vermögens. Aber Sie irren, wenn Sie annehmen, daß meine Hilfsquellen unerschöpflich sind. Meine Familie hat durch die Aufhebung der Leibeigenschaft mehr als ein Drittel ihres Vermögens verloren. Die Liebhaberei und das luxuriöse Leben eines jungen russischen Aristokraten haben fast Alles verschlungen, was mir mein Vater hinterlaffen hat. Erst gestern hat mir mein Intendant erklärt, daß ihm zur Deckung einiger zu Neujahr fälliger Wechsel nichts übrig bleibt, als mein Palais am englischen Quai zu verkaufen."
(Fortsetzung folgt).
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